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Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002/C 77/03: Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über den Führerschein der EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002/C 77/03: Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen über den Führerschein der EG




Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

In einer ausführlichen Mitteilung gibt die Kommission Auslegungshilfen für die Anwendung der 2. Führerschein-Richtlinie; in einem ersten Teil werden historische und Rechtsprechungshinweise gegeben (da diese Mitteilung noch vor dem Kapper-Urteil und dem Halbritter-Beschluss herausgegeben wurden, wird auf diese Entscheidungen natürlich nicht eingegangen; diesen ersten Teil habe ich hier nicht wiedergegeben).

Der Mitteilung ist auch zu entnehmen, dass auf EU-Ebene sehr wohl zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein rechtlich unterschieden wird; lediglich auf dem Gebiet des Sekundärrechts (Richtlinien-Ebene) wird dieser Unterschied nicht gemacht.

Sodann ist die Mitteilung auch deshalb ein interessantes Dokument, weil sie ausdrücklich den Mitgliedsstaaten den Weg aufzeigt, erheblichen Verstößen gegen Anforderungen der 2. Führerschein-Richtlinie dadurch zu begegnen, dass es einem Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis verwehrt sein soll, sich in rechtsmissbräuchlicher Weise auf dei Rechtsprechung des EuGH zu berufen.


Hier folgen die wesentlichen Passagen der Mitteilung:



A.3. Auslegung durch den EuGH in Urteil C-193/94 (Skanavi)

Einige Bestimmungen der Richtlinie 80/1263/EWG wurden durch den EuGH im Urteil C-193/94 vom 29. Februar 1996 (Skanavi) präzisiert. Obwohl die erste Richtlinie durch die Richtlinie 91/439/EWG aufgehoben wurde, ist auf das vorstehend genannte Urteil Bezug zu nehmen, da sich die Bestimmungen der ersten Richtlinie auf gegenwärtige Fälle auswirken.

In diesem Urteil unterscheidet der EuGH zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein. Die Fahrerlaubnis war nicht betroffen, wenn der Führerscheininhaber es versäumte, den Führerschein - wie in der Richtlinie 80/1263/EWG vorgeschrieben - innerhalb eines Jahres umzutauschen. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der ersten Richtlinie, die bis 1. Juli 1996 in Kraft war, hat ein Führerscheininhaber einen Führerschein, der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden war, innerhalb eines Jahres umzutauschen (genauer Wortlaut des Artikels siehe oben).

Der Gerichtshof stellte darüber hinaus fest, dass die Ausgabe eines Führerscheins im Umtausch keine neue Fahrerlaubnis für das Staatsgebiet des aufnehmenden Mitgliedstaats darstellt, sondern lediglich den Nachweis liefert, dass diese Erlaubnis existiert.

Diese Fahrerlaubnis wurde dem Inhaber von einem anderen Mitgliedstaat erteilt und wird durch den ausgestellten Führerschein nachgewiesen. Der EuGH wies darauf hin, dass der Originalführerschein in dem Mitgliedstaat, der ihn ausgestellt hat, gültig bleibt und weiterhin von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird, unabhängig davon, ob er umgetauscht wurde oder nicht (Absatz 32). ...


B.1. Anerkennung von Führerscheinen, deren Rechte beim Umtausch eingeschränkt wurden

B.1.1 Rechtslage

Nach den Bestimmungen der ersten Richtlinie bleibt der Originalführerschein im ausstellenden Mitgliedstaat gültig. Durch einen im Austausch ausgestellten Führerschein wird das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs lediglich nachgewiesen, aber nicht begründet, da der Umfang der Fahrerlaubnis vom ausstellenden Mitgliedstaat festgelegt wird (19). Auf der Ebene des sekundären Gemeinschaftsrechts wird seit Inkrafttreten der Richtlinie 91/439/EWG nicht mehr zwischen dem Führerschein und der Fahrerlaubnis unterschieden. Da durch die Richtlinie unter anderem die Führerscheinklassen, das Mindestalter und die Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins harmonisiert werden, und die Führerscheine damit klar die den Inhabern übertragenen Rechte wiedergeben, sind alle im Führerschein vermerkten Rechte gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung anzuerkennen.

Der Umfang der Fahrerlaubnis von vor dem 1. Juli 1996 ausgestellten Führerscheinen lässt sich anhand der Eintragungen auf dem Dokument selbst nicht feststellen. Auf diese Führerscheine findet Artikel 10 der zweiten Richtlinie Anwendung: in gemäß Artikel 10 der zweiten Richtlinie erstellten Äquivalenztabellen ist die tatsächliche Fahrerlaubnis im Sinne von Artikel 3 der zweiten Richtlinie festgelegt. Darüber hinaus hat der aufnehmende Mitgliedstaat dem jeweiligen Führerscheininhaber gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 80/1263/EWG einen Führerschein der entsprechenden Klasse oder Klassen auszustellen.

Die Einschränkung der in anderen Mitgliedstaaten erhaltenen Fahrerlaubnis (die vor Inkrafttreten der Richtlinie 91/439/EWG sehr gängig war) ist daher nur begründet, wenn es sich um eine Einschränkung des Führerscheins, jedoch nicht der ursprünglichen Fahrerlaubnis handelt.

Da der Führerscheininhaber im Umtausch einen anderen Führerschein erhalten musste, konnte er diese ursprüngliche Fahrerlaubnis mit dem (eingeschränkten) Führerschein nicht nachweisen.

Daher war er nicht berechtigt, Fahrzeuge anderer Klassen als der auf dem Führerschein angegebenen zu führen.

Da eine Einschränkung, die von einem aufnehmenden Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie 80/1263/EWG verhängt wurde, nur auf dessen Staatsgebiet gültig war, waren andere Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, diese Einschränkung anzuerkennen, falls der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz in einen dritten Mitgliedstaat verlegte. Daher hätte die Fahrerlaubnis eines Führerscheininhabers, die im aufnehmenden Mitgliedstaat eingeschränkt war, bei einer späteren Verlegung des Wohnsitzes in einen dritten Mitgliedstaat gleichzeitig weiter eingeschränkt oder aber erweitert werden können. ...


B.2. Anerkennung von Führerscheinen, deren Rechte beim Umtausch erweitert wurden

B.2.1 Rechtslage

Aus dem ersten und dem neunten Erwägungsgrund sowie aus Artikel 13 der Richtlinie 91/439/EWG, durch die die Richtlinie 80/1263/EWG vollständig aufgehoben wurde, ergibt sich, dass nach Inkrafttreten der zweiten Richtlinie nur die vollständige gegenseitige Anerkennung gilt. In Fällen, in denen beim Umtausch weiter reichende Rechte gewährt wurden, ergeben sich diese Rechte nicht aus der ursprünglichen Fahrerlaubnis, sondern sie wurden durch die Anwendung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des aufnehmenden Mitgliedstaats übertragen.

Daher ist bei einer späteren Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat oder in den ausstellenden Staat die Einschränkung der erweiterten Rechte zulässig, sofern der zweite Wohnsitzwechsel vor Inkrafttreten der zweiten Richtlinie erfolgte. Dies gilt, weil die erweiterte Fahrerlaubnis gemäß dem einzelstaatlichen Recht eines anderen Mitgliedstaats übertragen worden war.

Nur die im Führerschein tatsächlich eingetragenen Rechte sind seit Inkrafttreten der Richtlinie 91/439/EWG voll anzuerkennen.

Eine Einschränkung dieser Rechte ist allgemein ausgeschlossen für den Fall, dass der Führerscheininhaber seinen Wohnsitz nach dem 1. Juli 1996 verlegt, da die Möglichkeiten einer restriktiven Anwendung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften angesichts von Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 91/439/EWG begrenzt sind. ...


B.3. Unterlassen der Abgabe des ursprünglichen Führerscheins

B.3.1 Rechtslage

Ist jemand im Besitz mehr als eines Führerscheins, weil er den ursprünglichen Führerschein nicht umgetauscht oder unrechtmäßigerweise ein Duplikat erhalten hat, so wird offensichtlich Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie 91/439/EWG verletzt. Der Besitz von mehr als einem Führerschein steht auch in Widerspruch zur ersten Richtlinie, da darin der Umtausch des Führerscheins innerhalb eines Jahres nach Begründung des ordentlichen Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat verpflichtend vorgeschrieben war.

In Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie 91/439/EWG ist klar und unzweideutig festgelegt, dass jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann. Sollte sich ein Führerscheininhaber, der mehr als einen Führerschein besitzt, auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nach dem 1. Juli 1996 berufen, so wäre diese Berufung missbräuchlich.

Darüber hinaus können nach der Rechtsprechung des EuGH ((Siehe insbesondere die Rechtssachen C-212/97 (Centros Ltd. vom 9. März 1999, Absatz 24) und C-61/89 (Bouchoucha, Absatz 14)) die Mitgliedstaaten ein legitimes Interesse daran haben, bestimmte Staatsangehörige daran zu hindern, sich durch im Rahmen des EG-Vertrags geschaffene Möglichkeiten der Anwendung des einzelstaatlichen Rechts zu entziehen. Da das rechtliche Interesse identisch ist, erscheint die analoge Anwendung dieser Regel auf alle Einwohner im Staatsgebiet, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sein können, angemessen.

In diesem Fall können die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Bürger (und Einwohner) sich in betrügerischer Weise oder missbräuchlich auf Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts berufen.
...


C.2. Nichteinhaltung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b)

C.2.1 Rechtslage

Der aufnehmende Mitgliedstaat ist gemäß Artikel 1 Absatz 2 zur Anerkennung der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine verpflichtet, unabhängig davon, ob der Führerschein gemäß den Bestimmungen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b) ausgestellt wurde oder nicht.

In Anwendung von Artikel 8 Absatz 2 der zweiten Richtlinie, der in erster Linie zur Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße und weniger von Verletzungen des Gemeinschaftsrechts eingeführt wurde, ist der aufnehmende Mitgliedstaat nur in bestimmten Fällen berechtigt, die Nutzung des in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins auf dem Staatsgebiet des aufnehmenden Mitgliedstaats einzuschränken. Artikel 8 Absatz 2 ist unter Beachtung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips anzuwenden.

Der Anwendungsbereich von Artikel 8 Absatz 2 wurde zusätzlich präzisiert durch Bemerkungen zum Vorschlag für die Richtlinie 91/439/EWG:

   „Einzelstaatliche Vorschriften für die Aussetzung oder den Entzug des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, haben für Fahrer zu gelten, die den Anforderungen für die Ausstellung oder Verlängerung eines Führerscheins in Bezug auf Kenntnisse, Fertigkeiten und Verhalten in Verbindung mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs sowie in Bezug auf den Gesundheitszustand des Fahrers nicht genügen, (. . .)“.

Daher ist die Anwendung von Artikel 8 Absatz 2 bei Verstoß gegen die Voraussetzung des Wohnsitzes im Allgemeinen ausgeschlossen, da die Formulierung auf die Verhängung von Strafen für die Nichteinhaltung faktischer Bedingungen (insbesondere Gesundheitszustand und geforderte Kenntnisse) abzielt und weniger auf die Nichteinhaltung der förmlichen Anforderung in Bezug auf den Wohnsitz.

C.2.2 Praktischer Fall

Beispiel 14:
Ein Führerscheininhaber verlegt seinen ordentlichen Wohnsitz 1980 in einen anderen Mitgliedstaat und beginnt dort zu arbeiten. 1997 lässt er/sie sich in seinem Herkunftsland bei dem örtlichen Einwohnermeldeamt registrieren, wo auch einige Verwandte gemeldet sind, die dort tatsächlich ihren Wohnsitz haben. Sechs Monate später (er/sie arbeitet noch immer im aufnehmenden Mitgliedstaat) erwirbt er/sie in den Sommerferien in seinem/ihrem Herkunftsland den Führerschein. Der Führerschein wird von den Behörden des aufnehmenden Mitgliedstaats nicht anerkannt, die sich darauf berufen, dass der Führerscheininhaber seinen ständigen Wohnsitz im aufnehmenden und nicht im ausstellenden Mitgliedstaat hat.

C.2.3 Lösung Die Ausstellung von Führerscheinen in einem Mitgliedstaat für Führerscheininhaber, die ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in diesem Staat haben, also in Widerspruch zu Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 91/439/EWG, kommt in der Praxis häufig vor. Angesichts der großen Zahl von Führerscheinen, die in den Mitgliedstaaten ausgestellt werden, müssen die einzelstaatlichen Behörden einen Weg zur Durchsetzung dieses Artikels finden. Die Mitgliedstaaten müssen für jeden Antragsteller prüfen, ob die Voraussetzung des Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins erfüllt ist.

Allgemein sind die Mitgliedstaaten nicht berechtigt, die Anerkennung der von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine zu verweigern, sofern nicht die vorstehend beschriebenen Verfahrensvorschriften für allgemeine Fälle erfüllt sind. Das bedeutet, dass zunächst Kontakt zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten aufgenommen werden muss, und dass die Kommission oder der Mitgliedstaat anschließend den EuGH gemäß den Artikeln 226 und 227 EG-Vertrag anzurufen haben.

Die Mitgliedstaaten selbst können nicht über die Einhaltung der Voraussetzung des Wohnsitzes in anderen Mitgliedstaaten entscheiden.

Daher sind die Mitgliedstaaten allgemein nicht berechtigt, die Anerkennung von Führerscheinen zu verweigern, die in anderen Mitgliedstaaten ausgestellt wurden, oder die Fahrerlaubnis aufzuheben, wenn sie nicht das vorstehend erläuterte Verfahren einhalten.

Nur die Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat, sind für die Ausstellung oder Verlängerung von Führerscheinen zuständig. Ergibt das vorstehend genannte Verfahren, dass die Voraussetzung des Wohnsitzes nicht erfüllt war, so sind die Behörden des aufnehmenden Mitgliedstaats berechtigt, die Fahrerlaubnis aufzuheben und an den ausstellenden Staat zurückzusenden. In diesem Fällen wird auch die Fahrerlaubnis ungültig, da der Inhaber nicht alle formalen Bedingungen für den Führerscheinerwerb erfüllt hat.

Da mit einer Vielzahl praktischer Fälle gerechnet werden kann, ist die Einführung eines alternativen Verfahrens zu erwägen:

Von jedem Führerscheinantragsteller (oder bei der Verlängerung des Führerscheins) könnte eine schriftliche ehrenwörtliche Erklärung verlangt werden, aus der hervorgeht, dass er Einwohner des betreffenden Landes und nicht in Besitz eines anderen Führerscheins ist und dass ihm kein anderer Führerschein entzogen wurde. Die Nichteinhaltung der Voraussetzung des Wohnsitzes wäre dann eine betrügerische Handlung des Einzelnen und er könnte gemäß den Vorschriften des nationalen Strafrechts unmittelbar verfolgt werden. In diesem Fall würde der aufnehmende Mitgliedstaat nach Anwendung des vorstehend beschriebenen Verfahrens den Führerschein aufheben (nur mit Wirkung auf seinem Hoheitsgebiet) und an den ausstellenden Mitgliedstaat zurücksenden, der dann wegen Betrugs den Führerschein mit allgemeiner Wirkung aufheben könnte. ...


E.2. Auslegung der einschlägigen Vorschriften der zweiten Richtlinie

Artikel 7 Absatz 1 der zweiten Richtlinie besagt:

   „Die Ausstellung eines Führerscheins hängt außerdem ab vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats.“

Der Umfang dieser Vorschrift kann nur in Kombination mit anderen, den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Vorschriften der Richtlinie bestimmt werden. Artikel 7 Absatz 1 in Verbindung mit der Begriffsbestimmung von Artikel 9 präzisiert, dass der Führerschein nur ausgestellt wird, wenn die Antragsteller länger als 185 Kalendertage im Jahr im ausstellenden Mitgliedstaat wohnen.

Außerdem bestimmt Artikel 8 Absatz 1:

   „Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen;“

In diesem Artikel ist die Zuständigkeit des Mitgliedstaats des ordentlichen Wohnsitzes für den Umtausch festgelegt, eine Auslegung, die auch durch Artikel 7 Absatz 1 und Artikel 9 der zweiten Richtlinie gestützt wird. Ein freiwilliger Umtausch des Führerscheins kann also nur durch den Mitgliedstaat vorgenommen werden, in dem der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Diese Bewertung wird unterstrichen durch folgenden Absatz der Richtlinie, Artikel 8 Absatz 2:

   „(. . .) kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften (. . .) anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.“

Zum Zweck der Bestimmung der rechtlichen Zuständigkeit für den Umtausch des Führerscheins macht die Richtlinie 91/439/EWG keinen Unterschied zwischen Führerscheininhabern, die ihren Führerschein freiwillig umtauschen und jenen, die dazu aufgrund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften (straf- und polizeirechtlich) des Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes verpflichtet sind. Berücksichtigt man die Struktur von Artikel 8, so gibt es für eine Unterscheidung zwischen Führerscheininhabern, die aufgrund der einzelstaatlichen straf und polizeirechtlichen Rechtsvorschriften zum Umtausch verpflichtet sind, und jenen, die dazu aufgrund verwaltungsrechtlicher Vorschriften (d. h. Vorschriften zur Gültigkeitsdauer) verpflichtet sind, in der Richtlinie 91/439/EWG keine Rechtsgrundlage.

Damit ist ausreichend klar, dass für den freiwilligen Umtausch eines Führerscheins ausschließlich der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes zuständig ist.

In einer anderen Bestimmung der Richtlinie, Artikel 8 Absatz 5, wird die ausschließliche rechtliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats des ordentlichen Wohnsitzes in anderem Zusammenhang festgelegt:

   „Die Ersetzung eines Führerscheins infolge insbesondere von Verlust oder Diebstahl kann bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats erlangt werden, in dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat.“

In Artikel 8 Absatz 5 wird damit die Zuständigkeit des Mitgliedstaats des ordentlichen Wohnsitzes in einem Fall festgestellt, der der „Verlängerung“ des Führerscheins vergleichbar ist.

Darüber hinaus wird in den Artikeln 8 Absatz 3 und 12 Absatz 3 der Richtlinie ein System für den regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten festgelegt, das auf eine verbesserte Kommunikation zwischen den aufnehmenden Mitgliedstaaten, die in vieler Hinsicht für in anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Führerscheine zuständig sind, und den ausstellenden Mitgliedstaaten abzielt. Dieses System würde vollkommen ineffektiv werden, wenn die Zuständigkeit des aufnehmenden Mitgliedstaats in Bezug auf die Verlängerung von Führerscheinen, die abgelaufen sind oder ablaufen werden, beschnitten würde.


E.3. Lösung

In der Richtlinie 91/439/EWG wird die ausschließliche rechtliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats bei der erstmaligen Ausstellung von Führerscheinen, der Ersetzung von Führerscheinen, der Anwendung der straf- und polizeirechtlichen Vorschriften und beim freiwilligen Umtausch des Führerscheins festgeschrieben.

Außerdem zielt die Richtlinie darauf ab, einen Mechanismus für den Informationsaustausch zwischen aufnehmenden und ausstellenden Mitgliedstaaten aufzubauen.

Daraus ergibt sich, dass eine Zuständigkeit des ausstellenden Mitgliedstaats für die Verlängerung von Führerscheinen, die außerhalb des ausstellenden Staats ablaufen, in Widerspruch zum System, zu den Zielen der Richtlinie und der logischen Struktur der vorstehend genannten Vorschriften stehen würde.

Die vorstehenden Schlussfolgerungen werden auch durch den nachfolgenden Umkehrschluss unterstrichen: gemäß Artikel 1 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten ihre einzelstaatlichen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gültigkeitsdauer der Führerscheine aller auf ihrem Staatsgebiet lebenden Führerscheininhaber anwenden. Wären Mitgliedstaaten dazu berechtigt, Führerscheine umzutauschen, deren Inhaber ihren ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, so würden sie damit die Befugnis des Mitgliedstaats des ordentlichen Wohnsitzes, seine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften anzuwenden, untergraben. Die Bestimmungen in Artikel 1 Absatz 3 wären überflüssig.

Daher ist der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes (der aufnehmende Mitgliedstaat) als ausschließlich zuständig für alle Aspekte der Verlängerung von Führerscheinen anzusehen, unter Einschluss derjenigen Führerscheine, die ungültig geworden sind, d. h. nicht rechtzeitig verlängert wurden. Was diesen letztgenannten Gesichtspunkt anbelangt, sollten Führerscheine, die ursprünglich in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden, unter denselben Bedingungen erneuert werden, wie vom aufnehmenden Mitgliedstaat ausgestellte Führerscheine.

Für den Fall dass der aufnehmende Mitgliedstaat Führerscheine mit unbegrenzter Gültigkeitsdauer ausstellt, muss die Erneuerung von in anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheinen ohne weitere Bedingungen erfolgen. …”

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