Das Verkehrslexikon

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OLG Schleswig Beschluss vom 07.03.1985 - 2 Ws 708/84 - Niemand muss dulden, dass ihn ein anderer anhält, um ihn wegen eines vergangenen Vorfalls zur Rede zu stellen

OLG Schleswig v. 07.03.1985: Niemand muss dulden, dass ihn ein anderer anhält, um ihn wegen eines vergangenen Vorfalls zur Rede zu stellen


Das OLG Schleswig (Beschluss vom 07.03.1985 - 2 Ws 708/84) hat entschieden:

   Ein Kraftfahrer, der auf einen Fußgänger, der ihn wegen vorangegangenen Fehlverhaltens zur Rede stellen will, schnell zufährt, um ihn zum Freimachen der Fahrbahn zu zwingen, ist nicht wegen Nötigung zu bestrafen.

Siehe auch
Nötigung im Straßenverkehrsrecht
und
Straßenverkehrsgefährdung / gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Aus den Entscheidungsgründen:


"Ungeachtet des Umstands, dass die Zeugin ihm im Wege stand, fuhr der Angeklagte auf sie zügig los, um sich auf diese Weise freie Bahn zu erzwingen. Die Zeugin war zunächst sehr erschrocken, trat jedoch dann schnell zwei Schritte ... zur Seite, so dass sie vom Fahrzeug des Angeklagten nicht mehr berührt wurde, als es an ihr vorbeifuhr. Wäre sie jedoch stehengeblieben, wäre sie vom Angeklagten angefahren worden.




Dadurch, dass der Angeklagte auf die Zeugin mit seinem Fahrzeug zügig losfuhr, hat er sie mit Gewalt gezwungen, zur Seite zu treten und ihm den Weg freizumachen. Damit hat er den Tatbestand der Nötigung (§ 240 I StGB) vorsätzlich erfüllt. Er kann jedoch nicht wegen Nötigung bestraft werden. Denn er hat sich in Notwehr (§ 32 StGB) befunden.



Eine Rechtfertigung wegen Notwehr setzt einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff des durch die Tat beeinträchtigten Opfers voraus. Die Zeugin hat dadurch, dass sie dem Angeklagten den Weg zur Weiterfahrt verstellte, versucht, in die Rechtssphäre des Angeklagten einzugreifen. Neben den Rechtsgütern wie Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz ist auch die persönliche Freiheit, sich im Straßenverkehr vorschriftsmäßig zu bewegen, ein notwehrfähiges Rechtsgut. ... Niemand muss dulden, dass ihn ein anderer anhält, um ihn wegen eines vergangenen Vorfalls zur Rede zu stellen. ... Das tatbestandsmäßige Nötigungsverhalten des Angeklagten ist auch erforderlich gewesen, um den vorsätzlichen und nicht gerechtfertigten Angriff der Zeugin auf seine Bewegungsfreiheit abzuwehren. Ein milderes Mittel, um die Zeugin zum Beiseitetreten zu zwingen, als das zügige Zufahren auf diese, gab es nach den Umständen offenbar nicht.

Die Berufung des Angeklagten auf Notwehr ist auch nicht rechtsmissbräuchlich ... Denn das Verhalten der Zeugin (Anhalten mit dem Ziel, einen Verkehrsteilnehmer zur Rede zu stellen) stellt einen verkehrsfremden Eingriff dar, für den allgemeine Grundsätze heranzuziehen sind."

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