Die Fahrerlaubnisbehörde darf von einem Fahrerlaubnisinhaber, der im Rahmen eines Drogensubstitutionsprogramms regelmäßig ein Substitutionspräparat für die Anwendung bei Patienten mit Opiatabhängigkeit erhält, die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens verlangen, um zum einen zu klären, ob der Fahrerlaubnisinhaber noch abhängig ist und zum anderen um festzustellen, inwieweit das Substitutionspräparat die Fahreignung beeinträchtigt.
Tatbestand:
Der am 22.05.1974 geborene Kläger erwarb am 18.08.1994 die Fahrerlaubnis der Klasse 3. Seit dem 01.04.2003 erhält er als Patient mit Opiatabhängigkeit im Rahmen des Substitutionsprogramms des Suchthilfezentrums B das synthetische Opiat Subutex, welches den Wirkstoff Buprenorphin enthält. Dies wurde der Beklagten durch eine Mitteilung des P bekannt, die den Kläger am 05.01.2006 als Fahrer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen F... kontrollierte und den Kläger als unruhig und aufgebracht erlebte. Unter dem 27.04.2006 forderte die Beklagte ihn deshalb auf, ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung gem. § 14 Nr. 2 der Fahrerlaubnisverordnung beizubringen. Zugleich wies sie den Kläger darauf hin, dass sie auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfe, wenn das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht werde. Der Kläger erklärte sich zwar unter dem 10.05.2006 mit der Beibringung eines entsprechenden Gutachtens einverstanden, legte ein solches aber nicht vor, weshalb die Beklagte nach vorangegangener Anhörung mit Schreiben vom 18.08.2006 dem Kläger mit Bescheid vom 25.10.2006 die Fahrerlaubnis unter Anordnung der sofortigen Vollziehung entzog, ihm aufgab, binnen einer Frist von einer Woche den Führerschein vorzulegen, ihm ein Zwangsgeld androhte und Kosten in Höhe von 184,80 Euro festsetzte. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, es bestünden Bedenken an der Fahreignung des Klägers wegen der Einnahme des Substitutionspräparates Subutex, weshalb der Kläger ein medizinisch-psychologisches Gutachten habe vorlegen müssen; da er dem nicht nachgekommen sei, sei von seiner Nichteignung auszugehen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 12.11.2006 wies die Beklagte mit Bescheid vom 06.08.2007, zugestellt am 08.08.2007 zurück.
Am Montag, den 10.09.2007 hat der Kläger Klage erhoben.
Bei einer Verkehrskontrolle des Klägers am 29.12.2007 fanden Polizeibeamten bei einer Durchsuchung des Klägers 11,8g Marihuana und Haschisch. Der Kläger gab hierzu an, am Vortag zum letzten Mal Haschisch geraucht zu haben, was durch das toxikologische Gutachten von Prof. Dr. A vom 18.01.2008 bestätigt wurde, die erhobenen Befunde wiesen auf eine vorangegangene Aufnahme von Cannabis-Produkten wie Haschisch oder Marihuana hin.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, Ziff. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung, nach der bei einer Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz eine Fahreignung nicht vorliege, sei auf das Substitutionspräparat Subutex nicht anwendbar, da es als Arzneimittel verabreicht werde, weshalb sich die Fahreignung nach Ziff. 9.4 und 9.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung richte. Zur Klärung etwaiger Eignungszweifel, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern, sei ermessensfehlerhaft. Hierzu sei er aus finanziellen Gründen nicht in der Lage. Zur Klärung von Eignungszweifeln hätte die Beklagte daher selbst ein entsprechendes Gutachten in Auftrag geben können. Zudem seien Urin- und Haarproben als mildere Mittel ausreichend. Zumindest hätte die Beklagte im Wege eines Darlehens ihm ermöglichen können, ein entsprechendes Gutachten beizubringen. Die Beklagte habe ihn insofern entgegen § 25 HVwVfG nicht beraten. Sollte eine solche Finanzierung nicht möglich sein, sei dies ein nicht hinzunehmender Mangel des Rechtsstaates. Er sei beikonsumfrei, was sich aus den Bescheinigungen des Suchthilfezentrums B ergebe. Die Einnahme von Marihuana bzw. Cannabis am 28.12.2007 sei erst- und letztmalig gewesen. Ein früherer Konsum harter Drogen sei nicht festgestellt.
Der Kläger beantragt,den Bescheid der Beklagten vom 25.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2007 aufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Die Beklagte bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger beikonsumfrei lebe, da er anlässlich der Verkehrskontrolle am 29.12.2007 Marihuana- bzw. Haschischkonsum eingeräumt habe. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
"Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger ist zu Recht mit Bescheid vom 25.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2007 die Fahrerlaubnis entzogen, die Rückgabe des Führerscheines angeordnet, ein Zwangsgeld angedroht und Kosten in Höhe von 184,80 Euro festgesetzt worden.
Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen. Nach § 46 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung, im Folgenden: FeV), muss die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen die Fahrerlaubnis entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist hier der Fall, weil der Kläger das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat. Gem. § 11 Abs. 8 FeV darf auf die Nichteignung geschlossen werden, wenn der Betroffene der Fahrerlaubnisbehörde das von dieser geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zu § 15 b StVZO (vgl. BVerwG, Urteil v. 12.03.1985 - 7 C 26.83 - BVerwGE 71, 93). Der Verkehrsteilnehmer ist verpflichtet, an der Klärung von Zweifeln mitzuwirken, die hinsichtlich seiner Fahreignung bestehen. Verletzt er diese Mitwirkungspflicht, so rechtfertigt dies den Schluss, dass Eignungsmängel vorliegen, die verborgen werden sollen (vgl. BVerwG, Urteil v. 13.11.1997 - 3 C 1.97 - NZV 98, 300). Hierbei handelt es sich im Übrigen nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine Tatsachenentscheidung, nämlich ob Eignungszweifel bestehen. Eine derartige Mitwirkungspflicht, die der Kläger verletzt hat, bestand. Die Beklagte hatte von ihm zu Recht gefordert, ein Gutachten einer medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr beizubringen. Nach § 46 Abs. 3 i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder - ohne abhängig zu sein - weiterhin Betäubungsmittel i. S. d. Betäubungsmittelgesetzes oder psychoaktiv wirkende Arzneimittel oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe einnimmt. Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben früher „harte Drogen“ zu sich genommen. Dies wird dadurch bestätigt, dass er im Rahmen eines Substitutionsprogramms täglich ein synthetisch hergestelltes Präparat, nämlich Buprenorphin mit dem Handelsnamen Subutex erhält. Aus den in der Behördenakte enthaltenen Anwendungshinweisen (Bl. 165 d. BA) ergibt sich, dass dieses Arzneimittel für die Anwendung bei Patienten mit Opiatabhängigkeit im Rahmen medizinischer, sozialer und psychotherapeutischer Maßnahmen bestimmt ist. Dies begründet den hinreichenden und damit aufklärungsbedürftigen Verdacht, dass der Kläger weiterhin abhängig ist. Soweit der Kläger vorträgt, aus den Urinkontrollen, die im Rahmen seiner Teilnahme am Substitutionsprogramm des Suchthilfezentrums B angefertigt wurden, ergebe sich bereits hinreichend, dass er keine Betäubungsmittel mehr zu sich nehme, weshalb es einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht bedürfe, ist dies unerheblich, da die Urinuntersuchungen nach der Wertung des Verordnungsgebers nicht geeignet sind, eine Drogenfreiheit zu belegen. Nach der Wertung in § 14 Abs. 2 kann die Drogenfreiheit nur durch ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten belegt werden.
Zudem war die Vorlage eines Fahreignungsgutachtens durch den Kläger nicht nur erforderlich, um festzustellen, ob der Kläger noch abhängig ist bzw. noch „harte Drogen“ wie Opiate zu sich nimmt, sondern auch um zu klären, inwiefern die tägliche Einnahme von Subutex seine Fahreignung beeinträchtigt. Dieses Präparat, das den Wirkstoff Buprenorphin enthält, ist ein Betäubungsmittel i. S. d. Anlage III zu § 1 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes. Die Einnahme von Betäubungsmitteln schließt die Fahreignung gem. Ziff. 9.1 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich aus. Diese Bewertung gilt gem. Ziff. 3 S. 1 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 zur Fahrerlaubnisbehörde für den Regelfall. Um festzustellen, ob eine Ausnahme von dieser Regel bei der Einnahme von Subutex im Rahmen einer Substitutionstherapie vorliegt, durfte die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anfordern, nämlich um beurteilen zu können, ob besondere Umstände die Bejahung der Fahreignung rechtfertigen. Hierher gehört unter anderem die Freiheit vom Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen (vgl. VG Aachen, Beschluss v. 02.01.2007 - 3 L 645/06 - Juris). Die Beurteilung der Beikonsumfreiheit bedarf der psychologischen Überprüfung in einem Fahreignungsgutachten.
Die Beauftragung eines entsprechenden Fahreignungsgutachtens durch die Fahrerlaubnisbehörde sieht die FeV nicht vor. Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber den Fahrerlaubnisinhaber die Nachweisführung auferlegt, da er eine Befugnis, die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr, begehrt und die Voraussetzungen hierfür nicht nur bei der erstmaligen Erteilung vorliegen müssen, sondern auch fortan. Eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit ist dabei nicht zu berücksichtigen. Genauso wenig wie der einzelne gegenüber dem Gemeinwesen einen Anspruch darauf hat, bei dem Erwerb der Fahrerlaubnis finanziell unterstützt zu werden, kann er beanspruchen bei einem erforderlich werdenden Nachweis, ob weiterhin die Eignungsvoraussetzungen vorliegen, entsprechende Mittel zu erhalten. Die Rüge einer unterlassenden Beratung durch die Beklagte entgegen § 25 HessVwVfG geht schon deshalb fehl.
Die weitere Voraussetzung des § 11 Abs. 8 FeV, der Hinweis auf die Folgen einer Weigerung, das angeforderte Gutachten beizubringen, ist ebenfalls erfüllt. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens durch die Beklagte enthält folgende Passage:„Darüber hinaus darf ich nach dieser Vorschrift auf ihre Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, wenn mir das von Ihnen geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht wird und zwar auch dann, wenn Sie die vorgenannte Erklärung fristgerecht zurückgesandt haben.“Die ausgesprochene Verpflichtung zur Rückgabe des Führerscheins ergibt sich aus § 3 Abs. 2 S. 3 StVG.
Die Androhung der Festsetzung eines Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Die Ablieferung des Führerscheines war und ist gem. § 47 HSOG vollstreckbar, weil die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet wurde. Es ist auch eine Erzwingungsfrist gem. § 53 Abs. 1 HSOG gesetzt worden, da die Beklagte sinngemäß auf die gesetzte Wochenfrist zur Vorlage des Führerscheins Bezug genommen hat.
Die Kostenfestsetzung ist ebenso rechtmäßig. Die Gebührenhöhe für die Entziehung der Fahrerlaubnis beruht auf der Tarifstelle 206 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. Die Entscheidung über die Auslagen ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Ziff. 1 der Gebührenordnung.
Die Kosten des Verfahrens hat gem. § 154 Abs. 1 VwGO der Kläger zu tragen, da er unterliegt.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO."