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OLG Düsseldorf Urteil vom 20.04.2004 - 4 U 183/03 - Versicherungsregress und mangelndes Reifenprofil
OLG Düsseldorf v. 20.04.2004: Versicherungsregress und mangelndes Reifenprofil
Zur Gefahrerhöhung in der Vollkaskoversicherung infolge eines nicht mehr den Vorschriften entsprechenden Reifens hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.04.2004 - 4 U 183/03) sich bei bestimmten subjektiven Gründen gegen eine Leistungsfreiheit des Versicherers ausgesprochen:
Der Kaskoversicherer ist nicht wegen Herbeiführung einer Gefahrerhöhung durch Benutzung eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer mit seinem Pkw einer Unfall erlitten hat, weil der rechte Hinterreifen wegen seiner groben Nachlässigkeit nicht das vorgeschriebene Mindestprofil von 1,6 mm aufwies, aber wegen des noch vorhandenen Profils auf der Außenflanke des Reifens und des ausreichenden Profils der anderen drei Reifen nicht festgestellt werden kann, dass er von den gefahrerhöhenden Umständen Kenntnis gehabt oder - was gleichzuachten ist - sich dieser Kenntnis arglistig entzogen hat.
Siehe auch Reifen und Räder und Reifenverlust - Loslösen von Reifen während der Fahrt - Reifenplatzer
Zum Sachverhalt: Der Kl. hat die Bekl. aus einer Vollkaskoversicherung wegen eines Unfallschadens seines Pkw BMW 750 i auf Zahlung von 16 636,49 Euro in Anspruch genommen. Die Bekl. hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, weil der rechte Hinterreifen in der Laufmitte kein Profil mehr aufgewiesen habe. Der Kl. hat behauptet, dies nicht bemerkt zu haben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Entgegen dem angefochtenen Urteil ist die Bekl. nicht unter dem Blickwinkel der Gefahrerhöhung leistungsfrei (§§ 23, 25 VVG). Richtig ist, dass die längere Nutzung eines nicht verkehrssicheren Fahrzeugs eine Erhöhung des versicherten Unfallrisikos (hier: Vollkaskoversicherung) darstellt (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 93; Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., §§ 23 - 25 VVG Rdnr. 76 m. w. Nachw.). Daher kommt es nicht darauf an, das Unfallfahrer am Unfalltag hier nicht der Kl. selbst, sondern ein Dritter war. Der Kl. selbst war es nämlich, der seinen verkehrsunsicheren BMW 750 i zur Benutzung zur Verfügung gestellt hat.
Allerdings führt die Benutzung eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs nur zur Leistungsfreiheit, wenn der Versicherungsnehmer von den die Gefahrerhöhung begründenden Umständen gewusst hat (vgl. grundlegend BGHZ 50, 385 = NJW 1969, 42 = VersR 1968, 1153). Positive Kenntnis des Kl. davon, dass der rechte Hinterreifen im Bereich der Mitte der Lauffläche kein Profil (0,0 mm) aufwies und damit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandard von 1,6 mm (vgl. § 36 II 4 StVZO) nicht mehr entsprach, hat das LG zu Recht nicht festgestellt. Die Feststellung des angefochtenen Urteils, der Kl. habe sich der positiven Kenntnis arglistig entzogen - was anerkanntermaßen der Kenntnis gleichzuachten ist (vgl. BGH, NJW 1983, 121 = VersR 1982, 793) –, beruht auf einer rechtlichen Würdigung, die der Senat nicht teilen kann. Die Kriterien, die der BGH für das Vorliegen von Arglist in diesem Zusammenhang aufgestellt hat (BGH, NJW 1983, 121 = VersR 1982, 793), sind nicht erfüllt. Es mag offen bleiben, ob der Kl. Anlass hatte, damit zu rechnen, dass die Reifen innerhalb der rund zwei Jahre, nachdem er angeblich, aber unwiderlegt im Mai 1999 neue Reifen hatte aufziehen lassen, abgefahren sein konnten. Über die zwischenzeitlich zurückgelegte Fahrstrecke macht die darlegungsbelastete Bekl. keine Angaben. Der positiven Kenntnis steht das arglistige Entziehen nämlich nur dann gleich, wenn der Versicherungsnehmer damit rechnet, dass ein Reifen abgefahren ist, er weiter damit rechnet, dass es für den Versicherungsschutz auf seine Kenntnis von diesem Mangel ankommt und er schließlich, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden, von einer Überprüfung Abstand genommen hat (vgl. BGH, NJW 1983, 121 = VersR 1982, 793 und OLG Köln, VersR 1990, 1226). Dies strengen Anforderungen sind nicht schon dann erfüllt, wenn sich der Kl. um die Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs aus grober Nachlässigkeit nicht hinreichend gekümmert hat, wie sich dies aus dem Umstand, dass der Wagen am Unfalltag zwei Wochen TUV-überfällig war, indiziell erschließen könnte. Es liegt auch nicht auf der Hand, dass der Kl. jegliche Kontrolle der Reifen unterlassen hat. Immerhin wiesen die drei übrigen Reifen zum Unfallzeitpunkt noch eine den gesetzlichen Ansprüchen genügende Profiltiefe von 3,5 mm, 3,5 mm und 2,0 mm auf. Auch die von außen ohne größere Mühe sichtbare Außenflanke des in der Mitte der Lauffläche blankgefahrenen rechten Hinterreifens hatte noch Profil. Deshalb kann es durchaus sein, dass sich der Kl. - wie er behauptet - immerhin am Zustand der Vorderreifen orientiert und daraus auf die Hinterreifen geschlossen hat, sich also um die Reifen nicht etwa überhaupt nicht gekümmert hat. Für einen fahrzeugtechnischen Laien drängt sich nicht auf, dass es zu einer derart unterschiedlichen Abnutzung der Reifen, wie sie hier vorgelegen hat, kommen kann. ..."