Die Höhe eines Normaltarifs kann ein Gericht im Rahmen des § 287 ZPO schätzen. Der BGH hat grundsätzlich anerkannt, dass die einschlägigen Listen und Tabellen zu den Mietwagenkosten eine hinreichende Schätzungsgrundlage darstellen ( BGH, NJW 2008, 1519). Dies gilt allerdings nur solange, wie die sich hieraus ergebenden Beträge im Einzelfall keinen konkreten Einwendungen ausgesetzt sind. Für in methodischer Hinsicht vorzugswürdig hält die Kammer deshalb den „Mietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer-Instituts, der auf anonymen Befragungen im Rahmen typischer Anmietsituationen per Internet und Telefon beruht. Ein Pauschalaufschlag auf den Normaltarif von 20 % ist angemessen, um den Besonderheiten der Vermietung von Unfallersatzwagen (Vorfinanzierung; Risiko eines Forderungsausfalls wegen falscher Bewertung der Haftungsquote; Fahrzeugvorhaltung; evtl. Einrichtung eines Notdienstes etc.) Rechnung zu tragen.
Gründe:
I.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen der ihm entstandenen Mietwagenkosten kein restlicher Zahlungsanspruch mehr zu. Denn der ursprünglich bestehende Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Höhe von 718,15 EUR ist vollumfänglich gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen.
a) Es kann dahinstehen, ob der von dem Kläger gewählte Mietwagentarif als Unfallersatztarif oder als Normaltarif anzusehen ist. Denn die im Rahmen des Tarifs angefallenen Kosten sind jedenfalls überhöht und können deshalb nicht in vollem Umfang gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden.
aa) Sofern der hier vereinbarte Tarif als Unfallersatztarif zu betrachten wäre, wären die durch Anmietung des Ersatzfahrzeugs entstandenen Kosten nicht erstattungsfähig, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Unfallgeschädigter die Kosten eines Unfallersatztarifs ersetzt verlangen kann, hier nicht vorliegen.
Nach den mittlerweile verfestigten Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGHZ 160, 377; BGH, NJW 2005, 19333; BGH, NJW 2006, 1506) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Person des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist daher im Rahmen des Zumutbaren gehalten, unter mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass der Geschädigte unter den vorhandenen Tarifen des örtlichen Marktes grundsätzlich denjenigen auszuwählen hat, der für die Anmietung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren Ersatzfahrzeuges die geringsten Kosten verursacht.
Zu einer Erstattung von Mietwagenkosten auf Grundlage eines – im Vergleich zum Normaltarif regelmäßig deutlich teureren – Unfallersatztarifs ist der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung daher nur insoweit verpflichtet, als die Besonderheiten dieses Tarifs aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung erforderlich sind ( BGH, NJW 2005, 1933). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann der Geschädigte auf Grundlage eines Unfallersatztarifs nur dann abrechnen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten kein wesentlich günstiger Normaltarif zugänglich war. Entsprechendes gilt, wenn der Geschädigte nicht auf Grundlage eines Unfallersatztarifs abrechnet, sondern eines Normaltarifs, der weit oberhalb der auf dem örtlichen Markt durchschnittlich vorhandenen Preise liegt ( BGH, NJW 2008, 1519). Der Geschädigte ist danach grundsätzlich verpflichtet, sich vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nach günstigeren Angeboten zu erkundigen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 BGB, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung im Rahmen des Merkmals der „Erforderlichkeit“ in § 249 Abs. 2 BGB.
Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht berechtigt, auf Grundlage des Unfallersatztarifs abzurechnen. Es sind keine Umstände ersichtlich, weshalb vorliegend aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen ausnahmsweise ein Unfallersatztarif als angemessen angesehen werden könnte. Zudem hat sich der Kläger vor Anmietung des Ersatzfahrzeugs unstreitig nicht über andere Angebote informiert. Dass er hierzu nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre, hat er selbst nicht vorgetragen.
Schließlich ist die Beklagte auch nicht deshalb zur Erstattung auf Grundlage des Unfallersatztarifs verpflichtet, weil sie nach dem Klägervortrag der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zugestimmt hat. Das Einverständnis der Beklagten mit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erstreckte sich nicht auf die Angemessenheit des gewählten Tarifs. Jedenfalls lässt sich dies dem Klägervortrag nicht entnehmen und ist auch aus den Umständen nicht ersichtlich.
bb) Aber auch sofern der von dem Kläger gewählte Tarif als Normaltarif einzustufen wäre, kann der Kläger die ihm entstandenen Mietwagenkosten nicht von der Beklagten ersetzt verlangen. Denn der von dem Kläger zur Abrechnung gestellte Tarif ist überteuert und entspricht nicht den Verhältnissen des örtlichen Mietwagenmarktes.
Die Höhe eines Normaltarifs kann ein Gericht im Rahmen des § 287 ZPO schätzen. Der BGH hat grundsätzlich anerkannt, dass die einschlägigen Listen und Tabellen zu den Mietwagenkosten eine hinreichende Schätzungsgrundlage darstellen ( BGH, NJW 2008, 1519). Dies gilt allerdings nur solange, wie die sich hieraus ergebenden Beträge im Einzelfall keinen konkreten Einwendungen ausgesetzt sind. Im vorliegenden Fall stützt sich der Kläger zur Berechnung des Normaltarifs auf die Schwacke-Liste 2007. Die Beklagte hat unter Vorlage zweier Angebote von renommierten Mietwagenunternehmen allerdings substantiiert dargelegt, dass die tatsächlichen Preise des örtlichen Marktes deutlich geringer sind als nach der Schwacke-Liste. Auf Grundlage der Schwacke-Liste beläuft sich der Normaltarif für die Anmietung eines PKW der Klasse 6 für die Dauer von zwei Wochen auf 1 071,19 EUR, während sich die von der Beklagten vorgelegten Mietangebote über 571,99 EUR bzw. 660,44 EUR verhalten. Dieser erhebliche Preisunterschied kann nicht damit erklärt werden, dass es sich bei den von der Beklagten vorgelegten Angeboten um Internet-Angebote handelte, da letztere zwar im Einzelfall etwas günstiger ausfallen mögen als etwa bei telefonischen Anfragen, die entsprechenden Differenzen jedoch nicht annähernd eine vergleichbare Größenordnung erreichen.
Ergeben sich bereits aus diesem Umstand erhebliche Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit der Schwacke-Liste in dem vorliegenden Fall, hält die Kammer es außerdem aber auch grundsätzlich für zweifelhaft, ob die seit dem Jahre 2006 veröffentlichten Schwacke-Listen die marktwirtschaftlichen Verhältnisse realistisch abbilden. Bedenken ergeben sich insoweit insbesondere daraus, dass den Schwacke-Listen reine Angebotserhebungen zugrunde liegen, bei denen den befragten Firmen jeweils bekannt war, dass ihre Angebote zur Grundlage einer Marktuntersuchung über die Höhe von Mietwagentarifen gemacht wurden. Dass die auf diese Weise eingeholten Angebote der Mietwagenunternehmer zumindest nicht in allen Fällen die reale Marktsituation widerspiegeln, ist naheliegend. Für in methodischer Hinsicht vorzugswürdig hält die Kammer deshalb den „Mietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer-Instituts, der auf anonymen Befragungen im Rahmen typischer Anmietsituationen per Internet und Telefon beruht. Dass die Liste des Fraunhofer-Instituts im Vergleich zum Schwacke-Mietpreisspiegel in räumlicher Hinsicht eine etwas gröbere Aufteilung enthält (zwei- statt dreistellige Postleitzahlenbereiche), ist demgegenüber jedenfalls in größeren Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet ein zu vernachlässigender Gesichtspunkt, der keinen Anlass bietet, an der Zuverlässigkeit der Erhebung des Fraunhofer-Instituts zu zweifeln. Die Vorzugswürdigkeit des Mietpreisspiegels des Fraunhofer-Instituts zeigt sich im vorliegenden Fall auch daran, dass sich der aus diesem ergebende Betrag von 613,90 EUR für die Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 6 für die Dauer von zwei Wochen im Postleitzahlenbereich 44 in demselben Bereich wie die von der Beklagten eingeholten Mietangeboten bewegt. In Übereinstimmung mit einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG München, Schaden-Praxis 2008, 397; OLG Köln, RuS 2008, 528) hat sich die Kammer daher entschieden, für die Berechnung des Normaltarifs bis auf weiteres den Mietpreisspiegel 2008 des Fraunhofer-Instituts heranzuziehen.
b) Für den hier vorliegenden Fall ergibt sich danach folgendes:
Der Kläger kann zunächst die Mietwagenkosten von 613,90 EUR ersetzt verlangen. Es handelt sich um einen Brutto-Betrag, da die in der Fraunhofer-Liste ausgewiesenen Beträge – wie die Beträge der Schwacke-Liste – die Mehrwertsteuer bereits enthalten. Zusätzliche Kosten für eine abzuschließende Kaskoversicherung sind nicht zu erstatten, da diese in den Beträgen der Tabelle des Fraunhofer-Instituts bereits eingerechnet sind.
Weiterhin hält die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif von 20 % für angemessen, um den Besonderheiten der Vermietung von Unfallersatzwagen (Vorfinanzierung; Risiko eines Forderungsausfalls wegen falscher Bewertung der Haftungsquote; Fahrzeugvorhaltung; evtl. Einrichtung eines Notdienstes etc.) Rechnung zu tragen. Den 20 % – Aufschlag nimmt die Kammer im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO vor, ohne dass insoweit substantiierter Vortrag des Geschädigten erforderlich wäre. Allein diese Vorgehensweise wird nach Auffassung der Kammer dem Erfordernis einer praxisnahen und einfache Schadensabwicklung gerecht (so auch OLG Köln, NZV 2007, 199; LG Dortmund, NZV 2008, 93; LG Bonn, NZV 2007, 362). Damit erhöht sich der erstattungsfähige Betrag zugunsten des Klägers um 122,78 EUR.
Im Gegenzug muss sich der Kläger eine Eigenersparnis von 10 % anrechnen lassen, da er ein dem beschädigten Eigenfahrzeug vergleichbares Ersatzfahrzeug angemietet hat (vgl. hierzu nur Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 249 Rn. 32). Hierdurch wird den ersparten Aufwendungen des Klägers wegen der nicht erfolgte Nutzung des Eigenfahrzeugs Rechnung getragen. Von dem oben genannten Betrag sind daher 61,39 EUR in Abzug zu bringen.
Schließlich kann der Kläger die geltend gemachten Kosten für die Abholung und Zustellung des Ersatzfahrzeugs in Höhe von insgesamt 42,86 EUR ersetzt verlangen. Ein Unfallgeschädigter kann einen solchen Service grundsätzlich in Anspruch nehmen ( OLG Köln, NZV 2007, 199). Einwendungen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben.
c) Die dem Kläger gegen die Beklagte zustehende Ersatzforderung berechnet sich demnach wie folgt:
Mietwagenkosten unter Einbeziehung der Kaskoversicherung 613,90 EUR
Aufschlag 20 % 122,78 EUR
Abzug 10 % 61,39 EUR
Nebenkosten 42,86 EUR
Gesamtbetrag 718,15 EUR
Die Beklagte hat vorprozessual zur Abgeltung der Schadensersatzforderung 804,44 EUR an den Kläger gezahlt. Damit steht dem Kläger kein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.
2. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 291 BGB.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.