1. |
Der in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG niedergelegte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine verlangt grundsätzlich ohne generelle Einschränkung auch in solchen Fällen, in denen nach den Maßgaben der Fahrerlaubnis-Verordnung Zweifel an der generellen Fahreignung des Betroffenen nicht ausgeräumt sind, von der jeweils zuständigen inländischen Fahrerlaubnisbehörde, ohne eigene Überprüfungsbefugnis das Ergebnis einer Eignungsprüfung bei der Erteilung der Fahrerlaubnis im Ausstellungsstaat hinzunehmen, wenn die Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn nach einem vorausgegangenem alkoholbedingten Entzug der Fahrerlaubnis ein die Fahreignung bestätigendes medizinisch-psychologisches Gutachten der inländischen Fahrerlaubnisbehörde nicht vorgelegt wurde. Anwendung der sog. „Kapper“-Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 29.04.2004 – Rs. C-476/01 – auf Fälle alkoholbedingter Fahreignungsmängel bzw. nicht ausgeräumter Zweifel an der Fahreignung.
| 2. |
Im Einzelfall kann es einem Fahrerlaubnisinhaber aufgrund der Besonderheiten des zu beurteilenden Sachverhalts ausnahmsweise verwehrt sein, sich auf den Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG zu berufen, wenn die nationalen Vorschriften über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung - insbesondere das Erfordernis, ein positiv ausgefallenes medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen - umgangen werden und der Inhaber des EU-Führerscheins sich missbräuchlich auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruft. Die abschließende Beantwortung dieser Fragen muss einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, denn zur Klärung der aufgeworfenen Fragen bedarf es der Vorabentscheidung des EuGH in einem Vorlageverfahren nach Art. 234 EGV.
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„Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.“
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„… (2) Vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen. … (4) Ein Mitgliedstaat kann es ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Abs. 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde. Ein Mitgliedstaat kann es außerdem ablehnen, einem Bewerber, auf den eine solche Maßnahme in einem anderen Mitgliedstaat angewendet wurde, einen Führerschein auszustellen.“ |
„Um einen gemeinsamen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muß. (…) Aus Gründen der Sicherheit im Straßenverkehr sind Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheines festzulegen.“
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„Alkoholgenuss ist eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr. Da es sich um ein schwer wiegendes Problem handelt, ist auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit geboten.Daraus wird deutlich, dass die Richtlinie 91/439/EWG dem Ausschluss alkoholabhängiger Kraftfahrzeugführer sowie solcher Fahrzeugführer, die das Führen eines Fahrzeugs und den Genuss von Alkohol in erheblichen Mengen nicht trennen können, zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr einen hohen Stellenwert zumisst. Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geht in seinem Beschluss vom 6. April 2006 davon aus, dass vor der Erteilung einer Fahrerlaubnis die Einhaltung der Mindestanforderungen in Bezug auf die physische und psychische Fahreignung in einem geeigneten Verfahren zu überprüfen ist (Rs. C-227/05 - Halbritter -, Rdnr. 31).
Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, darf eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch erneuert werden.“