Steht fest, dass ein Radfahrer mit seinem Fahrrad nahe der Mitte der Fahrbahn, nicht jedoch auf der linken Fahrbahn gefahren ist, dass er durch das Auftauchen eines Busses erschrocken war, dass er nicht in der Lage war, die Geschwindigkeit den örtlichen Gegebenheiten anzupassen und dadurch bei seinem Bremsvorgang ins Schleudern geriet, ohne dass es zu einer Berührung mit dem Bus kam, dann kann die Betriebsgefahr des Busses hinter dem groben Verschulden des Radfahrers völlig zurücktreten.
Siehe auch Betriebsgefahr - verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung und Sturz eines Zweiradfahrers ohne Kollisionsberührung
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet, weil die Betriebsgefahr des Busses der Beklagten hinter dem Verschulden des Versicherten der Klägerin zurücktritt.
1. Mit dem Landgericht ist jedenfalls mit der unter Ziff. 1.2 gegebenen Begründung von einer Zulässigkeit der Feststellungsklage auszugehen.
2. Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass sich der streitgegenständliche Unfall "beim Betrieb" des Busses im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat.
Das unstreitig durch den Betrieb des Busses verursachte Erschrecken des Versicherten der Klägerin prägte im Sinne der vom Landgericht geschilderten höchstrichterlichen Rechtsprechung das Unfallereignis. Ein innerer Zusammenhang des Unfalls mit dem Betrieb des Busses in dem Sinne, dass der Geschädigte in dem Bus aufgrund der besonderen Situation eine Gefahr sehen durfte, die eine Abwehr- oder Ausweichreaktion rechtfertigte und zwar selbst dann, wenn diese Reaktion objektiv so nicht erforderlich war, genügt (vgl. Hentschel-König, StVG, 40. Aufl. 2009, § 7 StVG, Rn. 11).
3. Die Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 BGB ergibt, dass die Betriebsgefahr des Busses der Beklagten zurücktritt.
In die gebotene Abwägung sind die unstreitigen und zugestandenen Tatsachen sowie die unzweifelhaft bewiesenen Umstände mit einzubeziehen.
Auf Seiten des Versicherten der Klägerin ist daher zu berücksichtigen, dass dieser mit seinem Fahrrad nahe der Mitte der Fahrbahn, nicht jedoch auf der linken Fahrbahn gefahren ist, dass er durch das Auftauchen des Busses erschrocken war, dass er nicht in der Lage war, die Geschwindigkeit den örtlichen Gegebenheiten anzupassen (Klageschrift S. 6, I 11) und bei seinem Bremsvorgang ins Schleudern geriet.
Der Fahrer des Busses fuhr mit dem Bus verkehrsgerecht rechts auf seiner Fahrbahn und nahm, als er den Fahrradfahrer bemerkte, den Fuß vom Gas. Eine Kollision zwischen Fahrrad und Bus fand zu keinem Zeitpunkt statt.
4. Bei der Abwägung steht in erster Linie das ursächliche Verhalten der Beteiligten gegeneinander, wobei die Betriebsgefahr zu berücksichtigen und erst mangels vorwiegender Verursachung Schuldgrade zu vergleichen sind (Hentschel-König, a.a.O., § 9 StVG, Rn. 7 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung der feststehenden Umstände und der aus den vorliegenden Lichtbildern der Unfallakte für den Senat ersichtlichen Unfallstelle folgt, dass der Versicherte der Klägerin nicht nur leicht fahrlässig gehandelt hat, sondern dass ihn ein erhebliches Verschulden trifft. Er fuhr mit offenbar unangepasster Geschwindigkeit - er konnte nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die Geschwindigkeit den örtlichen Gegebenheiten nicht anpassen, Klageschrift S. 6, I 11 - nahe der Mittellinie auf eine abschüssige Linkskurve zu. Das erhebliche Verschulden wiegt so schwer, dass auch die wegen der Größe des Fahrzeugs der Beklagten erhöhte Betriebsgefahr nach Auffassung des Senats zurückzutreten hat.
5. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Unfall für den Fahrer des Busses der Beklagten unabwendbar war, wie die Beklagte unbestritten - und angesichts der tatsächlichen Umstände auch unbestreitbar - vorträgt (BB 4, II 29).
Die Unabwendbarkeit des Unfallereignisses hat zwar im Rahmen der §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG außerhalb der dort geregelten Fälle nicht mehr die Bedeutung eines haftungsausschließenden Umstandes, sie stellt aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen erheblichen Abwägungsfaktor im Rahmen der Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 BGB dar (BGH NZV 2008, 79, mit kritischer Anmerkung Greger; kritisch auch Hentschel-König, a.a.O., § 9 Rn. 7).
Unter Berücksichtigung der Unabwendbarkeit des Unfallereignisses für den Fahrer der Beklagten hat die Betriebsgefahr des Busses erst recht zurückzutreten.
6. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob entsprechend der Meinung der Beklagten das Befriedigungsvorrecht des Geschädigten vor Ansprüchen der Klägerin in den Feststellungsantrag aufzunehmen gewesen wäre (Berufungsbegründung S. 5, II 31).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.