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Verwaltungsgericht Braunschweig Beschluss vom 30.01.2006 - 6 B 11/06 - Bei Zweifeln findet trotz EU-Fahrerlaubnsi aus Polen eine Eignungsüberprüfung statt

VG Braunschweig v. 30.01.2006: Bei Zweifeln findet trotz EU-Fahrerlaubnis aus Polen eine Eignungsüberprüfung statt




Das Verwaltungsgericht Braunschweig (Beschluss vom 30.01.2006 - 6 B 11/06) hat die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Nutzungsuntersagung abgelehnt:

  1.  Bei Eignungsmängeln, die bereits vor der Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen EU-Mitgliedsstaat (hier: Polen) vorgelegen haben und auch danach weiter fortwirken können (Verkehrsteilnahme mit erheblichem Gefährdungspotential), hindert die zwischenzeitlich erteilte EU-Fahrerlaubnis nicht die Überprüfung der Fahreignungsvoraussetzungen durch die deutschen Fahrerlaubnisbehörden.

  2.  Wirkt der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis an der Klärung solcher Eignungszweifel nicht mit, ist die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt, ihm gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVG i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV das Recht abzuerkennen, von der bis dahin im Inland wirksamen ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland weiter Gebrauch zu machen.


Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

Zum Sachverhalt:


Der Antragsteller wendet sich gegen die von dem Antragsgegner für sofort vollziehbar erklärte Aberkennung des Rechts, mit einer in Polen (Stettin) erteilten Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen.

Der im Jahre 1979 geborene Antragsteller erhielt erstmals im September 1995 eine Fahrerlaubnis der Klasse 1b, die im September 1997 auf die Klassen 1a und 3 erweitert wurde. Nachdem der Antragsteller zunächst mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen hatte (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, verbotswidriges Rechtsüberholen), wegen der er sich einem Aufbauseminar für verkehrsauffällig gewordene Kraftfahrer zu unterziehen hatte, trat der Antragsteller in folgenden Fällen auch strafrechtlich in Erscheinung:

Mit Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 19. Juni 2000 wurde er wegen versuchten vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20,-- DM verurteilt. Ihm wurde außerdem die Fahrerlaubnis entzogen und für die Wiedererteilung eine Sperrfrist von einem Jahr verhängt.

Durch Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 9. Januar 2001 erhielt der Antragsteller wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zehn Fällen sowie wegen falscher Versicherung an Eides statt eine Geldstrafe in Höhe von 500 Tagessätzen zu je 20,00 DM.




Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 28. März 2002 erhielt der Antragsteller wegen Körperverletzung in zwei Fällen eine Geldstrafe von 135 Tagessätzen zu je 15,00 Euro.

Am 7. Juli 2004 verurteilte das Amtsgerichts Wolfenbüttel den Antragsteller wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung durch rücksichtsloses Fehlverhalten beim Überholen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Vollstreckung für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen und für eine Neuerteilung eine Sperrfrist von noch zehn Monaten verhängt.

Nach der Entziehung der Fahrerlaubnis durch Urteil vom 19. Juni 2000 blieb ein erster Antrag des Antragstellers auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vom 2. April 2001 erfolglos. In dem Verfahren war ihm von dem Antragsgegner aufgegeben worden, zur Klärung der an seiner Fahreignung entstandenen Zweifel das Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. In dem Gutachten vom 5. Juli 2001 stellten die Sachverständigen des TÜV Nord fest, dass auch künftig mit erheblichen Verstößen des Antragstellers gegen die verkehrsrechtlichen Bestimmungen gerechnet werden müsse; ihm sei anzuraten, sich von einem therapeutisch tätigen Verkehrspsychologen behandeln zu lassen. Der Antragsteller nahm daraufhin unter dem 12. Juli 2001 seinen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurück und unterzog sich in dem Zeitraum vom 19. Juli bis zum 15. November 2001 einer verkehrstherapeutischen Maßnahme.

Nach einem weiteren Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A und BE vom 22. Oktober 2001 unterzog sich der Antragsteller ein weiteres Mal einer medizinisch-psychologischen Untersuchung. In dem Gutachten vom 14. Januar 2002 kamen die Sachverständigen des TÜV Nord zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller voraussichtlich in Zukunft die verkehrsrechtlichen Vorschriften beachten und den Belangen des Straßenverkehrs entsprechen werde. Dem Antragsteller wurde daraufhin von dem Antragsgegner nach einer eindringlichen Verwarnung über die Folgen bei weiteren Verkehrsverfehlungen die beantragte Fahrerlaubnis am 17. Januar 2002 erteilt.


Nach der durch Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 7. Juli 2004 erfolgten Fahrerlaubnisentziehung beantragte der Antragsteller am 13. Januar 2005 bei dem Antragsgegner eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis (Klassen A, BE, M und L). Im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens wurde dem Antragsteller aufgegeben, sich ein weiteres Mal medizinisch-psychologisch untersuchen zu lassen, um die an seiner Fahreignung bestehenden Zweifel zu klären. In dem Gutachten vom 15. März 2005 kamen die Sachverständigen des TÜV Nord zu dem Ergebnis, dass auch künftig ein erhebliches Fehlverhalten des Antragstellers im Straßenverkehr wahrscheinlich und eine Verhaltensänderung nicht kurzfristig zu erwarten sei. Der Antragsteller nahm daraufhin unter dem 5. April 2005 seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis bei dem Antragsgegner zurück.

Durch eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 26. September 2005 erhielt der Antragsgegner davon Kenntnis, dass dem Antragsteller am 6. August 2005 von der Stadt Stettin (Polen) eine Fahrerlaubnis der Klasse B ausgestellt worden sei. Der Antragsgegner gab dem Antragsteller daraufhin mit Verfügung vom 28. November 2005 auf, zur Klärung der weiterhin an seiner Fahreignung bestehenden Zweifel bis zum 12. Dezember 2005 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen, und wies den Antragsteller außerdem darauf hin, dass ihm im Falle des Nichtbefolgens dieser Verfügung die Berechtigung, mit der polnischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet ein Kraftfahrzeug zu führen, aberkannt werden könne.

Als der Antragsteller das von ihm geforderte Gutachten nicht vorlegte, erkannte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Recht, im Bundesgebiet von der ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, ab und forderte ihn auf, bis zum 5. Januar 2006 den Führerschein zur Eintragung des Aberkennungsvermerks der Behörde vorzulegen.

Hiergegen richtet sich die Klage des Antragstellers. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb erfolglos.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (6 A 10/06) wiederherzustellen, ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 verfügten Aberkennung des Rechts, von der dem Antragsteller am 6. August 2005 erteilten polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen und der Vorlage des Führerscheins bei der Behörde, rechtmäßig angeordnet.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell ordnungsgemäß erfolgt. Der Antragsgegner hat insbesondere in ausreichender Weise schriftlich begründet, weshalb das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die Behörde hat hinreichend dargelegt, dass es aus ihrer Sicht auf Grund der bei dem Antragsteller vorliegenden Besonderheiten zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer kommen könne.

Aus materiell-rechtlichen Gründen besteht ebenfalls keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2005 erhobenen Klage wiederherzustellen.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist inhaltlich rechtmäßig, wenn das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme die privaten Interessen des von der Vollziehungsanordnung Betroffenen überwiegt. Das ist der Fall, wenn schon bei der im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung zu erkennen ist, dass der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache keinen Erfolg haben wird (vgl. hierzu: Nds. OVG, Beschl. vom 10.01.2006 - 12 ME 510/05 - m.w.N.), oder wenn sich - bei nicht eindeutig zu erkennendem Ausgang des Hauptsacheverfahrens - die Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen so weit verdichtet haben, dass die dringende Besorgnis besteht, der Betroffene werde andere Verkehrsteilnehmer bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ernsthaft gefährden (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn 1273 m.w.N.).


Hier ergibt die Prüfung, dass der Antragsgegner gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. den §§ 46 Abs. 1, 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen konnte, nachdem dieser das mit Verfügung vom 28. November 2005 geforderte medizinisch-psychologische Gutachten zur Beurteilung seiner Fahreignung nicht vorgelegt hat. Die daraufhin ergangene Verfügung des Antragsgegners vom 20. Dezember 2005 hat gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG die Wirkung der Aberkennung des Rechts, von der dem Antragsteller am 6. August 2005 erteilten polnischen Fahrerlaubnis im Inland (Deutschland) Gebrauch zu machen.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies kann nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze der Fall sein. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis unter diesen Gesichtspunkten zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet sein könnte, hat die Fahrerlaubnisbehörde die vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen zu treffen, insbesondere die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Eine solche Aufklärungsmaßnahme ist insbesondere geboten, wenn von dem Fahrerlaubnisinhaber Straftaten begangen wurden, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen oder bei denen Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotential bestehen (§§ 3 Abs. 1 Satz 3, 2 Abs. 8 StVG, § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV), oder wenn die Fahrerlaubnis wiederholt entzogen worden war oder der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV beruhte. Weigert sich der Betroffene, einer rechtmäßigen Untersuchungsanordnung Folge zu leisten oder bringt er das zu Recht geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde auf seine Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Antragsteller hat dem Antragsgegner das von der Behörde mit Verfügung vom 28. November 2005 rechtmäßig angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt. Der Antragsgegner war berechtigt, im Hinblick auf die ihm bekannten Sachumstände, insbesondere mit Blick auf die Deliktsvorgeschichte des Antragstellers, eine solche Maßnahme der Sachverhaltsklärung zu fordern. Dem Antragsteller war bereits zweimal die Fahrerlaubnis wegen Verkehrsstraftaten entzogen worden, bei denen er sich als rücksichtslos gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern verhalten (Amtsgericht Wolfenbüttel, Urt. vom 7. Juli 2004) bzw. ein hohes Aggressionspotential gezeigt hat (Amtsgericht Wolfenbüttel, Urt. vom 19. Juni 2000). Noch im medizinisch-psychologischen Gutachten des TÜV Nord vom 15. März 2005 ist dem Antragsteller außerdem bescheinigt worden, dass bei ihm ein erhöhtes Gefährdungspotential für andere Verkehrsteilnehmer vorliege und von einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit in Bezug auf Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Fahreignung ausgegangen werden müsse. Hieraus ergaben sich berechtigte und durch konkrete Tatsachen belegte Bedenken der Behörde an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen, denen der Antragsgegner gemäß § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. den §§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 46 Abs. 3 FeV mit der Anforderung des Gutachtens nachgehen durfte. Nach den hierzu vorliegenden verkehrswissenschaftlichen Erkenntnissen, die in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung zum Ausdruck gekommen sind (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft M 115, S. 47 f.), lassen Personen, die wiederholt Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen haben, auf Grund der in diesem Verhalten sichtbar werdenden Fehleinstellungen und Fehlreaktionen grundsätzlich nicht erwarten, dass sie im motorisierten Straßenverkehr die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer respektieren werden. Die Fähigkeit zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen kann erst dann wieder angenommen werden, wenn insbesondere die Persönlichkeitsbedingungen und die sozialen Konditionen sich entscheidend positiv geändert haben und negative Auswirkungen auf das Verhalten als Kraftfahrer nicht mehr zu erwarten sind. Der Antragsgegner durfte deshalb auf die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm mit der Entziehungsverfügung vom 20. Dezember 2005 das Recht, von der polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, aberkennen. Infolgedessen ist die außerdem getroffene Anordnung, der Behörde den Führerschein zum Zwecke der Eintragung eines Vermerks vorzulegen, rechtens (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 FeV).




Die vom Antragsteller hiergegen gerichteten Rügen sind nicht begründet.

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass das Amtsgericht Wolfenbüttel ihm mit der Entscheidung vom 7. Juli 2004 nicht die Fahrerlaubnis hätte entziehen dürfen, weil der abgeurteilte Sachverhalt bereits Gegenstand eines bestandskräftig abgeschlossenen Bußgeldverfahrens gewesen sei, trifft dieses Vorbringen ungeachtet der Frage, welche rechtliche Bedeutung einem solchen Umstand in diesem Verfahren zukommen könnte, nicht zu. Der Antragsteller hatte gegen den Bußgeldbescheid des Antragsgegners vom 1. März 2004 fristgerecht Einspruch erhoben mit der Folge, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren am 18. Juni 2004 in ein Strafverfahren übergeleitet wurde. Die später erklärte Rücknahme des Einspruchs hatte daher keine rechtliche Wirkung auf die Fortführung des Strafverfahrens (vgl. auch die Ausführungen im Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 7. Juli 2004, Seite 4/5).

Soweit der Antragsteller die Unvereinbarkeit der angefochtenen Verfügung vom 20. Dezember 2005 mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht geltend macht und hervorhebt, die bestandskräftige Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis und die von den polnischen Behörden angenommene Fahreignung könne nicht mit Sachumständen angezweifelt werden, die zeitlich vor der Erteilung der Fahrerlaubnis vom 6. August 2005 zurücklägen, ist dieser Einwand ebenfalls nicht begründet. Die Kammer geht zwar in Bezug auf die Rechtswirksamkeit der nationalen Vorschriften zur Regelung der von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erteilten Fahrerlaubnisse (§§ 28 f. FeV) mit dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Beschl. vom 11.10.2005 - 12 ME 282/05 und 12 ME 288/05 -; Beschl. vom 20.12.2005 - 12 ME 526/05 -; Beschl. vom 20.01.2006 - 12 ME 538/05 -/ständ. Rechtsprechung) davon aus, dass von den hierzu ergangenen Regelungen in der Fahrerlaubnisverordnung § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV und § 28 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 FeV unvereinbar mit den Vorgaben in Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 4 der gemeinschaftsrechtlichen Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991 (Abl. Nr. L 237 vom 24.08.1991 S. 1) sind (vgl. auch: EuGH, Urt. vom 29.04.2004 - C-476/01 -, NJW 2004, 1725 f.; VGH Bad.-Würt., Beschl. vom 21.06.2004, NJW 2004, 482; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 28 FeV Rn 5 m.w.N.). Denn die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind nach Art. 1 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie grundsätzlich verpflichtet, die von ihnen ausgestellten Führerscheine gegenseitig anzuerkennen; auch ist es ihnen verwehrt, unter Hinweis auf die Ausnahmevorschrift des Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Führerscheinrichtlinie, deren Regelungen eng auszulegen sind, einem Betroffenen auf unbestimmte Dauer die Gültigkeitsanerkennung eines in einem Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins zu versagen.



Hiervon unberührt bleibt jedoch die durch Art. 8 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie den Mitgliedsstaaten eingeräumte Befugnis, ihre jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften über die Einschränkung, Aussetzung, den Entzug oder die Aufhebung der Fahrerlaubnis und damit auch die Vorschriften zur Eignungsüberprüfung auf den Inhaber eines von einem Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins anzuwenden. Bei Sachverhalten, die durch einen fortwirkenden Mangel geprägt sind, der bereits vor der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis vorgelegen hat und auch danach noch fortwirken kann, hindert die zwischenzeitlich erteilte EU-Fahrerlaubnis eine solche Überprüfung der Fahreignungsvoraussetzungen nicht. Art. 8 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie enthält insoweit keine zeitliche Zäsur für die Berücksichtigung von Tatsachen zur Überprüfung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. hierzu auch: Nds. OVG, Beschl. vom 11.10.2005 - 12 ME 288/05 -; VG Gießen, Beschl. vom 10.10.2005 - 6 G 1453/05 -; VG Sigmaringen, Beschl. vom 06.10.2005 - 2 K 1276/05 -; VG Dresden, Beschl. vom 03.01.2006 - 14 K 2073/05 -; VG Karlsruhe, Beschl. vom 29.12.2005 - 5 K 2115/05 -; VGH Bad.-Würt., Beschl. vom 19.09.2005 - InfAuslR 2006, 6). Andernfalls entstünden erhebliche Gefahren für die Verkehrssicherheit, deren Hinnahme sich nicht mit dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubniserteilungen nach dem Gemeinschaftsrecht rechtfertigen ließe.

Der Antragsgegner durfte infolgedessen berücksichtigen, dass in dem nur wenige Monate vor der Fahrerlaubniserteilung durch die polnischen Behörden erstellten medizinisch-psychologischen Gutachten vom 15. März 2005 die Sachverständigen des TÜV Nord festgestellt hatten, der Antragsteller stelle auf Grund einer nicht kurzfristig korrigierbaren Einstellung und Verhaltensweise eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr dar. Umstände dafür, dass die in dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom März 2005 festgestellten Eignungsmängel nicht mehr vorlagen, hatte der Antragsteller dem Antragsgegner bis zum Ablauf der ihm zur Klärung der Eignungszweifel gesetzten Frist nicht aufgezeigt. Auch muss davon ausgegangen werden, dass der polnischen Behörde bei der Erteilung der Fahrerlaubnis diese Fahreignungsmängel nicht bekannt waren. Es ist deshalb in diesem Verfahren davon auszugehen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller in rechtmäßiger Weise das Recht aberkannt hat, von seiner bisher im Inland wirksamen polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland weiterhin Gebrauch zu machen und ebenso zu Recht auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FeV angeordnet hat, dass der Antragsteller den Führerschein abzugeben habe. ..."

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