- Der Täter ist gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB "in der Regel" als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn - wie hier - die rechtswidrige Tat ein Vergehen der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr ist, so dass es im "Normalfall" bei einem solchen Vergehen einer näheren Begründung nicht bedarf, wenn die Fahrerlaubnis entzogen wird. Der Tatrichter kann sich dann darauf beschränken, summarisch auszuführen, dass er den Regelfall für gegeben erachtet.
- Der Regelfall für die Entzug der Fahrerlaubnis ergibt sich nicht "automatisch" aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 316 StGB. Eine Indizwirkung für die Ungeeignetheit des Kraftfahrers liegt bei Verwirklichung des § 316 StGB nur insoweit vor, als dieser nach seiner Persönlichkeit dem Durchschnitt der Kraftfahrer entspricht und die Tat gegenüber der Masse der vorkommenden entsprechenden Taten keine wesentlichen Besonderheiten aufweist. Liegen hingegen Besonderheiten in der Person des Täters, in der Tat oder sonst in der Nachtatsituation vor, die einen so wesentlichen Unterschied von dem Durchschnittsfall kennzeichnen, dass sie eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen können, muss erkennbar sein, dass die Möglichkeit der Ausnahme geprüft worden ist.
- Hat der Angeklagte in fahruntüchtigem Zustand seinen auf einem Parkplatz abgestellten PKW lediglich wenige Meter versetzt, um ihn ordnungsgemäß zu parken, kann davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um einen Regelfall im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB handeln muss mit der Folge, dass von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden kann.
Gründe:
Das Amtsgericht D. hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Außerdem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und angeordnet, dass dem Angeklagten für die Dauer von vier Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Hiergegen richtet sich die (Sprung-) Revision des Angeklagten, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Mit der Sachrüge beanstandet er allein die verhängte Strafe und die Maßregel. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
A.
Die Revision des Angeklagten ist nach Lage der Dinge auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt (§ 300 StPO). Er wendet sich nicht gegen den Schuldspruch, sondern allein gegen die verhängte Strafe und die angeordnete Maßregel. Infolge der Beschränkung der Revision ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und der rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 352 Abs. 1 StPO).
Somit ist von folgenden Feststellungen auszugehen:
Der wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr vorbestrafte Angeklagte wollte in der Nacht vom 1. zum 2. Januar 1987 nach Alkoholgenuss mit einem Taxi nach Hause fahren. Zuvor versetzte er seinen auf einem Parkplatz abgestellten PKW um wenige Meter, weil er glaubte, das Fahrzeug sei nicht ordnungsgemäß abgestellt. Die ihm eine halbe Stunde später entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,76 ‰ auf.
Das Rechtsmittel ist begründet und führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Eines Eingehens auf die nicht formgerecht ausgeführte und damit unzulässige (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensrüge bedarf es nicht.
Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.) Das angefochtene Urteil weist einen auf die Sachrüge zu beachtenden, den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler insoweit auf, als in den Urteilsgründen die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts zu der angeordneten Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB nicht mitgeteilt sind. Damit ist dem Revisionsgericht die Möglichkeit genommen, die Rechtsanwendung des Amtsgericht auf Rechtsfehler zu überprüfen. Dies stellt hier einen sachlich-rechtlichen Fehler des Urteils dar, der zur Aufhebung dieses Teils des Rechtsfolgenausspruchs führt (vgl. BGH St 14, 162, 165; NJW 1978, 113, 115; Senatsbeschlüsse vom 3.1.1984 in VRS 66, 360 = r+s 1984, 110 = Strafverteidiger 1984, 194 und 1985, 142 (LS) = OLGSt StGB § 69 Nr. 1; 18.10.1985 in VRS 70, 137, 139 = JMBl. NW 1986, 110 = Blutalkohol 1986, 74).
a) Zwar ist der Täter gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB "in der Regel" als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn - wie hier - die rechtswidrige Tat ein Vergehen der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr ist, so dass es im "Normalfall" bei einem solchen Vergehen einer näheren Begründung nicht bedarf, wenn die Fahrerlaubnis entzogen wird. Der Tatrichter kann sich dann darauf beschränken, summarisch auszuführen, dass er den Regelfall für gegeben erachtet (vgl. OLG Köln MDR 1966, 690, 691; OLG Braunschweig NdsRPfl 1969, 214, 215; OLG Hamm VRS 52, 24, 25; BayObLG VRS 30, 276, 277).
Der Regelfall ergibt sich aber nicht "automatisch" aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 316 StGB (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 1985 a.a.O.). Eine Indizwirkung für die Ungeeignetheit des Kraftfahrers liegt bei Verwirklichung des § 316 StGB nur insoweit vor, als dieser nach seiner Persönlichkeit dem Durchschnitt der Kraftfahrer entspricht und die Tat gegenüber der Masse der vorkommenden entsprechenden Taten keine wesentlichen Besonderheiten aufweist. Liegen hingegen Besonderheiten in der Person des Täters, in der Tat oder sonst in der Nachtatsituation vor, die einen so wesentlichen Unterschied von dem Durchschnittsfall kennzeichnen, dass sie eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen können, muss erkennbar sein, dass die Möglichkeit der Ausnahme geprüft worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 1985 a.a.O. m.w.N.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; Lackner, StGB, 17. Aufl., § 69 Anm. 2 d, bb).
b) In dem vorliegenden Fall hat der Angeklagte in fahruntüchtigem Zustand seinen auf einem Parkplatz abgestellten PKW lediglich wenige Meter versetzt, um ihn ordnungsgemäß zu parken. Diese Umstände fallen derart aus dem Rahmen der typischen Begehungsweisen des Straftatbestandes des § 316 StGB, dass die Tat nicht mehr von vornherein als Regelfall angesehen werden kann (vgl. OLG Hamm a.a.O.).
Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen indessen nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht der Möglichkeit, in Ausnahmefällen von der Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu können, bewusst gewesen ist und dass es bei der Frage, ob die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, wegen der Besonderheit des Sachverhalts eine Gesamtabwägung aller Umstände, die für und gegen die Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen sprechen, vorgenommen hat (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart VRS 35, 19; BayObLG a.a.O.).
Wegen dieses sachlich-rechtlichen Mangels kann der Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis keinen Bestand haben.
2.) Da wegen des engen Zusammenhangs zwischen der verhängten Strafe und der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Januar 1984 a.a.O.; BayObLG a.a.O.; OLG Braunschweig a.a.O.) nicht auszuschließen ist, dass der Strafausspruch von den - nicht mitgeteilten - Feststellungen und Erwägungen, die zur Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB geführt haben, beeinflusst worden ist, kann auch der Ausspruch über die verhängte Freiheitsstrafe keinen Bestand haben.
Die hiernach gebotene Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und die Zurückverweisung der Sache beruhen auf §§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO.
B.
Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass ein Ausnahmefall von der Regel des § 69 Abs. 2 StGB gegeben sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die die ihrer allgemeinen Natur nach schweren und gefährlichen Verstöße in einem anderen Licht erscheinen lassen als den Regelfall (vgl. OLG Braunschweig a.a.O.; OLG Stuttgart a.a.O.; Himmelreich/Hentschel, Fahrverbot - Führerscheinentzug, 5. Aufl., Rdnr. 55). Ein solcher Ausnahmefall, der die Anordnung der Maßregel entbehrlich machen kann, kann dann vorliegen, wenn der Täter sein Fahrzeug nur ein kurzes Stück bewegt, um einen verkehrsstörenden Zustand zu beseitigen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 1987 in VM 1987, 60 = Blutalkohol 1987, 289 = NPA Nr. 954 StVG, § 24 a Bl. 9 = VRS 73, 142 = r+s 1987, 329 zu der vergleichbaren Problematik der Anordnung eines Fahrverbots gemäß § 25 StVG; OLG Hamburg VRS 8, 290; BayObLG bei Rüth DAR 1974, 169, 177; OLG Braunschweig a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart, Blutalkohol 1987, 431 m. abl. Anm. von Middendorff = DAR 1987, 92; AG Bonn DAR 1980, 52; LG Aachen bei Janiszewski NStZ 1986, 401, 404; Himmelreich/ Hentschel a.a.O. Rdnr. 56; Dreher/Tröndle, StGB, 43. Aufl., § 69 Rdnr. 12; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 22. Aufl., § 69 Rdnr. 42; Rüth in Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl., § 69 Rdnr. 38; Mühlhaus/ Janiszewski, StVO, 10. Aufl., zu §§ 44, 69 ff. StGB Anm. IV 3; Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 29. Aufl., § 69 StGB Rdnr. 19).