Besteht bei einer Apothekerin Alkoholabhängigkeit, schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen, Verdacht auf rezidivierende depressive Störung und auf äthyltoxisch bedingte Fettleber, so ist auch unter Berücksichtigung eines stark erhöhten CDT-Wertes, von Alkoholabhängigkeit auszugehen, die allerdings behandelbar ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffene im Rahmen einer adäquaten Behandlung nach der Entzugsphase während der (ambulanten) Entwöhnungsphase wieder ihren Beruf als Apothekerin zumindest teilweise ausüben könnte, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen relativ groß (größer als 50 %). Ein Ruhegehaltsanspruch wegen Berufsunfähigkeit besteht daher nicht.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine im Jahr 1950 geborene Apothekerin. Sie beantragte am 8. April 2008 bei der Beklagten die Zahlung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit (Bl. 10a der Behördenakte). Sie trug vor, dass sie ab 4. April 2008 keine berufliche Tätigkeit mehr ausübe.
Die Klägerin legte folgende Unterlagen vor:- Einen Versicherungsschein der ... Private Krankenversicherungs-AG vom 11. November 2007, dass sie zum 1. Januar 2008 einen monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung von 678,31€ zu entrichten hat;Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 9. Mai 2008 der Klägerin mit, eine fachärztliche Überprüfung sei erforderlich. Mit der Begutachtung werde die Psychiaterin Dr. ..., München, beauftragt.
- Die erste Seite eines „Unternehmenskaufvertrags“ ohne Datum, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin die Firma „...apotheke ...“ an einen Käufer übertragen hat;
- Eine Kopie der Heiratsurkunde vom 22. November 1978;
- Ein fachärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. ..., ..., wonach die Klägerin an schweren Depressionen, Alkohol- und Medikamentenabusus leide;
- Die fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Prof. Dr. Dr. ..., München, vom 7. Januar 2008, wonach die Klägerin unter Alkohol- und Medikamentenabusus, schwerer Depression und anderen psychischen Erkrankungen, chronischer Hepatitis und Hypertonus leide;
- Die Bestätigung der Bayerischen Apothekerversorgung vom 1. April 2008, dass die Klägerin zum 4. April 2008 die gesamte berufliche Tätigkeit aufgegeben hat.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2008 bat die Beklagte die vorgenannte Psychiaterin, eine Begutachtung der Klägerin zur Klärung der Frage, ob und ggf. seit wann bzw. bis wann Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung der bayerischen Apothekerversorgung vorliegt, durchzuführen.
Am 24. Juni 2008 übersandte die Klägerin eine weitere fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Prof. Dr. Dr. ... vom 19. Juni 2008, wonach sich die Laborwerte der Klägerin „richtungsweisend“ verschlechtert hätten. Die Werte würden beweisen, dass in den letzten zurückliegenden drei Monaten ein exzessiv steigender Alkoholkonsum von weit über 80g/d vorliege. Die Klägerin sei nicht nur als Apothekerin berufsunfähig, sie sei auch erwerbsunfähig.
Die Beklagte übersandte vorstehende Bescheinigung am 27. Juni 2008 an Dr. ....
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ..., München, kam in ihrem neuro-psychiatrischen Gutachten vom 14. Juli 2008 im Wesentlichen zu folgendem Ergebnis: Die Klägerin habe angegeben, sie fühle sich überrollt und überfordert von den Vorgängen der letzten Jahre ihre Apotheke (Gesundheitsreform) und ihr Privatleben (Tod des Partners) betreffend; auch bezüglich dessen, was finanziell auf sie zukomme. Ihr Alkoholkonsum betrage ca. 1 Flasche Wein täglich sowie 1-2 Bier, gelegentlich mehr. Früher habe sie in der Apotheke heimlich getrunken, jetzt vorwiegend zu Hause. Wenn sie Auto fahre, trinke sie keinen Alkohol. Nie sei sie nach Alkoholkonsum betrunken. Gelegentlich nehme sie Lexotanil und Tavor ein, nie Opiate, Codein oder andere Betäubungsmittel.
Bei der Klägerin bestehe seit Jahren eine Alkoholabhängigkeit, die seit 2005 zugenommen habe. An körperlichen Folgeerscheinungen bestehe eine Hepatopathie, aber keine Polyneuropathie, kein Hinweis auf celebrale Krampfanfälle. Zusätzlich bestehe eine missbräuchliche Einnahme von Tranquilizern. Ob dies das Ausmaß einer Abhängigkeit erreicht habe, müsse offen bleiben. Hinweise auf Opiatmissbrauch lägen nicht vor. Auch die berufsständischen Verfahren schienen nicht mit einem eigenen Substanzmissbrauch in Verbindung zu stehen, sondern eher mit steuerrechtlichen Verfehlungen oder Ungeschicklichkeiten gegenüber den Aufsichtsbehörden. Sie könnten nicht als krankheitsbedingte Fehlleistungen oder Unfähigkeit, den Beruf auszuüben, aufgefasst werden. Bezüglich der Alkoholabhängigkeit bestehe Krankheitseinsicht, aber bisher keine ernsthaften Therapieversuche. Eine wesentliche Depressivität als eigenständiges Krankheitsbild liege nicht vor. Weder die von der Klägerin beklagten Depressionen und Ängste noch der Alkoholkonsum hätten in den letzten Jahren zum Fernbleiben von der Arbeit, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Ausfallzeiten geführt. Auch sei bisher außer der Einnahme von Antidepressiva keine Therapie gegen die Alkoholsucht begonnen worden. Von den angeblich eingenommenen Medikamenten könne die Einnahme nur für Mirtazapin bestätigt werden und das in sehr niedriger Dosierung und Wirkspiegel. Der Verkauf der Apotheke und die dadurch bedingte freie Zeit habe offenbar im Gegenteil zu einem vermehrten Alkoholkonsum der Klägerin geführt, was sich auch durch den Anstieg des CDT- Wertes belegen lasse. Aus nervenärztlicher Sicht sei vorliegend eine Behandlung, keine Berentung angebracht. Trotz der Störungen könne die Klägerin ihren Beruf in selbständiger oder angestellter Position weiter ausüben, evtl. unter zeitlich reduziertem Einsatz. Der Alkoholkonsum stelle dabei keinen Hinderungsgrund dar; diesbezüglich habe die Aufgabe des Berufs eher zu einer Verschlechterung geführt. Eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung liege nicht vor. Eine erneute Begutachtung sei erst nach einem Jahr sinnvoll, wenn und sofern adäquate und ausreichend intensive Therapiebemühungen stattgefunden hätten.
Mit Schreiben vom 13. August 2008 übersandte die Beklagte der Klägerin das vorgenannte Gutachten zur Stellungnahme.
Die Klägerin übersandte am 26. September 2008 das fachärztliche Attest der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München vom 25. September 2008. Darin ist im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin leide an Alkoholmissbrauch, Benzodiazepin-Missbrauch und rezidivierenden depressiven Störungen. In fachärztlicher psychiatrischer Behandlung befinde sich die Klägerin seit mehr als einem halben Jahr, darüber hinaus habe früher eine psychotherapeutische Behandlung stattgefunden, beides ohne wesentlichen therapeutischen Erfolg. Infolge der Chronifizierung der Erkrankung sei es zu leichteren kognitiven Defiziten gekommen, welche mit dem Beruf einer Apothekerin nicht vereinbar seien. Bei den vorliegenden Störungen und der derzeitigen psychosozialen Situation (Verkauf der Apotheke, Rückzug aus dem Beruf, sozialer Rückzug, vermehrter Alkoholkonsum) erscheine eine weitere Berufstätigkeit der Klägerin als illusorisch. Die Berufsunfähigkeit sei gegeben.
Die Beklagte übersandte das fachärztliche Attest der Universität an die Gutachterin Dr. ... mit der Bitte um Überprüfung, ob sich aufgrund dieser Ausführungen dass Ergebnis des Gutachtens vom 14. Juli 2008 ändert.
Die Gutachterin Dr. ... nahm mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 Stellung: Es handele sich nicht um einen Alkoholmissbrauch, sondern um ein Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch. Dies ergäbe sich eindeutig aus den Laborwerten und der Definition ICD-10. Die depressive Störung sei nachvollziehbar, könne aber eine Besserung nach erfolgreichen Abstinenzbemühungen erwarten lassen. Angeblich bestehe diese Depressivität seit 14 Jahren, habe aber in diesen Jahren keine erwerbsmindernden Auswirkungen gehabt. Darüber hinaus sei sowohl für die Alkoholabhängigkeit als auch für die Depressivität in den letzten Jahren keine suffiziente Medikation oder psychotherapeutische Behandlung ersichtlich, insbesondere liege der Spiegel des Antidepressivums Mirtazapin weit unterhalb des therapeutischen Bereichs, so dass bezüglich der Depressivität der Leidensdruck relativiert werden müsse. Zusammenfassend ergäben sich aus dem vorgelegten Attest der LMU München keine neuen Gesichtspunkte bezüglich der Berufsfähigkeit der Klägerin.
Aus einer Gesprächsnotiz der Beklagten vom 13. November 2008 ist ersichtlich, dass der Klägerin mitgeteilt wurde, dass der Antrag abgelehnt werde.
Mit Bescheid vom 25. November 2008, der Klägerin zugestellt am 26. November 2008, lehnte die Beklagte den Antrag auf Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: § 30 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung bestimme, dass ein Mitglied als berufsunfähig anzusehen sei, wenn es infolge Krankheit oder anderer Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande sei, eine Erwerbstätigkeit im Apothekerberuf auszuüben. Der Anspruch auf Ruhegeld setze also völlige Berufsunfähigkeit voraus. Die Berufsunfähigkeit müsse sich auf alle Tätigkeiten beziehen, die der Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung möglich und nach ihren Kräften zumutbar sind. Eine vollständige Berufsunfähigkeit habe nicht nachgewiesen werden können. Dies ergäbe sich aus den eingeholten Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... vom 14. Juli 2008 und vom 16. Oktober 2008.
Am 15. Dezember 2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem AntragZur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Die Berufsunfähigkeit der Klägerin sei aufgrund Krankheit eingetreten, die sie außerstande setze, ihre Erwerbstätigkeit im Apothekerberuf auszuüben. Das Bundessozialgericht habe in ständiger Rechtsprechung Alkoholabhängigkeit als Krankheit anerkannt. Die Feststellungen des Gutachtens seien widersprüchlich. Alkoholabhängigkeit sei eine Krankheit, die bei Arbeitnehmern zur Arbeitsunfähigkeit führe. Dadurch sei eine Tätigkeit als angestellte Apothekerin ausgeschlossen, solange die Krankheit andauere. Die Klägerin sei im Zusammenhang mit ihrer Medikamentenabhängigkeit bereits zweimal strafrechtlich verurteilt worden.
- Den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2008 aufzuheben.
- Die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin ab Antragstellung vom 5. April 2008 Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit in satzungsgemäßer Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Sie verwies im Wesentlichen auf die bisherigen Ausführungen.
Mit Beschluss vom 23. April 2009 hat das Gericht Beweis erhoben über die Frage, ob die Klägerin gem. § 30 Abs. 1 der Satzung der Beklagten berufsunfähig ist, durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens. Mit der Begutachtung wurde Dr. ..., Oberarzt des Zentrums für Abhängigkeit und Krisen im Klinikum ... in München beauftragt.
Dessen Sachverständigengutachten ging bei Gericht am 23. Juli 2009 ein. Es kommt zum Ergebnis, dass bei der Klägerin keine Berufsunfähigkeit vorliegt, da eine spezifische Therapie nicht umgesetzt worden sei. Die suchttherapeutische Behandlung im Sinne einer qualifizierten Entzugsbehandlung stelle die Grundlage dafür dar, um die Berufsfähigkeit endgültig festzustellen. Ziele der Rehabilitation im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung sei die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, ggf, die Feststellung vorliegender Berufsunfähigkeit.
Der Prozessbevollmächtigte nahm mit Schriftsatz vom 14. August 2009 zum Sachverständigengutachten Stellung. Er rügte, der Sachverständige habe die Frage nicht beantwortet, ob die Klägerin seit April 2008 berufsunfähig sei. Es sei widersprüchlich, wenn der Sachverständige einerseits eine Erkrankung feststelle, die zur Arbeitsunfähigkeit, nicht aber zur Berufsunfähigkeit führe. Die vorgeschlagene Therapie sei mit gering einzuschätzenden Erfolgsaussichten verbunden. Ohne Abklärung der Erfolgsaussichten sei der Klägerin eine außerordentlich belastende Therapie mit monatelanger stationärer Behandlung nicht zuzumuten. Hilfsweise werde die Feststellung der vorübergehenden Berufsunfähigkeit der Klägerin beantragt.
Der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 14. August 2009 wurde dem Sachverständigen übersandt mit der Bitte, dazu in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.
Die Beklagte führte mit Schreiben vom 25. August 2009 aus, die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeit lägen bei der Klägerin auch nach dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2009 wurde der Sachverständige zu seinem Gutachten ausführlich befragt. Auf die darüber gefertigte Niederschrift wird verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Klägerin ab 4. April 2008 Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit zusteht.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit, § 113 Abs. 5 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ist § 30 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung vom 11. 12.1996 (Bayer. Staatsanzeiger 1996 Nr.51/52 S.4), zuletzt geändert durch Satzung vom 23. 11.2005 (Bayer. Staatsanzeiger 2005 Nr.48 S.2; im Folgenden: Satzung). Gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung hat ein Mitglied Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, wenn es vor Vollendung des 60. Lebensjahres berufsunfähig geworden ist, einen Antrag auf Ruhegeld stellt und die berufliche Tätigkeit einstellt (Eintritt des Versorgungsfalls). Berufsunfähig ist ein Mitglied, das infolge von Krankheit und anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit im Apothekerberuf auszuüben, § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung. Gem. § 30 Abs. 2 Satz 1 der Satzung weist das Mitglied die Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste, Befunde, Gutachten und ähnliche Unterlagen nach.
Berufsunfähigkeit in diesem Sinne ist festzustellen, wenn der Apotheker nicht mehr in der Lage ist, seiner beruflichen Tätigkeit als Apotheker in nennenswertem Umfang nachzugehen (BayVGH v.26.7.1995, NJW 1996,1613). Ein wesentliches Merkmal jeder beruflichen Tätigkeit ist, dass sie dem Grunde nach geeignet ist, eine entsprechende materielle Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten. Folglich liegt auch dann Berufsunfähigkeit vor, wenn die Möglichkeiten einer Berufsausübung krankheitsbedingt so stark eingeschränkt sind, dass ihr eine existenzsichernde Funktion - womit nicht die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gemeint ist - nicht mehr zukommen kann, auch wenn einzelne Tätigkeiten eines Apothekers noch möglich sind (BayVGH v. 26.7.1995,a.a.O.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Frage, was unter Berufsunfähigkeit zu verstehen ist, allein nach dem jeweils geltenden Landesrecht zu beurteilen. Ein das Landesrecht bindender bundesrechtlicher Begriff der Berufsunfähigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die berufsständischen Versorgungswerke in allen Bundesländern in weitgehend übereinstimmender Weise Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit treffen (BVerwG v.7.6.1996 - 1 B 127/95, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr.32).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und unter Würdigung der vorliegenden Gutachten, insbesondere des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. … vom 20. Juli 2009 zum gesundheitlichen Zustand der Klägerin, muss davon ausgegangen werden, dass diese nicht berufsunfähig im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten ist. Die der Klägerin obliegende Darlegungslast aus § 30 Abs. 2 Satz 1 der Satzung führt dazu, dass dem geltend gemachten Anspruch auf Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit nicht stattgegeben werden kann.
Die von der Klägerin vorgelegten Atteste der Fachärzte Prof. Dr. Dr. …, München vom 7. Januar 2008 und 19. Juni 2008, Dr. …, … vom 6. März 2008 und Prof. Dr. … (LMU München) vom 25. September 2008 kommen zum Ergebnis, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, den Beruf als Apothekerin auszuüben.
Das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 14. Juli 2008 kam - unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Atteste des Prof. Dr. … und Dr. … - zum Ergebnis, dass die Klägerin trotz der vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihren Beruf in selbständiger oder angestellter Position weiter ausüben kann, evtl. unter zeitlich reduziertem Einsatz. Der Alkoholkonsum stelle keinen Hinderungsgrund dar, die Aufgabe des Berufs durch die Klägerin habe eher zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes geführt. Eine erneute Begutachtung sei allenfalls in einem Jahr sinnvoll, wenn adäquate und ausreichend intensive Therapiebemühungen stattgefunden hätten.
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. … stellt in seinem Gutachten fest, dass bei der Klägerin Alkoholabhängigkeit, schädlicher Gebrauch von Benzodiazepinen, Verdacht auf rezidivierende depressive Störung und auf äthyltoxisch bedingte Fettleber vorliegen (Seite 10 des Sachverständigengutachtens). Aufgrund der Erkrankungen besteht derzeit Arbeitsunfähigkeit (Seite 14 des Gutachtens).
Allerdings ist nach den überzeugenden schriftlichen und mündlichen Darstellungen des Sachverständigen von einer Behandelbarkeit der Erkrankungen der Klägerin auszugehen, so dass Berufsunfähigkeit nicht vorliegt. Der Sachverständige führte aus, die Klägerin habe nur eine bedingte Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft. Es fehle an einem klar definierten Behandlungsplan. Eine ausführliche psychiatrische Beurteilung und Stellungnahme könne erst in der stabilen Phase nach einem qualifizierten Entzug und Abstinenz von oben genannten Substanzen erstellt werden (Seite 14 des Sachverständigengutachtens). In der mündlichen Verhandlung stellte der Sachverständige nachvollziehbar dar, dass sich die adäquate Behandlung der Erkrankung der Klägerin in drei Schritten vollziehen müsse: Zuerst sei eine qualifizierte Entzugsbehandlung von ca. zwei Wochen erforderlich, dann eine stationäre (ca. 12 Wochen dauernde) oder ambulante Entwöhnungsbehandlung (ca. 12 Monate dauernde), anschließend folge die Umsetzung der Entwöhnungsbehandlung (20 bis 40 Sitzungen; 1 Sitzung /Woche). Die Klägerin befindet sich nach Auskunft des Sachverständigen derzeit allenfalls im Stadium der Absichtsfindung, weil sie einige Fachärzte aufgesucht hat (Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Seite 4), so dass sie keinesfalls mit einer erfolgversprechenden Therapie begonnen hat.
Die Einlassung der Klägerin, sie habe bereits erfolglose Therapieversuche hinter sich, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den Ausführungen der Klägerin und des Sachverständigen (Seite 6,7 des Gutachtens) hat die Klägerin einen Therapieversuch durch den Hausarzt Prof. Dr. … mittels Mitazirpin und Dr. … mittels eines Arzneimittels bzw. therapeutischer Gespräche gegen Depressionen unternommen. Außerdem hat sie einige Zeit den Kinderarzt und Psychotherapeuten Dr. … aufgesucht. In der mündlichen Verhandlung trug sie vor, sie erhalte ein neues Antidepressivum und sie versuche, den Alkoholkonsum zu reduzieren. Bei allen diesen Maßnahmen handelt es sich aber nicht um den ersten Schritt der oben beschriebenen adäquaten Therapie, die die Klägerin von ihrer Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit heilen könnte, so dass es sich um untaugliche Therapieversuche handelt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin im Rahmen einer adäquaten Behandlung nach der Entzugsphase während der (ambulanten) Entwöhnungsphase wieder ihren Beruf als Apothekerin zumindest teilweise ausüben könnte, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen relativ groß (größer als 50 %). Er führte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar aus, im Fall der Klägerin ergäbe sich deshalb eine günstigere Prognose als im Durchschnitt der Patienten, weil sie eine höhere Schulbildung habe, die Suchterkrankung erst im späteren Lebensalter aufgetreten sei und bis jetzt keine spezifische Suchtbehandlung stattgefunden habe. Es ist der Klägerin zuzumuten, die erfolgversprechende Suchtbehandlung durchzuführen, da diese mit keinen wesentlichen Einschränkungen und Risiken für die Gesundheit verbunden ist. Erst nach einer durchgeführten adäquaten Suchtbehandlung kann endgültig festgestellt werden, ob die Klägerin berufsunfähig ist oder nicht (Sachverständigengutachten, Seite 15). Bisher ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Klägerin dermaßen eingeschränkt ist, dass sie die wesentlichen Tätigkeiten in ihrem Beruf nicht mehr ausführen kann, da noch zumutbare und erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Die Klägerin ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht berufsunfähig, war dies aber auch nicht zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zahlung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit im April 2008. Zwar konnte der Sachverständige für diesen Zeitpunkt nur sagen, dass die Klägerin nicht arbeitsfähig war, nicht aber, ob sie berufsfähig war (Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Seite 2). Allerdings waren die erkennbaren äußeren Umstände, die gesundheitliche Situation der Klägerin nach den von ihr vorgelegten Vorgutachten und nach ihren eigenen Angaben zum Alkoholkonsum ab dem Jahr 2004 mit der heutigen Situation vergleichbar, so dass auch für diesen Zeitpunkt davon ausgegangen werden muss, dass die bestehende Suchterkrankung der Klägerin behandelbar gewesen ist und deshalb keine Berufsunfähigkeit vorlag.
Der vom Klägerbevollmächtigten gestellte Hilfsantrag - Zahlung von Ruhegeld wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit - kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil ein solches Ruhegeld bei der Beklagten nicht beantragt wurde (vgl. Antrag vom 8. April 2008, Bl. 10a der Behördenakte). Davon unabhängig konnte auch die vorübergehende Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht festgestellt werden; insoweit wird auf obige Ausführungen verwiesen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff ZPO.