Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht Oldenburg Beschluss vom 02.09.2008 - 7 B 2323/08 - Bei Alkoholfahrt eines Radfahrers mit über 1,60 ‰ ist Fahrerlaubnisentzug möglich
VG Oldenburg v. 02.09.2008: Bei Alkoholfahrt eines Radfahrers mit über 1,60 ‰ ist Fahrerlaubnisentzug möglich
Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Beschluss vom 02.09.2008 - 7 B 2323/08) hat entschieden:
Das Führen eines Fahrrades unter Alkoholeinfluss kann Zweifel an der Kraftfahreignung wecken und Bedenken dahingehend erzeugen, dass künftig auch ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt wird. Daher ist bei dem Gutachten nach § 13 FeV das Augenmerk darauf zu legen, ob aufgrund der alkoholisierten Verkehrsteilnahme mit dem Fahrrad Eignungszweifel deshalb bestehen, weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ebenso künftig das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.
Siehe auch Alkoholproblematik und MPU-Anordnung bei Radfahrern und Alkoholproblematik bei Radfahrern und Fahrerlaubniskonsequenzen
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 19. August 2008 (Az.: 7 A 2322/08) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. August 2008, mit dem er dem Antragsteller die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A und C1E entzogen hat, ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde - wie hier - gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 4 VwGO die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Die nachgeholte schriftliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt hier den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Hiernach reichen pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen grundsätzlich nicht aus (Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Februar 2007, § 80 Rn. 178). Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch gleiche oder typisierte Begründungen ausreichen (Kopp/Schenke, VwGO, 15 Auflage, § 80 Rn. 85). Bei der sicherheitsrechtlichen Entziehung von Fahrerlaubnissen ist die zu beurteilende Interessenkonstellation in der großen Mehrzahl der Fälle vergleichbar gelagert: In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter durch die Straßenverkehrsteilnahme eines Fahrungeeigneten und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 - 11 CS 05.1504 - zitiert nach juris; sowie BayVGH, Beschluss vom 4. Januar 2006 - 11 CS 05.1878 - zitiert nach juris). Wegen des herausragenden öffentlichen Interesses an der Verkehrssicherheit reicht der Hinweis darauf, dass es nicht hingenommen werden kann, jemanden, der aufgrund medizinisch-psychologischer Feststellungen im Anschluss an eine Fahrradfahrt in erheblich alkoholisiertem Zustand ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, während des Klageverfahrens am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, aus (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juni 1993 - 12 M 2023/93 - zitiert nach juris).
Das Gericht kann dahinstehen lassen, ob und welche Rechtsfolgen sich anfänglich daraus ergeben haben, dass der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid vom 13. August 2008 nicht ausdrücklich begründet hat. Unter dem 28. August 2008 holte der Antragsgegner formgerecht die erforderliche Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Verfügung vom 13. August 2008 in verfahrensrechtlich zutreffender Weise außerprozessual (gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers) nach, indem er auf die besonderen Gefahren abstellte, die sich für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ergäben, wenn ein ungeeigneter Kraftfahrer die Fahrerlaubnis weiter nutzen könnte. Verfahrensrechtlich bedeutet die Erklärung des Antragsgegners in seinem Schreiben vom 28. August 2008 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die neuerliche Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 13. August 2008; diese wirkt jedenfalls „ex nunc“ und ist daher für die heutige gerichtliche Entscheidung maßgeblich (so Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 80 Rn. 87).
In materieller Hinsicht ist für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich erfolgversprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. An der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht nämlich regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse.
Hier wird die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. August 2008 voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der angegriffene Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Danach ist davon auszugehen, dass der Antragsteller gegenwärtig als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Der Antragsgegner musste ihm deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) die Fahrerlaubnis der Klassen A und C1E entziehen.
Nach § 3 Abs. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Kraftfahreignung ausgeschlossen ist. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt im Regelfall, wenn der Betroffene das Führen eines Kraftfahrzeuges und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht sicher trennen kann (Nr. 8.1 Anlage 4 zur FeV). Dabei kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entziehung auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage der letzten behördlichen Entscheidung an (Nds. OVG, Beschluss vom 6. März 2008 - 12 LA 404/07 - V.n.b.).
Gemäß §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 2c FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr führte. Diese Voraussetzungen erfüllte der Antragsteller bei seiner Trunkenheitsfahrt am 11. Dezember 2007, da zu den Fahrzeugen i.S.d. vorgenannten Vorschrift auch Fahrräder gehören (Nds. OVG, Beschluss vom 22. November 2007 - 12 PA 327/07 - V.n.b.; vgl. §§ 16, 64a StVZO). Entscheidend für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist nach Auffassung der Kammer allein, ob vom Antragsteller ein Verstoß gegen das Trennungsgebot der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV zu erwarten ist. Ein die Fahreignung ausschließender Eignungsmangel im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV (Missbrauch von Alkohol) liegt vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann (vgl. auch Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kapitel 3.11.1). Der Wortlaut des Klammerzusatzes in Nr. 8.1 lässt keinen Zweifel daran, dass das erforderliche Trennungsvermögen bei der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug bestehen muss. Dem ist das Führen eines Fahrrades nicht gleichzusetzen (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 10. April 2008 - 7 B 767/08 - zitiert nach juris; Nds. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2008 - V.n.b.; BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 3 C 32/07 - zitiert nach juris).
Allerdings kann das Führen eines Fahrrades unter Alkoholeinfluss Zweifel an der Kraftfahreignung wecken und Bedenken dahingehend erzeugen, dass künftig auch ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt wird. Daher ist bei dem Gutachten nach § 13 FeV das Augenmerk darauf zu legen, ob aufgrund der alkoholisierten Verkehrsteilnahme mit dem Fahrrad Eignungszweifel deshalb bestehen, weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ebenso künftig das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Dies ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung von Ziffer 1. Buchstabe f zur Anlage 15 der FeV, welche Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten nach den §§ 13 und 14 FeV zum Gegenstand hat. Nach Buchstabe f Satz 1 ist Gegenstand der Untersuchung auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere ob zu erwarten ist, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird. Eine negative Prognose setzt, wie der in Satz 1 von Buchstabe f als erstes genannte Fall belegt („dass er nicht ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol führen wird“), keineswegs voraus, dass es auch in der Vergangenheit bereits zu einer Trunkenheitsfahrt gerade mit einem Kraftfahrzeug gekommen ist. Das in der Vergangenheit liegende Verhalten ist lediglich der Grund dafür, weshalb die Kraftfahreignung kritisch zu überprüfen ist (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008, a.a.O.).
Diese fehlt, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und einem Blutalkoholgehalt von mehr als 1,6 ‰, ihren Begleitumständen sowie dem bisherigen und zu erwartenden Umgang des Betroffenen mit Alkohol die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird. Bei einer Alkoholproblematik ist demgemäß eine grundlegende Einstellungs- und gefestigte Verhaltensänderung erforderlich, die einen Rückfall unwahrscheinlich erscheinen lässt. Denn für eine Trunkenheitsfahrt ist in der Regel ein falscher und unreflektierter Umgang mit dem Alkohol verantwortlich. Deshalb erfordert eine konsolidierte Einstellungs- und Verhaltensänderung eine nachhaltige, d.h. hinreichend motivierte und sich als ausreichend stabil erweisende Änderung des Alkoholtrinkverhaltens sowie eine Unterstützung dieses veränderten Trinkverhaltens durch eine entsprechende tiefergehende und umfassende selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Fehlverhalten und dessen Ursachen sowie die Entwicklung eines entsprechenden Problembewusstseins (VG Mainz, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 7 L 34/08.MZ - zitiert nach juris).
Das Gutachten nach §§ 46 Abs. 3, 13 Nr. 2c FeV hilft dem Rechtsanwender bei der Beantwortung der Frage, ob der Betroffene gegenwärtig zum Führen von Fahrzeugen bzw. Kraftfahrzeugen geeignet ist. Er muss jedoch den Einzelfall selbst kritisch würdigen und unter die maßgeblichen Vorschriften subsumieren (vgl. VG München, Beschluss vom 19. Februar 2008 - M 6b S 08 278 - zitiert nach juris). Die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist eine Prognose, da die auf § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis nicht repressiv vorangegangene Verkehrsverstöße ahndet, sondern der Abwehr von Gefahren dient, die künftig durch die Teilnahme von nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeigneten Fahrern am Straßenverkehr entstehen können. Hierfür ist zunächst maßgeblich, dass mit einer Blutalkoholkonzentration über 1,6 ‰ auffällig gewordene Personen bereits über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen und doppelt so häufig rückfällig werden wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen (vgl. hierzu VG Ansbach, Beschluss vom 23. März 2007 - AN 10 S 07.00527 - zitiert nach juris). Ein hoher festgestellter Blutalkoholgehalt allein reicht jedoch noch nicht aus, um eine Fahrungeeignetheit annehmen zu können.
Die negative Prognose des Antragsgegners in seinem Bescheid vom 13. August 2008 ist indes auf der Grundlage des Gutachtens des Medizinisch-Psychologischen Instituts - Begutachtungsstelle für Fahreignung - des TÜV Nord vom 30. April 2008 nicht zu beanstanden. Es kommt zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller seinen Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren kann, so dass er künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und dass außerdem bei ihm Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der Klasse C1E in Frage stellen. Das Gutachten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Es trägt den Grundsätzen für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten gemäß Anlage 15 zur FeV Rechnung und nimmt zu der hier allein maßgeblichen Frage Stellung, ob zu erwarten ist, dass der Antragsteller in Zukunft ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder als Folge eines unkontrollierten Alkholkonsums Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der vorhandenen Klassen in Frage stellen. Das Gutachten verkennt insbesondere nicht, dass der Antragsteller die Trunkenheitsfahrt am 11. Dezember 2007 mit einem Fahrrad begangen hat. Dieser Umstand wird der verkehrspsychologischen Beurteilung ausdrücklich zugrunde gelegt und in Beziehung gesetzt zu der Gefahr eines Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss. Es ist nicht fehlsam, dass das Gutachten insoweit eine negative Prognose abgibt, da es feststellt, dass der Antragsteller nicht kontrolliert Alkohol wird konsumieren können. Dieser Befund ist höchstwahrscheinlich nicht zu beanstanden, da in der Begutachtung des Antragstellers hinreichende Informationen zur Verfügung standen und die Begutachtung nicht in Widerspruch zu dem gesicherten Erfahrungswissen, zur Aktenlage sowie zur medizinischen Befundlage steht. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Gutachten maßgeblich darauf abstellt, dass der Antragsteller
positive oder negative Folgen des Alkoholkonsums sowie die Verselbständigung der Entscheidungen zum Alkoholkonsum verdrängt,
sich nicht von sozialen Bindungen löst, die das problematische Trinkverhalten auslösten bzw. begünstigten,
Alkohol konsumiert, um vom Alltag abzuschalten bzw. um ein Rauscherlebnis zu erzielen
allenfalls zu zeitweiligen Korrekturen seines Trinkverhaltens in der Lage war.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Antragsteller bei seiner Begutachtung durchaus Angaben gemacht hat, die auch Bestandteil einer positiven Prognose hätten sein können (Blatt 14 des Gutachtens des TÜV Nord vom 30. April 2008). Aufgrund des gesamten Vorbringens des Antragstellers bei seiner Begutachtung und im Hinblick auf den Sachverstand der Gutachter beanstandet das Gericht gleichwohl das Gesamtergebnis der Begutachtung des Antragstellers nicht.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch eine solche Beanstandung dem Antragsteller nur partiell zum Erfolg verhelfen könnte. Das Gutachten führt in zutreffender Weise aus, dass beim Antragsteller mittlerweile jedenfalls bei seiner Untersuchung am 17. April 2008 Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit vorgelegen haben, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen C1E ausschließen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Antragsteller seinerzeit möglicherweise durch eine Erkrankung und Konsum von Medikamenten sowie durch das Fehlen einer Sehhilfe beeinträchtigt worden ist. Letzteres lag in seinem Verantwortungsbereich, und kann daher nicht zu einem günstigeren Ergebnis führen, Ersteres ist im Gutachten selbst thematisiert worden und war für sein Ergebnis unerheblich, da die Leberwerte des Antragstellers nicht eindeutig waren. Im Übrigen wäre es Sache des Antragstellers gewesen, sich vor dem Termin beim TÜV Nord am 17. April 2008 darüber im Klaren zu werden bzw. sich im Zweifel ärztlich beraten zu lassen, ob er geistig und körperlich aufgrund der nun vorgetragenen Umstände überhaupt in der Verfassung war, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen. Tut er dies gleichwohl, so muss er die Ergebnisse der Untersuchung gegen sich gelten lassen. Aus diesem Grund ist auch der Einwand des Antragstellers, er sei bei der Untersuchung durch den TÜV Nord grippegeschwächt wegen Semesterabschlussprüfungen in massivem Prüfungsstress gewesen und habe sich deshalb zudem auf die medizinisch-psychologische Begutachtung am 17. April 2008 nicht vorbereiten können, unbeachtlich. Der Antragsteller hätte zudem ohne rechtlichen Nachteil die Untersuchung aus triftigem Grund auf einen nahen und für ihn geeigneten Zeitpunkt verschieben können.
Der Auffassung des Antragstellers, das Ergebnis der Blutprobe vom 11. Dezember 2007 (Alkoholkonzentration von 2,05 ‰) unterliege einem Beweisverwertungsverbot, mit der Folge, dass auf seiner Grundlage ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht hätte angeordnet werden dürfen, mit der weiteren Folge, dass das Ergebnis dieses Gutachtens nicht zu verwerten sei, ist nicht zu folgen. Zwar ist die Blutentnahme nicht entsprechend § 46 Abs. 1 OWiG, § 81a Abs. 2 StPO durch einen Richter, sondern durch die Polizeibeamten (d.h. Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft) selbst angeordnet worden. Dies führt aber nicht dazu, dass das Gutachten des TÜV Nord vom 30. April 2008 nicht verwertbar ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Zunächst nimmt das Gericht bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht an, dass die Polizei beim Antragsteller am 11. Dezember 2007 rechtswidrig Blut entnommen hat. Lediglich grobe Verstöße gegen den sogenannten Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO bzw. Willkür oder besonders schwere Fehler bei der Annahme der Voraussetzungen, unter denen von der richterlichen Anordnung der Blutentnahme abgesehen werden kann, führen zu einem Verbot der strafprozessualen Verwertung der Untersuchungsergebnisse. Es ist nicht ersichtlich, dass am 11. Dezember 2007 die Polizeibeamten bei der Entnahme der Blutprobe des Antragstellers in solcher Weise schwerwiegend gefehlt hätten. Dabei ist insbesondere maßgeblich, dass sie seinerzeit den Antragsteller nach Aufnahme seiner Personalien für den Fall, dass er sich vor Durchführung einer Blutentnahme hätte entfernen wollen, bis zur Einholung deren richterlicher Anordnung nicht hätten festhalten dürfen. Es ist höchstwahrscheinlich unzulässig, einen Beschuldigten, der nicht bereits aufgrund anderer Vorschriften festgehalten werden darf, zur Erwirkung einer rechtmäßigen Anordnung nach § 81a StPO im Gewahrsam zu halten, ihn beispielsweise auf das zuständige Polizeirevier zu verbringen, um von dort eine richterliche Anordnung zu erwirken und ihn anschließend zur zwangsweisen Blutentnahme einem Arzt zuzuführen (s. hierzu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 M 12/08 - zitiert nach juris, m.w.N.). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Gerichts sprechen ganz überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass die Polizeibeamten am 11. Dezember 2007 befugt waren, dem Antragsteller gemäß § 81a Abs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG Blut zu entnehmen. Der Antragsteller selbst hat seine anderslautende Rechtsauffassung lediglich behauptet, den angeblichen Verstoß gegen den Richtervorbehalt aus § 81a Abs. 2 StPO jedoch weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht für die Blutentnahme am 11. Dezember 2007 untermauert. Wenn Polizeibeamte - wie seinerzeit beim Antragsteller - die Blutentnahme in Annahme ihrer Eilzuständigkeit („Gefährdung des Untersuchungserfolges“) selbst anordnen, um ein Entfernen des betroffenen alkoholisierten Fahrzeugführers noch vor der Blutprobe und damit eine Vereitlung des Untersuchungserfolges zu verhindern, so kann darin gegenwärtig ein schwerwiegender Fehler oder ein grober Gesetzesverstoß hinsichtlich des Richtervorbehaltes nicht gesehen werden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Grundsätze, nach denen die Ergebnisse einer Blutuntersuchung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 81a Abs. 2 StPO nicht verwertet werden dürfen, nicht ohne Weiteres im Recht der Fahrerlaubnis gelten. Beweisverwertungsverbote bestehen im Strafprozess in dem besonderen Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch auf der einen und dem Schutz von Grundrechten des Betroffenen auf der anderen Seite. Daher ist die Gewinnung von Informationen im Strafverfahren aus rechtsstaatlichen Gründen in besonderem Maße formalisiert und Verwertungsverbote, die beispielsweise die Legitimation des staatlichen Strafanspruches sichern, können daher im Verwaltungsverfahren nur eingeschränkt gelten. Die Behörde hat im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis - anders als im Strafprozess - maßgebliche weitere Rechtsgüter auch Drittbetroffener, wie das öffentliche Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Kraftfahrern, zu beachten. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nach der Rechtsprechung (s. insbesondere Beschluss des Nds. OVG vom 27. Oktober 2000 - 12 M 3738/00 -, NJW 2001, 495; m.w.N.), dass ein Gutachten über die Fahreignung, das auf der Grundlage einer rechtswidrigen Blutentnahme unberechtigterweise angeordnet wurde und eindeutig negativ ausfällt, gleichwohl bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden darf. Ein Verbot, dieses Gutachtens für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, ergibt sich weder aus den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts noch aus dem sonstigen Recht. Ihm steht wohl das Interesse der Allgemeinheit am effektiven Schutz vor ungeeigneten Kraftfahrern entgegen (BVerwG, Urteil vom 18. März 1982 - 7 C 69/81 -, NJW 1982, 2885).
Nach alledem ist daher der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. ..."