Die Entziehung des Rechts, von der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1, 5 Satz 2 FeV), war vor dem Bekanntwerden der sog. Halbritter-Entscheidung des EuGH vom 6. April 2006 als solche weder eine schuldhafte Amtspflichtverletzung noch ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.
Siehe auch Amtshaftung im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Die Berufung ist zwar zulässig. Das gilt entgegen der Auffassung des Beklagten auch hinsichtlich der geforderten Entschädigung wegen entgangener Gebrauchsvorteile.
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13.12.2005 hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Ersatzanspruch des Klägers ausgelöst.
1. Das Landgericht hat zu Recht schon dem Grunde nach einen Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) verneint, dies auch unter Berücksichtigung der von der Berufung in den Vordergrund gestellten europarechtlichen Implikationen.
a) Wie das Landgericht zutreffend festgehalten hat, liegt ein Verschulden des Beklagten bzw. seiner Bediensteten, wie es nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich erforderlich ist, nicht vor. Die Frage, ob die sog. 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 über den Führerschein) es einem Mitgliedstaat verbot, einer Person mit ordentlichem Wohnsitz in seinem Territorium das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf Grund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins deshalb abzusprechen, weil der Person in dem erstgenannten Staat eine vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war und sie sich nicht der nach den Rechtsvorschriften desselben Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Fahreignungsprüfung unterzog, war jedenfalls damals unklar und wurde von namhaften Stimmen mit hörenswerten Argumenten verneint.
Der Richtlinientext selbst gab keine eindeutige Antwort. Vielmehr legte sein Art. 8 Abs. 2 und 4, zudem in Verbindung mit der Betonung der Verkehrssicherheit (z.B. in der 4. und 6. Begründungserwägung sowie Anhang II Ziff. 14), das Verständnis zumindest nahe, dass die Inhaber ausländischer Führerscheine unter denselben Voraussetzungen wie die Inhaber inländischer Fahrerlaubnisse - und damit auch wegen vor Erteilung der jeweiligen Fahrerlaubnis bestehender Mängel (Hentschel-Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 1 StVG Rz. 3 m.w.N.) - die Rechte aus dem ausländischen Führerschein verlieren konnten (so auch OVG Münster 13.09.2006 - 16 B 989/06 -, Rz. 9 - 14). Inzwischen weist übrigens auch Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der sog. 3. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006) auf eine dementsprechende Intention des europäischen Gesetzgebers hin.
Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hatte keine Klärung herbeigeführt. In seinem Urteil vom 29.04.2004 in Sachen Kapper (NJW 2004, 1725) ging es lediglich darum, ob ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein in dem Sinne anzuerkennen war, dass sein Inhaber nicht dennoch ohne weiteres als einer Fahrerlaubnis entbehrend angesehen werden durfte (konkret: zum Zwecke einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis). Demgegenüber geht es hier darum, ob die Rechte aus der ausländischen Fahrerlaubnis durch aktive behördliche Maßnahmen (§ 46 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 FeV) zum Wegfall gebracht werden können. Zu dieser Frage vertrat nur das OVG Koblenz in seinem Beschluss vom 15.08.2005 (NJW 2005, 3228) die vorläufige Auffassung, dass sie angesichts des Kapper-Urteils verneint werden müsse. Diese Rechtsmeinung blieb jedoch vereinzelt und wurde schließlich durch den Beschluss des OVG Koblenz vom 21.06.2007 - 10 B 10291/07 - ausdrücklich aufgegeben. Ansonsten sah die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mindestens gewichtige Argumente für die Zulässigkeit eines Vorgehens nach § 46 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 FeV (VG München 13.01.2005 - M 6b S 04.5543, Juris; OVG Münster 04.11.2005 - 16 B 736/05 -), wenn sie dieser Auffassung nicht sogar zuneigte (OVG Lüneburg 11.10.2005, NJW 2006, 1158, 1160/1161; HessVGH 16.12.2005, Juris, Rz. 8 - 10); zu einer endgültigen Stellungnahme kam es nicht, da es sich stets um Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelte. Der Beschluss des EuGH vom 06.04.2006 i.S. Halbritter (NJW 2006, 2173) geht auf ein Vorabentscheidungsersuchen des VG München zurück (04.05.2006, NJOZ 2005, 2824), welches insoweit ebenfalls keine Klarheit sah.
b) Der europarechtliche Hintergrund führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar muss § 839 BGB in Fällen, in denen es um die Verletzung von Europarecht geht, konform zu diesem dahingehend ausgelegt werden, dass ein Verschulden im herkömmlichen deutschrechtlichen Sinne entbehrlich ist (s. EuGH 05.03.1996, NJW 1996, 1267, 1271 "Brasserie du Pecheur"). Erforderlich ist aber ein qualifizierter Rechtsverstoß in dem Sinne, dass das Gemeinschaftsrecht offenkundig und erheblich verfehlt wurde (EuGH a.a.O., 1270; Palandt-Sprau, § 839 Rz. 6 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Wie oben a) ausgeführt ist, war der einschlägige Gehalt des Europarechts seinerzeit ungeklärt, und der vom Beklagten eingenommene Rechtsstandpunkt wurde von zahlreichen Stimmen mit beachtlichen Argumenten vertreten.
2. Aus den oben 1. b) dargestellten Gründen besteht auch kein direkt im Europarecht wurzelnder Anspruch.
3. Hinzu kommt, dass der geltend gemachte Schaden unter keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ersatzfähig wäre.
Die Ersatzfähigkeit der 1.016,38 €, welche der Kläger für das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren aufwandte, scheitert daran, dass die Einleitung dieses Verfahrens keine zweckentsprechende Rechtsverfolgung darstellte. Vielmehr war es angesichts der geltenden Rechtslage von vorn herein aussichtslos. Im Eilverfahren kommt es in der Regel nicht zu einer endgültigen Prüfung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des fraglichen Verwaltungsaktes. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit führt in einem Eilverfahren nur dann direkt zum Entscheidungsergebnis, wenn sie in der einen oder der anderen Richtung eindeutig ist. Erweist sich der Verwaltungsakt dagegen nach summarischer Prüfung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig, kommt es auf eine allgemeine Abwägung der widerstreitenden privaten Interessen (hier: des Betroffenen an der Möglichkeit zum Fahrzeugführen bis zur Entscheidung in der Hauptsache) und öffentlichen Interessen (hier: Verkehrssicherheit) an. So lag es seinerzeit nach ganz herrschender, gut begründeter Meinung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, und die damit erforderliche Interessenabwägung fiel, wiederum mit guten Gründen, zugunsten der Verkehrssicherheit aus (s.o. 1 a).
Ebenso wenig kommt ein Ersatz entgangener Gebrauchsvorteile für die Zeit in Frage, während derer der Kläger von seiner tschechischen Fahrerlaubnis keinen Gebrauch machen konnte. Der Ersatz von Gebrauchsvorteilen setzt einen Zugriff auf eine Sache voraus; eben so verhielt es sich auch in dem mit der Berufungsbegründung vorgelegten Urteil des OLG Zweibrücken vom 25.08.2006 (Entzug des Besitzes an einem PKW). Die Hinderung am Gebrauch eines Kraftfahrzeuges aus in der Person eines bestimmten (potenziellen) Nutzers liegenden Gründen begründet dagegen keinen derartigen Schadensersatzanspruch. Zu diesem Thema ist auch eine Vorlage gem. Art. 234 EGV an den EuGH weder erforderlich noch zulässig (so auch OLG München 12.07.2007 - 1 U 2042/07 -, S. 13, Bl. 85 GA; OLG Celle 18.12.2007 - 16 U 92/07 -, S. 8). Eine Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EGV muss und kann erfolgen, wenn sich letztinstanzlich eine entscheidungserhebliche Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts stellt. Hier geht es dagegen lediglich um den Inhalt des deutschen allgemeinen Schadensrechts. ..."