Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Bamberg Beschluss vom 29.11.2010 - 3 Ss OWi 1660/10 - Zur Berücksichtigung der beruflichen oder sozialen Stellung des Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße

OLG Bamberg v. 29.11.2010: Zur Berücksichtigung der beruflichen oder sozialen Stellung des Betroffenen bei der Bemessung der Geldbuße


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 29.11.2010 - 3 Ss OWi 1660/10) hat entschieden:
Bei der Bemessung der für ein verkehrsordnungswidriges Verhalten festzusetzenden Rechtsfolgen hat die berufliche oder soziale Stellung des Betroffenen grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Eine Berücksichtigung zum Nachteil des Betroffenen kann im Einzelfall nur dann als zulässiges Zumessungskriterium in Betracht kommen, wenn nach den tatrichterlichen Feststellungen zwischen der beruflichen oder sozialen Stellung des Betroffenen und der Begehung der Ordnungswidrigkeit eine innere Beziehung besteht.


Siehe auch Bemessung der Geldbuße - Bußgeldhöhe und Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer Ende Juli 2009 als Führer eines Pkw’s auf einer Autobahn begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug – bei einer Geschwindigkeit von 126 km/h betrug der Abstand 20,30 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes – zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt. Zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen ist im Urteil festgestellt, dass dieser "„beruflich als Landtagsabgeordneter tätig“" ist, im Jahr mit dem Pkw etwa 100.000 km zurücklegt und seine wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet bezeichnet hat.

Neben den auch im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung im Einzelnen dargestellten Vorbelastungen ist gegen den Betroffenen ausweislich der Urteilsfeststellungen am 18.05.2006, rechtskräftig seit 27.09.2006, wegen einer am 31.05.2005 als Führer eines Pkw’s begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 150 Euro festgesetzt worden.

Zur Rechtsfolgenbemessung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
„Ausweislich § 1 Abs. 1 Satz 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung bemisst sich die gegen den Betroffenen zu verhängende Geldbuße im vorliegenden Fall nach den im Bußgeldkatalog bestimmten Beträgen. Konkret sieht der Bußgeldkatalog zur Ahndung der vorliegenden Tat im Anhang zu Nr. 12 ein Bußgeld von 100 Euro vor (Ziffer 12.5.2 BKat). Die im Bußgeldkatalog bestimmten Beträge sind Regelsätze, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen (§ 1 Abs. 2 Bußgeldkatalog-Verordnung). Im vorliegenden Fall liegen jedoch Gründe vor, die es rechtfertigen, von dem genannten Regelsatz abzuweichen und die gegen den Betroffenen zu verhängende Geldbuße auf 500 Euro zu erhöhen. Maßgebliches Kriterium hierfür sind die vorhandenen und verwertbaren Eintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister, welche im Bußgeldkatalog grundsätzlich nicht berücksichtigt sind (§ 3 Abs. 1 BKatV). Hierbei fällt insbesondere auf, dass der Betroffene zuletzt erst im Februar 2009 ebenfalls wegen eines im August 2008 begangenen Abstandsverstoßes – nahezu an der selben Stelle – rechtskräftig zu einer Geldbuße von 100 Euro, sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt worden war. Außerdem wurde er zeitnah zu dieser Verurteilung wegen zwei im Oktober 2008 begangenen Geschwindigkeitsverstößen zu Geldbußen von 100 Euro und 150 Euro verurteilt; Rechtskraft trat insoweit im April 2009 bzw. im September 2009 ein. Hinzu kommt eine seit Mitte Januar 2009 rechtskräftige Ahndung wegen eines im Dezember 2007 begangenen Rotlichtverstoßes, der neben einer Geldbuße von 125 Euro mit einem weiteren Fahrverbot belegt wurde. Dennoch hat sich der Betroffene durch alle diese zeitnahen und einschlägigen Vorahndungen ebenso wenig von dem verfahrensgegenständlichen Abstandsverstoß abhalten lassen, wie durch eine im November 2006 erfolgte und seit Ende März 2007 rechtskräftige Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung.

Vor diesem Hintergrund erschien dem Gericht daher eine massive Erhöhung der Regelgeldbuße von 100 Euro auf 500 Euro zur verkehrserzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen unerlässlich. Dieser ist sich ganz offensichtlich seiner Vorbildfunktion als Landtagsmitglied nicht einmal ansatzweise bewusst.“
Mit der gegen diese Entscheidung geführten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet neben der Beweiswürdigung zum Schuldspruch die Rechtsfolgenbemessung, insbesondere die Erhöhung des Regelsatzes „um 400 %“ als "„unverhältnismäßig“" und die Berücksichtigung „seiner Abgeordnetentätigkeit“ als "„sachwidrig“".


II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Zur Begründung wird auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift vom 30.09.2010 – eine hierzu angekündigte Gegenerklärung des Verteidigers des Betroffenen wurde nicht eingereicht – Bezug genommen.

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:

a) Die Tatsache, dass der Betroffene ein sogenannter Vielfahrer ist, wirkt sich bei der Bemessung der Geldbuße aus den gleichen Gründen nicht zu seinen Gunsten aus, aus denen dieser Umstand – worauf die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift hingewiesen hat – auch bei der Frage des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes keine Berücksichtigung finden könnte.

b) Zwar weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass die berufliche oder soziale Stellung eines Betroffenen bei der Bemessung der Rechtsfolgen grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. Anderes könnte nur dann gelten, wenn zwischen der beruflichen oder sozialen Stellung des Betroffenen und der Tat eine innere Beziehung bestünde (vgl. KK/Mitsch OWiG 3. Aufl. § 17 Rn. 56; Göhler OWiG 15. Aufl. § 17 Rn. 19; Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 40. Aufl. StVG § 24 Rn. 57, jeweils m.w.N.). Zu einem derartigen inneren Zusammenhang enthält das Urteil allerdings keine hinreichenden Feststellungen.

Jedoch ist die auch vom Amtsgericht als „massiv“ bezeichnete Erhöhung der Regelgeldbuße - unabhängig von dem Status des Betroffenen als Landtagsmitglied – angesichts der Anzahl, der Bedeutung und der insbesondere zuletzt kurzen zeitlichen Abfolge der Vorbelastungen und der diesen zu Grunde liegenden Taten als jedenfalls noch angemessen sowie auch mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (§ 17 Abs. 3 OWiG) als nicht unverhältnismäßig zu beurteilen und daher im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; dies gilt umso mehr, als das aus der Vorahndungslage ersichtliche wiederholte Fehlverhalten im Straßenverkehr auch in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Tat die Annahme einer beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG zumindest nahelegt.

Es kann daher dahinstehen, ob der Tatrichter, der die Erhöhung der Regelgeldbuße von 100 Euro auf 500 Euro ausweislich der Urteilsgründe schon „vor (dem) Hintergrund“ der im Einzelnen als „maßgebliches Kriterium“ für die Erhöhung angeführten Vorbelastungen des Betroffenen für „unerlässlich“ erachtet und (erst) im Anschluss an diese Begründung der Höhe der Geldbuße auf eine "„Vorbildfunktion als Mitglied des Landtages“" hingewiesen hat, dieser „Vorbildfunktion“ des Betroffenen eine für die konkrete Höhe der Geldbuße entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Gemäß §§ 79 Abs. 5 Satz 1, 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter durch Beschluss.