Nach einem Verkehrsunfall verlangt der Kläger Versicherungsleistungen in Höhe von 30.700 DM für den Totalschaden seines bei der Beklagten vollkaskoversicherten Pkw Honda Accord.
Er verlor am 7. Februar 1997 um 4.20 Uhr innerorts ausgangs einer Linkskurve die Gewalt über das Fahrzeug, welches infolgedessen von der Fahrbahn abkam, zunächst einen Straßenbaum streifte und sodann frontal gegen einen weiteren Baum prallte.
Der Kläger wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert. Ihm war ein Unterschenkel abgerissen worden. Zur Vorbereitung der erforderlichen sofortigen Beinamputation veranlasste der zuständige Anästhesist eine Blutalkoholbestimmung, die alsbald im Labor des Krankenhauses mittels eines automatischen ssgeräts, das nach der Alkoholhydrogenase-Methode (ADH-Methode) arbeitet, vorgenommen wurde. Es wurde lediglich eine ssung durchgeführt, welche für 5.30 Uhr, den Zeitpunkt der Blutprobenentnahme, einen Alkoholgehalt von 1,12 g/l Blutserum ergab. Für weitere Blutuntersuchungen zu Ermittlungszwecken blieb keine Zeit mehr.
Die Beklagte hält sich unter Berufung auf § 61 VVG für leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Er sei infolge Alkoholkonsums jedenfalls relativ fahruntauglich gewesen. Der Unfall sei die Folge typischer alkoholbedingter Fahrfehler, insbesondere überhöhter Geschwindigkeit.
Der Kläger bestreitet, vor der Fahrt Alkohol getrunken zu haben. Er meint, die nur einmalige Bestimmung des BAK-Wertes nach der ADH-Methode erlaube keine ausreichend sicheren Rückschlüsse auf eine Alkoholisierung und deren Grad und sei deshalb kein verwertbares Beweismittel.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision des Klägers blieb ebenfalls erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Zu Unrecht wendet sich die Revision gegen die Verwertung der nur auf einem einzigen ADH-Test beruhenden BAK-Bestimmung und gegen die durch das Berufungsgericht im übrigen vorgenommene Bewertung der Fahrfehler des Klägers.
1. Das Berufungsgericht durfte die Blutalkoholbestimmung für seine Überzeugungsbildung heranziehen.
Ob ein Fahrzeugführer infolge Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen, ist eine Tatfrage, die der Tatrichter grundsätzlich in freier richterlicher Beweiswürdigung klären muss.
a) Allerdings unterliegt er dabei Einschränkungen, die die Rechtsprechung unter Heranziehung medizinisch gesicherter Erfahrungssätze entwickelt hat. So ist - ungeachtet aller individuellen Unterschiede in der Alkoholtoleranz - ab einer ordnungsgemäß festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,1‰ von dem zwingenden medizinischen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Kraftfahrer nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen (absolute Fahruntauglichkeit, dazu BGHSt 37, 89 ff.; Schoknecht, NZV 1990, 104 ). Insoweit unterliegt die Beweiswürdigung des Tatrichters auch der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht ( BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 - IVa ZR 8/87 - VersR 1988, 950 unter I 2 a m.w.N.).
Bindungswirkung in diesem Sinne entfaltet die BAK-Bestimmung aber nur dann, wenn sie nach standardisierten Regeln getroffen worden ist, die einen hinreichend sicheren Ausschluss möglicher ss- und Berechnungsfehler gewährleisten. Bei der Analyse einer Blutprobe muss deshalb das ssergebnis dem arithmetischen Mittelwert aus einer Mindestzahl voneinander unabhängiger Einzelmesswerte entnommen werden. Werden diese nach dem Widmark- und dem ADH-Verfahren ermittelt, so sind insgesamt fünf Einzeluntersuchungen erforderlich. Wird das Widmark-Verfahren durch eine automatische gaschromatographische Analyse (GC) ersetzt, genügen je zwei Einzeluntersuchungen nach der ADH-Methode und der Gaschromatographie ( BGHSt 28, 1 , 2; vgl. auch BGHSt 21, 157 , 167; BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 aaO unter I 2 b). Das dient dem Zweck, mittels wechselseitiger Kontrolle der gewonnen Messergebnisse eine möglichst weitgehende Annäherung des Messergebnisses an den wahren BAK-Wert zu erreichen.
b) Eine solche mehrfach abgesicherte Blutalkoholbestimmung liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass es ihm damit verwehrt war, aus dem vermeintlichen Messergebnis von "1,12‰" BAK unter Rückgriff auf den anerkannten Grenzwert von 1,1‰ zu folgern, der Kläger sei absolut fahruntauglich gewesen.
Im Ergebnis wirkt es sich deshalb auch nicht aus, dass - was das Berufungsgericht übersieht - das Analysegerät des Krankenhauses eine Serumprobe analysiert und den ermittelten Wert nicht in Promille, sondern in Gramm Alkohol pro Liter Blutserum (g/l) ausgegeben hat. BAK-Werte beziehen sich hingegen üblicherweise auf Vollblut, sie werden in Milligramm Alkohol pro Gramm Vollblut (‰) angegeben. Das Berufungsgericht hätte deshalb eine Umrechnung vornehmen müssen, bei der das Ergebnis der Serummessung durch den Divisor 1,2 (der dem Quotienten der Wassergehalte von Serum - 91% - und Blut - 76% - entspricht) geteilt wird (vgl. dazu Schoknecht NZV 1990, 104 , 106). Die ssung hat in Wahrheit also nur 1,12 g/l oder 0,93‰ BAK ergeben.
c) Inwieweit eine auf zu wenigen Analysewerten beruhende BAK-Bestimmung für die Ermittlung der Alkoholisierung überhaupt herangezogen werden kann, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. dazu die Übersicht bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. StGB § 316 Rdn. 53). Teilweise wird eine Unverwertbarkeit des sswerts angenommen (so wohl OLG Nürnberg NJW-RR 1994, 97 = VersR 1994, 167 ). Vielfach wird demgegenüber lediglich die Feststellung eines bestimmten Promillewertes aufgrund solcher ssungen für unmöglich erachtet und stattdessen dem Messergebnis lediglich eine Indizwirkung zugebilligt, die erst im Zusammenspiel mit anderen Umständen den Schluß auf eine relative Fahruntauglichkeit des Betroffenen zulasse ( OLG Stuttgart VRS 66, 450 ; BayObLG NJW 1982, 2131 ). Schließlich wird eine nicht richtlinienkonforme BAK-ssung im Rahmen freier richterlicher Überzeugungsbildung dann als voll verwertbar angesehen, wenn das Gericht das Ergebnis einer Einzelanalyse unter Berücksichtigung der konkreten Umstände ihres Zustandekommens und unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse zur BAK-Bestimmung ausreichend würdige und insbesondere mit sachverständiger Hilfe einen Sicherheitsabschlag bestimme, der den Unzulänglichkeiten der ssung ausreichend Rechnung trage (OLG Hamm r+s 1995, 238; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15. Juni 1988 aaO unter I 2 e, wo die Frage der Verwertbarkeit von BAK-Bestimmungen auf der Basis zu weniger Einzeluntersuchungen aber offengelassen worden ist).
d) Die genannten Lösungsansätze stimmen darin überein, dass das Mdssergebnis einer nicht den Richtlinien des Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes vom 1966 (dazu BGHSt 28, 1 , 2) entsprechenden BAK-Bestimmung für sich genommen keine verläßliche Aussage über den Grad der Alkoholisierung erlaubt. Ein darüber hinausgehendes generelles Beweisverwertungsverbot für solche Einzelmeßwerte, welches den Tatrichter von vornherein zwänge, die Augen davor zu verschließen, dass - wenngleich auf statistisch zu schmaler Basis - Alkohol im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden ist, läßt sich rechtlich nicht begründen.
Vielmehr ist der Tatrichter zunächst lediglich an der Anwendung der von Medizin und Rechtsprechung erarbeiteten festen Beweisregeln für bestimmte Alkoholisierungsgrade (insbesondere des Grenzwertes von 1,1‰) gehindert. Das hat aber nur zur Folge, dass er die Frage der Alkoholisierung und der dadurch hervorgerufenen Ausfallerscheinungen unter Heranziehung aller Indizien in freier Beweiswürdigung klären muß. Das setzt voraus, dass er - zumeist mit sachverständiger Hilfe - danach fragen muß, welche Aussagekraft dem jeweiligen sswert konkret zukommt. Im Regelfall wird es sich anbieten, danach zu fragen, in welcher Höhe und in welchem Umfang das zugrundeliegende Analyseverfahren Abweichungen erwarten läßt, um so eine statistisch abgesicherte Aussage über die ssgenauigkeit und den maximal erforderlichen Sicherheitsabschlag zu gewinnen (dazu Grüner/Ludwig, Blutalkohol Vol 27/1990 , 316 ff.).
e) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - dem Sachverständigen folgend - statt dessen die in Rede stehende ADH-ssung mit vorangegangenen ssungen desselben ssgeräts verglichen. Dieses ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unmittelbar vor der ssung ordnungsgemäß kalibriert worden. Dabei werden zweimal hintereinander Serumproben, deren Alkoholgehalt bekannt ist, analysiert, um festzustellen, ob sich das Messergebnis innerhalb der vom Gerätehersteller vorgegebenen Bandbreiten - hier plus/minus 20,1% - bewegt. Der Sicherheitsabschlag, den der Sachverständige vorgenommen hat, orientiert sich erkennbar an diesen bei der Kalibrierung nicht überschrittenen Bandbreiten. Beim Kläger waren 1,12 Gramm Alkohol pro Liter Blutserum gemessen worden, das entspricht einem BAK-Wert von 0,93‰ (vgl. oben). Der vom Sachverständigen ermittelte Mindest-BAK-Wert von 0,74‰, von dem auch das Berufungsgericht im weiteren ausgeht, bleibt dahinter um 19‰-Punkte oder 20,43% zurück.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Sie beruhen auf dem möglichen Schluß, dass nach beanstandungsfreier Kalibrierung des ssgeräts sich auch die unmittelbar anschließende Analyse der Serumprobe des Klägers in den vorgegebenen sstoleranzen bewegt hat und lassen damit - entgegen dem Vorwurf der Revision - ausreichend erkennen, welchen Sicherheitsabschlag das Berufungsgericht zugrundegelegt hat. Auf den weiteren, vom Sachverständigen erwogenen Sicherheitsabschlag von 0,1‰ kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, in diesem Bereich der Blutalkoholkonzentration nicht an.
2. Soweit das Berufungsgericht in den Fahrfehlern des Klägers (überhöhte Geschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft, Kontrollverlust über das Fahrzeug ohne erkennbaren äußeren Anlaß und trotz langjähriger Fahrpraxis) einen Beleg für seine relative Fahruntauglichkeit zum Unfallzeitpunkt sieht, erschöpft die Revision sich in dem unbeachtlichen Versuch, diese Beweiswürdigung durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Das Berufungsgericht hat im Rahmen der gebotenen Gesamtschau des Unfallgeschehens rechtlich mögliche Schlüsse gezogen. Daß einzelne Fahrfehler, insbesondere die überhöhte Geschwindigkeit, für sich genommen noch nicht den Schluß auf eine alkoholbedingte relative Fahruntauglichkeit erlaubt hätten (dazu BGH, Urteil vom 3. April 1985 - IVa ZR 111/83 - VersR 1985, 779 unter I 3), hat es ausreichend bedacht. ..."