- Kein Verwertungsverbot hinsichtlich einer Blutprobe, die im Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken im November 2008 an einem Werktag um 15.40 Uhr auf polizeiliche Anordnung entnommen worden ist, obwohl Gefahr im Verzug nicht vorgelegen hat.
- Einzelfall einer noch ohne Beschuldigtenbelehrung zulässigen polizeilichen Befragung bei Verdacht einer Drogenfahrt.
Gründe:
1. Die Bußgeldrichterin des Amtsgerichts Germersheim hat den Betroffenen am 13. November 2009 wegen (fahrlässigem) Führen eines Fahrzeugs unter Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten gegen ihn festgesetzt (§§ 24a Abs. 2 und 3 StVG, 25 Abs. 1 StVG, Anlage zu § 24a StVG). Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts gerügt wird. Es wird geltend gemacht, das Amtsgericht habe zu Unrecht Sachangaben des Betroffenen gegenüber der Polizei verwertet, die ohne ordnungsgemäße Belehrung zustande gekommen seien. Ebenso unverwertbar sei auch die dem Betroffenen entnommene Blutprobe, da sie ohne richterliche Anordnung bewirkt worden sei, obwohl die Voraussetzungen der „Gefahr im Verzug“ nicht vorgelegen hätten. Zur Sachrüge wird ausgeführt, das Amtsgericht habe keine hinreichenden Feststellungen zur Begründung des Schuldspruchs getroffenen, sondern sich nur auf Vermutungen gestützt.
Der Einzelrichter des Senats hat durch Beschluss vom 4. August 2010 gemäß § 80a OWiG das weitere Verfahren dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt:„Es ist geboten, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§ 80a Abs. 3 S. 1 OWiG); dies betrifft die Fragen des Vorliegens einer sog. informatorischen Vernehmung (§ 46 Abs. 1 OWiG; §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 StPO) sowie der Annahme von Gefahr im Verzug bei der Anordnung einer Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO).“Das zulässige Rechtsmittel bleibt hinsichtlich des Schuldspruches ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu Recht verurteilt; auch die erhobenen Verfahrensrügen erweisen sich als unbegründet. Hinsichtlich der Rechtsfolgen führt aber die Sachrüge zu einer Ermäßigung von Geldbuße und Fahrverbot.
2. Nach den in erster Instanz getroffenen Feststellungen fuhr der Betroffene am Donnerstag, den 20. November 2008 gegen 14.30 Uhr mit dem Pkw von Speyer nach Germersheim, wo er auf der Polizeiinspektion einen Bekannten abholen wollte. Der auf der Dienststelle anwesende Polizeibeamte P. gewann den Eindruck, der Betroffene stehe unter Drogeneinfluss. Auf seine Frage, wie er nach Germersheim gekommen sei, erklärte der Betroffene, er sei mit dem Auto gefahren. Daraufhin belehrte der Polizeibeamte den Betroffenen als Beschuldigten und setzte die Befragung fort, wobei sich der Betroffene in Widersprüche verwickelte. Nachdem ein freiwilliger Drogenvortest ein „positives“ Ergebnis erbrachte, ordnete P. wegen Gefahr im Verzug eine Blutprobe an , die um 15.40Uhr auf der Wache entnommen wurde. Sie ergab einen THC-Wert von 18,7 ng/ml, der auf eine engfristige Cannabisaufnahme und einen deutlichen akuten Cannabiseinfluss zum Entnahmezeitpunkt hinweist.
Die demgegenüber von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen erweisen sich im Ergebnis als unbegründet.
3. Es begründet keine Verletzung des Verfahrensrechts, dass das Amtsgericht auch die vor der Beschuldigtenbelehrung gefallene Äußerung des Betroffenen verwertet hat, er sei mit dem Auto nach Germersheim gefahren. Seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1992 ist zwar anerkannt, dass der Verstoß gegen die Belehrungspflicht bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten durch die Polizei (§§ 163a Abs. 4 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO; hier i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) grundsätzlich ein Verwertungsverbot nach sich zieht (BGH NJW 1992, 1463 = BGHSt 38, 214; vgl. a. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 136 Rn. 20). Dabei wird aber davon ausgegangen, dass nicht jeder unbestimmte Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Verdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob dieser sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende ohne Beschuldigtenbelehrung vernommen wird (BGH NJW 1992, 1463, 1466; NJW 2007, 2706, 2707 f.; Meyer-Goßner a.a.O., Einl. Rn. 77.)
Diese Grenze der sog. informellen Befragung erachtet der Senat als hier noch nicht überschritten. Der Tatbestand der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG setzt einerseits einen durch den Genuss von Drogen geschaffenen körperlichen Zustand voraus, und andererseits, dass in diesem Zustand ein Fahrzeug geführt wird. Die Wahrnehmungen des Polizeibeamten deuteten zunächst nur auf den Einfluss von Drogen hin. Der Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs wurde erst durch die Antwort hergestellt, die der Betroffene auf die an ihn gestellte erste Frage gegeben hatte. Die Wertung des Beamten, der erst hierdurch den zur Belehrungspflicht führenden Verdachtsgrad als erfüllt erachtete, ist nicht zu beanstanden.
4. Es kann auch nicht mit Erfolg gerügt werden, der Polizeibeamte P. habe eine Belehrung des Betroffenen überhaupt unterlassen mit der Folge, dass auch dessen im Urteil erwähnten weiteren – widersprüchlichen – Angaben einem Verwertungsverbot unterliegen könnten. Ob, wie im Urteil unterstellt, im Anschluss an die zunächst durchgeführte informelle Befragung die nach § 163a Abs. 4 StPO vorgeschriebene Belehrung erteilt wurde, hatten das Amtsgericht und nunmehr der Senat im Freibeweisverfahren zu klären. Nr. 45 Abs. 1 RiStBV schreibt zwar vor, dass auch die polizeiliche Belehrung aktenkundig zu machen ist, was hier unterblieben ist. Dies stellt aber lediglich ein Indiz im Rahmen der freibeweislichen Würdigung dar; absolute Beweiskraft kommt dem nicht zu. Ein Verwertungsverbot scheidet dabei bereits dann aus, wenn sich hinreichend verlässliche Anhaltspunkte für eine Belehrung ergeben; der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gilt nicht (zum Ganzen vgl. BGH StV 2007, 65 f.; NStZ 1997, 609, 610; NJW 1992, 1463, 1465; KK-StPO 6. Aufl. § 163a Rn. 38; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess 7. Aufl. Rn. 484).
Der Senat sieht hier keine Gründe, um die Wertung des Amtsgerichts in Zweifel zu ziehen, wonach aufgrund der glaubhaften Angaben P. von einer rechtzeitigen Belehrung auszugehen war; jedenfalls die positive Feststellung eines Belehrungsmangels scheidet aus. Zwar ergibt sich der Zeitpunkt der Belehrung aus der Niederschrift der ersten Befragung des Beamten in der später ausgesetzten Hauptverhandlung vom 6. Juli 2009 nicht mit der Deutlichkeit (Bl. 77, 78 d.A.), wie sie später vom Amtsgericht zugrunde gelegt worden ist. Es lässt sich aber nicht erkennen, dass gerade dieser Umstand bei dieser Vernehmung näher hinterfragt worden wäre.
5. Das Verfahrensrecht ist ebenso wenig verletzt durch die Verwertung der auf polizeiliche Anordnung entnommenen Blutprobe. Der Senat erachtet zwar die Voraussetzungen der Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch Verzögerung (§ 81a Abs. 2 StPO) nicht als erfüllt, gelangt aber dennoch im Ergebnis nicht zur Annahme eines Verwertungsverbots.
Hinsichtlich der sog. „Gefahr im Verzug“ als Voraussetzung der polizeilichen Anordnungsbefugnis mag zwar überlegt werden, ob bei Straßenverkehrsdelikten, bei denen es auf die Wirkung berauschender Mittel auf die Fahruntüchtigkeit ankommt, nicht eine evidente Dringlichkeit in diesem Sinne in der Regel als gegeben zu erachten ist (in diese Richtung etwa OLG Hamm, Beschluss vom 28.4.2009, 2 Ss 117/09 juris Rn. 18; OLG Oldenburg NdsRpfl 2009, 296 f.; anders die wohl weit überwiegende Meinung, vgl. etwa OLG Schleswig StraFo 2010, 194, 195; OLG Brandenburg OLGR § 81a StPO Nr. 9; OLG Bamberg NJW 2009, 2146, 2147; Meyer-Goßner a.a.O., § 81a Rn. 25b). Dies könnte zumindest gelten, soweit es sich – wie hier – nicht um den Einfluss von Alkohol handelt, bei dem verhältnismäßig genaue Bewertungen und Rückrechnungen anhand fester Erfahrungswerte möglich sind, sondern um Drogen, bei denen die Beurteilung mit weit größeren Unsicherheiten behaftet ist (vgl. OLG Hamm StV 2009, 459, 461; NJW 2009, 242, 244; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.5.2008, 1 Ss 151/07 – juris Rn. 3; Rabe von Kühlwein JR 2007, 517, 518).
Auch dies unterstellt, hätten die Polizeibeamten aber zumindest versuchen müssen, die Zeitspanne, die regelmäßig zwischen dem Vorfall bzw. dem Auftreten der Erforderlichkeit einer Blutentnahme und deren tatsächlicher Durchführung anfällt, zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung zu nutzen. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass eine solche telefonisch und binnen einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne – im Idealfall innerhalb einer viertel Stunde - eingeholt werden kann (vgl. BverfG, Kammerbeschluss vom 11.6.2010, 2 BvR 1046/08 Tz. 30; OLG Schleswig StV 2010, 13; OLG Stuttgart VRS 113, 36, 366; Meyer-Goßner a.a.O., § 81a Rn. 25b). Dies kann notfalls – nach Maßgabe von §§ 163 Abs. 2, 165 StPO – auch ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft geschehen (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., § 163 Rn. 26). Der Beschuldigte kann währenddessen aufgrund eigener Anordnung der Ermittlungsperson festgehalten und – soweit erforderlich – auf den Weg zur Blutentnahme gebracht werden (OLG Hamm StV 2009, 459, 461).
Ein solcher Versuch war auch hier nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend vorträgt, war der Betroffene um 14.55 Uhr auf der Dienststelle erschienen. Die Erforderlichkeit einer Blutentnahme hatte sich spätestens bis 15.10 Uhr ergeben; zu diesem Zeitpunkt wurde diese durch den Polizeibeamten P. angeordnet. Wie im Urteil festgestellt, wurde die Maßnahme dann um 15.40 Uhr in den Räumen der Polizeiinspektion – also offenbar durch einen dorthin gerufenen Arzt – ausgeführt. Es handelte sich um die übliche Kernarbeitszeit an einem Werktag, so dass ohne weiteres die Aussicht bestand, beim örtlichen Amtsgericht Germersheim einen zuständigen Richter telefonisch zu erreichen und mit der Sache zu befassen.
6. Der festgestellte Verstoß führt aber nicht zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich des Ergebnisses der Blutprobe.
Die Strafprozessordnung enthält keine ausdrückliche Regelung zur Verwertbarkeit von Beweisen, die unter Verstoß gegen § 81a Abs. 2 StPO erlangt worden sind. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach jeder Verstoß gegen die Vorschriften über die Erhebung des Beweises das Verbot der Verwertung der so gewonnenen Erkenntnisse nach sich ziehe, ist dem Strafverfahrensrecht fremd. Nach gefestigter, vom Bundesverfassungsgericht gebilligter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung ist die Frage der Verwertbarkeit vielmehr nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift fehlt, nur aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Maßgeblich beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des in Frage stehenden Verfahrensverstoßes. Dieses wird seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter einerseits und andererseits davon bestimmt, ob die Annahme von Gefahr im Verzug willkürlich erfolgte oder auf einer besonders groben Fehlbeurteilung beruhte. Sind insbesondere bestimmte Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt worden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig beschädigt wurde, kann sich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbots als unerträglich darstellen (vgl. BVerfG – Kammer - NJW 2008, 3053 Tz. 9 f.; BGH NJW 2007, 2269 Tz. 20 f.; OLG Hamm StV 2009, 459, 461; Meyer-Goßner a.a.O., Einl. Rn. 55a; § 81a Rn. 32).
Nach Auffassung des Senats sprechen die Umstände des Einzelfalles hier sehr deutlich gegen die Annahme eines Verwertungsverbots. Zu berücksichtigen ist das hier berührte hochrangige Interesse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs, das es erforderlich macht, dass den Gefahren, die von alkoholisierten oder unter Einfluss von Drogen stehenden Verkehrsteilnehmern ausgehen, wirksam begegnet werden kann. Dem gegenüber steht die Blutentnahme als verhältnismäßig geringfügiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der heute als Standardmaßnahme bei vielen medizinischen Untersuchungen und Behandlungen regelmäßig und ohne weitere körperliche Beeinträchtigungen und Risiken vorgenommen wird (vgl. etwa OLG Bamberg NJW 2009, 2146, 2148 f.). Dabei kommt der möglichst tatzeitnahen Ermittlung einer Beeinflussung durch Alkohol- oder insbesondere auch Drogen besondere Bedeutung zu, weil Rückrechnungen über eine längere Zeitspanne in aller Regel mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sind (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 30.12.2009, 2 Ss 312/09 – juris Rn. 5).
Das Gewicht des Verstoßes in Hinsicht auf die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens wird auch dadurch geprägt, dass es sich hier nicht um einen verfassungsrechtlich geregelten, sondern nur um einen sog. einfachgesetzlichen Richtervorbehalt handelt (vgl. BVerfG NJW 2008, 3053 Tz. 11 f.; OLG Bamberg NJW 2009, 2146, 2148, 2149). Ein Eingriff „fern jeder Rechtsgrundlage“, wie ihn der Bundesgerichtshof in bestimmten, weitaus schwerwiegenderen Sachverhalten angenommen hat (vgl. etwa BGH NJW 2007, 2269 Tz. 21), liegt dabei auch deshalb nicht vor, weil die Strafprozessordnung in § 81a Abs. 2 StPO eine Eilzuständigkeit auch der Beamten des Polizeidienstes grundsätzlich vorsieht (vgl. OLG Karlsruhe StV 2009, 516, 517). Zudem kann nach Lage des Falles kein Zweifel daran bestehen, dass auch eine richterliche Anordnung hätte ergehen müssen; auch dies setzt das Gewicht des Verstoßes herab (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.4.2009, 2 Ss 117/09 – juris Rn. 19). Zwar wäre der die Blutentnahme anordnende Polizeibeamte grundsätzlich gehalten gewesen, die Gründe, die ihn zu der Eilmaßnahme veranlasst haben, zeitnah in den Akten niederzulegen (OLG Celle NJW 2009, 3524, 3525); auch dagegen ist hier verstoßen worden. Diese fehlende Dokumentation allein kann aber ein Verwertungsverbot nicht begründen (BVerfG NJW 2008, 3053 Tz. 10; OLG Karlsruhe StV 2009, 516, 517).
Nach alledem kann auch die Betrachtung der allgemeinen Rechtsentwicklung zur Frage von Eilanordnungen nach § 81a Abs. 2 StPO für den hier maßgeblichen Zeitpunkt (November 2008) nicht dazu führen, von einem groben, rechtsstaatlich unerträglichen und deshalb ein Verwertungsverbot fordernden Verstoß auszugehen. Dabei kann zwar nicht allein darauf abgestellt werden, dass sich der die Anordnung treffende Polizeibeamte an eine allgemeine Dienstanweisung oder – wie hier – an eine über längere Zeit hinweg praktizierte tatsächliche Übung gehalten hat, deren rechtliche Tragfähigkeit für ihn nicht ohne weiteres zu überschauen war. In solchen Fällen ist vielmehr zu fragen, ob die Dienstvorgesetzten des Beamten ein erheblicher Vorwurf deshalb trifft, weil sie es versäumt hätten, auf eine dem Gesetz entsprechende Handhabung hinzuwirken (vgl. OLG Oldenburg NJW 2009, 3591, 3592).
Auch ein solcher Vorwurf wäre aber nicht begründet. Dabei kann – entgegen der Auffassung des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm StV 2009, 459, 462) – nicht schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2001 (BVerfG NJW 2001, 1121) als Anfangspunkt einer Entwicklung begriffen werden, die die bisherige Praxis der Eilanordnungen nach § 81a Abs. 2 StPO zunehmend in Frage gestellt hätte. Diese Entscheidung betrifft die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung nach § 105 Abs. 1 S. 1 StPO und betont in diesem Zusammenhang die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlichen Richtervorbehaltes nach Art. 13 Abs. 2 GG. Andererseits wird auch der Zweck der Eilkompetenz herausgestellt, den Verlust von Beweismitteln zu verhindern. Auch an andere Stelle hat das Bundesverfassungsgericht – wie ausgeführt – auf den Unterschied zwischen verfassungsrechtlichem und einfachrechtlichem Richtervorbehalt hingewiesen (BVerfG NJW 2008, 3053 Tz. 11 f.).
Nach Ansicht des Senats ist deshalb auf die im Februar und Oktober 2007 ergangenen Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abzustellen. Die Erstgenannte (BVerfG NJW 2007, 1345) betrifft dabei einen Sonderfall, in dem es lediglich um den allgemeinen Nachweis ging, dass der Beschuldigte Umgang mit Betäubungsmitteln hatte; auf die alsbaldige Feststellung der Drogenbeeinflussung zu einem der Tat möglichst nahen Zeitpunkt kam es deshalb nicht an. Die spätere Entscheidung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 31.10.2007, 2 BvR 1346/07, juris Rn. 16) enthält folgende Passage:„Darüber hinaus wäre die vom Landgericht wiedergegebene dienstliche Stellungnahme des handelnden Staatsanwalts für sich genommen inhaltlich nicht geeignet, eine Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für Gefahr im Verzug zu tragen. Das Landgericht teilt lediglich mit, aus der dienstlichen Stellungnahme ergebe sich, der handelnde Staatsanwalt habe bei seiner Entscheidung eine zeitnahe Blutentnahme wegen der Konzentration der Betäubungsmittelabbaustoffe im Blut beabsichtigt, um eine eventuelle Einlassung des Beschuldigten, beispielsweise zum Passivrauchen, überprüfen zu können. Gesichtspunkte, die das Vorliegen von Gefahr im Verzug tragen könnten, insbesondere solche, die die Frage betreffen, ob und mit welchen Konsequenzen für den Erfolg der beabsichtigten Maßnahme eine richterliche Anordnung hätte erlangt werden können, lassen sich dem nicht entnehmen.“Hierin kann nach Auffassung des Senats durchaus ein Hinweis darauf gesehen werden, dass die bisherige Praxis einer regelmäßig nur polizeilichen Anordnung von Blutentnahmen in Frage zu stellen sei. Diese Entscheidung hat keinen nachhaltigen Eingang in die juristische Zeitschriftenliteratur gefunden; Fundstellen sind – soweit ersichtlich – nur nachgewiesen mit BVerfGK 12, 374 und StRR 2008, 21.
Durch die anschließende obergerichtliche Rechtsprechung ist allerdings verdeutlicht worden, dass die allgemeine Problematik des körpereigenen Abbaus von Alkohol oder Drogen allein die Wahrnehmung der Eilkompetenz nicht zu rechtfertigen vermögen (bis zum November 2008 ergangene Entscheidungen, dabei ein Verwertungsverbot offen lassend: OLG Hamburg NJW 2008, 2597; OLG Hamm – 3. Strafsenat – NJW 2009, 242; verneinend: OLG Stuttgart NStZ 2008, 238, OLG Köln NStZ 2009, 406). Ein klares Bild hatte sich danach bis November 2008 noch nicht ergeben (vgl. OLG Karlsruhe StV 2009, 516, 517 f.). Verschiedene Instanzgerichte etwa hatten die Auffassung vertreten, wegen der Unsicherheiten einer Rückrechung bestehe auch beim Verdacht einer Trunkenheitsfahrt allgemein das polizeiliche Anordnungsrecht (LG Hamburg NZV 2008, 213; LG Braunschweig NdsRpfl. 2008, 84; AG Tiergarten Blutalkohol 2008, 322). Die Oberlandesgerichte Karlsruhe (Beschluss vom 29.5.2008, 1 Ss 151/07 – juris Rn. 3) und Dresden (StV 2009, 571) hatten es offen gelassen, ob einer solchen Auffassung gefolgt werden könne. Auch der allgemein anerkannte Kommentar von Meyer-Goßner zur Strafprozessordnung hatte es noch in der im Jahr 2008 erschienenen 51. Auflage nahe gelegt, dass bei „Alkoholdelikten im Straßenverkehr in der Regel Gefahr im Verzug vorliegen wird“ (a.a.O. § 81a Rn. 25). Erst ab der 52. Auflage (Erscheinungsjahr 2009) wird klargestellt, dass in solchen Fällen Gefahr im Verzug nicht schon allein wegen des körpereigenen Abbaus vorliegen werde (a.a.O. § 81a Rn. 25b).
Dementsprechend fand diese neue Rechtsentwicklung nur zögernd Eingang in die polizeiliche Praxis (vgl. OLG Brandenburg OLGR § 81a StPO Nr. 9). Das Niedersächsische Justizministerium hatte noch in einer Verfügung vom 19. Juli 2007 die Auffassung vertreten, auch in Ansehung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2007 sei für die Feststellung der Blutalkoholkonzentration regelmäßig von der Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden auszugehen (Nachweis bei OLG Oldenburg NdsRpfl. 2009, 296).
Der Senat als örtlich zuständiges Obergericht hatte bis heute und damit selbstverständlich auch bis November 2008 keine Gelegenheit, zu der Problematik Stellung zu nehmen; auch dies ist im hiesigen Bezirk für die Bewertung des damaligen Verstoßes von Bedeutung (vgl. OLG Celle VRS 117, 294, 297).
Nach alledem verneint der Senat hier im Ergebnis ein Verwertungsverbot. Diese Bewertung kann und muss sich aber mit fortschreitender rechtlicher Diskussion verändern. Spätestens nach Bekanntwerden vorliegender Entscheidung könnte eine unter vergleichbaren Umständen ergehende und auf Gefahr im Verzug gestützte polizeiliche Anordnung als grober Verstoß einzustufen sein (vgl. OLG Celle VRS 117, 294, 297).
7. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, die Sache gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 122 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Die obergerichtliche Rechtsprechung ist allerdings uneinheitlich; in ähnlichen Fällen wurde ein Verwertungsverbot teils verneint (OLG Oldenburg – 1. Strafsenat - NdsRpfl. 2009, 296; KG Berlin NJW 2009, 3527; OLG Karlsruhe StV 2009, 516; OLG Jena DAR 2009,283; OLG Hamm – 4. Strafsenat – DAR 2009, 280; OLG Dresden – 3. Strafsenat – StV 2009, 571; OLG Brandenburg OLGSt § 81a StPO Nr. 9, OLG Bamberg NJW 2009, 2146, OLG Stuttgart NStZ 2008, 238), teils aber auch bejaht (OLG Schleswig, StraFo 2010, 194; OLG Oldenburg – Senat für Bußgeldsachen – NJW 2009, 3591; OLG Hamm – 3. Strafsenat – StV 2009, 459; OLG Dresden – 1. Strafsenat – NJW 2009, 2149; OLG Celle NJW 2009, 3524). Allerdings ist – wie ausgeführt – die Frage eines Verwertungsverbots nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, so dass die Problematik nur bedingt auf eine die Vorlage gebietende, allgemeine Rechtsfrage zurückgeführt werden kann (vgl. OLG Celle VRS 117, 294, 298). Es kann zwar andererseits nicht übersehen werden, dass der Diskussion durchaus Rechtssätze allgemeinerer Art zugrunde liegen, die von den verschiedenen Obergerichten in der einen oder anderen Weise gewichtet werden. Entscheidend ist aber, dass auch die Entscheidung des Senats – wie ausgeführt – unter dem Vorbehalt der weiteren Rechtsentwicklung steht und dabei nicht zuletzt auch durch die Verhältnisse des hiesigen Bezirks mitgeprägt wird (vgl. OLG Oldenburg NJW 2009, 3591, 3592). Eine Vorlage könnte daher der von § 121 Abs. 2 GVG bezweckten Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (Meyer-Goßner a.a.O., § 121 GVG Rn. 5) im Ergebnis nicht dienen.
8. Auch die vom Betroffenen erhobene allgemeine Sachrüge führt hinsichtlich des Schuldspruches nicht zur Aufdeckung von Rechtsfehlern. Die insoweit zur Beweiswürdigung vorgebrachten Ausführungen entfernen sich teilweise von den Urteilsfeststellungen und können auch im Übrigen nicht überzeugen. Der Senat sieht es als durch die Urteilsgründe ausreichend belegt an, dass die Amtsrichterin in rechtsfehlerfreier Weise die Überzeugung von dem festgestellten Tathergang gewonnen hat. Dies gilt insbesondere angesichts der nur eingeschränkten Anforderungen an die Begründung des tatrichterlichen Urteils in Bußgeldsachen (vgl. Göhler, OWiG 15. Aufl. § 71 Rn. 42 ff.; Cierniak NZV 1998, 293, 295; beide m.w.N., insbesondere zur Rechtsprechung des BGH).
9. Keinen uneingeschränkten Bestand hat aber die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts. Nach Nr. 242 der BKatV in der bis 1. Februar 2009 geltenden Fassung bestand für den hier festgestellten Verstoß eine Regelahndung von 250 € Geldbuße und 1 Monat Fahrverbot. Nur unter der Voraussetzung einer Vorahndung werden von Nr. 242.1 die hier verhängten Rechtsfolgen von 500 € und 3 Monaten Fahrverbot angedroht. Dahingehende oder sonstige eine höhere Ahndung tragende Feststellungen hat das Amtsgericht aber nicht getroffen. Eine Aufhebung und Zurückverweisung zur Aufklärung möglicher Erschwerungsgründe (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 354 Abs. 2 StPO) erachtet der Senat in dieser Situation nicht als angemessen (s.a. § 77 Abs. 1 OWiG), zumal die hierdurch ausgelöste weitere Verfahrensdauer als ausgleichender Milderungsgrund in Betracht käme. Da die Urteilsgründe Besonderheiten des Falles nicht erkennen lassen, werden deshalb die Rechtsfolgen gemäß § 79 Abs. 6 OWiG auf das Regelmaß herabgesetzt. Die Kostenfolgen ergeben sich dabei aus § 79 Abs. 3 OWiG, § 473 Abs. 1 und 4 StPO.