Der Fahrer des mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn fahrenden Einsatzfahrzeuges soll - bei gebotener Rücksichtnahme auf bevorrechtigten Verkehr - in die Lage versetzt werden, zügig zum Einsatzort zu gelangen. Die übrigen Verkehrsteilnehmer müssen ihm dies ermöglichen. Die Entscheidung, welchen Weg er nimmt, obliegt zunächst allein dem Vorrechtsfahrer, der diese Wahl unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und Rücksichtnahme auf die übrigen Verkehrsteilnehmer zu treffen hat. Dabei hat er den Vorrang anderer Fahrzeuge so lange zu beachten, bis er nach den Umständen davon ausgehen darf, dass ihn die anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen haben und ersichtlich freie Bahn schaffen. In diesem Moment darf er die von ihm gewählte Fahrstrecke in Anspruch nehmen und darauf vertrauen, dass der in Anspruch genommene Weg weiter frei gehalten wird. Der wartepflichtige Verkehrsteilnehmer, der den Weg frei geräumt hat, darf erst dann wieder seine Position bzw. Fahrweise verändern, wenn er sicher sein kann, dadurch den Einsatzwagen nicht zu behindern.
Zum Sachverhalt: Der Kläger verlangte Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall mit einem im Einsatz befindlichen Notarztwagen. In erster Instanz hat er sowohl den Beklagten zu 1) als Fahrer als auch die Beklagte zu 2) als Halterin des Notarztwagens in Anspruch genommen.
Am 21. Juni 2006 (Mittwoch) gegen 16:00 Uhr befuhr der Notarztwagen (ein Mercedes Kombi der E-Klasse) im Rahmen einer Einsatzfahrt zur Versorgung eines Patienten mit einer Hirnblutung die ...-Straße innerorts von ... Richtung ...-Platz. Blaulicht und Martinshorn waren eingeschaltet. Der Kläger fuhr mit seinem Mercedes SLK in gleicher Fahrtrichtung, befand sich allerdings weiter voraus in Richtung ...-Platz.
Die ...-Straße hat in jeder Fahrtrichtung einen Fahrstreifen. Auf dem Mittelstreifen befinden sich unterbrochen von Bäumen und anderer Bepflanzung freie Bereiche, die als Ausweichmöglichkeiten von PKW genutzt werden können.
Der Kläger nahm den herannahenden Notarztwagen wahr und wich - ebenso wie weitere Fahrzeuge hinter ihm - auf den Mittelstreifen aus, um diesem die Durchfahrt zu ermöglichen. Vor dem Kläger befand sich allerdings ein Kleintransporter, der in eine Einfahrt nach rechts ausgewichen war, aber dennoch mit dem Fahrzeugheck den Fahrstreifen blockierte.
Daraufhin lenkte der Kläger den Mercedes ohne zu blinken vom Mittelsstreifen auf die Fahrbahnhälfte des Gegenverkehrs, wo es zur Kollision mit dem Notarztwagen, der ebenfalls nach dorthin ausgewichen war, um links an den im Mittelstreifen wartenden Fahrzeugen vorbei zu fahren.
Der Kläger hat behauptet, er habe durch sein Ausweichmanöver auf die Gegenfahrspur dem Notarztwagen die Weiterfahrt ermöglichen wollen. Diese Spur sei aber wenige Fahrzeuglängen weiter vorne hinter einem Fußgängerüberweg bis zum ...-Platz ebenfalls mit Fahrzeugen blockiert gewesen, so dass der Rettungswagen dort nicht hätte weiter fahren können. Er habe ihm deshalb durch sein Ausweichen den Weg zurück auf die rechte Fahrbahnseite und das Umfahren des Transporters ermöglichen wollen.
Der Kläger hat 80 % seines angeblichen Schadens geltend gemacht, obwohl seiner Auffassung nach eine alleinige Haftung der Beklagten bestehe. Dazu hat er behauptet, die Reparaturkosten beliefen sich nach einem Kostenvoranschlag seiner Mercedes-Werkstatt auf 1 735,79 Euro inkl. 16 % MWSt. Ferner seien ihm vorgerichtliche RA-Kosten in Höhe von 90,77 Euro entstanden. 80 % der Summe ergebe die Klageforderung in Höhe von 1.479,40 Euro nebst Zinsen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 2) hat widerklagend den ihr entstandenen Sachschaden in Höhe von insgesamt 2.020,51 Euro nebst Zinsen geltend gemacht.
Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1) sei mit dem Notarztwagen auf die in Fahrtrichtung linke Fahrbahnseite gefahren, weil diese bis zum ...-Platz frei gewesen sei. Kurz vor dem vom Kläger geführten Mercedes habe dieser plötzlich und unerwartet seinen Wagen auf die linke Fahrspur gelenkt, so dass es dem Beklagten zu 1) nicht mehr möglich gewesen sei zu bremsen. Der Unfall sei deshalb für den Beklagten zu 1) unabwendbar gewesen.
Das Landgericht hat nach Anhörung der unfallbeteiligten Parteien und Vernehmung der Zeugen B., D. und S. der Widerklage der Beklagten zu 2) stattgegeben und die Klage abgewiesen.
Mit seiner Berufung wendete sich der Kläger gegen das Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist.
Die Beklagte zu 2) verteidigte das angefochtene Urteil.
Die Berufung blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Berufung ist ausdrücklich nur gegen die Abweisung der Klage des Klägers gerichtet. Der Kläger nimmt seine Verurteilung auf die Widerklage der Beklagen zu 2) (künftig: Beklagte) hin und greift das Urteil insoweit nicht an. Eine solche Beschränkung der Berufung ist zulässig, da es sich um einen abgrenzbaren Teil des erstinstanzlich rechtshängigen Streitgegenstandes handelt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, § 520 Rn. 29). Die Berufungsbegründung genügt auch den Auforderungen des § 520 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO, auch wenn der Kläger es zunächst völlig im Dunkeln gelassen hat, weshalb ihn die Verwendung eines Luftbildes im Rahmen der mündlichen Verhandlung in seinen Rechten verletzt haben bzw. das Urteil auf dieser vermeintlichen Rechtsverletzung beruhen könnte. Erst im Senatstermin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, dass das Lichtbild nach seiner Meinung nicht das besondere Höhenprofil der ...-Straße wiedergegeben habe, das eine Sicht bis auf den ...-Platz vom Notarztwagen aus unmöglich gemacht habe.
Aber auch damit hat der Kläger nicht dargelegt, dass das Landgericht eine erforderliche Sachverhaltsaufklärung durch Bezugnahme auf ein (dem Senat nicht zugänglich gemachtes) Luftbild ersetzt haben könnte. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt sich vielmehr hinreichend deutlich, dass das Luftbild lediglich zur besseren Orientierung der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts diente. Das Gericht hat die Begründung seines Urteils nicht auf das Lichtbild selbst gestützt, sondern auf die Aussagen bzw. Angaben der Zeugen und Parteien. Diese Vorgehensweise begegnet keinen Bedenken.
2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 839, 249 ff., Art. 34 GG oder §§ 7, 17 StVG gegen die Beklagte zu 2) zu. Beide Anspruchsgrundlagen sind nebeneinander anwendbar (vgl. BGH NJW 1968, 1962; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 7 StVG Rn. 1). Das Landgericht ist nach Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zu einer alleinigen Haftung des Klägers gelangt. Diese Haftungsabwägung ist zutreffend und bedarf auch unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe keiner Korrektur.
a. Die Beklagte haftet zwar grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 StVG, wenn der Kläger bei dem Betrieb ihres Notarztwagens geschädigt worden ist. Die Haftung der Beklagten ist auch nicht wegen höherer Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Allerdings trifft auch den Kläger diese Halterhaftung. Keine Partei hat die Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses nach § 17 Abs. 3 S. 1 StVG (unabwendbares Ereignis) dargelegt und bewiesen. Dies gilt für den Kläger bereits deshalb, weil er unstreitig vor dem Herausfahren aus dem Mittelstreifen nicht den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat. Aber auch die Beklagte kann sich nicht auf ein unabwendbares Ereignis berufen, da sie dafür die Einhaltung der besonderen Sorgfalt eines sog. Idealfahrers mit Anforderungen weit jenseits eines Verschuldensvorwurfs hätte darlegen müssen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass bei äußerster Sorgfalt und langsamem Vorwärtstasten in Schrittgeschwindigkeit der Unfall vermieden worden wäre. Steht fest, dass beide Fahrzeughalter dem Grunde nach haften, so hängt die Haftung der Höhe nach gemäß § 17 StVG von den Umständen und insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen oder anderen Teil (schuldhaft) verursacht worden ist.
b. Der schadensursächliche und schuldhafte Verkehrsverstoß des Klägers, der neben die Betriebsgefahr seines PKW tritt, war bereits auf Grund seiner eigenen Angaben, die er in der Anhörung des Senats nochmals in einem entscheidenden Punkt korrigiert hat, festzustellen. Der Kläger war nach § 38 Abs. 1 StVO verpflichtet, dem herannahenden Notarztwagen den Weg frei zu schaffen. Gegen diese Verpflichtung hat er verstoßen, als er den Mittelstreifen verließ und von dort auf die linke Fahrspur fuhr, die der Notarztwagen der Beklagten zu diesem Zeitpunkt für die Rettungsfahrt mit den Sonderrechten des § 35 StVO und dem Wegerecht des § 38 Abs. 1 StVO in Anspruch genommen hatte.
Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, der Notarztwagen sei zunächst ein oder zwei Fahrzeuge hinter ihm ebenfalls auf den Mittelstreifen gefahren. Es sei fehlerhaft gewesen, dass der Fahrer des Notarztwagens versucht habe, mit überhöhter Geschwindigkeit den linken Fahrstreifen zu benutzen, um darauf voranzukommen, obwohl der Fahrstreifen wenige Meter weiter vorne von entgegenkommenden Fahrzeugen blockiert gewesen sei. Der Fahrer hätte vielmehr warten müssen, bis der Kläger seiner Verpflichtung nach § 38 Abs. 1 StVO nachgekommen sei und den Weg frei gemacht habe.
Damit verkennt er die „Rollenverteilung“, die der Vorschrift des § 38 Abs. 1 StVO zu Grunde liegt. Der Fahrer des mit blauem Blinklicht und Einsatzhorn fahrenden Einsatzfahrzeuges soll - bei gebotener Rücksichtnahme auf bevorrechtigten Verkehr - in die Lage versetzt werden, zügig zum Einsatzort zu gelangen. Die übrigen Verkehrsteilnehmer müssen ihm dies ermöglichen. Die Entscheidung, welchen Weg er nimmt, obliegt zunächst allein dem Vorrechtsfahrer, der diese Wahl unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 35 Abs. 8 StVO) und Rücksichtnahme auf die übrigen Verkehrsteilnehmer (§ 1 Abs. 1 StVO) zu treffen hat (vgl. OLG Brandenburg, Urt. vom 28.10.2002, 2 U 58/02 ). Dabei hat er den Vorrang anderer Fahrzeuge so lange zu beachten, bis er nach den Umständen davon ausgehen darf, dass ihn die anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen haben und ersichtlich freie Bahn schaffen ( OLG Düsseldorf, VersR 1988, 813; OLG Brandenburg, a.a.O.). In diesem Moment darf er die von ihm gewählte Fahrstrecke in Anspruch nehmen und darauf vertrauen, dass der in Anspruch genommene Weg weiter frei gehalten wird ( BGH NJW 1975, 648; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 38 Rn. 10). Der wartepflichtige Verkehrsteilnehmer, der den Weg frei geräumt hat, darf erst dann wieder seine Position bzw. Fahrweise verändern, wenn er sicher sein kann, dadurch den Einsatzwagen nicht zu behindern.
Im Streitfall hatte der Kläger, als er die Fahrspur räumte und auf den Mittelstreifen fuhr, eindeutig zu erkennen gegeben, dass er den herannahenden Notarztwagen bemerkt hatte und Platz schaffen wollte. Dass er das Blaulicht gesehen und das Martinshorn gehört hat, hat der Kläger auch in seiner persönlichen Anhörung bestätigt. Anders ist sein Ausweichen auf den Mittelstreifen auch für den Fahrer des Notarztwagens nicht zu deuten gewesen. Seiner Pflicht zum Räumen der Fahrbahn war er vollständig nachgekommen, als er den Verkehrsraum verlassen und seinen PKW auf dem Mittelstreifen zum Stehen gebracht hat. Denn es war völlig ausgeschlossen, dass der Notarztwagen den Mittelstreifen selbst zum Vorwärtskommen nutzen könnte, weil dieser Streifen in wenigen Metern Abstand von Sperrpfosten oder anderen Hindernissen verstellt war.
In dem Moment, in dem der Verkehrsteilnehmer dem herannahenden Vorrechtsfahrer erkennbar Platz schafft und zu diesem Zweck sein Fahrzeug am Fahrbahnrand oder - wie hier - im Mittelstreifen zum Stehen bringt, konkretisiert sich die Verpflichtung des § 38 Abs. 1 StVO zu einer Wartepflicht (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 38 StVO Rn. 11), die erst dann endet, wenn ausgeschlossen ist, dass der Wartepflichtige den von dem Vorrechtsfahrzeug in Anspruch genommenen Weg durch eine Bewegung seines Fahrzeuges (erneut) blockiert. Bis dahin dauert die Wartepflicht an, gleichgültig, ob der Wartepflichtige durch eine erneute Standortveränderung in der Absicht handelt, dem Einsatzfahrzeug einen - seiner Meinung nach - einfacheren oder schnelleren Weg frei zu räumen. Es ist nämlich nicht hinzunehmen, dass die Entscheidung, welcher Weg für das Einsatzfahrzeug der „bessere“ ist, von den wartepflichtigen Fahrzeugführern getroffen wird und nicht vom Vorrechtsfahrer selbst. Das durch die Vorschriften der §§ 35, 38 StVO bezweckte zügige Vorankommen der Einsatzfahrzeuge wäre erheblich gefährdet und häufig zunichtegemacht, wenn der Fahrer des Rettungswagens sich nicht drauf verlassen könnte, dass die übrigen Fahrzeuge, die am Fahrbahnrand stehen, dort verbleiben, bis der Rettungswagen die Stelle passiert hat. Denn er muss bei der notwendigen Abwägung zwischen der Inanspruchnahme des Wegerechts und der Rücksichtnahme auf den übrigen Verkehr jedenfalls die wartenden Fahrzeuge als Konstanten in seine Überlegungen einbeziehen können und nicht auch noch berücksichtigen müssen, dass diese kurzfristig den von ihm in Anspruch genommenen Weg blockieren.
Der Kläger hatte also verkehrsrichtig seinen Mercedes auf dem Mittelstreifen zum Stillstand gebracht und damit erkennbar den Vorrang des Notarztwagens akzeptiert. Er war aus Sicht des Fahrers des Notarztwagens neutralisiert. Als der Kläger die Idee hatte, dem Rettungsfahrzeug aus dieser unverfänglichen Position heraus einen anderen Weg frei zu schaffen, hätte er sich vergewissern müssen, ob der Fahrer des Notarztwagens ebenfalls diesen Fahrtweg anstrebte und ihn gewähren ließ. Dazu wäre jedenfalls erforderlich gewesen, sein Vorhaben rechtzeitig durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers nach links anzukündigen. Dies hat der Kläger schuldhaft unterlassen. Er hat auch nicht abgewartet und, was notfalls erforderlich gewesen wäre, eine Verständigung mit dem Beklagten zu 2) gesucht, um die Möglichkeit eines Missverständnisses auszuschließen. Dieses Verschulden wiegt schwer, was auch dadurch gestützt wird, dass den Kläger ähnliche Sorgfaltsanforderungen trafen, wie sie die §§ 10, 7 Abs. 4 StVO für die vergleichbaren Fälle des Einfahrens vom Straßenrand und des Fahrspurwechsels vorsehen.
Das Landgericht hat danach zu Recht offengelassen, ob und wie weit der Fahrer des Notarztwagens tatsächlich auf der linken Spur hätte voran kommen können. Denn der Verschuldensvorwurf gegen den Kläger liegt gerade darin begründet, dass er sich diese Einschätzung in dem Moment angemaßt hat, als er bereits die gesicherte Position im Mittelstreifen eingenommen und danach gegen die Wartepflicht verstoßen hat. Es bestand vor diesem Hintergrund kein Anlass, die genauen Sichtverhältnisse etwa durch ein Sachverständigengutachten oder einen Ortstermin aufzuklären.
Das schwerwiegende Verschulden des Klägers ergibt sich auf Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellung, dass der Kläger den Mittelstreifen verließ, während der Notarztwagen sich bereits einige Zeit auf dem linken Fahrstreifen näherte. Dabei hat der Kläger in der Berufung nicht dargelegt, aus welchen Gründen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts bestehen sollten. Der Beklagte zu 1) und die Zeugin S. haben bestätigt, dass der Notarztwagen kurz jenseits der T-Straße auf die Gegenfahrspur gewechselt und der Mercedes SLK unvermittelt vor ihnen vom Mittelstreifen herübergezogen sei, als sie bereits den hinter dem Mercedes haltenden PKW erreicht gehabt hätten. Dass das Landgericht nicht den Zeugen B. und D. gefolgt ist, die das Anfahren des Notarztwagens und des SLK als gleichzeitig ablaufendes Geschehen wahrgenommen haben, ist nachvollziehbar, da diese Passanten deutlich schlechtere Wahrnehmungsmöglichkeiten hatten als die Insassen des unfallbeteiligten Fahrzeuges. Der Zeuge B. hat zudem ausgesagt, er habe die Situation gleichsam im Umdrehen wahrgenommen, nachdem er ein Getränk an einem Kiosk am Straßenrand bezahlt habe und dieses gerade an den Mund habe führen wollen. Der Zeuge D. konnte zum genauen Ablauf keine konkreten Angaben machen.
Das Verschulden wiegt aber ebenso schwer, wenn der Ablauf zugrunde gelegt wird, den der Kläger erstmals in der Anhörung im Senatstermin vorgetragen hat. Danach will er im Rückspiegel gesehen haben, dass der Notarztwagen hinter ihm auf der linken Spur gehalten und dort einige Sekunden verharrt habe. Denn diese kurze Zeit hat keineswegs ausgereicht, um sichergehen zu können, dass der Fahrer des Notarztwagens die Situation ebenso eingeschätzt hatte wie der Kläger.
Es kann zu Gunsten des Klägers auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Fahrweg, den er frei schaffen wollte, um die einzige Möglichkeit für den Notarztwagen handelte, zum ...-Platz durchzudringen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Notarztwagen hinter dem quer stehenden Transporter ungehindert hätte weiter fahren können. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass die Straße jenseits des Transporters frei gewesen sei. Das erscheint aber wenig plausibel, da in diesem Fall kein Anlass für den Transporter bestanden hätte, in die enge Einfahrt einzubiegen. Diese Behauptung ist auch nicht bewiesen. Ihr stehen die Aussage der Zeugin S. und die Angaben des Beklagten zu 1) entgegen. Es ist noch nicht einmal bewiesen, dass die linke Fahrspur bis zum ...-Platz ebenfalls blockiert und dort kein Durchkommen für den Notarztwagen war. Auch in diesem Bereich sind die Aussagen der Zeugen B. und D. nicht glaubhaft. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass die Zeugen das Unfallgeschehen wahrgenommen haben und gleichzeitig die Verkehrssituation auf beiden Fahrspuren bis zum ...-Platz beurteilen konnten. Im Vordergrund ihrer Erinnerung mag vielmehr der allgemeine Eindruck gestanden haben, dass auf der Straße starker Verkehr herrschte.
c. Die Beklagte wird durch die Betriebsgefahr ihres Notarztwagens belastet, die wegen der Einsatzfahrt unter Inanspruchnahme von Sonderrechten über das normale Maß hinaus deutlich erhöht war. Ein Verschulden des Fahrers kann demgegenüber nicht festgestellt werden. Es ist insbesondere nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1) seine Sorgfaltspflichten, die ihn auch bei Anwendung der Sonderrechte aus §§ 35 Abs. 1, 5a, 38 Abs. 1 StVO trafen, verletzt hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass er sich der Unfallstelle mit unangemessen hoher Geschwindigkeit genähert hat. Der Beklagte zu 1) hatte zwar auf die übrigen Verkehrsteilnehmer in verstärktem Maße Rücksicht zu nehmen. Andererseits durfte er sich darauf verlassen, dass die auf dem Mittelstreifen stehenden Fahrzeuge dort verbleiben würden. Gegen eine unangemessene Geschwindigkeit spricht der geringe Schaden am PKW des Klägers, der sich nach den von ihm eingereichten Lichtbildern auf eine kaum sichtbare Delle am linken hinteren Kotflügel und Wischspuren am linken Hinterrad beschränkte.
Der Kläger hat in seiner Anhörung durch den Senat eingeräumt, dass er den Notarztwagen auf der linken Fahrspur stehen sah und er in dem Moment aus dem Mittelstreifen auf die Fahrbahn wechselte, als der Beklagte zu 1) anfuhr. Der Beklagte zu 1) konnte dieses Verhalten also nicht so rechtzeitig erkennen, dass er über das eingeleitete Bremsmanöver hinaus weitere unfallverhindernde Maßnahmen hätte ergreifen können.
d. Bei der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung tritt die erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten vollständig hinter die schuldhafte Verursachung des Unfalls durch den Kläger selbst zurück. Den Kläger belastet neben diesem Verschuldensvorwurf die Betriebsgefahr seines PKW. Er hat durch seine Fehleinschätzung der Situation und die Entscheidung, ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen aus dem Mittelstreifen auf die linke Fahrspur zu fahren, die unmittelbare Unfallursache gesetzt. Dieser Verstoß ist derart gravierend, dass für eine anteilige Haftung der Beklagten kein Raum bleibt. ..."