Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil vom 16.01.2007 - Au 3 K 06/1123 - Ob eine bestandskräftige Nutzungsuntersagung wieder aufzuheben ist, liegt im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde

VG Augsburg v. 16.01.2007: Ob eine bestandskräftige Nutzungsuntersagung wieder aufzuheben ist, liegt im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde




Das Verwaltungsgericht Augsburg (Urteil vom 16.01.2007 - Au 3 K 06/1123) hat entschieden:

  1.  Der Beschluss des EuGH vom 6. 4. 2006 (DAR 2006, 375) hat nicht zur Folge, dass § 28 Abs. 5 FeV i.V.m. § 28 Abs. 4 Nr. 3 und 4 FeV nichtig ist. Geändert hat sich vielmehr die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt aber keine Änderung der Rechtslage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG dar mit der Folge, dass die Behörde verpflichtet wäre, das Verwaltungsverfahren wieder aufzugreifen.

  2.  Nach der Rspr. des EuGH verlangt das Gemeinschaftsrecht entsprechend dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Frist oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden ist. Denn so lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können.

  3.  Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass der EuGH nicht umfassend die Pflicht statuieren wollte, in einem anderen Mitgliedsstaat erworbene Fahrerlaubnisse anzuerkennen. Hiervon in „Missbrauchsfällen” abzuweichen, hieße diesen Grundsatz aufzuweichen und doch eine Überprüfung von Fahrerlaubnissen aus anderen Mitgliedsstaaten zumindest auf Missbrauch zuzulassen.


Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

Zum Sachverhalt:


Der KI. begehrt die Anerkennung einer im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis und hilfsweise die Aufhebung eines Bescheides der Bekl.. mit dem ihm das Recht aberkannt wurde, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Der 59-jährige Kl. führte am 1. 12. 2003 gegen 7.50 Uhr mit einer BAK von 2.11 Promille ein Kfz. beschädigte ein fremdes Kfz und entfernte sich unerlaubt vom Unfallort. Daraufhin wurde er zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde ihm mit einer Sperrfrist von 14 Monaten entzogen. Der Kl. beantragte bei der Bekl. die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und wurde aufgefordert. ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten beizubringen. Der Kl. teilte daraufhin am 29. 8. 2005 der Bekl. mit. er wolle sich der Begutachtung nicht unterziehen, da er seit 19. 7. 2005 im Besitz einer in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis sei. Nach vorheriger Anhörung des KI. erkannte ihm die Bekl. mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 2. 11. 2005 das Recht ab. von seiner in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10. 11. 2005 beantragte der KI. bei der Bekl., ihm das Recht zu erteilen, von seiner Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu können. Der Kl. ließ gegen den Bescheid vom 2. 11. 2005 Widerspruch einlegen und beim VG beantragen. dessen aufschiebende Wirkung wieder herzustellen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 19. 12. 2005 (Au 3 S 05.1953) abgelehnt. Der KI. ließ hierauf mit Schreiben vom 17.2. 2006, das bei der Bekl. am 20. 2. 2006 einging. seinen Widerspruch zurücknehmen.

Auf Anfrage der Bekl., ob über den Antrag auf Erteilung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen, noch entschieden werden solle. erklärten die Bevollmächtigten des KI.. dass diese Entscheidung nach Aktenlage getroffen werden solle. Mit Bescheid vom 9. 5. 2005 lehnte die Bekl. den Antrag ab.




Der KI. ließ auch hiergegen Widerspruch einlegen. Die Bekl. teilte dem Bevollmächtigten des KI. am 9. 6. 2006 mit, dass auf Grund der jüngsten Rspr. es des Bescheides vom 9. 5. 2005 nicht bedurft habe. Es könne allerdings an ein Wiederaufgreifen des Verfahrens oder an eine Rücknahme des Bescheides vom 2. 11. 2005 gedacht werden. Die Bevollmächtigten des Kl. erklärten hierauf mit Schreiben vom 27. 6. 2006. der Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. 5. 2006 werde aufrecht erhalten.

Zugleich werde beantragt, den Bescheid vom 2. 11. 2005 aufzuheben bzw. zurückzunehmen. Die Regierung von Schwaben wies den Widerspruch des Kl. gegen den Bescheid der Bekl. vom 9. 5. 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 28. 9. 2006 zurück.

Mit seiner am 28. 9. 2006 eingegangenen Klage begehrt der Kl., den Bescheid der Bekl. vom 9. 5. 2006 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 28. 9. 2006 aufzuheben und die Bekl. zu verpflichten, dem KI. das Recht zuzuerkennen, von seiner in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu können, hilfsweise, den Bescheid der Bekl. vom 10. 11.2006 aufzuheben und die Bekl. zu verpflichten, ihren Bescheid vom 2. 11. 2005 aufzuheben, hilfsweise, den Bescheid der Bekl. vom 10. 11. 2006 aufzuheben und die Bekl. zu verpflichten, ihren Bescheid vom 2. 11. 2005 zurückzunehmen.

Der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis dürften Eignungszweifel. die vor deren Erteilung begründet worden seien. nicht entgegengehalten werden. Der Bescheid vom 2. 11. 2005 verstoße gegen Vorschriften des Rechts der Europäischen Gemeinschaft.

Die Bekl. beantragt. die Klage abzuweisen.

Die Klage blieb insgesamt erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"1. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet, da es an einer gesetzlichen Grundlage für die Anerkennung der in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis des Kl. fehlt.

Nach § 28 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) wird das Recht, von einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nach einer der in Absatz 4 Nr. 3 und 4 genannten Entscheidungen im Inland Gebrauch zu machen. auf Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen. § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV betrifft den Entzug der Fahrerlaubnis durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde, die bestandskräftige Versagung einer Fahrerlaubnis oder den Verzicht auf eine Fahrerlaubnis während eines auf den Entzug dieser Fahrerlaubnis gerichteten Verfahrens. § 28 Abs. 4 Nr. 4 FeV erfasst Fälle der isolierten Festlegung einer Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis gegenüber Personen, die nicht im Besitz der Fahrerlaubnis waren. § 28 Abs. 4 Nr. 3 und 4 FeV umfassen demnach Fälle, bei denen die erkennende Stelle von der Ungeeignetheit des Betr. ausging bzw. sich dieser einer entsprechenden Feststellung nur durch den Verzicht auf die Fahrerlaubnis entzogen hat. Die Anerkennung nach § 28 Abs. 5 Satz 1 FeV beinhaltet somit eine Überprüfung, ob der Betr. trotz der mittlerweile in einem anderen Staat der EU erteilten Fahrerlaubnis aus den zuvor bestanden habenden Gründen nach wie vor ungeeignet ist, wobei nach § 28 Abs. 5 Satz 2 FeV gem. § 20 Abs. 1 FeV die Vorschriften für die Ersterteilung gelten. § 28 Abs. 5 FeV hat damit zur Konsequenz, dass ohne Anerkennung der Betr. im Inland von der ausländischen Fahrerlaubnis keinen Gebrauch machen darf. Wären die genannten Bestimmungen wirksam, so wäre die Klage auf Anerkennung der Fahrerlaubnis des Kl. aus sachlichen Gründen unbegründet. Wegen § 20 Abs. 1 FeV käme § 13 Nr. 2 c FeV zur Anwendung, der zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vorsieht, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Das Fahreignungs-Gutachten wäre demnach vom Kl. zu Recht gefordert worden mit der Folge, dass die Bekl. aus der nicht fristgerechten Beibringung gem. § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Kl. zum Führen von Kfz schließen konnte.


§ 28 Abs. 5 FeV i.V.m. § 28 Abs. 4 Nr. 3 und 4 FeV ist aber mit europäischem Recht nicht vereinbar. Nach dem Beschluss des EuGH (NJW 2006, 2173 = DAR 2006, 375) sieht Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor und erlegt den Mitgliedsstaaten damit eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Dem Mitgliedsstaat ist es nach Ablauf einer zusätzlich zur Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis angeordneten Sperrfrist untersagt, die Gültigkeit einer Fahrerlaubnis abzulehnen, die dem Betr. später von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellt worden ist. Die genannten Regelungen der Fahrerlaubnis-Verordnung sehen aber gerade vor, dass der Betr. von der in einem anderen Mitgliedsstaat erworbenen Fahrerlaubnis erst dann Gebrauch machen darf, wenn diese Fahrerlaubnis nach vorheriger Überprüfung der Fahreignung des Betr. anerkannt worden ist. Dies ist mit den eindeutigen Aussagen des Beschlusses des EuGH vom 6. 4. 2006 nicht vereinbar. § 28 Abs. 5 FeV i.V.m. § 28 Abs. 3 und 4 FeV ist deshalb nicht anwendbar. Der Inhaber einer in einem anderen Mitgliedsstaat erworbenen Fahrerlaubnis darf somit von dieser, ungeachtet der vorangegangenen Maßnahmen im Inland, i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV ohne weitere Formalitäten Gebrauch machen. Die vom Kl. begehrte Anerkennung seiner in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis hat deshalb keine rechtliche Grundlage: sie ist nicht möglich. Eine andere, von der Gültigkeit von § 28 Abs. 5 FeV zu trennende Frage ist. ob eine inländische Fahrerlaubnisbehörde berechtigt ist, auf den Inhaber der in einem anderen Mitgliedsstaat erworbenen Fahrerlaubnis die Maßnahmen anzuwenden, die er bei Zweifeln an der Fahreignung auf Inhaber inländischer Fahrerlaubnisse anwendet und weiter, welche Tatsachen er zur Begründung solcher Zweifel berücksichtigen darf. Dieser Frage wäre bei der Anfechtung des Bescheides vom 2. 11. 2005 nachzugehen gewesen. Eine Prüfung im Rahmen des Hauptantrages ist aber schon von dessen Inhalt her nicht möglich. Die Frage spielt aber bei der Prüfung, ob die Bekl. verpflichtet ist, den Bescheid vom 2. 11. 2005 zurückzunehmen, eine wesentliche Rolle.

2. Das hilfsweise Begehren, die Bekl. unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 10. 11. 2006 zu verpflichten, den Bescheid vom 2. 11. 2005 aufzuheben, ist nicht begründet. Nach Art. 51 Abs. 1 des BayVwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betr. unter bestimmten Voraussetzungen über die Aufhebung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden. Als Voraussetzung für eine derartige Entscheidung kommt hier nur gem. Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG in Betracht, dass sich die dem Bescheid vom 2. 11. 2005 zu Grunde liegende Rechtslage nachträglich zu Gunsten des KI. geändert hat. Wäre dies wegen der zitierten Entscheidung des EuGH der Fall und würde sich daher nunmehr der Bescheid vom 2. 11. 2005 als rechtswidrig erweisen, so hätte die Bekl. das Verfahren wieder aufzugreifen und den Bescheid vom 2. 11. 2005 aufzuheben. Die Voraussetzung in Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG ist aber nicht gegeben. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften sind unverändert geblieben. Insbesondere hat der Beschluss des EuGH vom 6.4.2006 nicht, wie dies bei einem Normenkontrollverfahren der Fall wäre, die Nichtigkeit von § 28 Abs. 5 FeV i.V.m. § 28 Abs. 4 Nr. 3 und 4 FeV zur Folge. Geändert hat sich vielmehr die Rspr. zur Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rspr. stellt aber keine Änderung der Rechtslage dar. Die Behörde ist bei einer dem Betr. günstigen Änderung der Rspr. zwar berechtigt, das Verwaltungsverfahren wieder aufzugreifen, hierzu jedoch nicht verpflichtet (vgl. BVerwG vom 16.2.1993 - NVwZ-RR 1994, 119). Diese Berechtigung, ein Verwaltungsverfahren wieder aufzugreifen und einen aus nunmehriger Sicht rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakt zurückzunehmen, ergibt sich indes bereits aus Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Die Frage, ob sich vorliegend diese Berechtigung zu einer Verpflichtung verdichtet, ist Gegenstand des weiteren Hilfsantrags.

3. Der Kl. hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass die Bekl. ihren Bescheid vom 2. 11. 2005 zurücknimmt. Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Anspruch darauf, dass ein belastender Verwaltungsakt zurückgenommen wird, setzt daher erstens voraus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig und zweitens, dass das der Behörde eingeräumte Ermessen so reduziert ist, dass allein die Rücknahme in Betracht kommt.




a) Der Bescheid vom 2. 11. 2005 ist rechtswidrig, da er im Widerspruch zu Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. 7. 1991 über den Führerschein steht. Danach werden die von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Die Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen Mitgliedsstaat hängt neben der Erfüllung von Mindestaltersanforderungen gem. Art. 7 Abs. 1 a) der Richtlinie ab vom Bestehen einer Prüfung der Fähigkeit und Verhaltensweiser, vom Bestehen einer Prüfung der Kenntnisse und von der Erfüllung gesundheitlicher Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III. Weiter ist die Erteilung der Fahrerlaubnis nach Art. 7 Abs. 1 b) der Richtlinie abhängig vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedsstaates. Nach Nr. 14 des Anhangs III zur Richtlinie ist Alkoholgenuss eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr. Da es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt, ist auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit geboten. Gem.. Nr. 14.1 des Anhangs HI darf Bewerbern um die Fahrerlaubnisklasse B, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch erneuert werden. Zwar kann gem. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie der Mitgliedsstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen. Nach Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie kann es ein Mitgliedsstaat ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedsstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Abs. 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde. Diese Regelungen sind jedoch im Lichte von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie, der die grundsätzliche gegenseitige Anerkennung von Fahrerlaubnissen vorschreibt, eng auszulegen. Nach der Rspr. des EuGH (vom 29. 4. 2004 - DAR 2004, 333 m. Anm. Geiger - Sache Kapper) hat ausschließlich der die Fahrerlaubnis ausstellende Mitgliedsstaat zu prüfen, ob das zeitliche Mindesterfordernis des Wohnsitzes nach Art. 7 Abs. 1 b) der Richtlinie erfüllt ist. Wie ausgeführt, obliegt nach Art. 7 Abs. 1 a) i.V.m. Nr. 14 des Anhangs III der Richtlinie dem ausstellenden Mitgliedsstaat auch die Prüfung, ob der Bewerber alkoholabhängig ist oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen kann. Die Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen Mitgliedsstaat beinhaltet demnach, dass nach dortigem nationalem Recht unter Beachtung der Mindeststandards der Richtlinie 91/439/EWG die Eignung zum Führen von Kfz (wieder) gegeben ist. Die Mitgliedsstaaten können vom Inhaber eines in einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins nicht verlangen, das er die Bedingungen erfüllt, die ihr nationales Recht für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach einem Entzug aufstellt (vgl. EuGH NJW 2006. 2173 = DAR 2006, 375). Das Verlangen nach Beibringung eines Fahreignungs-Gutachtens wegen Tatsachen, die zeitlich vor Erteilung der Fahrerlaubnis durch den anderen Mitgliedsstaat lagen, ist daher nicht berechtigt. Auf die Weigerung, ein derartiges Gutachten beizubringen, kann somit die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gestützt werden (vgl. VG Augsburg vom 29. 5. 2006 - zfs 2006, 479/EWG = DAR 2006, 527). Das Gericht ist sich durchaus bewusst, dass die enge und formalistische Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG mit dem Gedanken der Verkehrssicherheit nur schwer in Einklang zu bringen ist. Denn es ist allgemein bekannt. dass in der Tschechischen Republik Fahrerlaubnisse an deutsche Staatsbürger erteilt werden, bei denen weder das Wohnsitzerfordernis eingehalten wurde noch eine Überprüfung der Fahrerlaubnis in Bezug auf die Alkoholproblematik stattgefunden hat. In solchen Missbrauchsfällen hält es ein erheblicher Teil der Rspr. zumindest für offen, ob nicht doch die inländischen Fahrerlaubnisbehörden die Berechtigung des Betr., von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu dürfen, überprüfen können (vgl. VGH Mannheim NJW 2007, 99; VGH Kassel NJW 2007, 102; offen gelassen auch bei BayVGH vom 15. 9. 2006 11 CS 06.1004). Es ist auch zutreffend, dass in dem vom EuGH am 6. 4. 2006 entschiedenen Fall sowohl das Wohnsitzerfordernis beachtet worden war, als auch eine Überprüfung der Fahreignung nach den maßgeblichen österreichischen Vorschriften stattgefunden hatte. Gleichwohl vermag das Gericht aber nicht zu erkennen, dass der EuGH nicht umfassend die Pflicht statuieren wollte, in einem anderen Mitgliedsstaat erworbene Fahrerlaubnisse anzuerkennen. Hiervon in „Missbrauchsfällen” abzuweichen, hieße diesen Grundsatz aufzuweichen und doch eine Überprüfung von Fahrerlaubnissen aus anderen Mitgliedsstaaten zumindest auf Missbrauch zuzulassen.




b) Eine Ermessensreduktion der Bekl. auf Null liegt aber nicht vor, sodass diese nicht verpflichtet ist, ihren Bescheid vom 2. 11. 2005 zurückzunehmen. Der Ermessensspielraum der Behörde kann angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls so reduziert sein und damit auf Null schrumpfen, dass dem betroffenen Bürger ein Anspruch auf Rücknahme zusteht. Dies kann dann der Fall sein, wenn in vergleichbaren Fällen der Verwaltungsakt zurückgenommen wurde und Art. 3 des Grundgesetzes eine Gleichbehandlung gebietet, wenn das Festhalten am Verwaltungsakt einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben darstellen würde oder gar schlechthin unerträglich wäre (vgl. Kopp/Ramsauer. VwVfG, 9. Aufl. 2005, Rdn. 83 m.w.N.). Nach der Rspr. des EuGH verlangt das Gemeinschaftsrecht entsprechend dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Frist oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden ist. Denn so lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können (vgl. EuGH vom 19.9. 2006 - C-392/04 und C 422/04, Rdn. 51 zitiert nach juris.de). Das Gericht wendet diese Rspr. auch im vorliegenden Fall an, in dem es im Kern um die Reichweite der Pflicht zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedsstaat der EU erworbenen Fahrerlaubnisse geht. Allerdings kann sich in bestimmten Fällen ein Anspruch auf Rücknahme ergeben, wobei der EuGH danach differenziert, ob der Verwaltungsakt nach Erschöpfung des nationalen Rechtsweges bestandskräftig wurde oder aber von dem Recht, den Verwaltungsakt mit Rechtsmitteln anzugreifen, kein Gebrauch gemacht wurde. In letzterem Fall ist neben den oben angeführten Gesichtspunkten allerdings auch zu prüfen, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ist dies zu bejahen, so ist der Verwaltungsakt zurückzunehmen.

Der Kl. hat die gebotenen Mittel des Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Bekl. vom 2. 11. 2005 nicht ausgeschöpft. Er hat hiergegen zwar Widerspruch eingelegt und nach § 80 Abs. 5 die Wiederherstellung von dessen aufschiebender Wirkung beantragt. Nachdem dieser Antrag zurückgewiesen wurde, hat er indessen nicht nach § 146 VwGO Beschwerde eingelegt und auch seinen Widerspruch nicht weiterverfolgt, sondern diesen zurückgenommen.



Das Festhalten der Bekl. am Bescheid vom 2. 11. 2005 verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Bekl. vergleichbare bestandskräftige Bescheide zurückgenommen hätte. Nicht zu vergleichen sind die Fälle, in denen die Behörden nicht bestandskräftige Verwaltungsakte während des laufenden Rechtsmittelverfahrens aufgehoben haben, um so die zu erwartende Niederlage abzuwenden. Das Festhalten des Kl. an der Bestandskraft des Bescheides vom 2. 11. 2005 verstößt weder gegen die guten Sitten noch gegen Treu und Glauben und erweist sich auch nicht als schlechthin unerträglich. Denn die Bekl. hat gute Gründe, dem Kl. weiter die Fahrerlaubnis vorzuenthalten. Der Kl. hat am Morgen des 1. 12. 2003 mit einer BAK von 2,11 Promille ein Kfz geführt, einen Verkehrsunfall verursacht und gleichwohl seine Fahrt zur Arbeitsstelle fortgesetzt. Dies weist auf eine damals bestehende durch exzessiven Konsum erlangte Alkoholgewöhnung hin und auf ein Unvermögen, Trinken und Fahren trennen zu können. Es handelt sich beim Kl. um einen typischen Fall der Geltendmachung der Pflicht zur Anerkennung von in einem anderen Mitgliedsstaat der EU erworbenen Fahrerlaubnis, um so die im Aufenthaltsstaat geltenden Regelungen für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu umgehen. Beim Kl. sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er sein durch die Verkehrsauffälligkeit manifest gewordenes problematisches Trinkverhalten kritisch überdacht oder gar geändert hätte. Insbesondere sein Verhalten nach Erwerb der Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik gegenüber der Bekl. spricht hiergegen. Es ist damit zu besorgen, dass von ihm bei Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr nach wie vor eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer ausgeht. ..."

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