Einem Anspruch auf Ersatz anteiliger Mehrwertsteuer steht nicht entgegen, dass der Geschädigte hinsichtlich der Reparaturkosten fiktiv und hinsichtlich der Mehrwertsteuer konkret abrechnet. Hierin liegt keine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung. Auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist kein generelles Verbot einer solchen Kombination zu entnehmen. Diese ist sinngemäß lediglich insoweit ausgeschlossen als der Geschädigte hierdurch ungerechtfertigt bereichert wäre. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte Mehrwertsteuer in der beanspruchten Höhe tatsächlich gezahlt hat.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall vom 25.03.2008 auf Zahlung der in einem vorprozessual eingeholten Gutachten für eine Reparatur ausgewiesenen Mehrwertsteuer in Anspruch.
Die volle Haftung der Beklagten steht außer Streit. Der Sachverständige ermittelte ausweislich des vorprozessualen Gutachtens Reparaturkosten von 4.837,66 € netto und 5.756,82 € brutto, d.h. einen Mehrwertsteuerbetrag von 919,16 €. Es handelt sich nicht um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Kläger hat das beschädigte Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis von brutto 19.500,01 € angeschafft, wovon 3.113,45 € auf die Mehrwertsteuer entfielen.
Die Beklagte lehnte vorprozessual den Ersatz der vom Kläger anteilig geltend gemachten Mehrwertsteuer von 919,16 € ab. Zuletzt forderte der Kläger diese mit anwaltlichem Schreiben vom 20.08.2008 unter Fristsetzung bis zum 29.08.2008 erfolglos zur Zahlung auf.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe auch ohne Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens bei einer Ersatzanschaffung ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich angefallenen Mehrwertsteuer zu, und zwar begrenzt auf diejenige, die bei einer Reparatur angefallen wäre.
Der Kläger hat beantragt,die Beklagte zur Zahlung von 919,16 € nebst Zinsen ab 30.08.2008 zu verurteilen.Die Beklagte hat beantragt,die Klage abzuweisen.Sie ist der Ansicht, dass dem Kläger mangels Vorliegens eines wirtschaftlichen Total- schadens kein Wahlrecht hinsichtlich der Schadensabrechnung zustehe. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot sei dieser vielmehr gehalten, auf Reparaturkostenbasis abzurechnen. Eine Kombination von fiktiver Abrechnung hinsichtlich der Reparatur- kosten und konkreter Abrechnung hinsichtlich der Mehrwertsteuer sei unzulässig. Mangels Reparatur des Fahrzeugs sei die Mehrwertsteuer gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nicht zu erstatten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es – insbesondere unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 30.05.2006, VersR 2006, 1088; Urt. v. 15.02.2005, VersR 2005, 663) – ausgeführt, der Kläger habe vorliegend einen Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer, die auf die Reparaturkosten angefallen wäre, wenn er das Fahrzeug hätte reparieren lassen. Die Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung sei in der vorliegenden Konstellation unter Berücksichtigung der insoweit nicht eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig. Im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot fände das Wahlrecht hinsichtlich der Schadensabrechnung seine Grenze an dem Verbot, sich durch den Schadensersatz zu bereichern. Bei Kombination der fiktiven Reparaturkosten und der bei der Ersatzbeschaffung konkret angefallenen Mehrwertsteuer – begrenzt auf diejenige, die bei einer Reparatur angefallen wäre – erleide der Haftpflichtversicherer gerade keinen Nachteil und der Geschädigte keinen Vorteil im Vergleich zur Abrechnung im Falle der Reparatur des Fahrzeugs.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Urteil des Amtsgerichts unter Vertiefung ihrer erstinstanzlichen rechtlichen Ausführungen vollumfänglich angreift.
Die Beklagte beantragt,abändernd die Klage abzuweisen.Der Kläger beantragt,die Berufung zurückzuweisen.Er verteidigt das Urteil des Amtsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gem. §§ 7, 18 StVG, § 3 PflVG bzw. gemäß § 823 BGB einen Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer, die auf die Reparaturkosten angefallen wäre, wenn er das Fahrzeug hätte reparieren lassen. Denn für die Ersatzbeschaffung ist tatsächlich Mehrwertsteuer angefallen, welche die Höhe der auf die Reparaturkosten entfallenden Mehrwertsteuer übersteigt.
a. Der Anspruch ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht zu einer Ersatzbeschaffung berechtigt war.
Zwar hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich die Alternative der Naturalrestitution zu wählen, die den geringeren Aufwand erfordert. Ist eine Reparatur des beschädigten Fahrzeugs möglich und zumutbar, kann der Geschädigte die infolge der Anschaffung einer Ersatzsache entstehenden Kosten nur ersetzt verlangen, wenn die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert nicht höher ist als der infolge einer Reparatur zu leistende Ersatz (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 249 Rn. 26 und 28 jeweils m. w. Rspr.-N.).
Doch auch, wenn hier kein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt und die Ersatzbeschaffung der teurere Weg war, ist der Kläger nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht daran gehindert, hierfür Ersatz in Höhe des Bruttoreparaturkostenbetrages geltend zu machen. Denn er ist hierdurch nicht bereichert, da er lediglich den ihm nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot maximal zustehenden Betrag beansprucht.
b. Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger hinsichtlich der Reparaturkosten fiktiv und hinsichtlich der Mehrwertsteuer konkret abgerechnet hat. Hierin liegt keine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung. Auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist kein generelles Verbot einer solchen Kombination zu entnehmen. Diese ist sinngemäß lediglich insoweit ausgeschlossen als der Geschädigte hierdurch ungerechtfertigt bereichert wäre (vgl. BGH, NJW VersR 2006, 1088). Auf die überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts wird Bezug genommen.
Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, da der Kläger Mehrwertsteuer in der beanspruchten Höhe tatsächlich gezahlt hat. Bei einer Reparatur wäre eine Mehrwertsteuer von 919,16 € angefallen, während der Kläger bei der Ersatzanschaffung tatsächlich 3.113,45 € an Mehrwertsteuer gezahlt hat.
Im Gegenteil wäre das Vermögen des Klägers geringer als es vor dem Unfall war, wenn ihm nicht die für die Ersatzbeschaffung angefallene Mehrwertsteuer in Höhe der auf die Nettoreparaturkosten anfallenden Mehrwertsteuer zugebilligt würde.
c. Der Anspruch ist schließlich nicht gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ausgeschlossen. Hiernach ist die Mehrwertsteuer nur dann zu ersetzen, wenn sie auch tatsächlich angefallen ist. Der Geschädigte bleibt aber berechtigt, den für die Herstellung des ursprünglichen Zustands erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. In diesen Fällen kommt es für den Ersatz der Umsatzsteuer nur darauf an, ob sie zur Herstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist, nicht aber, welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat (BGH, Urt. vom 22.09.2009, NJW 2009, 3713).
Vorliegend ist Mehrwertsteuer für die Herstellung des ursprünglichen Zustands im Wege der Ersatzbeschaffung tatsächlich angefallen. Der Umstand, dass der Geschädigte in seiner Dispositionsfreiheit nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot auf die Reparatur des Fahrzeugs beschränkt war, hat nach den Grundsätzen zu § 249 Abs. 2 S. 2 BGB keine Auswirkung auf die Frage der Erstattungsfähigkeit der tatsächlich angefallenen Mehrwertsteuer, sondern allein auf die Höhe des bestehenden Ersatzanspruchs.
Durch die vorgenommene Art der Schadensregulierung ist weder der Geschädigte messbar bereichert, noch entsteht dem Schädiger ein Nachteil. Es ist danach kein Grund dafür ersichtlich, den Geschädigten vor der Ersatzbeschaffung zunächst auf die Durchführung der Reparatur und die damit einhergehenden Umstände sowie ggf. längere Nutzungsausfallzeiten zu verweisen.
2. Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, aus Verzug.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.
4. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die hier streitige Frage, ob der Kläger die für die Ersatzbeschaffung angefallene Mehrwertsteuer in der Höhe verlangen kann wie sie auf die Reparaturkosten entfällt, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2009 bezieht sich allein auf einen Fall, in dem bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich keine Mehrwertsteuer angefallen ist.