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OLG Bamberg Beschluss vom 12.12.2005 - 3 Ss OWi 1354/2005 - Unwirksame Zustellung des Bußgeldbescheides, wenn Betroffener unter der Adresse nicht wohnt

OLG Bamberg v. 12.12.2005: Unwirksame Zustellung des Bußgeldbescheides, wenn Betroffener unter der Adresse nicht wohnt




Das OLG Bamberg (Beschluss vom 12.12.2005 - 3 Ss OWi 1354/2005) hat entschieden:

  1.  Auch dann, wenn der Betroffene eine wesentliche Ursache für das Scheitern einer wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheids gesetzt hat, setzt eine wirksame Ersatzzustellung des Bußgeldbescheids in der Wohnung des Betroffenen (§ 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 1 BayVwZVG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) voraus, dass er unter der Zustellanschrift tatsächlich seine Wohnung unterhält. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten ist nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen (Annahmeverweigerung) von Bedeutung.

  2.  Die wirksame Ersatzzustellung des Bußgeldbescheids in die Geschäftsräume (§ 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 1 BayVwZVG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) setzt voraus, dass es sich um Geschäftsräume gerade des Betroffenen handelt. Für in dem Erwerbsgeschäft tätige Personen oder den Geschäftsführer einer GmbH kann ein solcher Geschäftsraum nicht Ort eine diese persönlich betreffenden Ersatzzustellung sein.

  3.  Die gemäß § 26 Abs. 3 2. Halbsatz StVG an den Erlass des Bußgeldbescheids gekoppelte Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate wird nur dann wirksam, wenn er binnen zwei Wochen wirksam zugestellt wird. Erweist sich die Zustellung als unwirksam, wird mit dem Erlass des Bußgeldbescheids auch dann keine Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate bewirkt; wenn nach dem Erlass des Bußgeldbescheids andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen wirksam getroffen werden. Im Falle der nur „verspäteten“, aber wirksamen Zustellung wäre der Zeitpunkt der späteren wirksamen Zustellung selbst dann für den Beginn der sechsmonatigen Verjährungsfrist maßgeblich, wenn zwischen dem Erlass und der Zustellung andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen getroffen werden. Allein mit dem Erlass des Bußgeldbescheids kann keine Unterbrechenswirkung herbeigeführt werden (Anschluss an BGHSt 45, 261/263 ff.).

  4.  Die bloße Terminsaufhebung samt Abladung genügt nicht den Anforderungen des Unterbrechungstatbestandes des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG.

Siehe auch
Zustellung und Ersatzzustellung - Zugang von Schriftstücken und Bescheiden
und
Zustellung und Ersatzzustellung in Straf- und OWi-Sachen


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Einstellung des Verfahrens.

Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat der Senat von Amts wegen zu überprüfen, ob ein Verfahrenshindernis besteht. Dies ist hier der Fall. Einer Fortsetzung des Verfahrens steht das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegen, weshalb das Verfahren vom Amtsgericht gemäß § 206a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG einzustellen gewesen wäre. Der Senat holt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils diese Entscheidung nach (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO).

Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate (§§ 24, 26 Abs. 3 StVG). Die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit wurde am 16.11.2004 begangen. Ohne eine verjährungsunterbrechende Handlung wäre die Tat demnach ab dem 16.02.2005 verjährt (zur Berechnung vgl. Göhler OWiG 14. Aufl. § 31 Rn. 16).

1. Wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend beanstandet, wurde die Verjährung vorliegend nicht durch den Erlass des Bußgeldbescheides der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt vom 02.12.2004 unterbrochen. Denn die Unterbrechenswirkung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG setzt in jedem Falle voraus, dass der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt wird. Die Ersatzzustellung vom 06.12.2004 erfüllt diese Voraussetzungen jedoch nicht:

a) Gemäß § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 1 BayVwZVG in Verbindung mit § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO setzt eine wirksame Ersatzzustellung in der Wohnung voraus, dass "die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung ... nicht angetroffen“ wird und das zuzustellende Schriftstück "in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner“ übergeben wird. Diese Voraussetzungen waren bei der Zustellung vom 06.12.2004 jedoch nicht erfüllt, weil der Betroffene unter der Zustellanschrift tatsächlich keine Wohnung unterhielt (vgl. auch Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 37 Rn. 7 f.). Daran ändert nichts, dass der Betroffene möglicherweise selbst eine wesentliche Ursache für das Scheitern einer wirksamen Zustellung dadurch gesetzt hat, dass er anlässlich seiner unmittelbar nach Durchführung der Geschwindigkeitsmessung am 16.11.2004 erfolgten polizeilichen Anhörung unter der Rubrik „Pflichtangaben“ auf der Rückseite des Erfassungsbelegs als „Wohnort“ die Firmenanschrift im Anwesen A.-Straße angegeben hat, obwohl er tatsächlich im Anwesen K.-Straße wohnte. Denn ein gegebenenfalls rechtsmissbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten ist nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen (Annahmeverweigerung) von Bedeutung (OLG Koblenz StraFo 2005, 197/198).




b) Auch eine wirksame Ersatzzustellung des Bußgeldbescheids in die Geschäftsräume gemäß § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 1 BayVwZVG in Verbindung mit § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist nicht erfolgt. Zwar kann gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an eine dort beschäftigte Person zugestellt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um Geschäftsräume gerade des Zustellungsadressaten handelt. Für in dem Erwerbsgeschäft lediglich tätige Personen kann ein solcher Geschäftsraum jedoch nicht Ort einer diese Personen persönlich betreffenden Ersatzzustellung sein (Zöller ZPO 25. Aufl. § 178 Rn. 15; Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 178 Rn. 15). Ist der Betroffene - wie hier - Geschäftsführer einer GmbH, gilt nichts anderes. Denn der Geschäftsführer einer GmbH ist regelmäßig (nur) Angestellter („Gewerbegehilfe“) der Gesellschaft und nicht selbst Gewerbetreibender; als solcher handelt der Geschäftsführer nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern im Namen und für Rechnung der GmbH (BayObLGSt 1985, 113/114 f.). Die Zustellung ist deshalb unwirksam, wenn der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Vertreter persönlich und nicht die juristische Person als solche betrifft (KK-Lampe OWiG 2. Aufl. § 51 Rn. 34).

c) Aufgrund der Unwirksamkeit der Zustellung wurde mit dem Erlass des Bußgeldbescheids am 02.12.2004 auch keine Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate (§ 26 Abs. 3 2. Halbsatz 2 StVG) ausgelöst. Dass nach dem Erlass des Bußgeldbescheids andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen wirksam getroffen wurden, ist ohne Belang. Denn die Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate wird mit dem Erlass des Bußgeldbescheids nur dann wirksam, wenn dieser binnen zwei Wochen zugestellt wird. Im Falle der nur „verspäteten“, aber wirksamen Zustellung wäre der Zeitpunkt der späteren wirksamen Zustellung selbst dann für den Beginn der sechsmonatige Verjährungsfrist maßgeblich, wenn zwischen dem Erlass und der Zustellung andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen getroffen werden (BGHSt 45, 261/263 ff.). Mangels einer wirksamen - auch späteren - Zustellung konnte vorliegend allein mit dem Erlass des Bußgeldbescheids keine Unterbrechenswirkung herbeigeführt werden.

2. Verfolgungsverjährung trat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde allerdings nicht schon mit Ablauf des 15.02.2005, sondern erst mit Ablauf des 03.05.2005 ein.



Die Verjährung wurde zunächst - und zwar unabhängig von der Frage der wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheids - gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG mit dem Eingang der Akten beim Amtsgericht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 OWiG am 03.02.2005, mithin innerhalb der Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 3 1. Alternative StVG, wirksam unterbrochen. Eine weitere wirksame Unterbrechungshandlung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG bildete sodann die Terminsanberaumung vom 04.02.2005.

Demgegenüber vermochte die weitere Terminsbestimmung vom 04.05.2005 nicht nochmals die Unterbrechungswirkung herbeiführen, weil der von der Terminsbestimmung am 04.02.2005 ausgehende dreimonatige Unterbrechungszeitraum bereits einen Tag zuvor, nämlich mit Ablauf des 03.05.2005, endete und eine zwischenzeitliche weitere richterliche Unterbrechungshandlung nicht festzustellen ist. Insbesondere genügte die durch das Amtsgericht mit Verfügung vom 27.04.2005 angeordnete Aufhebung des Termins vom 19.05.2005 samt Abladung nicht den Anforderungen des Unterbrechungstatbestandes des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG, der im Interesse der Rechtssicherheit zwingend verlangt, dass ein (neuer) Termin - auch datumsmäßig - bestimmt wird (vgl. OLG Jena ZfSch 1998, 277; Göhler § 33 Rn. 38 m.w.N.).

III.

Mit Ablauf des 03.05.2005 war somit Verfolgungsverjährung eingetreten, mithin das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 206a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG einzustellen.

Damit verlieren die Entscheidung des Amtsgerichts und der Bußgeldbescheid ihre Wirkung. Zur Klarstellung wurde die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Beschlusstenor ausdrücklich ausgesprochen. ..."

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