Das Verkehrslexikon

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OLG Brandenburg Urteil vom 18.07.2001 - 14 U 159/99 - Eine im Krankenhaus entnommene Blutprobe ist unter Berücksichtigung eines erhöhen Sicherheitsabschlages zivilgerichtlich verwertbar

OLG Brandenburg v. 18.07.2001: Eine im Krankenhaus entnommene Blutprobe ist unter Berücksichtigung eines erhöhen Sicherheitsabschlages zivilgerichtlich verwertbar


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 18.07.2001 - 14 U 159/99) hat entschieden:

  1.  Kommt ein alkoholisierter Kraftfahrer in einer Linkskurve und innerorts bei erheblich überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn ab, dann hat er den Kaskoversicherungsfall grobfahrlässig herbeigeführt, sodass der Fahrzeugversicherer leistungsfrei ist.

  2.  Auch eine Blutalkoholkonzentration, deren Ergebnis auf einer einzigen Analyse des nach Verletzungen im Krankenhaus entnommenen Blutes beruht, ist unter Berücksichtigung eines erhöhen Sicherheitsabschlages zivilgerichtlich verwertbar.

  3.  Die Revision wird zu der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ergebnis einer Blutalkoholuntersuchung auch dann verwertet werden kann, wenn es lediglich auf einem Analysewert beruht.


Siehe auch
Blutentnahme / Blutprobe
und
Vertauschen von Blutproben / Identitätsgutachten

Zum Sachverhalt:


Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer mit ihr abgeschlossenen Vollkaskoversicherung in Anspruch auf Grund eines Verkehrsunfalls, der sich am 7. Februar 1997 gegen 04:20 Uhr auf der N Chaussee in A, Ortsteil S Se, ereignete.

Der Kläger befuhr die N Chaussee, deren Fahrbahn nach seinem Vorbringen "feucht-schmierig" war, mit seinem bei der Beklagten vollkaskoversicherten Pkw der Marke Honda Accord in Richtung A. Im Ortsteil S/Se, in dem für die N Chaussee die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h galt, verlor er ausgangs einer Linkskurve die Gewalt über sein Fahrzeug. Es gelang ihm nicht, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen, so dass er hinter der Kurve nach rechts von der Fahrbahn abkam. Der Pkw streifte zunächst einen Straßenbaum und kollidierte sodann frontal mit einem weiteren Straßenbaum; dabei erlitt er einen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, das nach dem Unfall nur noch Schrottwert hatte, belief sich auf 31.700,00 DM.

Der Kläger wurde durch den Unfall schwer verletzt. Er wurde in bewusstlosem Zustand in das Krankenhaus St eingeliefert, wo ihm ein Bein, dessen Unterschenkel bereits durch die Wucht des Anstoßes abgetrennt worden war, amputiert werden musste. Zur Vorbereitung der Operation wurde eine Blutuntersuchung durchgeführt. Dabei wurde die dem Kläger unmittelbar nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus gegen 05:30 Uhr entnommene Blutprobe mittels des ADH-Verfahrens auf ihre Ethanolkonzentration untersucht. Mit Schreiben vom 20. Mai 1998 setzte der den Kläger behandelnde Arzt Dr. K die Beklagte davon in Kenntnis, dass die Analyse der dem Kläger entnommenen Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,12 ‰ ergeben habe und das Analysegerät kalibriert gewesen sei. Unter dem 15. Dezember 1998 teilte Dr. K dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erster Instanz mit, dass es sich bei dem Verfahren zur Blutalkoholbestimmung um eine klinisch-chemische Methode handele, bei der die Toleranzbreite 15 % betrage.

Ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem die den Kläger behandelnden Ärzte den Ermittlungsbehörden keine Angaben über das Ergebnis der Blutuntersuchung gemacht hatten, weil der Kläger sie nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden hatte.

Der Kläger begehrt abzüglich der mit der Beklagten vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,00 DM seinen Fahrzeugschaden in Höhe von 30.700,00 DM von der Beklagten ersetzt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hiergegen blieb erfolglos.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Beklagte ist gem. § 61 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung aus der Vollkaskoversicherung frei, weil der Kläger den Verkehrsunfall - und damit den Versicherungsfall - durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt und ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten voraus. Sie liegt dann vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt wurde und auch dasjenige unbeachtet blieb, was im betreffenden Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. etwa BGH VersR 80, 180 ; OLG Köln VersR 86, 229 , 230; OLG Karlsruhe VersR 92, 1507 ; Prölls/Martin, VVG 26. Auflage § 6 Rn. 117 ff, § 61 Rn. 11 f).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße außer Acht gelassen, da er mit einem Personenkraftwagen am Straßenverkehr teilnahm, obwohl er alkoholbedingt relativ fahruntüchtig war. Davon ist aufgrund der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme auszugehen.

Der Kläger bestreitet zwar, vor Antritt der Fahrt Alkohol zu sich genommen zu haben. Diese Einlassung ist jedoch widerlegt. Die ihm am 7. Februar 1997 gegen 05:30 Uhr entnommene - allerdings lediglich einmal nach dem ADH-Verfahren analysierte - Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1.12 ‰ auf. Die Blutprobe ist weder unverwertbar noch vertauscht worden. Diese Feststellung ergibt sich einerseits aus der Aussage des Dipl.-Chemikers Dr. E, andererseits aus den Bekundungen der medizinisch-technischen Assistentin S. Nach der Aussage der letztgenannten Zeugin steht fest, dass vor der eigentlichen Blutalkoholbestimmung das Alkoholmessgerät von ihr kalibriert worden ist. Die Zeugin hat Entsprechendes definitiv bestätigt, indem sie ausgesagt hat:

   "Vor der Blutuntersuchung habe ich die Kalibrierung vorgenommen ... Ich wiederhole, ich habe also die Qualitätskontrolle vorgenommen, bevor ich den Blutalkoholgehalt bestimmt habe ... Ich schließe aus, dass ich die Kalibrierung vergessen habe".

Auch ein Vertauschen der Blutprobe hat sie ausgeschlossen, indem sie ausgesagt hat:

   "Es kommt schon mal vor, dass auch unbekannte Personen bei uns eingeliefert werden. Dann steht auf der Blutprobe Unbekannt drauf, also nicht der Name, Vorname und das Geburtsdatum. Die Karte allerdings ist codiert. Auf diese Weise ist ausgeschlossen, dass die Blutprobe einer anderen Person zugeordnet wird."

Der Dipl.-Chemiker Dr. Kl hat im Zusammenhang mit der Frage, ob das Gerät zuvor von der Zeugin S kalibriert worden sei, Entsprechendes ebenfalls uneingeschränkt bejaht und plastisch hinzugefügt, dass das Gerät nicht messen, also keinen Messwert auswerfen würde, wenn die Kalibrierung zuvor unterblieben wäre. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich ausnahmsweise im vorliegenden Fall anders verhalten haben sollte, zumal da es mehr als unwahrscheinlich ist, dass die in dem Untersuchungsbefund aufgeführten Laborwerte zwar den Kläger betreffen, der in diesem Befund dokumentierte Blutalkoholwert ihm jedoch nicht zugerechnet werden könne.




Steht damit die Kalibrierung des Analysegerätes fest und ist ein-Vertauschen der Blutprobe ausgeschlossen, so kann allerdings aufgrund des vorliegenden Untersuchungsergebnisses nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 ‰ und damit im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit geführt hat. Die dem Kläger entnommene Blutprobe wies zwar eine Ethanolkonzentration von 1,12 ‰ auf. Dieser Wert kann der Entscheidung allerdings nicht zugrunde gelegt werden, weil die entsprechende Alkoholisierung des Klägers nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht.

Für den Nachweis der Ethanolkonzentration einer Blutprobe kommen verschiedene Methoden in Betracht, nämlich das Verfahren nach Widmark, die ADH-Methode und die gaschromatographische Methode. Sie ermöglichen zwar keine absolute Genauigkeit, aber die Ermittlung von Annäherungswerten, wobei nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung bei genügend zahlreichen, unter gleichen Umständen vorgenommenen Messungen das arithmetische Mittel dem wirklichen Wert am nächsten kommt. Forensisch ausreichend ist eine Kombination aus dreimaliger Untersuchung nach Widmark und zweimaliger Untersuchung nach ADH, wobei die Untersuchungen nach Widmark oder ADH auch durch zwei gaschromatographische Bestimmungen ersetzt werden können (vgl. zu allem etwa BGH VersR 88, 950 ; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 8. Aufl. Rn. 56 ff.; Hentschel Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 316 StGB Rn. 52; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 316 Rn. 8 a, 8 c mwN).

Hier ist die dem Kläger entnommene Blutprobe lediglich einmal nach dem ADH-Verfahren untersucht worden. Infolgedessen ist die Aussagekraft des so gewonnenen Ergebnisses erheblich eingeschränkt. Welcher Beweiswert einem nur nach einer Untersuchungsmethode ermittelten Analyseergebnis zukommt, ist umstritten. In der Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, dass ein solches Analyseergebnis die Feststellung einer bestimmten Blutalkoholkonzentration nicht erlaube, weil mangels hinreichender Kontrolluntersuchungen die Gefahr von Fehleinschätzungen nicht ausgeschlossen sei (so OLG Stuttgart, VRS 66, 450 ; OLG Nürnberg, VersR 94, 167 ). Danach hat ein lediglich nach einer Untersuchungsmethode ermitteltes Analyseergebnis lediglich indizielle Bedeutung für eine Alkoholisierung, sofern es sich um einen erheblichen Wert handelt (OLG Stuttgart, a.a.O.). Demgegenüber wird überwiegend davon ausgegangen, dass auch ein nur nach einer Untersuchungsmethode ermitteltes Analyseergebnis auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration schließen lasse, wobei etwaige Fehleinschätzungen dadurch ausgeschlossen werden sollen, dass ein großzügiger Sicherheitsabschlag vorgenommen wird, dessen Ausmaß in freier Beweiswürdigung zu bestimmen ist (so etwa OLG Hamm NJW 74 2064; ZfS 95, 308 ; Hentschel a.a.O. Rn. 70 f., Rn. 53 mwN).

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob einem nur nach einer Untersuchungsmethode gewonnenem Analyseergebnis lediglich indizielle Bedeutung für eine Alkoholisierung zukommt oder ob daraus, wie die herrschende Meinung annimmt, auf eine bestimmte Blutalkoholkonzentration geschlossen werden kann. Denn das Ergebnis der Entscheidung wird davon nicht beeinflusst; die Klage hat bei Zugrundelegung beider Rechtsansichten keinen Erfolg.

Nach dem gerichtsärztlichen, von dem Sachverständigen Dr. Se erstatteten Gutachten war der Kläger infolge alkoholischer Beeinflussung zum Unfallzeitpunkt relativ fahruntauglich. Der Gutachter hat sich eingehend mit der Frage der Verwertbarkeit nicht nach den allgemeinen Vorschriften gewonnener Messergebnisse auseinandergesetzt und jedenfalls im Kern festgestellt, dass die Blutalkoholbelastung des Klägers zum Entnahmezeitpunkt unter Berücksichtigung eines zu dessen Gunsten zu berücksichtigenden Sicherheitszuschlages 0,74 ‰ betrug. Dass eine Rückrechnung, bezogen auf den Unfallzeitpunkt (04:20 Uhr), nicht möglich ist, hat der Gutachter ebenfalls ausgeführt, allerdings ergänzend darauf aufmerksam gemacht, dass die Tatzeit-BAK bei 0,85 ‰ gelegen haben kann, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Trinkende mindestens 2 Stunden vor dem Vorfall lag unter Berücksichtigung eines Rückrechnungszeitraumes von 1 Stunde und 10 Minuten unter Zugrundelegung des geringsten Abbauwertes von 0,1 ‰/h.


Ob entsprechend dem überzeugend begründeten Sachverständigengutachten als maßgeblicher Mindest-Alkoholwert eine Blutalkoholkonzentration von 0,74 ‰ zugrunde zu legen oder davon noch ein weiterer Sicherheitsabschlag von 0,1 ‰ abzuziehen ist, um alle theoretischen Bedenken auszuschließen, kann im Ergebnis offen bleiben, da auf jeden Fall feststeht, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert war.

Gegenteiliges ergeben die Angaben der vom Senat vernommenen Ehefrau des Klägers, der Buchhalterin E B, nicht. Denn deren Aussage ist, soweit es die Frage betrifft, ob ihr Ehemann vor dem Unfallereignis zu Hause alkoholische Getränke konsumiert hatte, inhaltlich nicht ergiebig und deshalb ohne Beweiswert. Dass die von einem Freund ihres Mannes über das Unfallgeschehen in Kenntnis gesetzte Zeugin in der Küche keine leeren Alkoholflaschen oder Gläser gesehen hat, ist ebenso ohne Belang wie ihre Bekundung bedeutungslos ist, dass der Freund des Klägers beim Ausräumen des Fahrzeuges und Entleeren des Angelrucksackes keine alkoholischen Getränke in dem Rucksack festgestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass - wie auch durch das übrige Beweisergebnis untermauert wird - der Kläger nachgewiesenermaßen blutalkoholbelastet war und im Übrigen Gelegenheit zum Alkoholkonsum u. a. auch in der Zeit von 03:30 Uhr bis 04:20 Uhr, also über einen Zeitraum von 50 Minuten hatte, nachdem er um 03:30 Uhr aufgestanden und die Zeugin B danach wieder eingeschlafen war.

Dass von alkoholbedingter relativer Fahruntüchtigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls auszugehen ist, wird durch das Unfallgeschehen und das Unfallrekonstruktionsgutachten des Sachverständigen, Dipl.-Ing. K L, bestätigt. Relative Fahruntüchtigkeit kommt auch dann in Betracht, wenn zwar die Blutalkoholkonzentration den allgemeinen Grenzwert von 1,1 ‰ - wie hier - nicht erreicht, zusätzliche Beweisanzeichen aber ergeben, dass der Alkoholgenuss zur unfallursächlichen Fahruntüchtigkeit geführt hat. Solche Beweisanzeichen folgen hier einerseits aus dem äußeren Unfallgeschehen, andererseits aber auch aus dem bereits genannten Gutachten des Dipl.-Ing. L.

Der Kläger hat ausgangs einer im Ortsteil S/Se - im Streckenabschnitt der N Chaussee - gelegenen Linkskurve die Gewalt über sein Fahrzeug verloren; er kam, ohne dass ein äußerer Grund dafür vorgelegen hätte, mithin ohne verkehrsbedingten Anlass von seiner Fahrbahn ab und stieß anschließend gegen einen Baum. Der Kläger hat den Fahrfehler mithin schon nach eigenem Vortrag in einer Verkehrssituation begangen, die von einem alkoholunbelasteten Fahrer in aller Regel ohne Schwierigkeiten bewältigt worden wäre. Einem nüchternen Fahrer hätte es nämlich keine Probleme bereitet, seine Fahrweise auf die Witterungsverhältnisse einzustellen und die Linkskurve sicher zu durchfahren. Für das Abkommen des Fahrzeugs von der Fahrbahn scheidet die angeblich "feucht-schmierige" Fahrbahnbeschaffenheit als Ursache aus. Der Kläger ist ausweislich der beigezogenen Beiakte, nach deren Verkehrsunfallanzeige die Fahrbahn im Übrigen trocken war, seit dem 6. August 1991 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 3, also bereits ein langjähriger, erfahrener Kraftfahrer, der eine solche Verkehrslage in nüchternem Zustand problemlos meistert. Unter diesen Umständen lässt sich der Unfall plausibel nur dadurch erklären, dass der Kläger sich infolge seiner alkoholbedingten Enthemmung zu leichtsinniger Fahrweise sowie überhöhter Geschwindigkeit hinreißen ließ und den Kurvenverlauf infolge seiner alkoholischen Beeinträchtigung falsch einschätzte. Dabei handelt es sich um einen Fahrfehler, der erfahrungsgemäß häufig von alkoholisierten Kraftfahrern begangen wird. Die Wirkung des Alkohols vermindert nämlich die Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsfähigkeit, während sich die Reaktionszeit verlängert und die Risikobereitschaft erhöht. Außerdem wird die Fähigkeit zum räumlichen Sehen sowie zur richtigen Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten durch Alkoholgenuss herabgesetzt. Gerade das zu späte Erkennen einer Kurve bzw. die Fehleinschätzung vom Kurvenverlauf und -radius stellen regelmäßig einen klassischen alkoholtypischen Fahrfehler dar (vgl. OLG Karlsruhe VersR 83, 292 ; 627; ZfS 86, 309 ; OLG Koblenz r + s 93, 289; Rüther, Die Gefährdung des Versicherungsschutzes durch Alkohol im Straßenverkehr, NZV 1994, 457 , 458).



Es kommt hinzu, dass nach dem Rekonstruktionsgutachten die Kollisionsgeschwindigkeit des vom Kläger gesteuerten Pkws beim ersten einleitenden Baumanstoß in der Größenordnung von 77 - 89 km/h lag, also die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten hatte. Zwar kann erhöhte unerlaubte Geschwindigkeit für sich genommen nicht ohne weiteres als alkoholbedingte Ausfallerscheinung angesehen werden. Bei einer Gesamtschau aller für die Entscheidung maßgeblichen Faktoren ist das Abkommen von der Fahrbahn bei gleichzeitig gegebener verhältnismäßig hoher Geschwindigkeitsüberschreitung nur dadurch zu erklären, dass der Kläger aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses weder den Kurvenradius noch die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges realistisch einzuschätzen vermochte und auch nach dem Abkommen von der Fahrbahn zu einer sachgerechten Reaktion nicht mehr in der Lage war.

Nach alledem steht fest, dass der Kläger mit einem Pkw am Straßenverkehr teilnahm, obwohl er zuvor in erheblichem Maße Alkohol getrunken hatte. Dieses Verhalten stellt einen schweren Verstoß gegen die objektiv erforderlich Sorgfalt dar; ein Fahrzeugführer, der seine Fahrt antritt, obwohl er vorher erhebliche Mengen Alkohol getrunken hat, handelt in ungewöhnlich hohem Maße nachlässig und lässt dasjenige unbeachtet, was im betreffenden Fall jedem hätte klar sein müssen. Das von dem Kläger an den Tag gelegte Verhalten ist auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbar; wer alkoholhaltige Getränke zu sich nimmt, weiß oder sollte wissen, dass er nicht als Führer eines Kraftfahrzeugs am Verkehr teilnehmen darf, zumal da es gesicherter Erfahrung der rechtsmedizinischen Wissenschaft entspricht, dass bereits im Bereich einer Blutalkoholkonzentration von 0,3 ‰ Beeinträchtigungen des psychisch-physischen Leistungsvermögens vorliegen, die eine Fahruntüchtigkeit zur Folge haben können (vgl. BGH VRS 47, 178 , 179). Auch dem Kläger dürfte zumindest die allgemeine Erkenntnis nicht fremd sein, dass erheblicher Alkoholkonsum zu Fehlreaktionen im Straßenverkehr führt. Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich das Rechtsmittel als erfolglos, weil zugunsten der Beklagten der Leistungsausschluss gem. § 61 VVG durchgreift.

...

Der Senat hat die Revision zu der im Tenor formulierten Frage zugelassen. Soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 1988 - VI ZR 8/87 ( NJW-RR 1988, 1376 , 1377) hat diese Frage ausdrücklich offengelassen. Von dieser Frage hängt die Entscheidung ab. Sie hat auch grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO . ..."

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