Die Vorschrift eines Teilungsabkommens, wonach die ggf. zahlungsberechtigte Versicherung "auf Verlangen" der ggf. zahlungsverpflichteten Versicherung die Ursächlichkeit im vorgenannten Sinne nachzuweisen hat, kann nicht so verstanden werden, dass es "im Belieben" einer Seite steht, einen Kausalitätsnachweis zu verlangen, auch wenn der Wortlaut der Bestimmung eine Einschränkung nicht beinhaltet. Die entsprechende Bestimmung ist vielmehr dahin auszulegen, dass die ggf. zahlungsberechtigte Partei einen Nachweis für die Kausalität zwischen Schadensfall und Krankheitsfall nur dann zu erbringen hat, wenn aus der Sicht eines verständigen Dritten sachliche und stichhaltige Gründe für ein solches Verlangen vorgebracht werden.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte in Regress im Hinblick auf Entgeltzahlungen, die sie ihrem Vortrag zufolge an ihren Arbeitnehmer T… H… geleistet hat, nachdem dieser infolge eines Verkehrsunfalls vom 1. Juli 2006, den ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Verkehrsteilnehmer verursacht hatte, krankgeschrieben war.
Die Klägerin stützt sich hierbei auf ein für die Parteien geltendes Teilungsabkommen. Nach § 1 dieses Teilungsabkommens ist bestimmt, dass die Klägerin im Falle des Bestehens übergegangener Ersatzansprüche aus Schadensfällen ihrer Versicherten von der Beklagten einen Ausgleich in Höhe von 50 % unter Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage erhält. Eine Leistungspflicht der Beklagten soll nach § 1 Abs. 3 des Teilungsabkommens grundsätzlich entfallen, wenn offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht in Frage kommt.
Unter § 3 des Teilungsabkommens ist Folgendes geregelt:"Die K (Klägerin) hat auf Verlangen der H (Beklagten) die Ursächlichkeit des fraglichen Schadensfalles für den der Kostenanforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen".Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Verkehrsunfall ereignete sich in der Weise, dass der bei der Beklagten haftpflichtversicherte Verkehrsteilnehmer auf den vom Arbeitnehmer der Klägerin geführten Pkw von hinten aufgefahren ist. Die Klägerin hat ein ärztliches Attest Dr. K… vom 8. Mai 2007 vorgelegt, wonach T… H… vom 2. Juli 2006 bis einschließlich 23. Juli 2006 wegen einer HWS-Prellung (Autounfallfolgen) arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Sie habe während des fraglichen Zeitraums an ihren Arbeitnehmer Entgeltfortzahlungen in Höhe von 4.870,88 € geleistet; ihr stehe mithin ein Anspruch in Höhe von 2.435,44 € zu.
Die Klägerin hat beantragt,die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.435,44 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13. Juni 2007 zu zahlen.Die Beklagte hat beantragt,die Klage abzuweisen.Die Beklagte hat vorgetragen:
Die in Rede stehende Verletzung des T… H… beruhe nicht auf dem Verkehrsunfall vom 1. Juli 2006. Die Klägerin müsse einen Ursächlichkeitsnachweis gemäß § 3 des Teilungsabkommens erbringen. Der Unfall habe sich bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von unter 10 km/h ereignet, was dagegen spreche, dass die HWS-Verletzung durch den Unfall hervorgerufen worden ist.
Die Klägerin hat hierauf repliziert:
§ 3 des Teilungsabkommens sei dahin auszulegen, dass ein Kausalitätsnachweis nur dann verlangt werden könne, wenn objektive Zweifel an der Ursächlichkeit zwischen Schadensfall und Krankheitsfall bestünden.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin den von ihr gemäß § 3 des Teilungsabkommens zu erbringenden Kausalitätsnachweis zwischen HWS-Verletzung und Krankheitsfall nicht erbracht habe. Eine einschränkende Auslegung des § 3 des Teilungsabkommens sei nicht veranlasst; der Wortlaut dieser Regelung sei eindeutig und abschließend. Ein taugliches Beweisangebot zum Nachweis der Kausalität zwischen Schadensfall und Krankheitsfall habe die Klägerin nicht unterbreitet.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt und an ihrer Argumentation erster Instanz festhält. Die Klägerin beantragt:Das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz ) vom 11. April 2010 - 7 O 309/09 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.435,44 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13. Juni 2007 zu zahlen.
Vorsorglich hat die Klägerin den Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gestellt.
Die Beklagte beantragt,die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.Die Beklagte ist der Ansicht, dass die vom Erstgericht vorgenommene Auslegung des § 3 des Teilungsabkommens nicht zu beanstanden sei.
II.
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin führt in der Sache zu dem vorläufigen Erfolg der Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht.
Das Verfahren erster Instanz leidet an einem wesentlichen Mangel i. S. d. § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Entgegen den Entscheidungsgründen des Landgerichts hat die Klägerin durchaus taugliche Beweisangebote zum Nachweis der Kausalität zwischen Schadensfall und Krankheitsfall unterbreitet. Mit Rücksicht auf diese Beweisangebote wäre das Erstgericht gehalten gewesen, eine entsprechende Beweisaufnahme durchzuführen.
Anspruchsgrundlage des Klagebegehrens ist § 1 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 8 des Teilungsabkommens. Dieses Regelwerk gelangt im vorliegenden Fall zur Anwendung. Es besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensfall und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 1 des Teilungsabkommens). Für die Annahme eines "Schadensfalles" ist dabei nicht Voraussetzung, dass die Anspruchstellerin eine durch den Unfall verursachte Körperverletzung nachweist; vielmehr reicht es aus, dass nach einem Unfall durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges (sei es auch aufgrund einer fehlerhaften Diagnose) ein Schleudertrauma festgestellt wurde und die Anspruchstellerin dafür Kosten aufgewendet hat (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1470). Vorliegend bestätigt das ärztliche Attest Dr. K… vom 8. Mai 2007, dass T… H… vom 2. Juli 2006 bis einschließlich 23. Juli 2006 wegen einer HWS-Prellung (Autounfallfolgen) arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei; somit ist der Anwendungsbereich des Teilungsabkommens eröffnet. Nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 und Abs. 8 des Teilungsabkommens, wonach die Beklagte auf die Prüfung der Haftungsfrage verzichtet, trifft die Klägerin grundsätzlich keine weitere Beweispflicht für die Haftungsfrage, was auch den Ursachenzusammenhang zwischen der Schädigung in Form der Körperverletzung und dem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des bei der Beklagten Versicherten mit umfasst.
Ob eine Verpflichtung der Klägerin besteht, die Ursächlichkeit des Schadensfalles für den der Kostenanforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen, ergibt sich aus § 3 des Teilungsabkommens. Diese Vorschrift, wonach die Klägerin "auf Verlangen" der Beklagten die Ursächlichkeit im vorgenannten Sinne nachzuweisen hat, kann nicht so verstanden werden, dass es "im Belieben" der Beklagten steht, einen Kausalitätsnachweis zu verlangen, auch wenn der Wortlaut der Bestimmung eine Einschränkung nicht beinhaltet. Eine allein am Wortlaut der Regelung anhaftende Auslegung würde dem Sinn des Teilungsabkommens, die personellen und materiellen Aufwendungen zur Aufklärung zweifelhafter Schadensfälle einzusparen, zuwiderlaufen. Die Beklagte hätte es - ohne dass sie dies begründen müsste - in der Hand, den Grundgedanken des Teilungsabkommens ad absurdum zu führen. Schließlich erstreckt sich die Prüfung der Haftungsfrage in Versicherungsfällen - was dem Senat aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - häufig auf die Problematik der Kausalität. Vor diesem Hintergrund ist die Bestimmung des § 3 des Teilungsabkommens dahin auszulegen, dass die Beklagte einen Nachweis für die Kausalität zwischen Schadensfall und Krankheitsfall nur dann zu erbringen hat, wenn aus der Sicht eines verständigen Dritten sachliche und stichhaltige Gründe für ein solches Verlangen vorgebracht werden. Für eine solche einschränkende Auslegung der Bestimmung des § 3 des Teilungsabkommens spricht zudem der Inhalt der Regelung des § 1 Abs. 3 des Teilungsabkommens, wonach die Leistungspflicht der Beklagten in den Fällen entfällt, in denen schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherers nicht in Frage kommt. Diese zugunsten der Beklagten bestimmte Haftungsbeschränkung, die sich insbesondere auf Fälle offensichtlich fehlender Kausalität zwischen Schadensfall und Krankheitsfall bezieht, wäre überflüssig, wenn die Beklagte ohnedies gemäß § 3 des Teilungsabkommens nach Belieben einen diesbezüglichen Ursächlichkeitsnachweis von der Klägerin verlangen könnte.
Die Frage, ob im vorliegenden Fall derartige - aus der Sicht eines verständigen Dritten - sachliche und stichhaltige Gründe für das Verlangen des Ursächlichkeitsnachweises zwischen Schadensfall und Krankheitsfall bestehen, ist nach der Auffassung des Senats zu bejahen.
Gerade in Fällen behaupteter HWS-Verletzungen steht - wie dem Senat aus vielen Verfahren bekannt ist - häufig in Streit, ob die Verletzung tatsächlich kausal auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist; dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - die Kollision der Unfallfahrzeuge mit einer vergleichsweise niedrigen Differenzgeschwindigkeit erfolgt ist, und zudem als Beleg für den Ursächlichkeitszusammenhang lediglich ein wenig aussagekräftiges ärztliches Attest vorgelegt wird. Bei einer solchen Fallgestaltung kann dem Versicherer nicht vorgeworfen werden, er verlange den Nachweis ohne ausreichenden Grund. Mithin ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klägerin den Kausalitätsnachweis zwischen Schadensfall und Krankheitsfall gemäß § 286 ZPO zu erbringen hat. Die diesbezüglich vorgebrachten Beweisangebote der Klägerin - Vernehmung des Geschädigten sowie des erstbehandelnden Arztes Dr. K… als Zeugen - sind entgegen der Ansicht des Erstgerichts als tauglich für die Erbringung des Kausalitätsnachweises zu qualifizieren. Der Bundesgerichtshof hat es (in der vom Landgericht selbst angeführten Entscheidung NJW 2008, 2845) gebilligt, dass das Berufungsgericht seine Überzeugung aus den Aussagen des Unfallopfers und des behandelnden Arztes gewonnen hat. Hier war Beweis dafür angeboten worden, dass es zu Beschwerden des Geschädigten sofort nach dem Auffahrunfall gekommen sei. Ferner war Beweis dafür angeboten worden, dass der erstbehandelnde Arzt durch Abtasten eine Verletzung der Halswirbelsäule diagnostiziert habe (so lag es auch im Fall des BGH aaO). Dem hätte das Landgericht nachgehen müssen.
Auf diesem Verfahrensmangel beruht die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Zur Behebung dieses Mangels wäre eine aufwändige Beweisaufnahme durch den Senat notwendig, da es nicht fern liegt, dass über die Parteianhörung und Zeugenvernehmung hinaus die Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens erforderlich sein wird, und weil zudem auch die Höhe der Forderung in Streit steht. Vor diesem Hintergrund hat es der Senat für sachgerecht erachtet, dem in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vom 14. Juli 2010 gestellten Antrag des Klägervertreters auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht zu entsprechen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.