Die Frage der Regelmäßigkeit des Konsums ist eine Rechtsfrage, die abschließend von den Gerichten zu beantworten ist. Deswegen hat die im ärztlichen Gutachten geäußerte Bewertung, es handele sich um regelmäßigen Konsum, keine Bindungswirkung. Die gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis kann nur dann als regelmäßig im Sinne von Nr. 9.2.1 Anlage 4 zur FeV angesehen werden, wenn sie nicht deutlich seltener als täglich erfolgt.
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet.
Nach summarischer Bewertung erweist sich die angegriffene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtswidrig. Aus dem Umgang des Antragstellers mit Cannabis lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit ableiten, dass dieser ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.
Eine regelmäßige Cannabiseinnahme (Nr. 9.2.1 Anlage 4 zur FeV) lässt sich nach derzeitiger Aktenlage nicht sicher feststellen. In der Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts ist bislang nicht abschließend geklärt, wann die Einnahme in diesem Sinne "regelmäßig" ist. Zusammenfassend lässt sich lediglich sagen, dass derjenige, der täglich, nahezu täglich oder gewohnheitsmäßig Cannabis einnimmt, im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne regelmäßig konsumiert.Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 3 C 1.08 -, juris Rdn. 14 ff. (= BVerwGE 133, 186).Auslegungsbedürftig ist vor allem der Begriff des gewohnheitsmäßigen Konsums. Er kann neben dem Begriff des täglichen bzw. nahezu täglichen Konsums nur die Funktion haben, Konsumformen zu erfassen, die eine seltenere Häufigkeit als täglich aufweisen. Aus ihm lässt sich zunächst folgern, dass es für die Regelmäßigkeit unabhängig von der Häufigkeit ("täglich") auch darauf ankommen kann, ob der Konsum regel- bis zwanghaft erfolgt, er sich also als integraler Bestandteil des Alltagslebens des Fahrerlaubnisinhabers darstellt. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den täglichen und den gewohnheitsmäßigen Cannabiskonsums zwar als unterschiedliche Konsumformen nebeneinander, bewertet sie aber gleich. Daraus lässt sich ableiten, dass deutlich unterhalb einer täglichen Cannabiseinnahme bleibende Konsummuster nicht mehr erfasst sein sollen. Insbesondere scheidet es aus, einen Konsum, der einem festen zeitlichen Muster folgt, aber aufs Ganze gesehen ein seltenes Ereignis bildet, allein wegen dieser Regelhaftigkeit als gewohnheitsmäßig zu bewerten.
Wenn der Normgeber in Anlage 4 zur FeV auf die "Regelmäßigkeit" des Konsums abstellt, soll damit der besonderen Gefährlichkeit dieser Konsumform Rechnung getragen werden. Wegen der Häufigkeit und der Regel- bzw. Zwanghaftigkeit des Konsums kann beim regelmäßigen Cannabiskonsumenten nicht davon ausgegangen werden, dass er zuverlässig Drogenkonsum und Kraftfahren auseinanderhalten kann, wiewohl er grundsätzlich dazu bereit sein mag. Der Normzweck der Nr. 9.2 Anlage 4 zur FeV würde verfehlt, wenn man allein auf die Regelhaftigkeit des Konsums - ohne Berücksichtigung auch der Häufigkeit - abstellen wollte. Denn derjenige, der unter Einhaltung eines festen Zeitschemas, insgesamt aber selten Cannabis konsumiert, wird wahrscheinlich seine grundsätzliche Bereitschaft umsetzen können, Cannabiskonsum und Kraftfahren zu trennen. Es spricht sogar manches dafür, dass die Zuweisung fester Zeiten für den Konsum die konsequente Vermeidung von Kraftfahrten unter Cannabiseinfluss eher erleichtert. Das Risiko, dass der regelhaft aber selten Konsumierende ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss führt, obwohl er dieses für sich grundsätzlich ausgeschlossen hat, ist deutlich geringer als bei einem täglichen oder nahezu täglichen Konsumenten. Diese unterschiedlichen Konsumformen dürfen also nicht zu derselben Rechtsfolge führen.
Im Ergebnis folgt daraus, dass die gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis nur dann als regelmäßig im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne angesehen werden kann, wenn sie nicht deutlich seltener als täglich erfolgt.Vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2009 - 16 B 1611/09 -; auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 11 CS 09.262 -, juris Rdn. 15: kein regelmäßiger Konsum bei maximal vier Konsumvorgängen pro Woche oder höchstens zwanzig Konsumvorgängen pro Monat.Hiervon ausgehend konsumiert der Antragsteller nach Aktenlage nicht regelmäßig Cannabis. Aus seinen Einlassungen ergibt sich lediglich der von ihm auch mit der Beschwerdeschrift eingeräumte gelegentliche Konsum. Die in der ärztlichen Anamnese angegebenen Konsumvorgänge belegen - nicht zuletzt wegen ihrer fehlenden Klarheit - nur einen Konsum, der deutlich seltener als täglich erfolgt (2007: zwei Monate "abends drei Joints", "zum Wochenende samstags und sonntags jeweils einen Joint"; "am 16. April 2009 habe er bis 23. Juli 2009 Marihuana geraucht"; 25. Juli 2007: "zwei Tage vorher Marihuana konsumiert"; 19. September 2009: letzter Konsum). Die Frage der Regelmäßigkeit des Konsums ist eine Rechtsfrage, die abschließend von den Gerichten zu beantworten ist. Deswegen hat die im ärztlichen Gutachten geäußerte Bewertung, es handele sich um regelmäßigen Konsum, keine Bindungswirkung. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts genügt sie auch nicht, um Regelmäßigkeit ohne eigene Prüfung anzunehmen. Das gilt vorliegend umso mehr, als das Gutachten nicht darlegt, nach welchem Maßstab es den gelegentlichen vom regelmäßigen Konsum unterscheidet.
Auch die vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage der gutachterlichen Bewertung angenommene missbräuchliche Einnahme von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen (Nr. 9.4 Anlage 4 zur FeV) liegt nicht vor. Nach der Systematik der Nr. 9 Anlage 4 zur FeV ist der Konsum von Cannabis abschließend in den beiden speziellen Vorschriften der Nr. 9.2 geregelt. Der Rückgriff auf die allgemeinere Nr. 9.4 scheidet für diese Droge aus.
Aus diesen Gründen kann offen bleiben, ob das vom Antragsteller geltend gemachte Verwertungsverbot für das Gutachten besteht.
Die Ordnungsverfügung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtmäßig. Zwar zählt sich der Antragsteller nach eigener Einlassung selbst zu den gelegentlichen Cannabiskonsumenten. Er ist in der Vergangenheit aber nie dadurch aufgefallen, dass er unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat. Ein Verstoß gegen das von Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV aufgestellte Trennungsgebot lässt sich bei ihm nach Aktenlage nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).