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Kammergericht Berlin Beschluss vom 07.10.2002 - 2 Ss 130/02 - Das unbewusste Zuführen von Rauschmitteln begründet nicht ohne weiteres den Vorwurf der Fahrlässigkeit

KG Berlin v. 07.10.2002: Das unbewusste Zuführen von Rauschmitteln begründet nicht ohne weiteres den Vorwurf der Fahrlässigkeit




Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 07.10.2002 - 2 Ss 130/02) hat entschieden:

  1.  § 24a Abs. 2 StVG setzt Vorsatz, auch in Form des billigenden Inkaufnehmens, oder Fahrlässigkeit voraus; das Bewusstsein muss daher sowohl das Zusichnehmen dieser Mittel aus auch deren Wirkungsweise erfassen.

  2.  Das unbewusste Zuführen von Rauschmitteln begründet nicht ohne weiteres den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Weiß der Betroffene jedoch, dass innerhalb der von ihm frequentieren Szene die charakterliche Zuverlässigkeit im Hinblick auf Rauschmittelkonsum nicht ausgeprägt ist, ist es ihm als Fahrlässigkeit anzulasten, wenn er durch Trinken aus fremden Gläsern Drogen konsumiert und ein Kraftfahrzeug geführt hat, ohne positiv zu wissen oder für möglich zu halten, dass er unter dem Einfluss von Rauschmitteln stand.


Siehe auch
Unbewusster Drogenkonsum - Passivkonsum - Passivrauchen - Konsum ohne Wissen oder Bewusstsein
und
Die Verwertung von Konsumangaben des Betroffenen im Fahrerlaubnisrecht

Zum Sachverhalt:


Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen § 24 a (zu ergänzen: Absatz 2) StVG zu einer Geldbuße von 250,00 Euro verurteilt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen.

Die Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hatte nur hinsichtlich der Schuldform Erfolg.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu der Rechtsbeschwerde wie folgt Stellung genommen:

   "1. Die Annahme des vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter dem Einfluss berauschender Mittel nach der Anlage zu § 24 a Abs. 2 StVG findet in den vom Tatgericht festgestellten Tatsachen keine Grundlage. Vorsatz setzt – in der allein in Betracht kommenden Form des bedingten Vorsatzes – das Fürmöglichhalten und billigende Inkaufnehmen des tatbestandlichen Erfolges voraus (vgl. Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl., § 15 Rdnr. 9 m.w.N.). Den Urteilsfeststellungen sind jedoch keine Umstände zu entnehmen, die den Rückschluss darauf zulassen, dass der Betroffene damit einverstanden war, sein Fahrzeug unter dem Einfluss von Amphetamin zu führen oder dies tatsächlich für möglich hielt. Da der Betroffene nach den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen keine Beeinträchtigung seiner Fahrtauglichkeit spürte, er aber auch nicht positiv wusste, ob sich in den von ihm benutzten Gläsern anderer Besucher des "Dark Room" Betäubungsmittel befanden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er es für möglich hielt, Rauschmittel der in der Anlage zu § 24 a Abs. 2 StVG genannten Arten zu sich genommen zu haben.


2. Allerdings trifft den Betroffenen der Vorwurf der fahrlässigen Begehung nach § 24 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StVG . Denn der Umstand, dass er in Kenntnis der Möglichkeit, dass sich in den Gläsern anderer Gäste berauschende Substanzen aus dem Bereich der Betäubungsmittel befinden konnten, aus diesen Gläsern trank, und sodann sein Kraftfahrzeug führte, ist sorgfaltswidrig. Zwar reicht das unbewusste Zuführen von Rauschmitteln nicht ohne weiteres für einen Fahrlässigkeitsvorwurf aus (vgl. OLG Köln NStZ 1981, 105 , 106, und Blutalkohol 1979, 229 , 230; OLG Oldenburg Blutalkohol 1983, 364 , 365). Vorliegend bestanden für den Betroffenen jedoch die im Urteil dargelegten konkrete Kenntnisse dahin, dass innerhalb der von ihm frequentierten "Szene" die charakterliche Zuverlässigkeit im Hinblick auf Betäubungsmittelkonsum nicht immer ausgeprägt ist (vgl. hierzu OLG Oldenburg a.a.O.), und so ein Konsum von Drogen durch Trinken aus fremden Gläsern nicht fernliegend war.

Die von der Rechtsbeschwerde vorgetragene Einstufung der Kenntnisse des Betroffenen als abstrakte Vorurteile veranlasst keine andere Wertung, da sich die Rechtsbeschwerde insoweit von den allein maßgebenden Urteilsgründen entfernt.

3. Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 24 a Abs. 2 StVG (BS S. 4) werden von hier nicht geteilt. Die Norm setzt Vorsatz oder Fahrlässigkeit für das Fahren unter dem Einfluss berauschender Mittel voraus, das subjektive Bewusstsein muss daher auch den Einfluss der Mittel erfassen. Lediglich der Nachweis der Wirkung dieser Mittel soll entbehrlich sein (vgl. Hentschel Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 24 a StVG Rdnr. 21).

Auch für die von der Rechtsbeschwerde für notwendig erachtete verfassungskonforme Auslegung des § 24 a Abs. 2 StVG (BS S. 4) gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm besteht mithin keine Veranlassung.

4. Auch die noch gebotene Nachprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge deckt keine Rechtsfehler auf.

5. Einer Zurückverweisung der Sache im aufzuhebenden Umfang zur Entscheidung über die Rechtsfolge für den fahrlässigen Verstoß bedarf es nicht; der Senat kann nach § 79 Abs. 6 OWiG selbst entscheiden.



Die Anlage zum BKat n.F. sieht unter Nr. 242 für den hier vorliegenden fahrlässigen Verstoß gegen § 24 a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 StVG eine Geldbuße von 250 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat vor. Anhaltspunkte dafür, dass eine angemessene Erhöhung der Geldbuße ausreichen würde, den notwendigen Warneffekt des Fahrverbotes zu erreichen, sind nicht ersichtlich. Die von der Anlage zum BKat vorgegebenen Rechtsfolgen sind daher angemessen, sie entsprechen den bereits vom Tatgericht verhängten Sanktionen."



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