Allein die Tatsache, dass das Amtsgericht von einer Begründung des Urteils in einer Bußgeldsache abgesehen hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben, führt noch nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Vielmehr muss auch in einem solchen Fall die Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen erfolgen, nach denen die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist. Die Ansicht, dass bei Fehlen der Urteilsgründe die Rechtsbeschwerde stets zuzulassen sei, da die Zulassungsvoraussetzungen nur an Hand der Urteilsgründe überprüft werden könnten, ist unzutreffend.
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Das Amtsgericht Oranienburg hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 24. Juni 2008 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 60,00 € festgesetzt. Die Bußgeldrichterin hat das nicht mit Gründen versehene Urteil zu den Akten gebracht und die förmliche Zustellung an den Verteidiger des Betroffenen verfügt; das Urteil wurde am 30. Juni 2008 zugestellt. Mit Anwaltschriftsatz vom 1. Juli 2008, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Mit Verfügung vom 7. Juli 2008 vermerkt die Bußgeldrichterin: „Eine nachträgliche Begründung des versehentlich durch die Unterzeichnerin zugestellten Urteils ist nach h.M. nicht möglich“. Gegen dieses abgekürzte Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
II.
a) Die Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 80 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden.
b) Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg; es liegen keine Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor.
Allein die Tatsache, dass das Amtsgericht von einer Begründung des Urteils abgesehen hat, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG nicht vorliegen, führt noch nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde; erforderlich ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 OWiG (grundlegend BGHSt 42, 187,189 ff. = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; ebenso OLG Celle NdsRpfl. 1997, 52; OLG Köln NZV 1997, S 371; Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 77b Rdnr. 8, § 80 Rdnr. 12, 13).
Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, dass bei Fehlen der Urteilsgründe die Rechtsbeschwerde stets zuzulassen sei, beruht auf der fehlerhaften Annahme, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG nur an Hand der Urteilsgründe überprüft werden könnten. Damit aber würden sachlich-rechtliche Rechtsbeschwerdegrundsätze auf das Zulassungsverfahren ausgedehnt, ohne dass dies zwingend ist. Die bei Nichtvorliegen von Urteilsgründen lediglich nicht ausschließbare Möglichkeit, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten sein kann, ersetzt nicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG. Hierzu hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass selbst in den Fällen, in denen die Sachrüge erhoben ist, die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde häufig ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden können. Die gelte insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufzeigen und bei denen nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden kann, dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 OWiG vorliegen. Zur Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist es möglich, den Bußgeldbescheid (vgl. dazu auch BGHSt 23, 336; BGHSt 23, 365; BGHSt 27, 271 ), den Zulassungsantrag, nachgeschobene Urteilsgründe oder dienstliche Äußerungen heranzuziehen; sonstigen Umstände können selbst bei Vorliegen von Urteilsgründe berücksichtigt werden, wenn beispielsweise zu erwägen ist, ob ein rechtsfehlerhaftes Urteil sich als bloße Fehlentscheidung im Einzelfall darstellt ( BGHSt 42, 187,189 ). All dies folgt schon daraus, dass es sich bei dem Zulassungsverfahren um ein Vorschaltverfahren handelt (vgl. Senge in KK-OWiG, 3. Aufl., § 80 Rdnr. 5), bei dem ermittelt wird, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchzuführen ist.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Fehlen von Urteilsgründen ist auch nicht aus Gründen der Verfassung (Rechtsstaatsprinzip, Gewährung rechtlichen Gehörs) geboten. Denn durch den Verfahrensverstoß ist der Betroffene nicht gehindert, die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu beantragen und Umstände vorzutragen, die zu einer Zulassung führen können (BGHSt aaO., 190 f.). Da zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde einer einheitlichen und sachgerechten Rechtsprechung und nicht in erster Linie der Entscheidung des Einzelfalls dient, ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, allein aus dem Umstand, dass Urteilsgründe fehlen, eine Zulassungsgrund herzuleiten.
Dies heißt freilich nicht, dass das Fehlen von Urteilsgründen im Einzelfall nicht zur Begründetheit des Zulassungsantrags führen kann. Bei tatsächlich und rechtlich schwierigen Ordnungswidrigkeitsverfahren mag dies in Einzelfällen anders liegen. Kann ohne Kenntnis der Urteilsgründe nicht ohne weiteres beurteilt werden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen, und können solche Zweifel weder durch das abgekürzte Urteil, den Bußgeldbescheid, den Zulassungsantrag noch mit den nachgeschobenen Gründen, den dienstlichen Äußerungen oder sonstigen Umständen ausgeräumt werden, so führt in einem solchen Einzelfall das Fehlen von Urteilsgründen zur Begründetheit des Zulassungsantrags.
Im vorliegenden Fall ist eine Prüfung der Zulassungsgründe nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG möglich und führt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen, weshalb der Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen ist. Das Fehlen der Urteilsgründe allein erfordert die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht zu besorgen. Das Verhandlungsprotokoll beweist, dass die schriftlich und mündlich vorgetragenen Einwände des Betroffenen gegen die Geschwindigkeitsmessung in der Hauptverhandlung erörtert worden sind, wobei insbesondere ein Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet hat und dieses in der Hauptverhandlung mündlich erörtert worden ist. Auch die Sachrüge führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Es handelt sich vorliegend um eines der massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einer einfachen Verkehrsordnungswidrigkeit, dass in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufweist, so dass nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegen. Wie sich aus dem Bußgeldbescheid ergibt, ist der Betroffene zu einer Geldbuße von 60,00 € verurteilt worden, weil er am 16. Juni 2007 auf der Bundesautobahn 24 bei Kilometer 231 in Fahrtrichtung Berlin die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h und 23 km/h überschritten hatte. Dem Bußgeldbescheid und dem Hauptverhandlungsprotokoll ist beispielsweise des Weiteren zu entnehmen, dass die Messung mittels eines geeichten Gerätes im standardisierten Messverfahren „Provida 2000“ vorgenommen und der erforderliche Toleranzabzug in Ansatz gebracht worden ist. ..."