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BGH Urteil vom 13.12.2005 - VI ZR 68/04 - Zur Gesamtabwägung bei der Unfallbeteiligung mehrerer Schädiger
BGH v. 13.12.2005: Zur Gesamtabwägung bei der Unfallbeteiligung mehrerer Schädiger
Der BGH (Urteil vom 13.12.2005 - VI ZR 68/04) hat entschieden:
Nimmt der Geschädigte mehrere Nebentäter in Anspruch, so ist seine Mitverantwortung gegenüber jedem der Schädiger gesondert nach § 254 BGB (§ 17 StVG) abzuwägen (Einzelabwägung). Zusammen haben die Schädiger jedoch nicht mehr als den Betrag aufzubringen, der bei einer Gesamtschau des Unfallgeschehens dem Anteil der Verantwortung entspricht, die sie im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten insgesamt tragen (Gesamtabwägung). Die aus der Gesamtschau zu gewinnende Schadensquote ist stets zu ermitteln, wenn der Geschädigte gegen mehrere Schädiger gleichzeitig vorgeht oder wenn sich nach der Inanspruchnahme eines Schädigers die Frage stellt, was die übrigen Schädiger noch aufzubringen haben.
Siehe auch Kettenunfall - doppelter Auffahrunfall - Massenkaramboulagen und Unfallverursachung durch mehrere Unfallbeteiligte - Haftung mehrerer Schädiger - Kettenunfall - Massenkaramboulage
Zum Sachverhalt: Die Klägerin, ein Sozialversicherungsträger, verlangt von den Beklagten unter Berufung auf einen Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X Erstattung ihrer Aufwendungen für die bei ihr versicherte U. M. (künftig: die Versicherte), die am 15. September 1998 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden ist.
Nachdem die am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte Beklagte zu 5, gegen die die Klage im vorliegenden Rechtsstreit rechtskräftig abgewiesen worden ist, auf der BAB 29 auf das Fahrzeug der Versicherten aufgefahren war und dieses dabei beschädigt worden ist, stellte deren Onkel, der zum Unfallzeitpunkt den Pkw führte, diesen auf dem rechten Standstreifen ab. Die Versicherte war Beifahrerin. Die Unfallstelle wurde durch die unbeteiligte Zeugin W. durch ein im Abstand von mindestens 100 m zur Unfallstelle aufgestelltes Warndreieck und ein Fahrzeug mit eingeschalteter Warnblinkanlage abgesichert. Zur Unfallzeit herrschten Nieselregen und schlechte Sicht. Etwa zehn Minuten nach dem Auffahrunfall hielten sich die Versicherte und ihr Onkel auf dem Standstreifen auf. Kurz darauf näherte sich der von einem Fahrschüler gesteuerte Bundeswehr-LKW der Beklagten zu 4 auf der rechten Fahrspur. Der Fahrer verringerte wegen des Unfallgeschehens seine Geschwindigkeit und zog den LKW innerhalb der Fahrspur nach links zur Mittellinie. Auf derselben Fahrspur folgte dem Bundeswehr-LKW der Beklagte zu 1, der als bei der Beklagten zu 2 beschäftigter Berufskraftfahrer deren LKW Scania führte. Der LKW Scania ist bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversichert. Der Beklagte zu 1 fuhr mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h und setzte, als das Fahrzeug der Beklagten zu 4 langsamer wurde, zum Überholen an. In diesem Augenblick zog der neben dem Fahrschüler sitzende Fahrlehrer den Bundeswehr-LKW nach links auf den linken Fahrstreifen, um der Versicherten oder ihrem Onkel auszuweichen, die sich außerhalb des verunfallten PKW bewegten. Der Beklagte zu 1, der bereits auf den linken Fahrstreifen gewechselt war, fuhr auf den Bundeswehr-LKW auf. Der Anhänger des LKW Scania wurde dadurch nach rechts geschleudert und erfasste die Versicherte und ihren Onkel. Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz ihrer in Höhe von 46.151,17 € bezifferten Aufwendungen für die Versicherte sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Aufwendungen, soweit die Voraussetzungen der §§ 116, 119 SGB X gegeben sind.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klageanspruch sei dem Grunde nach gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten zu 1 bis 3 zu 45 % und gegen die Beklagte zu 4 zu weiteren 20 % gerechtfertigt. Der Unfall stelle für die Beklagten zu 1 bis 4 kein unabwendbares Ereignis im Sinne der §§ 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 2 StVG a.F. dar.
Hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 1 bis 3 sei von einer höheren Betriebsgefahr des LKW nebst Anhänger als bei einem PKW auszugehen. Hinzu kämen als weitere unfallursächliche, die Betriebsgefahr erhöhende Umstände das Verschulden des Beklagten zu 1, der mit 80 km/h trotz schlechter Sicht und nasser Fahrbahn in jedem Fall zu schnell gefahren sei. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 1 entgegen § 5 Abs. 3 StVO bei unklarer Verkehrslage zum Überholen angesetzt, wenn er die haltenden Fahrzeuge, Warnblinker und Warndreieck wahrgenommen habe. Habe er diese nicht wahrgenommen, spreche dies für das Unterschreiten des gemäß § 4 Abs. 3 StVO vorgeschriebenen Mindestabstandes von 50 m. Alternativ habe der Beklagte zu 1 den Unfall durch allgemeine Unaufmerksamkeit (§ 1 Abs. 2 StVO) oder unangepasste Geschwindigkeit (§§ 3 Abs. 1, 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO) verursacht und verschuldet. Die Gesamtschuld der Beklagten zu 1 und 2 folge aus §§ 7, 18 StVG, 840 BGB, die der Beklagten zu 2 und 3 aus § 3 Nr. 2 PflVG.
Die Beklagte zu 4 hafte lediglich aus § 7 Abs. 1 StVG für die Betriebsgefahr des Bundeswehr-LKW. Ein kausales Verschulden des Fahrschülers oder des Fahrlehrers sei nicht festzustellen. Eine überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h sei jedenfalls nicht unfallursächlich gewesen, weil der Fahrschüler die Geschwindigkeit bei Erkennen der Gefahrenlage reduziert habe. Für den Unfall sei nur das Ausweichen auf den linken Fahrstreifen kausal geworden, das jedoch unter den gegebenen Umständen zur Vermeidung schwerer Schäden gerechtfertigt gewesen sei.
Die Klägerin müsse sich die Betriebsgefahr des PKW ihrer Versicherten zurechnen lassen. Diese sei durch deren Verschulden und das ihres Onkels erhöht, weil beide nach dem Abstellen des Fahrzeugs ausgestiegen seien, sich auf dem rechten Standstreifen aufgehalten und damit gegen § 18 Abs. 9 StVO verstoßen hätten. Die Geschädigte habe auch gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen, weil sie trotz Herannahens des LKW und schlechter Sicht auf der Fahrerseite ausgestiegen sei. Ein etwaiger Anspruch der Versicherten gegen ihren Onkel mindere die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin wegen § 116 Abs. 6 SGB X nicht, da eine häusliche Gemeinschaft zwischen den beiden Verwandten nicht vorgetragen worden sei. Bei Abwägung der Anteile an der Verursachung des Unfalls sei die Betriebsgefahr des PKW der Versicherten, die eigentlich nur mit 15 % zu bemessen sei, wegen der genannten Umstände auf 35 % erhöht. Die Beklagte zu 4 hafte wegen der Betriebsgefahr des Bundeswehr-LKW in Höhe von 20 %. Der Haftungsanteil der Beklagten zu 1 bis 3 betrage 45 %.
II.
Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts kann nicht in allen Punkten gefolgt werden. Auch sind die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen teilweise nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, was von Revision und Anschlussrevision gerügt wird.
A. Die Revision der Klägerin:
I. Mit seiner Formulierung, dass die Klage gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten zu 1 bis 3 zu 45 % und daneben gegen die Beklagte zu 4 zu weiteren 20 % gerechtfertigt sei, hat das Berufungsgericht verkannt, dass richtigerweise die Beklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner anzusehen sind.
1. Sind mehrere nebeneinander für einen Schaden verantwortlich, besteht trotz der gegebenenfalls der Höhe nach unterschiedlichen Haftungsverpflichtungen zwischen den einzelnen Schädigern eine Gesamtschuld gegenüber dem Geschädigten nach § 840 Abs. 1 BGB (vgl. BGHZ 17, 214). Dies gilt auch, wenn sich die Haftung einzelner oder sämtlicher Schädiger nur aus Gefährdungshaftung ergibt (vgl. Senatsurteile BGHZ 30, 203, 206, 208 und vom 18. Januar 1957 VI ZR 303/55 LM Nr. 5 zu § 840 BGB). Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Beklagten zu 1 bis 3 und der Beklagten zu 4 nach § 840 Abs. 1 BGB ein Gesamtschuldverhältnis. In diesem Gesamtschuldverhältnis bilden die Beklagten zu 1 und 2 eine Haftungseinheit, an der die Beklagte zu 3 nach § 3 Nr. 1 und 2 PflVG teilnimmt. Für Fahrer und Halter desselben Kraftfahrzeuges ist der Haftungsanteil gemäß §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG a.F. jeweils unter Zugrundelegung des gemeinsamen Ursachenbeitrags zu ermitteln (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1966 VI ZR 221/64 VersR 1966, 664, 665; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 17 StVG, Rdn. 4; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 18 StVG, Rdn. 30). Für die Gesamtschau neben weiteren Schädigern und Geschädigten sind sie wie ein Schädiger zu behandeln (vgl. Staudinger/Vieweg, BGB, Bearb. 2002, § 840, Rdn. 46). An dieser Haftungseinheit nimmt der Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs wegen des sich aus § 3 Nr. 1 und 2 PflVG ergebenden Schuldbeitritts teil (vgl. dazu Senat BGHZ 57, 265, 269 f.). Dementsprechend entfällt im Ausgleich zwischen den Schädigern auf Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer desselben Fahrzeugs auch dieselbe Quote (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1966 VI ZR 221/64 aaO).
2. Nach § 840 Abs. 1 BGB besteht zwar grundsätzlich im Außenverhältnis mehrerer Schädiger zum Geschädigten die volle Haftung des jeweiligen Schädigers, ohne dass ein Schädiger auf den Tatbeitrag des anderen verweisen kann. Lediglich im Innenverhältnis ist zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB die Last des Schadens nach den Anteilen an dessen Herbeiführung aufzuteilen. Das bereitet keine Schwierigkeiten, wenn alle Nebentäter für den vollen Schaden haften, denn dann ist die für die Gesamtschuld charakteristische Situation gegeben, dass durch die Leistung eines Schuldners das volle Gläubigerinteresse befriedigt wird.
Trifft hingegen - wie im Streitfall - auch den Geschädigten ein Mitverschuldensvorwurf und führt die Abwägung nach § 254 BGB oder § 17 StVG dazu, dass die Ersatzansprüche, die dem Verletzten gegen mehrere Nebentäter zustehen, zu mindern sind, so ist das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Abwägungsprinzip des § 254 BGB bzw. des § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG a.F. in Einklang zu bringen, indem die Einzelabwägungen zwischen dem Geschädigten und den jeweiligen Schädigern mit einer aus der Gesamtschau gewonnenen Solidarabwägung im Sinne einer Gesamtabwägung verknüpft werden (vgl. Senat BGHZ 30, 203, 211 f.; ebenso BGHZ 61, 351, 354). In einem solchen Fall umfasst die Gesamtschuld nicht den gesamten Schaden. Soweit der Geschädigte seinen Verantwortungsanteil selbst zu tragen hat, kann der jeweilige Schädiger dem Geschädigten dessen Mithaftungsquote entgegenhalten. Diese bemisst sich nach dem Verhältnis der beiden Tatanteile unter Ausklammerung der übrigen Schädiger. Dabei haftet jeder Schädiger bis zu dem Betrag (Einzelquote), der dem jeweiligen Verhältnis seiner eigenen Verantwortung im Vergleich zur Mitverantwortung des Geschädigten entspricht (Einzelabwägung); insgesamt kann der Geschädigte von allen Schädigern jedoch nicht mehr fordern als den Anteil an dem zu ersetzenden Schaden (Gesamtquote), der im Wege einer Gesamtschau des Schadensereignisses den zusammenaddierten Verantwortungsanteilen sämtlicher Schädiger im Verhältnis zur Mitverantwortung des Geschädigten entspricht (Gesamtabwägung; vgl. Senat BGHZ 30, 203, 211 f. nebst Berechnungsbeispiel; Senatsurteil vom 14. Juli 1964 VI ZR 106/63 VersR 1964, 1053, 1055; ebenso BGHZ 61, 351, 354; BGH Urteil vom 5. Dezember 1974 II ZR 56/73 VersR 1975, 255, 257; Staudinger/Vieweg, aaO, § 840, Rdn. 45 nebst Beispielen in Rdn. 34 unter (3); MünchKomm/Wagner, BGB, 4. Aufl., § 840 BGB, Rdn. 23 ff.; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 2. Kap., Rdn. 25; vgl. auch Steffen, DAR 1990, 41 ff., 42; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., § 10 XIII 3 c m.w.N.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 840, Rdn. 17; Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 840, Rdn. 6; Greger, aaO, § 9 StVG, Rdn. 114; Keuk, AcP 168 (1968), 175, 205 f.). Diese aus der Gesamtschau zu gewinnende Schadensquote ist stets zu ermitteln, wenn der Geschädigte gegen mehrere Schädiger gleichzeitig vorgeht oder wenn sich nach der Inanspruchnahme eines Schädigers die Frage stellt, was die übrigen Schädiger noch aufzubringen haben.
3. Unter Außerachtlassung dieser aufgezeigten rechtlichen Grundsätze hat das Berufungsgericht verkannt, dass das die Haftung reduzierende Mitverschulden des Geschädigten der Annahme einer Gesamtschuld zwischen den Nebentätern nicht zwingend entgegensteht, und hat deshalb die Mitverschuldensquote der Versicherten im Verhältnis zu den Beklagten zu 1 bis 3 einerseits und der Beklagten zu 4 andererseits einheitlich mit 35 % festgesetzt. Bei Zugrundelegung der vom Berufungsgericht angenommenen Haftungsquote der Beklagten zu 4 von 20 % und der Beklagten zu 1 bis 3 von 45 % betrüge aber der Mitverschuldensanteil der Klägerin 80 % gegenüber der Beklagten zu 4 und 55 % gegenüber den Beklagten zu 1 bis 3. Auch lässt die Abwägung der Unfallbeiträge der jeweiligen Schädiger durch das Berufungsgericht die für die Schadensverteilung erforderliche Gesamtschau auf das gesamte Unfallgeschehen und die Bildung einer sich daraus ergebenden Gesamtquote der Haftung der Beklagten vermissen. Im Urteil ist zum Ausdruck zu bringen, welchen Betrag oder Anteil die einzelnen Schädiger entsprechend ihrer Einzelquote zu leisten haben. Desweiteren sind diese Verpflichtungen auf einen der Gesamthaftungsquote entsprechenden Betrag oder Anteil zu begrenzen (vgl. dazu Senat BGHZ 30, 203, 213; BGH Urteil vom 29. Juni 1959 II ZR 3/58 VersR 1959, 608, 609, 613 unter III).
II. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die Bewertung der Betriebsgefahr des LKW der Beklagten zu 4 im Verhältnis zum PKW der Versicherten der Klägerin. Das rügt die Revision zu Recht.
1. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 VI ZR 283/87 VersR 1988, 1238 f.; vom 5. März 2002 VI ZR 398/00 VersR 2002, 613, 615 f.; vom 25. März 2003 VI ZR 161/02 VersR 2003, 783, 785 jeweils m.w.N.; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 X ZR 139/96 NJW 2000, 217, 219 m.w.N. und vom 14. September 1999 X ZR 89/97 NJW 2000, 280, 281 f.). Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. In erster Linie ist hierbei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (Senatsurteil vom 20. Januar 1998 VI ZR 59/97 VersR 1998, 474, 475 m.w.N.).
2. Mit Recht rügt die Revision aber in diesem Zusammenhang, dass die Abwägung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 4 auf verfahrensfehlerhaft festgestellten Tatsachen beruht. Die zugrunde gelegte Feststellung, die Insassen des Bundeswehr-LKW treffe kein für den Verkehrsunfall kausales Verschulden, weil der Fahrschüler bei Erkennen der Gefahrenlage die überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h angemessen reduziert habe, hat das Berufungsgericht in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise unter Außerachtlassung entscheidungserheblichen, unter Beweis gestellten Vortrags der Klägerin getroffen.
Die Klägerin hat bereits in erster Instanz vorgetragen, dass angesichts der durch Regen eingeschränkten Sicht allenfalls eine Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h für den Bundeswehr-LKW angemessen gewesen sei. Bei einer solchen angepassten Geschwindigkeit hätte das Fahrzeug gefahrlos und rechtzeitig vor der späteren Unfallstelle zum Stillstand gebracht werden können. Zum Beweis dafür hat die Klägerin die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens beantragt. In ihrer Berufungsbegründung hat sie diesen Vortrag wiederholt. Danach durfte das Berufungsgericht nicht ohne Nachweis hinreichender eigener Sachkunde ein unfallursächliches Verschulden des LKW-Fahrers verneinen. Da sich ein Verschulden des Fahrzeugführers in jedem Fall betriebsgefahrerhöhend auswirkt, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung die Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG a.F. zu Lasten der Klägerin ausgegangen ist.
B. Die Anschlussrevision der Beklagten zu 1 bis 3:
I. Entgegen der Rügen der Anschlussrevision begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht ohne Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens zur Erkennbarkeit des Erstunfalls für den Beklagten zu 1 die Unabwendbarkeit des Unfalls im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG a.F. verneint und dem Beklagten zu 1 eine schuldhafte Mitverursachung angelastet hat. Die Beklagten zu 1 bis 3, die für die Unabwendbarkeit des Unfallgeschehens darlegungs- und beweispflichtig sind, haben keine konkreten Tatsachen vorgetragen, deren Berücksichtigung eine andere Bewertung der Beteiligung des Beklagten zu 1 gerechtfertigt erscheinen ließe.
1. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein »Idealfahrer« verhalten haben (vgl. Senatsurteile vom 28. Mai 1985 VI ZR 258/83 VersR 1985, 864 und vom 17. Februar 1987 VI ZR 75/86 VersR 1987, 1034, 1035; vgl. ferner BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 III ZR 205/83 NJW 1985, 1950, 1951 m.w.N.). Denn die Haftung aus § 7 StVG ist nicht wie die Haftung aus § 823 BGB Haftung aus Verhaltensunrecht, sondern sie bezweckt den Ausgleich von Schäden aus den Gefahren auch eines zulässigen Kraftfahrzeugbetriebs. § 7 Abs. 2 StVG a.F. stellt deshalb nicht einem verkehrswidrigen Verhalten das im Straßenverkehr vom Kraftfahrer zu verlangende gegenüber, sondern sein Maßstab hat die Gefahren aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs, für die die Gefährdungshaftung eintreten soll, auszugrenzen gegenüber fremden Gefahrenkreisen, für die, wenn sie sich im Schadensereignis aktualisieren, die Gefährdungshaftung nach ihrem Sinn und Zweck nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein »Idealfahrer« reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein »Idealfahrer« überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre, denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) »ideal« verhält (vgl. Krumme/Steffen, StVG, 1977, § 7 Rdn. 25). Damit verlangt § 7 Abs. 2 StVG a.F., dass der »Idealfahrer« in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. Senat BGHZ 117, 337, 340 ff.).
2. Nach den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte zu 1 in jedem Fall bemerkt, dass der Bundeswehr-LKW langsamer wurde, weshalb eine Verkehrsstörung nahe lag, die er bei verkehrsgerechtem Verhalten sogar hätte wahrnehmen müssen. Trotzdem setzte er zum Überholen an, wodurch es in der Folge zur Kollision kam. Es liegt auf der Hand, dass er bei dieser Fahrweise nicht alle möglichen Gefahrenmomente wie ein »Idealfahrer« berücksichtigt hat. Revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass den Beklagten zu 1 ein Verschuldensvorwurf trifft, weil er entweder mit einer den Witterungs- und Fahrbahnverhältnissen nicht angepassten zu hohen Geschwindigkeit gefahren sei und bei Wahrnehmung der Warnzeichen trotz unklarer Verkehrslage zum Überholen angesetzt habe oder falls er die Warnzeichen nicht bemerkt habe - den gemäß § 4 Abs. 3 StVO vorgeschriebenen Abstand nicht eingehalten oder infolge Unaufmerksamkeit den Unfall verschuldet habe.
Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, die von der Revision aufgestellte weitere theoretische Sachverhaltsvariante, dass sich die Geschwindigkeit des Bundeswehr-LKW ohne Aufleuchten der Bremsleuchten verringert habe und der Beklagte zu 1 aufgrund des so verkürzten Blickfelds die Warnzeichen nicht habe wahrnehmen können, in seine Überprüfung einzubeziehen. Diese Sachverhaltsalternative ist von keiner Partei in den Tatsacheninstanzen vorgetragen worden.
3. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht für die Haftung aus § 823 BGB bzw. § 831 BGB sowie die Bemessung der Haftungsanteile nach §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 3 StVG a.F. ein Verschulden des Beklagten zu 1 wegen des Fahrens mit zu hoher Geschwindigkeit bejaht.
a) Zwar ist die Auffassung des Berufungsgerichts, § 18 Abs. 5 StVO gestatte, dass LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t auf Autobahnen "nur" unter günstigsten Bedingungen mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h fahren dürften, zu eng. Denn § 18 Abs. 5 StVO bestimmt lediglich, dass "auch" unter günstigsten Bedingungen die dort näher bestimmten Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten sind. Die Frage, ob gleichwohl eine geringere Geschwindigkeit einzuhalten ist, richtet sich hingegen nach den allgemeinen Vorschriften der StVO, insbesondere nach dem Grundsatz des "Fahrens auf Sicht" (§§ 3 Abs. 1, 18 Abs. 6 StVO). Danach war es für den Beklagten zu 1 in jedem Fall geboten, die Geschwindigkeit des von ihm geführten LKW den Straßen-, Sicht- und Witterungsverhältnissen anzupassen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO). Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 1 unter solchen Umständen nur mit einer geringeren Geschwindigkeit als 80 km/h hätte fahren dürfen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
b) Soweit die Anschlussrevision meint, das Berufungsgericht habe die Zeugenaussagen zur Fahrbahnbeschaffenheit und den Witterungsverhältnissen anders gewürdigt als das Erstgericht und es hätte deshalb einer erneuten Zeugenvernehmung bedurft, trifft dies nicht zu. Die Vernehmung von Zeugen ist wie die Erhebung jeden Beweises nur notwendig bei Beweisbedürftigkeit der entsprechenden Beweistatsache. Da das Berufungsgericht seine Feststellungen insoweit auf die Erklärungen des Beklagten zu 1 in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und den im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils als unstreitig festgestellten Vortrag der Parteien gestützt hat, war mangels Beweisbedürftigkeit eine weitere Zeugenvernehmung entbehrlich.
II. Die Anschlussrevision rügt jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht ohne erneute Beweisaufnahme nicht abweichend von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz annehmen durfte, es sei nicht erwiesen, dass die Versicherte oder ihr Onkel die Fahrbahn betreten haben.
1. Die Form einer erneuten, nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erforderlichen Tatsachenfeststellung richtet sich hinsichtlich des Zeugenbeweises gemäß §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO nach den von der Rechtsprechung hierzu bereits vor der Neufassung des § 529 ZPO entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHZ 158, 269, 275; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 529, Rdn. 13 und § 398, Rdn. 5). Danach kann in der Berufungsinstanz ein angetretener Zeugenbeweis durch die Verwertung der Niederschrift der erstinstanzlichen Zeugenvernehmung unter anderem nur ersetzt werden, wenn der persönliche Eindruck, den der Zeuge bei seiner Vernehmung hinterließ bzw. bei einer erneuten Vernehmung hinterlassen würde, für die Würdigung seiner Aussage nicht entscheidend ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 1985 VI ZR 96/83 VersR 1985, 341 f.; BGHZ 53, 245, 257 f.; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 398, Rdn. 5). Bei einer abweichenden Beurteilung der Glaubwürdigkeit durch das Berufungsgericht zu der des vernehmenden Gerichts wie auch im Streitfall kommt es aber auf den persönlichen Eindruck des Zeugen stets an (vgl. BGHZ 158, 269, 275, st. Rspr.).
2. Nachdem das Landgericht auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen G. und F. in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hatte, dass entweder die Versicherte beim Aussteigen aus dem PKW oder der ihr zu Hilfe eilende Onkel auf die Fahrbahn getreten sind, durfte das Berufungsgericht seinerseits nicht diesen Zeugen ein unzuverlässiges Erinnerungsvermögen unterstellen und in Abweichung von den Feststellungen im Urteil des Landgerichts annehmen, die Versicherte und ihr Onkel seien lediglich auf dem Seitenstreifen gestanden, ohne sich selbst einen persönlichen Eindruck von den Zeugen zu verschaffen.
3. Die Anschlussrevision macht zu Recht geltend, dass die mögliche Feststellung, die Versicherte oder ihr Onkel hätten die rechte Fahrbahn betreten, zu Lasten der Klägerin die Betriebsgefahr des PKW der Versicherten erhöhen und sich auf die Haftungsquote der Beklagten zu 1 bis 3 auswirken könnte.
a) Eine Berücksichtigung bei der Haftungsabwägung scheidet nicht schon deshalb aus, weil unter Umständen nur eine alternative tatsächliche Feststellung wie vom Landgericht getroffen werden könnte, dass die Versicherte oder ihr Onkel die Fahrbahn betreten haben (vgl. dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 131, Rdn. 18; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 142 ff.). Für eine alternative Feststellung ist allerdings erforderlich, dass sich aus sämtlichen danach noch möglichen Sachverhaltsvarianten dieselbe Rechtsfolge ergibt (vgl. BGHZ 14, 363, 364). Dies wäre aber im Streitfall gegeben.
b) Soweit die Versicherte die Fahrbahn betrat, wäre dieses Verhalten ihr zweifelsfrei zuzurechnen. Hätte ihr Onkel die Fahrbahn betreten, hinge die den Beklagten zu 1 bis 3 günstige Zurechnung im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG davon ab, ob dieses Verhalten noch als ein Geschehen "bei dem Betrieb" des Kraftfahrzeugs (§ 7 Abs. 1 StVG a.F.) zu werten ist, denn für den Verursachungsanteil des geschädigten Kraftfahrzeughalters sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG a.F. neben seinem Mitverschulden alle Umstände zu berücksichtigen, die bei ihm eine Haftung gemäß § 7 StVG begründen würden, wenn ein Dritter der Geschädigte wäre. Hinsichtlich des Ausgleichs mehrerer Halter soll es nämlich keinen Unterschied machen, ob der Geschädigte ein Dritter oder einer der Halter ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 20, 259, 261 und vom 24. Juni 1953 VI ZR 319/52 DAR 1953, 156).
Ein Geschehen ist dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, wenn sich die von diesem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat, also das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 105, 65, 66 f.; 107, 359, 366; 115, 84, 86; vom 18. Januar 2005 VI ZR 115/04 VersR 2005, 566, 567; vom 26. April 2005 VI ZR 168/04 NJW 2005, 2081). Ergibt sich der schadensrelevante Ursachenbeitrag nicht unmittelbar durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs selbst, sondern hängt er mit diesem lediglich im weiteren Sinn zusammen, muss er sich nahe zeitlich und örtlich aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine ergeben (vgl. Senatsurteile BGHZ 37, 311, 317 f.; 71, 212, 214; 105, 65, 67; vom 18. Januar 2005 VI ZR 115/04 aaO, S. 567; ebenso BGHZ 113, 164, 165). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
c) Sofern der Onkel der Versicherten die Fahrbahn betrat, geschah dies im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang des dem Betrieb des Kraftfahrzeugs unzweifelhaft zuzurechnenden vorausgegangenen Unfalls. Aufgrund des Unfalls ist der PKW auf der Standspur abgestellt worden und haben sich die Versicherte oder ihr Onkel gegebenenfalls im Bereich des rechten Fahrbahnrandes bewegt. Für die Bemessung des der Klägerin zuzurechnenden Verursachungsanteils kommt es deshalb nicht entscheidend darauf an, ob die Versicherte selbst oder ihr Onkel die Fahrbahn betreten hat. In beiden Fällen wäre dieses Geschehen der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen und bei der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StVG a.F. zu berücksichtigen.
III. Soweit die Anschlussrevision beanstandet, das Berufungsgericht habe den von der Klägerin nicht bestrittenen und in der Berufungsbegründung wiederholten erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten zu 1 bis 3 außer Acht gelassen, dass die Versicherte mit ihrem Onkel zum Unfallzeitpunkt in häuslicher Gemeinschaft gewohnt habe, kommt es hierauf nicht an. Auch die Anschlussrevision räumt ein, dass das Berufungsgericht das Mitverschulden des Onkels bei der Abwägung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Versicherten bereits berücksichtigt hat. Die sich hieraus ergebende Haftungsreduzierung kann nicht nochmals über § 116 Abs. 6 SGB X berücksichtigt werden. ..."