- Im Hinblick auf die mit der Wahrnehmung von Sonderrechten verbundenen erheblichen Gefährdungen ist der Anwendungsbereich des § 35 StVO - auch weil er eine Ausnahmevorschrift darstellt - eng auszulegen.
- Fahrzeuge der Unfallforschung fallen nicht in den in § 35 StVO genannten Kreis der Sonderrechtsfahrzeuge.
- Die gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 5a StVO Begünstigten sind zwar an sich von der Einhaltung jeder Verkehrsvorschrift - also auch der Grundregel des § 1 - freigestellt. Diese Sonderstellung gibt aber keine Vorfahrt gegenüber dem übrigen Verkehr, sondern nur die Berechtigung, die allgemeinen Verkehrsregeln mit größtmöglicher Sorgfalt zu missachten.
Gründe:
(gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO):
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 6. Mai 2008 in H., bei dem der Beklagte zu 2 mit dem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Fahrzeug der Verkehrsunfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) trotz Rotlichts der für ihn maßgeblichen Ampel in den Kreuzungsbereich S./G.-W.-Straße mit Blaulicht und Martinshorn einfuhr und inmitten der Kreuzung mit dem von der Zeugin M. bei Grünlicht für ihre Fahrtrichtung in die Kreuzung hineingefahrenen Pkw des Klägers kollidierte, wodurch sich das Verkehrsunfallforschungsfahrzeug der Beklagten überschlug und am Pkw des Klägers ein Totalschaden entstand.
Die Beklagten haben eine Regulierung von mehr als 50 % der dem Kläger entstandenen Schäden abgelehnt. Die im Übrigen erhobene Klage hat vor dem Landgericht nur teilweise Erfolg gehabt. Der Unfall sei für keine Seite ein unabwendbares Ereignis gewesen. Der Beklagte zu 2 sei zwar mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hineingefahren, er habe sich jedoch als Führer eines Fahrzeugs der Verkehrsunfallforschung auf Sonderrechte im Sinne der §§ 35, 38 StVO berufen können. Der Kläger müsse sich auf seine Ansprüche eine Mithaftungsquote von einem Drittel anrechnen lassen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren erster Instanz fort. Die Beklagten müssten vollständig für das Verkehrsunfallgeschehen einstehen, das allein der Beklagte zu 2 verschuldet habe, weil er nicht nur mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, sondern dabei unstreitig auch eine rote Ampel "überfahren" habe. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass der Beklagte zu 2 als Fahrer des Unfallforschungswagens keine Sonderrechte habe beanspruchen können, weshalb er in jedem Fall vor der roten Ampel hätte halten müssen. Fahrzeuge der Unfallforschung gehörten nicht zu den in § 35 StVO privilegierten Verkehrsteilnehmerkreisen. Das habe auch die Landeshauptstadt Hannover nicht anordnen können.
II.
Die Berufung hat Erfolg; die Klage ist begründet.
1. Der Verkehrsunfall war für keinen der Beteiligten unabwendbar.
Für den Kläger folgt das schon daraus, dass die Zeugin M. als Fahrerin seines Pkw nach den Berechnungen des Sachverständigen W. im Gutachten vom 30. Juni 2010 mit einer Geschwindigkeit unmittelbar vor der Kollision von 55 km/h in die Kreuzung hineingefahren ist und damit in jedem Fall die vor Ort zulässige Höchstgeschwindigkeit zumindest leicht überschritten hat.
Aber auch der Beklagte zu 2 hat sich im Sinne der Straßenverkehrsordnung nicht ideal verhalten und kann sich ebenso wenig auf eine Unabwendbarkeit des Unfallgeschehens berufen. Denn selbst wenn ihm - wie er meint - ein Sonderrecht zur Verfügung gestanden haben sollte (dazu folgend Ziffer 2 a), hätte er dies nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausüben dürfen (§ 35 Abs. 8 StVO) und wäre gerade im Hinblick auf die für ihn Rotlicht zeigende Ampelanlage verpflichtet gewesen, mit äußerster Vorsicht in den Kreuzungsbereich hineinzufahren und erst, wenn er sicher beurteilen konnte, dass sämtliche (hier insbesondere die aufgrund des Grünlichts) bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer ihm freie Bahn gewährten (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 38 StVO Rdnr. 3 m. w. N.). Entsprechend hat sich der Beklagte zu 2 aber nicht verhalten, weil nach den Berechnungen des Sachverständigen W. die Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeugs der Unfallforschung mindestens 38 km/h betrug (S. 21 des Gutachtens W.) und sich der Beklagte zu 2 auch nicht überzeugt hat, dass aus der G.-W.-Straße, deren Verkehr durch die Lichtzeichenanlage im Moment des Unfalls bevorrechtigt war, kein Fahrzeug in die Kreuzung einfuhr.
2. Die Haftungsverteilung ist somit gemäß §§ 17, 18 StVG unter Ansatz der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge vorzunehmen. Die Beklagten haben danach vollständig für die Unfallfolgen einzustehen.
a) Der Beklagte zu 2 kann sich nicht auf ein Sonderrecht aus § 35 StVO berufen.
aa) Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Abs. 5 a StVO Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den StVO-Vorschriften befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Fahrzeuge der Unfallforschung - wie das der Beklagten - fallen demnach nicht in den in § 35 StVO genannten Kreis der Sonderrechtsfahrzeuge.
(1) Diese Frage ist gerichtlich überprüfbar (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 35 StVO Rdnr. 6). Im Hinblick auf die mit der Wahrnehmung von Sonderrechten verbundenen erheblichen Gefährdungen ist der Anwendungsbereich des § 35 StVO - auch weil er eine Ausnahmevorschrift darstellt - eng auszulegen (vgl. Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 3). Entsprechend hat das OLG Stuttgart (NZV 2002, 410, juris-Rdnr. 9) ausgeführt, dass aus dem Standort der Norm des § 35 StVO am Ende des ersten Abschnitts der StVO („allgemeine Verkehrsregeln“) und angesichts dessen, dass diese Sonderregelung von den Vorschriften der StVO vollständig befreit, zu schließen ist, dass es sich um eine eng auszulegende Sondervorschrift handelt.
(2) Die Unfallforschung wird zudem ihrer Bestimmung nach nicht betrieben, um in höchster Eile Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Als Teil der Ingenieurwissenschaften dient sie dem Ziel, Ablauf und Ursachen eines Unfalles im Nachhinein zu rekonstruieren (Unfallanalyse). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind darüber hinaus in ihrer Summe Grundlagen für die Erarbeitung von Vorschriften und Ansätzen der Unfallverhütung. In Deutschland wird Unfallforschung im Straßenverkehr neben der Polizei von unterschiedlichen Organisationen betrieben, unter anderem von der Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH, von der (im hiesigen Fall eingesetzten) Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der Unfallforschung der DEKRA und der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Darüber hinaus betreiben auch verschiedene Fahrzeughersteller eine eigene Unfallforschung. Dabei werden reale (Verkehrs-)Unfälle vor Ort untersucht und statistisch erfasst. Ziel der Unfallforschung ist es, Informationen über Fahrzeugsicherheit, Mängel im Straßenraum, häufige Unfallursachen, Unfallorte oder typische Verletzungen, aber auch Verkehrsverhaltensprobleme zu ermitteln. Das so erlangte Wissen kann herangezogen werden, um Unfälle zu vermeiden oder die Sicherheit bei Unfällen zu verbessern (vgl. einführend http://de.wikipedia.org/wiki/Unfallforschung).
Diese Zielsetzung wird auch von der MHH für ihre eigene Verkehrsunfallforschung angegeben. Das Forschungsprojekt dient danach "der Erfassung von Informationen aus Verkehrsunfällen mit Personenschaden und liefert Grundlagendaten für den Gesetzgeber, die Industrie sowie auch andere Institutionen. Hierzu wird eine Datenbank bereitgehalten, in der bislang etwa 17.000 Unfälle mit 28.000 Fahrzeugen, 23.000 verletzten Personen und 100.000 Einzelverletzungen gespeichert sind" (vgl. http://www.mhh-unfallforschung.de/index.htm / Zielsetzung). Dabei ist der Einsatz bei der Unfallaufnahme - um den es in diesem Fall geht - von vornherein nicht auf die Rettung von Menschenleben oder die Abwehr schwerer gesundheitlicher Schäden gerichtet, wie bereits die Zusammensetzung des Einsatzteams zeigt: "Das zum Unfallort entsandte Forscherteam wird aus studentischen Mitarbeitern der Fachrichtungen Ingenieurswissenschaften und Medizin gebildet" (s. http://www.mhh-unfallforschung.de/index.htm / Zielsetzung / Organisationsform). Insbesondere ein Arzteinsatz zur Rettung von Menschenleben ist damit schon der Zielsetzung und Aufgabenstellung nach nicht vorgesehen. Die Mitarbeiter der Verkehrsunfallforschung der MHH sind in Konsequenz daraus fast ausschließlich Diplomingenieure oder professionelle Datenbankbetreuer; ein Notarzt- oder ein vergleichbares Rettungsteam existiert hier nicht (vgl. http://www.mhh-unfallforschung.de/index.htm / Management / Mitarbeiter).
(3) Es ist schließlich auch in keiner Weise dargetan, dass der Beklagte zu 2 bzw. das Einsatzteam der Unfallforschung in dem hier zu beurteilenden Fall tatsächlich in gebotener höchster Eile unterwegs waren, um zumindest schwere Schäden für die Gesundheit von Unfallbeteiligten abzuwenden.
bb) Der Senat setzt sich durch die Wertung, Fahrzeuge der Unfallforschung nicht in zu den Sonderrechtsfahrzeugen des § 35 StVO zu zählen, nicht in Widerspruch zu den von den Beklagten benannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juli 1989 (5 U 139/88, Bl. 310 f. d. A.) und des Landgerichts Hannover vom 23. Juli 1982 (7 O 354/81, Bl. 316 f. d. A.).
Der 5. Zivilsenat hat in der genannten Entscheidung die Frage, ob das dort unfallbeteiligte Fahrzeug der Unfallforschung - das im Übrigen als Hilfsorgan der Polizei tätig geworden ist - nicht streitentscheidend beantworten müssen, weil in jenem Fall ein leichtfertiger Missbrauch des Sonderrechts vorgelegen und den damaligen Beklagten ein derart schwerwiegendes Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls anzulasten war, dass die Beklagten für den Unfallschaden allein aufzukommen hatten; der Fahrer des Unfallforschungswagens der MHH war in jenem Fall unter Erzwingung des Vorrechts bei Rot in den Kreuzungsbereich eingefahren. Der 5. Zivilsenat hat wegen dieses schwerwiegenden Verstoßes gegen die Regeln der StVO auch die Betriebsgefahr des anderen unfallbeteiligten Pkw zurücktreten lassen.
Auch die Entscheidung der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover aus dem Jahr 1982 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Kammer hat dort das Problem nicht näher erörtert, sondern lediglich angenommen, dass der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs, das sich mit eingeschaltetem Blinklicht bzw. Martinshorn auf einer Einsatzfahrt befand, Vorrechte genoss, gleichwohl aber dem Einsatzfahrer erhebliche Rücksichtnahmepflichten auferlegt.
b) Hinzu kommt, dass ein etwaiges Sonderrecht auf Seiten der Beklagten gemäß § 35 Abs. 8 StVO generell nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hätte ausgeübt werden dürfen. Die gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 5 a Begünstigten sind zwar an sich von der Einhaltung jeder Verkehrsvorschrift - also auch der Grundregel des § 1 - freigestellt. Diese Sonderstellung gibt aber keine Vorfahrt gegenüber dem übrigen Verkehr, sondern nur die Berechtigung, die allgemeinen Verkehrsregeln mit größtmöglicher Sorgfalt zu "missachten" (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 2 m. w. N.) und wird gesetzlich begrenzt durch § 35 Abs. 8 StVO. Da jedes Abweichen von den Straßenverkehrsregeln erhöhte Sorgfalt erfordert, wäre der Beklagte zu 2, wenn ihm ein Sonderrecht zur Verfügung gestanden hätte, verpflichtet gewesen, dieses erst in Abweichen von den Verkehrsvorschriften auszuüben, wenn er sicher hätte sein können, dass ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern Vorrang eingeräumt wird und diese insbesondere seinen Wagen wahrgenommen haben und auch die Absicht, dass er trotz des Rotlichts in den Kreuzungsbereich einfahren wollte (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O. § 35 StVO Rdnr. 13 und 13 a m. w. N.).
c) Dass die Zeugin M. gegenüber dem Beklagten zu 2 nicht befugt war nachzuprüfen, ob er zu recht ein Wegerecht im Sinne des § 38 Abs. 1 StVO wahrnimmt, ändert nichts an der Haftung der Beklagten.
aa) Das Sonderrecht des § 35 Abs. 1 StVO und der Anspruch des Wegerechtsfahrzeugs auf freie Bahn decken sich nicht. Ein Wegerecht ist nur dann rechtswirksam in Anspruch genommen, wenn blaues Blinklicht (§ 52 Abs. 3 StVZO) und Tonsignal des Einsatzhorns (§ 55 Abs. 3 StVZO) rechtzeitig zusammen zur Verfolgung der in § 38 Abs. 1 StVO genannten Zwecke gegeben werden, d. h. wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, aber auch, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten (vgl. KG, VersR 2007, 413; KG, NZV 2003, 481; OLG Köln, NZV 1996, 237; so auch Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 3 m. w. N.).
Die Befreiung von Verkehrsvorschriften steht den Wegerechtsfahrzeugen beim Einschalten von Blaulicht und Einsatzhorn nur zu, wenn sie einem der in § 35 Abs. 1 aufgeführten Hoheitsträger zugehören (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 2), was hier jedoch für die Beklagten nicht der Fall war.
Die übrigen Wegerechtsfahrzeuge - wie Unfall- und Krankenwagen und unter Umständen auch ein Fahrzeug der Unfallforschung - sind nicht allgemein von der Einhaltung der Verkehrsvorschriften befreit. Für sie gilt stets die Einschränkung des § 35 Abs. 5 a StVO, es muss also höchste Eile geboten sein, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Beide Voraussetzungen sind hier jedoch in keiner Weise dargelegt. Es ist - wie erwähnt - nicht ansatzweise erkennbar, dass der Wagen der Unfallforschung höchste Eile hatte, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
bb) Der Beklagte zu 2 hatte somit, obwohl er unter Einsatz des blauen Blinklichtes und des Einsatzhorns in den Kreuzungsbereich einfuhr, kein Vorfahrtsrecht (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 2; Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 4, § 38 StVO Rdnr. 10, je m. w. N.). Dass infolge des Einsatzes von blauem Blinklicht und Martinshorn die anderen Verkehrsteilnehmer nach Wahrnehmung dieser Signale verpflichtet waren, freie Bahn zu schaffen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 StVO), entband den Beklagten zu 2 mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1, Abs. 5 a StVO also nicht von der Beachtung der Verkehrsregeln. Er hätte deshalb bei Einfahren in die nicht von vornherein übersichtliche Kreuzung während der Rotphase allenfalls Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen (vgl. Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 10 m. w. N.).
d) Keine Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Frage zu, dass das Fahrzeug der Unfallforschung der MHH tatsächlich mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgerüstet war. Die Erteilung der dafür erforderlichen Ausnahmegenehmigung steht der zuständigen Behörde gemäß § 70 StVZO i. V. m. § 52 StVZO nach Ermessensgebrauch zu (dazu näher OVG Nordrhein-Westfalen, NZV 2000, 514). In diesem Rahmen mag aus verwaltungsrechtlicher Sicht Gewicht (gehabt) haben, dass generell nicht auszuschließen ist, dass in Ausnahmefällen auch einmal ein Fahrzeug der Unfallforschung bzw. das in ihm zum Unfallort transportierte (allerdings für derartige Maßnahmen in der Regel kaum fachkundige und angemessen qualifizierte) Personal tätig werden könnte, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Ob die seitens der zuständigen Behörde insoweit für die Fahrzeuge der Unfallforschung der MHH wohl erteilten Ausnahmegenehmigungen gem. § 70 StVZO möglicherweise auf unzureichenden Erwägungen beruhen, weil im Rahmen der Ermessensentscheidung (zu den Abwägungsgesichtspunkten im Einzelnen ebenfalls OVG Nordrhein-Westfalen, NZV 2000, 514, insb. juris-Rdnr. 17 f.) die mit der Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung verbundenen erheblichen Gefahren für den allgemeinen Straßenverkehr besonders zu gewichten sind (wie gerade der vorliegende Fall veranschaulicht), hat der Senat indes nicht zu entscheiden.
e) Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze lässt sich nur eine Alleinhaftung der Beklagten rechtfertigen.
aa) Eine Mithaftung des Klägers wegen der sachverständig festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung (Kollisionsmindestgeschwindigkeit von 55 km/h) kommt nicht in Betracht, weil die Geschwindigkeitsüberschreitung für das Unfallgeschehen nicht nachweislich ursächlich gewesen ist. Ein Mitverschulden der Zeugin M. am Verkehrsunfall ist nicht festzustellen.
bb) Auf der anderen Seite ist zu Lasten des Beklagten zu 2 eine in Anbetracht der Verkehrssituation völlig unangemessene Fahrweise zu würdigen, die - auch in Übereinstimmung mit der Wertung im Urteil des OLG Celle vom 20. Juli 1989 (5 U 139/88) - die volle Einstandspflicht der Beklagten erfordert.
Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äußerster Vorsicht in den Kreuzungsbereich einzufahren (Schrittgeschwindigkeit), weil in beide Fahrtrichtungen - sowohl des Beklagten zu 2 als auch der Zeugin M. - nicht der jeweils heranfahrende Querverkehr wahrgenommen werden konnte (vgl. die Lichtbilder auf S. 3 des Sachverständigengutachtens W.). Die Zeugin M. konnte damit auch dann, wenn man unterstellt, dass sie das Martinshorn rechtzeitig gehört hat, nicht sehen, dass aus ihrer Richtung von links der Wagen der Unfallforschung herankam und trotz Rotlichts mit nahezu ungebremster Geschwindigkeit in die Kreuzung hineinfuhr. Andererseits hätte der Beklagte zu 2 in jedem Fall bedenken müssen, dass der Verkehr auf der bevorrechtigten G.-W.-Straße bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt und deshalb bei Missachtung des Rotlichts eine ganz erhebliche Unfallgefahr bestand.
cc) Da auf Seiten des Klägers kein Verschuldensbeitrag nachgewiesen ist, bliebe allein die Anrechnung der Betriebsgefahr für den Pkw zu diskutieren. Gegenüber dem leichtfertigen Fahrverhalten des Beklagten zu 2, durch das der Verkehrsunfall allein verschuldet und maßgeblich verursacht wurde, ist die Betriebsgefahr jedoch ohne erhebliches Gewicht und kann deshalb zurücktreten. Somit bleibt es bei der Haftung der Beklagten. Entsprechend ist die Klage und damit auch die Berufung begründet.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil es an den dazu erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO fehlt.