Das Verkehrslexikon
OLG Hamm Beschluss vom 12.04.1999 - 1 Ss OWi 203/99 - Zum Problem eines Rotlichtverstoßes infolge Sonnenblendung
OLG Hamm v. 12.04.1999: Zum Problem eines Rotlichtverstoßes infolge Sonnenblendung
Das OLG Hamm (Beschluss vom 12.04.1999 - 1 Ss OWi 203/99) hat entschieden:
- Die Einstrahlung von Sonnenlicht auf eine LZA begründet wegen der damit häufig verbundenen schwierigen oder missverständlichen Erkennung der jeweiligen Farbphase eine besondere Sorgfaltspflicht des Kraftfahrzeugführers.
- Die falsche Wahrnehmung der Farbphase angesichts solcher Lichtverhältnisse führt dann zu einer groben Pflichtverletzung auch in subjektiver Hinsicht, wenn der Kraftfahrzeugführer trotz solcher Lichtverhältnisse ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen in einen Kreuzungsbereich einfährt und dort einen Unfall verursacht.
Siehe auch Blendung durch Sonne oder Scheinwerfer und Augenblicksversagen infolge Blendung
Gründe:
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1, 37 StVO zu einer Geldbuße von 250,- DM verurteilt und ihr darüber hinaus ein Fahrverbot von einem Monat auferlegt.
Nach den dazu getroffenen Feststellungen hat die Betroffene am 10. Juni 1998 in L in Höhe der N- Straße/N1-straße/L-Straße nicht das schon länger als 1 Sekunde andauernde Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage beachtet. Dadurch ist es im Kreuzungsbereich zu einem Unfall mit Sachschaden gekommen. Die Betroffene hat eingeräumt, das Rotlicht nicht beachtet und dadurch den Verkehrsunfall herbeigeführt zu haben. Aufgrund von Sonneneinstrahlung auf die Lichtzeichenanlage sei sie aber davon ausgegangen, dass für sie Grünlicht bestanden habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie ist der Auffassung, dass ihr in subjektiver Hinsicht eine grobe Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden könne, weil sie aufgrund der Sichtbeeinträchtigung davon ausgegangen sei, dass die Ampel für sie Grünlicht zeige.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Weder die Festsetzung der Geldbuße noch die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes sind aus Rechtsgründen zu beanstanden, denn die Betroffene ist nach den getroffenen Feststellungen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes schuldig.
Die verhängte Geldbuße von 250,- DM entspricht den dafür in der Bußgeldkatalogverordnung aufgestellten Richtlinien. Für die Anordnung des einmonatigen Fahrverbotes wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist § 25 Abs. 1 S. 1 StVG Rechtsgrundlage. Nach dieser Bestimmung kann ein Fahrverbot u.a. dann verhängt werden, wenn der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat. Dies setzt im Hinblick auf die subjektive Tatseite einen groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit gegen die Verkehrsregeln voraus (vgl. BVerfG, DAR 1996, 196; BGH NJW 1997, 3253). Eine solche auch subjektiv vorwerfbare grobe Pflichtverletzung lässt sich dem angefochtenen Urteil entnehmen. Das Überfahren des schon länger als 1 Sekunde andauernden Rotlichts, die anschließende Gefährdung des Querverkehrs sowie die Herbeiführung des Unfalls stellt zunächst objektiv eine grobe Pflichtverletzung dar. Für sie ist in § 2 Abs. 1 BKatV i.V.m. der Tabelle unter lfd. Nr. 34.1, 34.2, ein Fahrverbot als (Regel-)Sanktion vorgesehen. In diesen Fällen kommt es auf die weiteren Einzelheiten der Verkehrssituation regelmäßig nicht mehr an (vgl. BGH a.a.O.).
Die Regelbeispiele der Bußgeldkatalogverordnung entfalten jedoch auch im Hinblick auf das subjektive Element der groben Pflichtverletzung eine gewichtige - nur ausnahmsweise auszuräumende - Indizwirkung. Der Bußgeldrichter hat sich daher mit der Frage, ob der Verkehrsverstoß auch subjektiv eine grobe Pflichtverletzung darstellt, nur dann auseinanderzusetzen, wenn aufgrund der Einlassung des Betroffenen dazu Anlass besteht (vgl. BGH a.a.O.).
Dies ist im Ergebnis vorliegend nicht der Fall. Die Einlassung der Betroffenen ist nicht geeignet, die Indizwirkung der objektiv groben Pflichtverletzung für die Beurteilung des subjektiven Fehlverhaltens auszuräumen.
Nähert sich ein Kraftfahrer einer im Betrieb befindlichen Lichtzeichenanlage, auf deren Farbgläser Sonnenlicht direkt einfällt, so erweist sich die richtige Wahrnehmung der jeweiligen Farbphase häufig als schwierig. In einem solchen Fall muss deshalb der Kraftfahrzeugführer besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen (vgl. OLG Karlsruhe, DAR 1997, 30). Die hieraus sich ergebenden besonderen Sorgfaltsanforderungen, deren Verletzung die Verhängung eines Fahrverbotes begründen kann, gelten aber nicht nur für den Kraftfahrer, der die für sein Fahrverhalten bestimmte Farbphase schon nach dem eigenen Empfinden nicht oder nur unsicher erkannt hat (vgl. OLG Hamm, VRS 1991, 397). Sie gelten auch für denjenigen, der trotz dieser ersichtlich ungünstigen Lichtverhältnisse unkontrolliert auf eine von ihm nur so eingeschätzte Farbphase vertraut. In Anbetracht der für ihn erkennbaren Sichtbehinderung muss der Kraftfahrer in einem solchen Fall gleichwohl mit der Möglichkeit eines Irrtums rechnen. Unter diesen Umständen stellt es daher schon im Hinblick auf die möglichen besonders schwerwiegenden Folgen eines Rotlichtverstoßes eine auch subjektiv grobe Pflichtverletzung dar, wenn der Kraftfahrer ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen - wie etwa die sorgfältige Beobachtung des Querverkehrs - in den Kreuzungsbereich einfährt. Die Betroffene hätte sich deshalb vergewissern müssen, ob ihre Wahrnehmung richtig ist und sich damit vorsichtig dem Kreuzungsbereich nähern müssen. Dass sie dies unterlassen hat und offensichtlich ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen die Kreuzung überqueren wollte, begründet eine grobe Pflichtverletzung auch in subjektiver Hinsicht.
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, inwieweit der Irrtum der Betroffenen über die Ampelschaltung als solcher schon auf einem groben Pflichtenverstoß beruht hat.