Zur Feststellung des angemessenen Normaltarifs ist die Schwacke-Liste geeignet, deren Preise ggf. noch um einen Aufschlag von 20% erhöht werden müssen, um unfallbedingte Mehrkosten auszugleichen wie beispielsweise eine für notwendig gehaltene Vollkaskoversicherung des Mietwagens.Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 09.06.2007 auf einem Parkplatz an der X-Allee in E ereignete.
Nach der Schilderung des Klägers, der zur Zeit des Unfalls den Parkplatz mit seinem PKW Audi A 3 (KZ ...) befuhr, stand der Beklagte mit seinem PKW Daimler Benz (KZ ...) in einer Fahrgasse zwischen den Parkboxen. Der Kläger sei an dem stehenden Fahrzeug in langsamer Fahrt links vorbeigefahren. Als er es nahezu passiert hatte, habe der Beklagte zu 1) zurückgesetzt, um rückwärts in eine rechts hinter ihm befindliche Parklücke einzuparken. Dadurch sei die Vorderfront des Beklagtenfahrzeugs nach links ausgeschwenkt und in die rechte Fahrzeugseite des Klägers gefahren.
Seinen Schaden beziffert der Kläger wie folgt:Fahrzeugschaden gemäß Reparaturrechnung vom 29.06.2007: 6 852,44 €Hinsichtlich der entstandenen Mietwagenkosten hat der Kläger zunächst Zahlung, später Freistellung beantragt, weil eine Sicherungsabtretung an die Streitverkündete (Firma AVIS) erfolgt ist.
Wertminderung gemäß Gutachten: 400,00 €
Sachverständigenkosten gemäß Gutachten vom 19.06.2007: 624,87 €
Mietwagenkosten: 1 248,07 €
Pauschale: 26,00 €
Das Mietfahrzeug wurde am 18.06.2007, also 9 Tage nach dem Unfall angemietet (Blatt 26 der Akte). Es wurde ein Fahrzeug der Gruppe D angemietet und der sogenannte „Unfallersatztarif“ vereinbart.
Die Parteien streiten darüber, ob dieser Tarif als erstattungsfähiger Schaden angesehen werden kann.
Hierzu wird zunächst auf den klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 28.10.2008 (Blatt 97 ff) verwiesen.
Der Kläger hält insofern Kosten für angemessen und damit ersatzfähig, die den Mittelwert der Schwacke-Mietpreisliste um bis zu 20 % übersteigen. In diesem Rahmen hielten sich die von ihm verursachten Kosten. Zu berücksichtigen sei, dass ein höherer Tarif auch deshalb gerechtfertigt sei, da der Autovermieter auf eine Vorfinanzierung verzichtet habe und bei Anmietung nach einem Unfall höhere Nebenkosten und Vollkaskoversicherung angefallen sei. Die Anmietzeit bei Anmietung ungewiss gewesen. Der Kläger trägt unbestritten vor (Blatt 178 der Akte), dass der Mittelwert der Kosten bei einer vergleichbaren Anmietung nach dem Normaltarif laut Schwacke-Liste bei 1.053,93 € liegt.
Da diese Kosten die von ihm selbst verursachten nicht um mehr als 20% überschritten, seien sämtliche geltend gemachten Mietwagenkosten erstattungsfähig.
Der Kläger beantragt,Die Beklagten beantragen,
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 7.903,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2007 zu zahlen.
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von der Rechnung der B. GmbH & Co KG in Höhe von 1 248,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2007 freizustellen.
die Klage abzuweisen.Sie tragen vor, der Beklagte zu 1) habe mit dem rückwärtigen Einparkvorgang begonnen, nachdem er sich darüber vergewissert hat, dass kein Verkehr auf dem Parkplatz herrschte. Er habe den zu fahrenden Halbkreis teilweise vollendet gehabt, als der Kläger auf den Parkplatz eingefahren sei. Dieser habe gehupt. Daraufhin sei der Beklagte stehengeblieben. Der Kläger habe sodann versucht, sich links an seinem Fahrzeug „vorbeizuquetschen“ und habe dabei das stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1) gestreift, ohne seine Fahrt zu verlangsamen.
Die Beklagten halten die geltend gemachten Mietwagenkosten für nicht angemessen und damit nicht in vollem Umfang erstattungsfähig. Wegen des Vortrags der Beklagten hierzu im Einzelnen, wird auf den Schriftsatz vom 03.11.2008 (Blatt 100 ff der Akte) verwiesen.
Die Beklagten weisen insbesondere darauf hin, dass die Anmietung erst neun Tage nach dem Unfall erfolgte; nach einer Mietpreisübersicht nach dem Frauenhofer Mietpreisspiegel entstünden Kosten von 630,00 €.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in den Akten Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf das Gutachten des Diplom-Ingenieurs T vom 18.06.2008 verwiesen.
Die Kammer hat außerdem den Kläger und den Beklagten zu 1) zum Unfallhergang angehört.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht der Überzeugung, dass die Beklagten dem Kläger den Ausgleich des hälftigen Schadens schulden.
Bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall unter Beteiligung zweier Kraftfahrzeuge liegt unzweifelhaft weder höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG, noch ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG vor.
Bei der sodann gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 StVG hält das Gericht die vorgenannte Haftungsverteilung für angemessen.
Sind bei einem Verkehrsunfall mehrere Fahrzeuge beteiligt, so ist die Haftungsquote unter Berücksichtigung der zunächst grundsätzlich gleichen Betriebsgefahr der Fahrzeuge zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind sodann allerdings die Umstände des konkreten Falles, die dazu führen können, dass sich die Betriebsgefahr eines der beteiligten Fahrzeuge im Verhältnis zum anderen Fahrzeug erhöht, beispielsweise durch ein verkehrswidriges Verhalten eines der Fahrzeugführer.
Dabei hat jeder der Beteiligten Unfallgegner die ihm günstigen Umstände darzulegen und zu beweisen.
Gelingt der Beweis nicht, verbleibt es bei einer Bewertung des Unfalls aufgrund der festgestellten, beziehungsweise unstreitigen Unfalltatsachen.
Vorliegend hat sich nach Anhörung der Parteien und Einholung eines Gutachtens eine Überzeugung des Gerichts nicht bilden können, dass einer der beteiligten Fahrzeugführer durch sein Verhalten den Unfall allein schuldhaft herbeigeführt hat. Demnach standen zur Bildung der Haftungsquoten lediglich die Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge gegenüber, die gleichhoch zu bewerten sind.
Beide beteiligten Fahrzeugführer haben für sich den Unfall schlüssig so dargestellt, dass jeweils der Unfallgegner für den Zusammenstoß der Fahrzeuge verantwortlich war. Nach dem Vortrag des Klägers fuhr der Beklagte zu 1) an, als er sich neben dessen Fahrzeug befand, nach dem Vortrag des Beklagten zu 1) versuchte sich der Kläger an dem stehenden Fahrzeug „vorbeizuquetschen“ und streifte es dabei.
Klarheit darüber, welche dieser beider Versionen zutrifft, konnte auch ein Sachverständigengutachten nicht erbringen.
Der Sachverständige T hat in seinem Gutachten vom 18.06.2008 nachvollziehbar erläutert, dass aus technischer Sicht sich beiderseitigen Unfallversionen weder bestätigen noch verwerfen lassen. Dabei hat der Sachverständige unter Auswertung der Schadensfotos, insbesondere der Kontaktzonen und der Kontaktspuren an den Fahrzeugen eine Schadensanalyse unter Berücksichtigung einer Plausibilitätsprüfung vorgenommen. Er kommt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Fahrzeuge unter einem flachen Winkel zwischen den Fahrzeuglängsachsen miteinander in Kontakt geraten sind. Dies entspricht dem Parteivortrag. Aus technischer Sicht sind die entstandenen Schäden aber mit beiden Unfallschilderungen vereinbar, so dass weder die eine, noch die andere Unfallsituation als erwiesen angesehen werden können. Insbesondere ergibt sich aus dem Gutachten nicht die vom Kläger behauptete Bewegung des Beklagtenfahrzeugs während seiner Vorbeifahrt.
Zugunsten des Klägers lässt sich auch aus den in der polizeilichen Unfallanzeige wiedergebenden Äußerungen sicher nichts herleiten. Soweit dort aufgenommen ist, dass der Beklagte zu 1 plötzlich zurücksetzte, als der Kläger an dessen PKW vorbeifahren wollte, ergibt sich auch daraus nicht zwingend eine zeitliche Einordnung in dem einen oder anderen Sinne.
Dem Kläger stehen mithin 50 % der geltend gemachten Schäden zu.
Dies bezieht sich auch auf die Position Mietwagenkosten, hinsichtlich derer der Kläger zuletzt Freistellung verlangt hat. Insoweit entsteht ein hälftiger Freistellungsanspruch. Zum Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall gilt grundsätzlich Folgendes:
Nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH kann grundsätzlich der Geschädigte eines Unfalls vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten darf. (vergleich BGH NJW 2007, 3782 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zu dieser gefestigten Rechtsprechung).
Dabei ist der Geschädigte nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen der Schadensbehebung den wirtschaftlicheren zu wählen. Hinsichtlich der Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten bedeutet dies, dass er grundsätzlich auf dem örtlich relevanten allgemeinen Markt unter mehreren Tarifen den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Dabei verstößt der Geschädigte noch nicht allein deswegen gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif angemietet hat, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu prüfen, ob unfallbedingte Mehrleistung des Vermieters oder sonstige mit der Unfallsituation verbundene besondere Umstände eine Erhöhung des Normaltarifs rechtfertigen (vergleiche BGH am angegebenen Ort).
Dabei kann ein vom Normaltarif abweichender ausgewählt werden, wenn nach den konkreten Umständen des Falles der Normaltarif nicht zugänglich gewesen ist. Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, zumal das Mietfahrzeug erst 9 Tage nach dem Unfall angemietet worden ist und somit für den Kläger ausreichend Zeit und Gelegenheit bestanden hat, sich entsprechend zu informieren.
Aber auch, wenn den Normaltarif übersteigende Mietwagenkosten dadurch bedingt sind, dass unfallspezifische, besondere Kosten verursachende Umstände dies rechtfertigen, steht dem Geschädigten ein höherer Ersatzanspruch zu.
Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Unfallgeschädigte jedenfalls den durchschnittlichen Wert eines Normaltarifs zuzüglich eines Unwägbarkeitszuschlags von 20 % als ersatzfähigen Herstellungsaufwand abrechnen darf. Insoweit handelt es sich nach Meinung des Gerichts um diejenigen Kosten, die jedenfalls ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Zuschlag von 20 % ergibt sich zum Einen daraus, dass die örtlichen Gegebenheiten geringfügige Abweichungen von Durchschnittstarifen rechtfertigen können, zum Anderen daraus, dass – jedenfalls hier – eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen worden ist, die der Geschädigte für erforderlich halten durfte, um weitere Schadensgefahren zu minimieren und die ein vernünftig denkender Mensch auch dann tätigt, wenn er keinen Ersatzanspruch gegen einen Dritten hinsichtlich solcherlei Kosten hat, und weil nicht zuletzt aufgrund der Unfallsituation weitere Unwägbarkeiten zu berücksichtigen sind, die sich etwa daraus ergeben, dass die Dauer der Inanspruchnahme des Fahrzeugs im Unfall noch nicht feststehen.
Hinsichtlich der Ermittlung eines sogenannten durchschnittlichen Normaltarifs stützt sich das Gericht auf diejenigen Werte, die sich aus der Schwacke-Mietwagenpreisliste ergeben.
Nach dem unstreitigen Parteivortrag handelt es sich dabei um eine Auswertung einer erheblichen Vielzahl von Preisen von Vermietstationen (Befragung von 8.700 Vermietern).
Diese Durchschnittsdaten sind dem Gericht daher zuverlässiger, als diejenigen des Frauenhofer Mietpreisspiegels auf den sich die Beklagten stützen, weil dieser Mietpreisspiegel sich unstreitig auf die Auswertung nur einiger weniger im Internet präsenter Anbieter orientiert. Das Gericht folgt insofern auch der Rechtssprechung des BGH am angegebenen Ort, sowie Landgericht Nürnberg Fürth , Urteil vom 08.05.2007, 8 O 861/07, zitiert auf Blatt 169, 170 der Akte sowie auf OLG Hamm, 13 U 71/07, Urteil vom 09.01.2008.
Nach den im Einzelnen von der Streithelferin dargelegten Berechnungen (Blatt 176 ff) entstehen unter Anwendung der vorgenannten Kriterien insofern nach dem ermittelten durchschnittlichen Normaltarif zuzüglich von Vollkaskokosten für die hier streitgegenständliche Anmietdauer 1.053,93 €.
Diesen Wert überschreitet der Kläger mit der von ihm in seiner Schadensberechnung zugrundegelegten Abrechnung nicht um mehr als 20 %, so dass die Kammer die geltend gemachten Kosten insgesamt für erstattungsfähig hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§, 709 ZPO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.