Wer als Inhaber einer EU- oder EWG- Fahrerlaubnis (hier einer tschechischen Fahrerlaubnis), die er während des Laufes einer gesetzlichen Sperrfrist nach § 4 Abs. 10 S.1 StVG im EU-Ausland erworben hat, nach Ablauf dieser Sperrfrist im Inland auf öffentlichen Straßen ein KFZ führt, macht sich nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar.
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„Mit Bescheid der Stadt ... vom 4.5.2004, Az: ... wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist bis zum 11.11.2004 verhängt. Dieser Bescheid war seit dem 8.6.2004 unanfechtbar. Am 11.10.2004 erwarb der Angeklagte eine tschechische Fahrerlaubnis. Am 24.9.2005 gegen 11 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem PKW, amtliches Kennzeichen ... vom Tschechien kommend am Grenzübergang in ... auf öffentlichen Straßen."xxx
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„Am 22.7.2005 gegen 14.40 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem PKW, amtliches Kennzeichen … in …. Auf Höhe der Einmündung … fuhr er infolge Unachtsamkeit auf den vorausfahrenden PKW der Beteiligten … auf. Dies hatte für ihn vorhersehbar und vermeidbar zur Folge, dass die Beteiligte ... hierbei ein HWS - Schleudertrauma erlitt. Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung des Angeklagten bejaht."
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„Unanfechtbare Entziehung der Fahrerlaubnis. Rechtsgrundlage für diese Maßnahme zur Fahrerlaubnis: § 4 Abs. 3 Nr. 3 StVG Die Entscheidung betrifft folgende Fahrerlaubnis/ Fahrerlaubnisklasse(n): Deutsche Allgemeine Fahrerlaubnis (2.EU-FS Richtlinie) der Klasse(n) B, BE, L, C1, C1E, M. ... Entscheidungsgrundlage für die Maßnahme zur Fahrerlaubnis: - Erreichen von 18 oder mehr Punkten (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 StVG); Datum der Frist oder Beendigung 11.11.2004; Datum der Entscheidung 4.5.2004". |
„Nach ständiger Rechtsprechung sieht Art. 1 II der Richtlinie 91/439 die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor." (Rn. 45) „Soweit es Art. 8 IV Unterabs. 1 der Richtlinie 91/439 einem Mitgliedstaat erlaubt, die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins dann nicht anzuerkennen, wenn auf dessen Inhaber in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme der Einschränkung, der Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde, stellt er eine Ausnahme von dem in Art. 1 II der Richtlinie enthaltenen allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine dar." (Rn. 70)
Der Senat zieht daraus den Schluss, dass ein Mitgliedstaat zwar während des Laufs einer eigenen Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis die Gültigkeit der durch einen anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis verweigern darf, nicht mehr jedoch nach Ablauf der Sperrfrist, auch wenn die ausländische Fahrerlaubnis - wie hier - noch während einer gesetzlichen Sperrfrist nach § 4 Abs. 10 S. 1 StVG ausgestellt worden ist (ebenso Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken 1 Ss 146/05 für den Fall, dass der ausländische Führerschein nach der vorläufigen, aber vor der endgültigen Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis und der Anordnung einer Sperrfrist ausgestellt worden ist; vgl. auch OLG München Beschluss vom 21.10.2005 4St RR 176/05, in dem ebenfalls ausgeführt wird, dass es „nicht darauf ankommen kann, ob die Fahrerlaubnis noch innerhalb der Sperrfrist erworben wurde"). Im Übrigen ist auch nach deutschem Recht eine (versehentlich) innerhalb einer Sperrfrist erteilte Fahrerlaubnis wirksam (Hentschel Straßenverkehrsrecht 38.Aufl. § 2 StVG Rn.32; OLG Hamm VRS 26, 345). Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung nach den Ausstellungsdaten ist nach der Begründung der zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht ersichtlich. Die Bezugnahme auf das Ausstellungsdatum erklärt sich jeweils durch die Vorlagefragen bzw. den jeweils der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt. Das Amtsgericht Nürnberg hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Verbot einer Neuerteilung nach § 4 Abs. 10 StVG nur für die Behörden des Inlandes gilt, jedoch keinerlei Sperrwirkung für die Behörden eines anderen Mitgliedstaates entfaltet. Das Amtsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Behörden eines anderen Mitgliedstaates schon aus tatsächlichen Gründen (mangels einer zentralen Datei) das Vorliegen einer Sperrfrist nicht prüfen können (vgl. hierzu auch Otte/Kühner NZV 2004, 321/327). Da die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität zu erfolgen hat (EuGH NJW 2004, 1725 Rn. 45 und NJW 2006, 2174 Rn. 34) konnte die Anerkennung der Wirksamkeit des tschechischen Führerscheins auch nicht von einer Umschreibung abhängig gemacht werden. Vielmehr ist die in Tschechien erworbene Fahrerlaubnis im Inland ipso iure wirksam (vgl. OLG Saarbrücken in NStZ-RR 2005, 50). Ob die Verwaltungsbehörden in einem solchen Fall, bei Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung, gegen den Inhaber der EU-Fahrerlaubnis verwaltungsrechtlich nach § 46 FeV vorgehen und ihm die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen im Inland entziehen könnten, kann dahinstehen, da ein solches Vorgehen der Verwaltungsbehörden hier nicht erfolgt ist. Die verbindliche Auslegung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften steht dabei dem EuGH gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann jedes nationale Gericht, wenn es um die Auslegung solchen Rechts geht, die Entscheidung des EuGH einholen; unter den Voraussetzungen des Satzes 3 der Vorschrift ist es hierzu verpflichtet (durch die Umnummerierung der Artikel des Vertrages gemäß dem Artikel 12 des Vertrages von Amsterdam vom 2.0ktober 1997 wurde der Artikel 177 zum Artikel 234). Die Anrufung des EuGH kann hier aber unterbleiben, da der Europäische Gerichtshof die Auslegungsfrage in einem anderen Verfahren schon beantwortet hat, der Sachverhalt gleich gelagert ist und der Senat von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht abweichen will (vgl. BGHSt 33,76/78; OLG München Beschluss vom 21.10.2005 4 St RR 176/05). ..." - nach oben - |