Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Saarlouis Urteil vom 26.11.2010 - 10 K 1862/09 - Zur Annahme von Fahrungeeignetheit bei Mischkonsum von Medikamenten und Alkohol

VG Saarlouis v. 26.11.2010: Zur Annahme von Fahrungeeignetheit bei Mischkonsum von Medikamenten und Alkohol und zum dann notwendigen Abstinenznachweis


Das Verwaltungsgericht Saarlouis (Urteil vom 26.11.2010 - 10 K 1862/09) hat entschieden:
  1. Wird in einem Krankenhausentlassungsbericht diagnostiziert, dass der Betroffene an einem Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit, eine Alkoholintoxikation sowie eine Benzodiazepinabhängigkeit leidet, dann ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn die Fahrerlaubnisbehörde von dessen Fahrungeeignetheit ausgeht, auch wenn nicht alle Kriterien der Begutachtungsrichtlinien für die Fahreignung erfüllt sind. Den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung kommt keine rechtsnormative Qualität zu.

  2. Nahm ein Betroffener vor seiner Krankenhauseinlieferung täglich ca. 20 Lendormin-Tabletten ein, dann ist davon auszugehen, dass die bei ihm in einem Drogenscreening nachgewiesenen Benzodiazepine dem Medikament Lendormin entstammen, das als Wirkstoff das zu der Stoffgruppe der Benzodiazepine gehörende Brotizolam enthält, bei dem es sich um ein verkehrs- und verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtmG in Verbindung mit Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz handelt.

  3. Ist die Eignung eine Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen bestehender Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung nicht gegeben, so kann sie nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass eine dauerhafte Abstinenz besteht. Hierzu ist gemäß Ziffern 8.4 und 9.5 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit anschließend mindestens einjähriger Abstinenz erforderlich, die mittels regelmäßiger ärztlicher Untersuchungen und Labordiagnostik nachgewiesen werden muss.

Siehe auch Medikamentenabhängigkeit und Abstinenznachweis zur Wiederherstellung der Fahreignung nach Alkohol- und Drogenkonsum


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit vorliegender Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Der 1971 geborene Kläger war zuletzt im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M, BE, C1E, L und C1. Diese Fahrerlaubnis war ihm 1989 noch nach Maßgabe der alten Führerscheinklasse 3 erteilt worden.

Unter dem 21.04.2009 teilte die Polizeibezirksinspektion A-Stadt dem Beklagten gemäß § 2 Abs. 12 Straßenverkehrsgesetz -StVG- mit, dass der Polizei Informationen über Tatsachen vorlägen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung bzw. auf Mängel hinsichtlich der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen ließen. Anhand der anlässlich eines polizeilichen Ersuchens gemachten Feststellungen müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger regelmäßig unter Einfluss von Beruhigungs- bzw. Schlaftabletten mittels eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehme. Der Mitteilung beigefügt war ein Polizeibericht vom 21.04.2009, ausweislich dessen die Polizei am 19.04.2009 gegen 22.26 Uhr von der Mutter des Klägers zu ihrem Anwesen gerufen worden war, weil der Kläger, der nach ihren Angaben betrunken sei und vermutlich auch Tabletten geschluckt habe, anfange zu randalieren. Nach dem Inhalt des Polizeiberichts wirkte der dort angetroffene Kläger sehr ruhig und machte einen eher schläfrigen Eindruck. Seine mit ihm zusammenlebende Mutter gab an, dass der Kläger tablettenabhängig sei und über den Tag verteilt bereits etwa 20 Lendormin-Tabletten (Benzodiazepine) eingenommen habe. Zusätzlich habe er noch alkoholische Getränke konsumiert. Bereits im November des vergangenen Jahres habe ihr Sohn sich freiwillig in einem Krankenhaus einer Entgiftung wegen seiner Tablettensucht unterzogen. Der Kläger, der demgegenüber versuchte, seine Tablettensucht herunterzuspielen, gab gleichwohl an, die Schlaftabletten über verschiedene Ärzte zu beziehen und sie sich teilweise auch online aus anderen Ländern zu besorgen. Ein Atemalkoholtest ergab bei dem Kläger einen Wert von 0,97 Promille. In Rücksprache mit den anwesenden Rettungssanitätern wurde dem Kläger eine ärztliche Begutachtung angeraten und er freiwillig in ein Krankenhaus verbracht.

Diesen Sachverhalt nahm der Beklagte zum Anlass, mit Schreiben vom 06.05.2009 unter Fristsetzung bis zum 05.06.2009 vom Kläger die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens zu fordern, mit dem geklärt werden sollte, ob bei dem Kläger eine Gesundheitsstörung, ein Krankheitsbild oder ein Suchtverhalten vorliegt, die für die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen erheblich ist, und ob der Kläger trotz einer eventuell festgestellten Gesundheitsstörung oder Krankheit, gegebenenfalls eingeschränkt und/oder unter Auflagen, führerscheinpflichtige Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr führen kann.

Mit Schreiben vom 25.06.2009 teilte das mit der Untersuchung des Klägers beauftragte Gesundheitsamt des Beklagten mit, dass sich der Kläger am 25.06.2009 in der amtsärztlichen Sprechstunde vorgestellt habe. Im Rahmen eines aktuellen sechswöchigen Aufenthalts in der Psychiatrischen Klinik des M. Krankenhauses A-Stadt seien bei dem Kläger Alkoholabhängigkeit mit anfänglichem Delir und Benzodiazepinabhängigkeit diagnostiziert worden. Es bestehe aktuell keine Eignung zum Führen führerscheinpflichtiger Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Eine Eignung könne nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt werde, dass eine dauerhafte Abstinenz bestehe.

Daraufhin entzog der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 01.07.2009 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 11, 14 und 46 Fahrerlaubnis-Verordnung -FeV- die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr und gab dem Kläger gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 1 FeV auf, den Führerschein abzuliefern. Zur Begründung heißt es, aufgrund des von der Polizei mitgeteilten Vorfalls am 19.04.2009 bestünden erhebliche Bedenken an der Eignung des Klägers zur weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr. Da ein Medikamentenmissbrauch als mögliche Ursache für das Vorgefallene und auch ein bereits bestehendes Suchtpotenzial bei dem Kläger nicht habe ausgeschlossen werden können sowie keine Erkenntnisse vorgelegen hätten, dass die eingenommene Medikation aus ärztlicher Sicht für die Behandlung eines konkreten Krankheitsbildes erforderlich sei, sei es aus Gründen der allgemeinen Verkehrssicherheit für dringend geboten gehalten worden, dass sich der Kläger einer amtsärztlichen Fahrtauglichkeitsüberprüfung unterziehe. Auf der Grundlage der §§ 11, 46 FeV i.V.m. den Begutachtungs-Leitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen sei die Straßenverkehrsbehörde nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet gewesen, aufgrund der hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers bestehenden Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr eine amtsärztliche Eignungsüberprüfung zu fordern. Die amtsärztliche Begutachtung des Klägers am 25.06.2009 habe die Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr indes nicht ausräumen können. Der Gutachter habe vielmehr festgestellt, dass bei dem Kläger aufgrund der im Rahmen seines sechswöchigen Aufenthalts in der Psychiatrischen Klinik des M. Krankenhauses A-Stadt diagnostizierten Alkoholabhängigkeit mit anfänglichem Delir und Benzodiazepinabhängigkeit aktuell keine Eignung zum Führen führerscheinpflichtiger Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr bestehe. Dem Kläger sei daher gemäß § 3 StVG i. V. m. §§ 11, 46 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen und ihm das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehrsraum zu untersagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 30.07.2009 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er geltend machte, ihm seien die Medikamente von ärztlicher Seite aus verordnet worden, weil er unter Schlafstörungen leide. Zudem sei er straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und habe auch keine Eintragungen im Verkehrszentralregister.

Mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 01.10.2009 ergangenem Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses beim Beklagten wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde dargelegt, dass gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. §§ 46 Abs. 1 Satz 1, 11 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Dies gelte nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliege. Ausweislich der Mitteilung des Gesundheitsamtes des Beklagten vom 25.06.2009 sei der Kläger wegen Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehrs. Die bestehende Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit sei im Rahmen des Aufenthalts des Klägers in der Psychiatrischen Klinik des M. Krankenhauses A-Stadt diagnostiziert worden. Eine Entwöhnung von Alkohol oder Pharmazeutikum sei vom Kläger bislang nicht belegt worden. Nach Ziffer 8.3 der Anlage 4 zur FeV führe die Abhängigkeit von Alkohol zur Ungeeignetheit, ohne dass weitere Voraussetzungen vorliegen müssten. Gleiches gelte gemäß Ziffer 9.3 der Anlage 4 zur FeV bei Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Das unter der Handelsmarke Lendormin geführte Medikament Brotizolam sei ein Psychopharmaka und unterfalle dem Betäubungsmittelgesetz gemäß Anlage III zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz – BtmG -. Es gehöre zur Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine. Die Untersuchung des Klägers sei nach § 11 Abs. 2 FeV ebenfalls rechtmäßig angeordnet worden, da sich Zweifel an seiner Kraftfahrzeugführungseignung ergeben hätten. Der Kläger habe ausweislich des Polizeiberichts vom 21.04.2009 in erheblichem Umfang ein verschreibungspflichtiges Medikament eingenommen, das dem Betäubungsmittelgesetz unterfalle und ihm nicht in jedem Fall ärztlich verschrieben worden sei. Es habe daher der dringende Verdacht einer missbräuchlichen und fahreignungserheblichen Einnahme vorgelegen. Die Abhängigkeitsdiagnose führe zwingend zur Ungeeignetheit und schließe es aus, dass der Kläger die Medikamente in einem zulässigen Umfang eingenommen habe. Dass der Kläger straßenverkehrsrechtlich noch nie in Erscheinung getreten sei, sei ohne Bedeutung, da allein die Geeignetheit des Klägers zum jetzigen Zeitpunkt zu würdigen sei.

Gegen den ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 02.10.2009 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 02.11.2009 Klage erhoben.

Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Klage darauf, dass seine angebliche Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit nicht von dem vom Beklagten beauftragten Amtsarzt selbst festgestellt worden sei. Der Amtsarzt habe in seinem Schreiben vom 25.06.2009 lediglich auf die entsprechenden Feststellungen des M. Krankenhauses A-Stadt verwiesen, ohne selbständig Untersuchungen durchgeführt zu haben. Die vom M. Krankenhaus A-Stadt diagnostizierte Alkohol- bzw. Medikamentenabhängigkeit sei ihm unerklärlich. Die behandelnde Ärztin habe ihm gegenüber noch während seines stationären Aufenthalts geäußert, dass eine Abhängigkeit aufgrund der festgestellten Blut- und Leberwerte nicht vorliegen würde. Er konsumiere Alkohol auch lediglich sporadisch. Zwar nehme er wegen Schlafstörungen gelegentlich Schlaftabletten ein. Die Einnahme finde aber ausschließlich abends vor dem Schlafengehen statt. Das von ihm eingenommene Medikament Zopiclon führe nach Aussage seines Hausarztes weder zu einer Abhängigkeit noch werde die Fahrtüchtigkeit dadurch beeinträchtigt, dass er dieses Medikament abends einnehme. Am nächsten Tag könne er bedenkenlos wieder am Straßenverkehr teilnehmen. Bei dem Medikament Zopiclon handele es sich um ein in der Wirkung abgeschwächtes Schlafmittel, das chemisch nicht mit den Benzodiazepinen verwandt sei, sondern zur Klasse der Cyclopyrrolone gehöre. Das Risiko der Entwicklung von Toleranz und Abhängigkeit sei bei dessen Substanzen geringer als dies bei Benzodiazepinen der Fall sei.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 01.10.2009 ergangenen Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten aufzuheben und die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass der Kläger wegen Medikamenten- und Alkoholabhängigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet sei. Ergänzend zu seinen Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden weist der Beklagte darauf hin, dass es nicht zu beanstanden sei, dass der amtsärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 25.06.2009 auf die im Rahmen des sechswöchigen Aufenthaltes des Klägers in der Psychiatrischen Klinik des M. Krankenhauses A-Stadt im Mai/Juni 2009 diagnostizierte Alkoholabhängigkeit mit anfänglichem Delir sowie Benzodiazepinabhängigkeit Bezug genommen habe. Da diese fahreignungsrelevante Diagnose am 25.06.2009 noch nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt gehabt habe, sei auf die Anforderung eines weiteren Gutachtens zu Recht verzichtet worden. Das amtsärztliche Gutachten selbst sei in seiner Aussage eindeutig gewesen und habe zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers wegen Ungeeignetheit führen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsunterlagen des Beklagten sowie des Kreisrechtsausschusses beim Beklagten und das vollständige Gutachten des Gesundheitsamtes des Beklagten vom 25.06.2009 verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 01.07.2009 in Gestalt des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 01.10.2009 ergangenen Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Davon ausgehend hat der Beklagte nach dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügungen, hier des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 01.10.2010 zuletzt ergangenen Widerspruchsbescheides,
so ausdrücklich BVerwG, u.a. Urteile vom 28.04.2010, 3 C 2.10, NJW 2010, 3318, und vom 25.02.2010, 3 C 16.09, zitiert nach juris,
zu Recht die fehlende Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen tragend auf dessen amtsärztlicherseits bestätigte Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit gestützt und diesem die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr entzogen.

Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV besteht eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Ziffer 8.3 der Anlage 4 zur FeV besitzen Personen, die alkoholabhängig sind, die Fahreignung in der Regel nicht. Entsprechendes gilt nach Ziffer 9.3 der Anlage 4 zur FeV im Falle bestehender Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, bei der die Fähigkeit zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen aufgehoben ist.

Gemessen daran lagen die Voraussetzungen zum Entzug der Fahrerlaubnis bei dem Kläger erkennbar vor.

Es unterliegt aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens des Gesundheitsamtes des Beklagten vom 25.06.2009 keinen durchgreifenden Bedenken, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung eine Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit vorlag, die seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ausschließt. Der entsprechende medizinische Befund wird dabei tragend durch den am 19.06.2009 erstellten vorläufigen Entlassungsbericht des M. Krankenhauses A-Stadt, in welchem sich der Kläger in der Zeit vom 09.05.2009 bis zum 20.06.2009 in stationärer Behandlung befand, gestützt. In diesem ist bei dem Kläger ohne sachliche Einschränkung ein Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit, eine Alkoholintoxikation sowie eine Benzodiazepinabhängigkeit diagnostiziert und diesbezüglich weiter ausgeführt worden, dass der Kläger bei der Aufnahme „ein stark gereiztes, delirantes Bild bei 2,23 Promille und positivem Drogenscreening für Benzodiazepine“ gezeigt habe und eine „Entzugsbehandlung initial mit 10 mg Haloperidol in 250 ml Sterofundin i. V., im Weiteren Diazepam zunächst intravenös, später oral in ausschleichender Dosierung, zeitweise ergänzt durch Pipamperon wegen ausgeprägter psychomotorischer Anspannung“ durchgeführt worden sei. Abschließend sind zur Fortsetzung der Behandlung des Klägers sozialpsychiatrische Maßnahmen, wie Suchtselbsthilfegruppe und Suchtberatungsstelle empfohlen und ist weiter darauf hingewiesen worden, dass eine Langzeitentwöhnungstherapie von dem Kläger mehrfach abgelehnt worden sei. Dass sich das amtsärztliche Gutachten maßgeblich auf die in dem vorläufigen Entlassungsbericht des St. M. Krankenhauses A-Stadt getroffenen Feststellungen bezieht und sich diese zu eigen macht, ist angesichts deren hinreichender Aktualität ohne Weiteres zulässig und daher gerichtlich nicht zu beanstanden.

Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit des Inhalts des vorläufigen Entlassungsberichts des M. Krankenhauses A-Stadt vom 19.06.2009 zu zweifeln. Dem insoweit diagnostizierten Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeit des Klägers kann dabei insbesondere nicht entgegengehalten werden, dass die Diagnose nicht anhand der in ICD-10 formulierten Kriterien dargelegt worden ist. Zwar sehen die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehrs-, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit
vgl. dazu die Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Bremerhaven 2000
in Abschnitt 3.11.2 vor, dass die sichere Diagnose einer Alkoholabhängigkeit nur gestellt werden sollte, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der in jenem Abschnitt aufgeführten, in Anlehnung an ICD-10 formulierten Kriterien gleichzeitig vorhanden waren. Da den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung keine rechtsnormative Qualität zukommt, steht der Umstand, dass sich der vorläufige Entlassungsbericht des M. Krankenhauses A-Stadt vom 19.06.2009 ebenso wenig wie auch das amtsärztliche Gutachten des Gesundheitsamtes des Beklagten vom 25.06.2009 nicht streng an dieser Sollvorgabe orientiert, der Annahme, dass der Kläger alkoholabhängig ist, indes nicht zwingend entgegen. Die für die Entziehung der Fahrerlaubnis erforderliche Erkenntnis, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet im Sinne von §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist, kann vielmehr grundsätzlich auf jedem rechtskonformen Weg gewonnen werden.
Vgl. dazu BayVGH, Beschlüsse vom 04.04.2006, 11 CS 05.2439, DAR 2006, 413, und vom 08.08.2005, 11 CS 05.631, zitiert nach juris.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die in Abschnitt 3.11.2 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung aufgelisteten Kriterien nach ICD-10 für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit maßgeblich an der gesundheitlichen Vorgeschichte orientieren und ihre Erhebung daher eine weitgehende Kooperation des Betroffenen erfordert.
Vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Kommentar zu den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2002, Kapital 3.11.2, Seite 97.
Für die bestehende Verlässlichkeit der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit des Klägers spricht vorliegend nicht zuletzt gerade auch das nach dem vorläufigen Entlassungsbericht des M. Krankenhauses A-Stadt vom 19.06.2009 beim Kläger festgestellte Alkoholentzugssyndrom. Derartige Symptome sind neben der Höhe des beim Kläger festgestellten Blutalkoholwertes von über 2,00 Promille Ausdruck der physischen Abhängigkeit.
Vgl. dazu Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, a. a. O. , Seite 99.
Zusätzlich erhärtet wird die beim Kläger diagnostizierte Alkoholabhängigkeit durch seine eigenen Angaben. Anlässlich seiner amtsärztlichen Untersuchung durch das Gesundheitsamt der Beklagten vom 25.06.2009 hat er ausdrücklich erklärt, bereits wiederholt sowohl wegen Alkohol- als auch Benzodiazepinentgiftungen ärztlich behandelt worden zu sein.
Vgl. das dem amtsärztlichen Gutachten des Gesundheitsamtes des Beklagten vom 25.06.2009 beigefügte, von dem Kläger handschriftlich ausgefüllte und unterschriebene Formblatt betreffend die Angaben zur Untersuchung
Die darüber hinaus in dem vorläufigen Entlassungsbericht des M. Krankenhauses vom 19.06.2009 gestellte Diagnose einer Benzodiazepinabhängigkeit des Klägers wird ferner durch die Angaben seiner mit ihm zusammenlebenden Mutter unterstrichen. Ausweislich des Polizeiberichts der Polizeibezirksinspektion A-Stadt vom 21.04.2009 hat die Mutter des Klägers im Rahmen des Vorfalls vom 19.04.2009 gegenüber der Polizei angegeben, dass ihr Sohn tablettenabhängig sei und sich wegen seiner Tablettensucht bereits im November des vergangenen Jahres freiwillig einer Entgiftung unterzogen habe. Ergänzend wies die Mutter des Klägers darauf hin, dass der Kläger neben dem Konsum alkoholischer Getränke über den Tag verteilt bereits etwa 20 Lendormin-Tabletten eingenommen habe. Danach ist aber davon auszugehen, dass die bei dem Kläger bei seiner stationären Aufnahme in das M. Krankenhaus A-Stadt am 09.05.2009 in einem Drogenscreening nachgewiesenen Benzodiazepine dem Medikament Lendormin entstammen, das als Wirkstoff das zu der Stoffgruppe der Benzodiazepine gehörende Brotizolam enthält, bei dem es sich um ein verkehrs- und verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtmG in Verbindung mit Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz handelt.

Soweit der Kläger das Bestehen einer Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit mit dem Hinweis in Abrede zu stellen versucht, lediglich sporadisch Alkohol zu konsumieren sowie auch nur gelegentlich wegen Schlafstörungen das Medikament Zopiclon einzunehmen, das chemisch nicht mit den Benzodiazepinen verwandt und auch in der Wirkungsdauer abgeschwächt sei, so ist dieses Vorbringen angesichts der gesamten Vorgeschichte nicht glaubhaft und im Übrigen durch die ärztlicherseits getroffenen Feststellungen auch als widerlegt anzusehen.

Gleiches gilt hinsichtlich der bloßen Behauptung des Klägers, die behandelnde Ärztin des St. M. Krankenhauses A-Stadt habe ihm gegenüber geäußert, eine Abhängigkeit würde aufgrund der festgestellten Blut- und Leberwerte nicht vorliegen. Greifbare Anhaltspunkte, die diese Behauptung belegen würden, hat der Kläger auch nicht ansatzweise dargetan.

Ohne rechtlich relevante Bedeutung ist ferner, dass der Kläger bislang straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Dieser Umstand ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil es beim Fahren im Straßenverkehr sowohl unter alkoholischer Beeinflussung als auch unter Einfluss von Betäubungsmitteln eine hohe Dunkelziffer gibt.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 14.04.2009, 1 B 269/09; ferner Hentschel, Fahrerlaubnis und Alkohol im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 757 f.
Überdies war Anknüpfungspunkt für die amtsärztliche Überprüfung der Fahreignung des Klägers allein ein im Ausgangspunkt abstrakter Gefährdungstatbestand, bei dem eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht erforderlich ist.

War damit aber die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen bestehender Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung nicht gegeben, so kann sie nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass eine dauerhafte Abstinenz besteht. Hierzu ist gemäß Ziffern 8.4 und 9.5 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit anschließend mindestens einjähriger Abstinenz erforderlich, die mittels regelmäßiger ärztlicher Untersuchungen und Labordiagnostik nachgewiesen werden muss. Diese Voraussetzungen waren zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung am 01.10.2009 allerdings ersichtlich nicht erfüllt.

Die in den angefochtenen Bescheiden weiter enthaltene Anordnung des Beklagten zur Ablieferung des Führerscheins des Klägers findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, 47 Abs. 1 FeV und ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Eines Ausspruchs über die Notwendigkeit der Zuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren bedurfte es angesichts der getroffenen Kostenentscheidung nicht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss
Der Streitwert wird gemäß den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nr. 46.3 und 46.8 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 auf insgesamt 7.500,00 Euro festgesetzt.