Wer während der Dauer einer in Deutschland verhängten Sperrfrist (für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis) eine Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Staat erwirbt, begeht auch dann die Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, wenn er den ausländischen Führerschein erst nach Ablauf der Sperrfrist auf deutschen Straßen benutzt.Pressemitteilung vom 27.04.2009:
Führerscheintourismus lohnt sich nicht mehr
Thüringer Oberlandesgericht ändert seine Rechtsprechung: Wer während der Dauer einer in Deutschland verhängten Sperrfrist (für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis) eine Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Staat erwirbt, begeht auch dann die Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, wenn er den ausländischen Führerschein erst nach Ablauf der Sperrfrist auf deutschen Straßen benutzt.
Der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena hatte sich vor kurzem erneut mit folgender Rechtsfrage zu befassen: Kommt es für die Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis darauf an, ob mit dem ausländischen Führerschein vor oder erst nach Ende der deutschen Sperrfrist gefahren wird?
Die Frage hatte der Senat im März 2007 so entschieden, dass strafbar nur das Fahren vor Ablauf der Sperrfrist sei. Diese Rechtsprechung hat der Senat nun geändert. Für die Strafbarkeit kommt es jetzt allein darauf an, ob der ausländische Führerschein während der deutschen Sperrfrist erteilt wurde. Wann von ihm Gebrauch gemacht worden ist, spielt keine Rolle mehr.
Hintergrund ist eine wegen eines Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs vom Juli 2008 veränderte Rechtslage (Beschluss des EUGH vom 03.07.2008, Az.: C – 225/07 - Rechtssache Möginger; abgedruckt in NJW 2009, 207ff.). Anders als früher vertritt der Europäische Gerichtshof nun die Meinung, ein Mitgliedsstaat könne einer während einer Sperrfrist erteilten Fahrerlaubnis eines anderen Staates die Anerkennung generell versagen; eine solche Versagungspraxis verstoße nicht gegen EU-Recht.
Das Oberlandesgericht hat daher am 1. April 2009 ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben, mit dem ein 27jähriger Thüringer freigesprochen worden war, weil er den ausländischen Führerschein erst nach Ablauf der Sperrfrist benutzt hatte. Dem jungen Mann war seine deutsche Fahrerlaubnis 2005 entzogen worden. Zugleich war eine Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis bis zum Januar 2006 angeordnet worden. Während der Sperrfrist – im Dezember 2005 – hatte der Mann eine tschechische Fahrerlaubnis erworben. Hiermit war er im März 2007 in Deutschland gefahren.
Das den jungen Mann vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis freisprechende Urteil hat das Oberlandesgericht aufgehoben und den Fall zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Für die neu zu treffende Entscheidung wird das Amtsgericht zu prüfen haben, ob der Mann möglicherweise ohne oder mit geringerer Schuld gehandelt hat, weil er sich wegen der zur Tatzeit im März 2007 noch anderen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts über das Verbotensein seines Handelns geirrt hat. Die Prüfung, ob ein solcher sog. Verbotsirrtum vorliegt und der junge Mann deshalb freizusprechen oder zumindest milder zu bestrafen ist, hat das Oberlandesgericht dem Amtsgericht aufgegeben.
Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 01.04.2009, Az.: 1 Ss 164/08
Vorinstanz: Amtsgericht Rudolstadt, Zweigstelle Saalfeld, Urteil vom 10.04.2008, Az.: 640 Js 17916/07 – 1 Cs