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Amtsgericht Lüdinghausen Urteil vom 12.11.2004 - 9 Ds 26 Js 1599/03 - Zur Anerkennung eines EU-Führerscheins, der vor dem Beitritt zur Gemeinschaft ausgestellt wurde

AG Lüdinghausen v. 12.11.2004: Zur Anerkennung eines EU-Führerscheins, der vor dem Beitritt zur Gemeinschaft ausgestellt wurde




Das Amtsgericht Lüdinghausen (Urteil vom 12.11.2004 - 9 Ds 26 Js 1599/03) hat entschieden, dass es für die Anerkennung der EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis und somit für die Strafbarkeit wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis allein auf jetzige Mitgliedschaft des Ausstellerstaates ankommt; der Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrerlaubnis sowie des Beitritts des entsprechenden Staates sei unbeachtlich.

   Das in dem Urteil des EuGH vom 29. 4. 2004 - Rechtssache C-476/01 - aufgestellte Verbot der Prüfung des Wohnsitzes des Angeklagten gilt auch, wenn der Führerschein des Mitgliedstaates vor dem Beitritt zum EWR ausgestellt und auch die angeklagte Tat vorher begangen wurde. Maßgeblich für das Prüfungsverbot ist die Mitgliedschaft des ausstellenden Staates zur Zeit der Prüfung der Gültigkeit der Fahrerlaubnis.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

Zum Sachverhalt:


Die StA M hat dem Angekl. vorgeworfen, sich wegen zweier Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar gemacht zu haben, und zwar am 12.7.2003 in S, indem er an diesem Tage um 15:25 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen Pkw der Marke VW-Bulli u. a. die Bundesautobahn 1 in Fahrtrichtung D fuhr, obwohl er keine gültige Fahrerlaubnis gehabt habe. Ferner sei er am 28. 8. 2003 in A gegen 19:52 Uhr mit einem fahrerlaubnispflichtigen Pkw der Marke Ford in A u. a. die W-Straße entlang gefahren, wiederum ohne eine gültige Fahrerlaubnis zu besitzen. Der Angekl. wurde freigesprochen.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Angekl. war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da das Gericht davon ausgehen musste, dass er im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war. Der Angekl. hat ohne weiteres eingeräumt, die Fahrten, die zu den Anklagevorwürfen geführt haben, durchgeführt zu haben. Er wies jedoch darauf hin, dass ihm eine gültige lettische Fahrerlaubnis erteilt worden sei, da er in Lettland zu dieser Zeit seine Wohnsitz gehabt habe.

Tatsächlich befand sich der Angekl. - dies war gerichtsbekannt - in diesem Zeitraum in Lettland. Die gültige lettische Fahrerlaubnis gelangte schließlich auch am letzten Hauptverhandlungstag zu der Akte. Es handelt sich um eine solche, die ausgestellt wurde in Riga am 2.7.2003. Am 1.7.2003 hatte der Angekl. einen Fahrschulvertrag abgeschlossen.



Das Gericht verkennt nicht, dass nach hiesigem Gepflogenheiten kaum eine Fahrerlaubnis binnen eines Tages erworben werden könnte; es bestand auch durchaus die naheliegende Möglichkeit, dass der Angekl. seinen Wohnsitz zur Tatzeit gar nicht in Lettland hatte, sondern noch in der Bundesrepublik Deutschland. Dem Gericht war dies jedoch verwehrt zu prüfen. Es musste vielmehr die lettische Fahrerlaubnis ohne weiteres anerkennen. Zwar war Lettland zur Zeit der Ausstellung noch nicht Mitglied der EU, doch hat sich dies mittlerweile durch den Beitritt Lettlands zur EU geändert. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 29. 4. 2004 - Rechtssache C-476/01 - (NJW 2004, 1725 = NZV 2004, 373 = ZfS 2004, 287 = DAR 2004, 333 = Blutalkohol Bd. 41, 450) unter 78 Punkt festgestellt, dass Art. 1 S. 2 in Verbindung mit Art. 8 IV der Richtlinie 91/439 so auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerschein nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedsstaates auf den Inhaber des Führerscheins eine Maßnahme des Entzuges oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedsstaat abgelaufen War, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedsstaat ausgestellt worden ist. Genauso lag hier die Rechtslage, da die letzte Sperre, die gegen den Angekl. festgesetzt wurde am 16. 9. 2002 ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges vom 20. 8. 2003 abgelaufen war. Nach Ansicht des Gerichts kommt es nicht darauf an, ob die Führerscheinerteilung noch zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als Lettland noch nicht Mitglied der europäischen Union war. Einzig maßgeblich sind die Rechtsverhältnisse zur Zeit der Urteilsfindung, die eine Prüfung der Ordnungsgemäßheit der Fahrerlaubniserteilung anknüpfend an die Frage des Wohnsitzes verbietet. ..."

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