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OLG Düsseldorf Beschluss vom 17.08.1992 - 5 Ss 179/92 - Keine Strafbarkeit bei Benutzung eines Kfz-Kennzeichens, das von der Eintragung im Fahrzeugschein abweicht
OLG Düsseldorf v. 17.08.1992: Keine Strafbarkeit bei Benutzung eines Kfz-Kennzeichens, das von der Eintragung im Fahrzeugschein abweicht
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.08.1992 - 5 Ss 179/92 - 55/92 I) hat entschieden:
Wer im öffentlichen Straßenverkehr ein Fahrzeug benutzt, dessen Kennzeichen ihm durch amtliche Abstempelung von der Zulassungsstelle zugeteilt worden ist, das aber von der Eintragung im Kraftfahrzeugschein abweicht, macht sich nicht nach StVG § 22 Abs 2 strafbar.
Siehe auch Kennzeichenmissbrauch und Missbrauch von roten Kennzeichen - Kurzkennzeichen - Saisonkennzeichen
Zum Sachverhalt: Der Ehemann der Angeklagten ist der verantwortliche Gesellschafter der Firma S GmbH in K. Diese Firma ist u.a. Halterin eines Kraftfahrzeuges des Typs VW-Polo, für das laut der Eintragung im Kraftfahrzeugschein das amtliche Kennzeichen ... "zugeteilt" war. Tatsächlich war dieses Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen N die Zulassung erteilt worden. Der Unterschied zwischen der Eintragung im Kraftfahrzeugschein und den angebrachten amtlichen Kennzeichen war der Angeklagten bereits im Dezember 1990 aufgefallen. Sie hatte dies gegenüber den Werkstattmeistern der Firma S GmbH erwähnt. Weitergehende Schritte hatte sie jedoch nicht unternommen. Gleichwohl benutzte sie am 17. Juni 1991 dies Fahrzeug, das weiterhin mit dem amtlichen Kennzeichen N versehen war.
Die Benutzung des Fahrzeug am 17. Juni 1991 hat das Amtsgericht als Kennzeichenmissbrauch im Sinne von § 22 Abs. 2 StVG gewertet und ausgeführt: Wenngleich die Angeklagte die unzutreffende Kennzeichnung des Fahrzeugs nicht selbst bewirkt habe, habe sie dennoch wissentlich ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr benutzt, dessen Kennzeichen im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 2 StVG "gefälscht" worden seien, weil es mit anderen als den amtlich für das Kraftfahrzeug "ausgegebenen und zugelassenen Kennzeichen" versehen gewesen sei.
Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen Kennzeichenmissbrauchs zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Revision, mit der die Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg und führt zum Freispruch von dem gegen sie erhobenen Vorwurf.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Wegen Kennzeichenmissbrauchs macht sich nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 22 Abs. 2 StVG derjenige strafbar, der im öffentlichen Straßenverkehr von einem Kraftfahrzeug Gebrauch macht, von dem er weiß, dass dessen Kennzeichnung in der nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 - 3 StVG bezeichneten Art gefälscht, verfälscht oder unterdrückt worden ist. Das war hier nicht der Fall.
1. Nach den Urteilsfeststellungen war das von der Angeklagten benutzte Fahrzeug mit den Kennzeichen versehen, die von der Zulassungsstelle abgestempelt worden waren. Unter diesen Umständen scheidet ein tatbestandsmäßiges Handeln nach § 22 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StVG von vornherein aus.
2. Ebensowenig kommt nach den Feststellungen schon in objektiver Hinsicht eine Tatbestandsverwirklichung nach § 22 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 2 StVG in Betracht.
Entgegen der Annahme des Amtsgerichts war das Fahrzeug nicht mit einer anderen als der amtlichen für das Fahrzeug "ausgegebenen oder zugelassenen Kennzeichnung" versehen. Daran ändert auch nichts, dass die Kennzeichnung nicht den Vorstellungen der Zulassungsstelle entsprach und von der Eintragung im Kraftfahrzeugschein abwich. Dafür hat die Angeklagte nicht einzustehen.
a) Tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 2 StVG setzt voraus, dass anstelle der amtlichen Kennzeichnung eine andere gesetzt wird. Davon kann hier keine Rede sein. Das von der Angeklagten benutzte Fahrzeug war nämlich mit den Kennzeichen versehen, die die Zulassungsstelle diesem zugeteilt hatte. Die Zuteilung des amtlichen Kennzeichens umfasst nicht nur die Eintragung des vorgesehenen Kennzeichens im Kraftfahrzeugbrief und Kraftfahrzeugschein, sondern insbesondere auch die amtliche Abstempelung der am Fahrzeug angebrachten Kennzeichen. Die Anbringung des Dienststempels ist wesentlicher Teil des Zulassungsverfahrens, zumal der Zulassungsstelle in diesem Zusammenhang gemäß § 23 Abs. 4 Satz 4 StVZO eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Ausgestaltung der Kennzeichen obliegt. Mit der Abstempelung wird das Zulassungsverfahren abgeschlossen und das Fahrzeug mit der abgestempelten, d.h. nunmehr amtlichen Kennzeichnung zum Verkehr zugelassen (Berr in Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Rdn. 26 zu § 23 StVZO; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl., Rdn. 23 zu § 23 StVZO).
b) Die hier der Zulassungsstelle infolge unzureichender Wahrnehmung ihrer Prüfungspflicht unterlaufene Abstempelung einer anderen als der vorgesehenen Kennzeichnung des Kraftfahrzeuges beinhaltet keine "Verfälschung" der amtlichen Kennzeichnung im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 2 StVG. Dementsprechend vermag allein die Benutzung des Kraftfahrzeuges mit einer anderen als der von der Zulassungsstelle an sich vorgesehenen Kennzeichnung nicht den Tatbestand des § 22 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 2 StVG zu erfüllen.
Lediglich als Führerin des Fahrzeugs, dessen Halterin die Firma S GmbH war, traf überdies die Angeklagte nicht einmal die Verpflichtung, für die Übereinstimmung der angebrachten mit den im Kraftfahrzeugschein eingetragenen Kennzeichen Sorge zu tragen. ..."