Das Verkehrslexikon
Verwaltungsgericht München Urteil vom 26.06.2009 - M 6a K 09.1375 - Zum Verbot zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nach Alkoholmissbrauch
VG München v. 26.06.2009: Zum Verbot zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nach Alkoholmissbrauch
Das Verwaltungsgericht München (Urteil vom 26.06.2009 - M 6a K 09.1375) hat entschieden:
Auch die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad rechtfertigt bei einer Blutalkoholkonzentration des Verkehrsteilnehmers von 1,6 Promille und mehr die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Deshalb muss die Fahrerlaubnisbehörde klären, ob zu erwarten sei, dass der Betroffene auch zukünftig ein Kraftfahrzeug oder ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Ebenso besteht Anlass zur Klärung der Frage, ob der bisherige Alkoholkonsum des Betroffenen bereits zu Beeinträchtigungen geführt hat, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs bzw. eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs in Frage stellen würden. Als notwendige Grundlage für die Entscheidungsfindung hat die Behörde zudem auch zu klären, ob durch Erlass von Beschränkungen bzw. Auflagen von der Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsgrund abgesehen werden könne.
Siehe auch Alkoholproblematik und MPU-Anordnung bei Radfahrern und Alkoholproblematik bei Radfahrern und Fahrerlaubniskonsequenzen
Tatbestand:
Der 1958 geborene Kläger erhielt 1976 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts A... vom ... Januar 2007 (rechtskräftig hinsichtlich des Schuldspruchs seit .... 2. 2007) wurde gegen den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt. Nach den Feststellungen im Strafbefehl hatte der Kläger am ... Oktober 2006 um 19.05 Uhr ein Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr geführt, obwohl er in Folge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen war. Die um 20.21 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰.
Aufgrund dieser Trunkenheitsfahrt forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 9. Juli 2007 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen spätestens innerhalb von drei Monaten ab Zustellung der Anordnung beizubringen. Das Gutachten sollte zu folgender Frage Stellung nehmen:
„Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug und ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und / oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs und eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs in Frage stellen? Kann ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug nur unter bestimmten Beschränkungen bzw. Auflagen geführt werden“.
Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass im Falle einer Weigerung, sich begutachten zu lassen bzw. bei nicht fristgerechter Beibringung des geforderten Gutachtens auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geschlossen werden könne und ihm dann das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen untersagt sowie die Fahrerlaubnis entzogen werde.
Der Kläger erklärte sich zunächst bereit, die geforderte Begutachtung beim TÜV ... in A... durchführen zu lassen.
Das Medizinisch - Psychologische Institut des TÜV ... sandte die zur Verfügung gestellten Fahrerlaubnisunterlagen am ... Oktober 2007 wieder an die Beklagte zurück.
Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2007, dass sich der Kläger nunmehr von dem ... Institut ... (...) in A... begutachten lassen wolle. Er bat um Übersendung der Akten sowie um Fristverlängerung.
Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 ab und hörte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an.
Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 10. März 2008 entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis aller Klassen. Sie untersagte ihm darüber hinaus, Fahrzeuge aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen. Der Kläger wurde aufgefordert, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzugeben. Für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe wurde ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000,00 angedroht.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe das geforderte Gutachten nicht beigebracht. Die Beklagte sei daher berechtigt, auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen und fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu schließen und habe ihm daher die Fahrerlaubnis zu entziehen sowie das Führen von Fahrzeugen aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu untersagen. Angesichts der sehr hohen Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 ‰ und der vom Kläger verweigerten Aufklärung der bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung könne den vom Kläger ausgehenden großen Gefahren für den Straßenverkehr nur mit der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie der Untersagung des Führens von Fahrzeugen aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund begegnet werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 25. März 2008 Widerspruch.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erhielt der Kläger mit Schreiben vom 20. Mai 2008 erneut die Möglichkeit, die Zweifel an seiner Fahreignung durch Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung und Vorlage eines entsprechenden Gutachtens auszuräumen. Insoweit wurde eine Frist von drei Monaten eingeräumt.
Der Kläger erklärte sich hierzu bereit, bat jedoch mit Schreiben vom 24. Juli 2008 um eine Fristverlängerung, die ihm auch bis zum 20. September 2009 gewährt wurde.
Am 12. September 2008 wurde erneut um eine Fristverlängerung bis 6. Oktober 2008 gebeten. Auch dieser Bitte wurde entsprochen.
Der Bevollmächtigte teilte am 6. Oktober 2008 der Beklagten mit, dass sich der Kläger am ... Oktober 2008 der Begutachtung unterzogen habe.
Am ... Oktober 2008 sandte die ... Untersuchung GmbH die Unterlagen an die Beklagte zurück.
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 aufgefordert, das Gutachten bis zum 20. November 2008 vorzulegen.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Führerscheinakte des Klägers der Regierung ... zur Entscheidung über den Widerspruch vorlegen werde, wenn das Gutachten nicht bis zum 9. Januar 2009 vorgelegt worden sei.
Die Regierung ... wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2009 (zugestellt am 6. März 2009) zurück.
Am 1. April 2009 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage und stellte weiterhin einen Antrag gemäß § 80 VwGO (...)
Diesen nicht begründeten Antrag nahm er am 18. Mai 2009 zurück.
Zur Begründung der Klage führte er mit Schriftsatz vom 3. Juni 2009 aus, dass der Kläger am ... 0ktober 2006 um 19.05 Uhr von Polizeibeamten im alkoholisierten Zustand auf dem Fahrrad angetroffen worden sei. Die Blutentnahme, bei der eine Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ festgestellt worden sei, sei erst um 20.26 Uhr erfolgt. Bei der Beschuldigtenvernehmung habe der Kläger die Aussage verweigert. Das Strafgericht hätte zu Gunsten des Klägers davon ausgehen müssen, dass die Tatzeit nur kurze Zeit nach dem tatsächlichen Trinkende gewesen sei. Es sei damit nicht auszuschließen, dass die Entnahme der Blutprobe in die Anstiegsphase der Blutalkoholkurve gefallen sei. Der statistisch höchst mögliche Abbauwert sei zu Grunde zu legen, so dass zu Gunsten des Klägers von einem Alkoholwert zwischen 1,21 und 1,41 ‰ zum Tatzeitpunkt auszugehen sei.
Damit sei die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch - psychologischen Gutachtens rechtswidrig gewesen.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 22. Juni 2009,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf die Rechtskraft der Entscheidung des Strafgerichts verwiesen. Da der Kläger die ihm zustehenden Rechtsbehelfe im Strafverfahren nicht ergriffen habe, müsse er den der strafgerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt gegen sich gelten lassen und könne insoweit keine Einwendungen mehr im Verwaltungsverfahren vorbringen.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2009 wiederholten die Beteiligten ihre bereits schriftsätzlich gestellten Anträge.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 5. März 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung - FeV - hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. § 3 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) bestimmt, dass die Straßenverkehrsbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen hat, wenn jemand sich als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist.
§ 3 Abs. 2 FeV verweist für den Fall des Bestehens von Eignungszweifeln auf die Bestimmungen der §§ 11 bis 14 FeV. Die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich bezüglich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten, nämlich nach § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 4 StVG und § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 1 FeV. Dies erscheint auch sachgerecht, denn es geht beim Führen fahrerlaubnisfreier wie beim Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge um eine Teilnahme am Straßenverkehr und die dafür erforderliche Umsicht, Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit. Das Gefährdungspotential, welches hierbei, etwa durch unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten auf der Fahrbahn, von dem ungeeigneten Fahrer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs (Mofa, Fahrrad etc.) ausgehen kann, rechtfertigt es, an die Fahreignung diesen Maßstab anzulegen (vgl. BayVGH vom 27.3.2006, 11 C 05.3297).
Nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 1 FeV sind die notwendigen Voraussetzungen zum Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel im Sinne der Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt, durch den die Fahreignung ausgeschlossen wird.
In Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV wird bezüglich Alkohol ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1) und bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3) grundsätzlich nicht besteht. Von Alkoholmissbrauch wird in diesem Zusammenhang immer dann gesprochen, wenn ein Bewerber oder Inhaber einer Fahrerlaubnis das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits abhängig zu sein. Als alkoholabhängig wird in der Regel bezeichnet, wer die Kriterien der diagnostischen Leitlinien der Alkoholabhängigkeit nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 erfüllt.
Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Bergisch Gladbach im Februar 2000) können nach erfolgtem Alkoholmissbrauch die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen dann als wiederhergestellt gelten, das heißt es muss nicht mehr mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit mit einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gerechnet werden, wenn zum einen das Trinkverhalten ausreichend geändert wurde. Dies ist der Fall, wenn Alkohol nur noch kontrolliert getrunken wird, so dass Trinken und Fahren zuverlässig getrennt werden können, oder wenn Alkoholabstinenz eingehalten wird. Letzteres wird dann gefordert, wenn aufgrund der Lerngeschichte anzunehmen ist, dass sich ein konsequenter kontrollierter Umgang mit alkoholischen Getränken nicht erreichen lässt (Nr. 3.11.1). Zum anderen muss die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol stabil und motivational gefestigt sein. Gleiches bestätigt im wesentlichen Anlage 4 zur FeV, die nach Beendigung des Alkoholmissbrauchs fordert, dass die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2). Zur Feststellung dieser Frage ist eine psychologische Bewertung erforderlich, der somit bei der Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Alkoholmissbrauch entscheidende Bedeutung zukommt.
Waren die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholabhängigkeit, bei der die Fähigkeit zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen generell aufgehoben ist, nicht gegeben, so können sie nach den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass dauerhafte Abstinenz besteht. Hierzu ist in der Regel eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit anschließend mindestens einjähriger Abstinenz erforderlich, die mittels regelmäßiger ärztlicher Untersuchungen und Labordiagnostik nachgewiesen werden muss; weiterhin dürfen keine sonstigen eignungsrelevanten Mängel vorliegen. Diesbezüglich wird auch auf Anlage 4 Ziffer 8.4 zur FeV hingewiesen.
Angesichts dieser auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Bewertungen in Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ist jeder Hinweis auf möglichen Alkoholmissbrauch bzw. auf Alkoholabhängigkeit eines Fahrerlaubnisinhabers geeignet, Bedenken gegen seine Fahreignung zu begründen. Nach § 46 Abs. 3 FeV bzw. § 3 Abs. 2 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dann die in den §§ 11 bis 14 FeV geregelten Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. Unter anderem ist geregelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde ohne jeglichen Ermessensspielraum nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen hat, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat.
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gem. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (vgl. BVerwG vom 11.12.2008, 3 C 26/07).
Diese Voraussetzungen lagen im maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, d.h. dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vor.
Die der Untersagungsverfügung vom … März 2008 zugrunde liegende Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ist nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV zu Recht ohne jeglichen Ermessensspielraum mit Schreiben vom 9. Juli 2007 bzw. zusätzlich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgt, da der Kläger am … Oktober 2006 ein Fahrrad im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss geführt hatte.
Die eine Stunde und 21 Minuten nach Anhalten durch die Polizeibeamten erfolgte Blutentnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,61 Promille.
Diese Trunkenheitsfahrt liegt dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts A… vom … Januar 2007 zugrunde. Danach wurde der Kläger wegen eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig gesprochen.
Die erst in der Klagebegründung behaupteten Berechnungsfehler hinsichtlich des Blutalkoholwertes sind rechtlich nicht relevant.
Der Kläger hat hinsichtlich des Schuldspruchs im Strafbefehl des Amtsgerichts A… vom … Februar 2007 keine Rechtsmittel erhoben. Er hat weder im Strafverfahren noch im Verwaltungsverfahren vorgetragen, wann er zuletzt vor dem Anhalten durch die Polizeibeamten Alkohol zu sich genommen hat und welche Mengen er getrunken hat. Der Kläger beruft sich nur darauf, dass er bei der Beschuldigtenvernehmung die Aussage verweigert habe, jedoch das Strafgericht zu Gunsten des Klägers davon hätte ausgehen müssen, dass die Tatzeit nur kurze Zeit nach dem tatsächlichen Trinkende gewesen sei. Damit sei nicht auszuschließen, dass die Entnahme der Blutprobe in die Anstiegsphase der Blutalkoholkurve gefallen sei. Dadurch sei möglicherweise zu Gunsten des Klägers von einem niedrigeren Alkoholwert zum Tatzeitpunkt auszugehen.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Kraftfahrer in einem Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt gegen sich gelten lassen muss, sofern sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil ergeben (vgl. BVerwG vom 3.9.1992, 11 B 22/92, mit weiteren Hinweisen, OVG Brandenburg vom 31.1.2003, 4 B 10/03).
Der Kläger hat keinen einzigen konkreten Anhaltspunkt vorgetragen, der für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts sprechen könnte, so dass keine gegenteilige Beurteilung in Frage kommen kann. Vielmehr handelt es sich beim Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers um eine fiktive Unterstellung der vermeintlich zu Gunsten des Klägers nicht ausschließbaren Annahme eines Trinkendes unmittelbar vor der Polizeikontrolle und damit um reine Spekulation. Der Kläger zieht sich auf sein Aussageverweigerungsrecht zurück. Die Argumentation zeigt im Übrigen, dass der Kläger seinen massiven Alkoholkonsum bagatellisiert und keinerlei Einsicht in die Gefährlichkeit seiner alkoholisierten Teilnahme am Straßenverkehr hat.
Soweit der Kläger vorträgt, dass für die Tatzeit eine noch gegebene Alkoholanflutungswirkung nicht ausgeschlossen werden könnte, so hätte diese Annahme die gleiche Folge wie das Erreichen der Blutalkoholkonzentration von 1,61 Promille unter den günstigsten Umständen, nämlich nach Absinken der Wirkungsüberhöhung und inzwischen stattgefundener Erholung. Es macht keinen Unterschied, ob der Alkohol in der für die Frage des Erreichens der für die Anordnung einer medizinisch - psychologischen Untersuchung im Sinne der § 13 Nr. 2 c FeV entscheidenden Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ vor der Fahrt, während der Fahrt oder erst nach Beendigung der Fahrt in das Blut übergetreten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht sogar bei einem Schluss-Sturztrunk (entsprechend der Argumentation des Klägers eines denkbaren unmittelbaren Trinkendes vor der Tatzeit um 19.05 Uhr und einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ um 20.21 Uhr) absolute Fahruntüchtigkeit bereits dann, wenn der Fahrer eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer späteren Überschreitung der „absoluten“ Grenze führt (vom 19.8.71, 4 StR 574/70, vgl. auch Bayer. Oberstes Landesgericht vom 19.9.1972, RReg 2 St 28/72). Diese Rechtsprechung findet ihre Bestätigung in § 24 a Abs. 1 StVG (Fischer, Kommentar zum StGB, 55. Aufl., Rdnr. 29).
Im Übrigen sind die ersten beiden Stunden nach Trinkende grundsätzlich rückrechnungsfrei (vgl. LG Hamburg vom 13. 1. 2009, 603 Qs 10/09, Fischer a.a.O. Rdnr. 19 mit weiteren Nachweisen), d.h. wenn das nicht völlig auszuschließende Trinkende unmittelbar vor der Polizeikontrolle um 19.05 Uhr gelegen haben sollte, so verbietet sich eine Berechnung nach dem „statistisch höchstmöglichen Abbauwert“, wie der Bevollmächtigte des Klägers vorbringt. Damit ist die Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ auch für den Tatzeitpunkt anzunehmen.
Ein sogenannter „Nachtrunk“ nach Beendigung der Fahrt lag nachgewiesenermaßen nicht vor.
Die Beklagte, für die im Übrigen nicht - wie für das Strafgericht - der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt, musste angesichts der oben aufgeführten Gründe keine weiteren Ermittlungen zu einer bestimmten Blutalkoholkonzentration des Klägers zu einem bestimmten Zeitpunkt anstellen. Die Erwägungen des Bevollmächtigten des Klägers sind insoweit für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung im Sicherheitsrecht ohne Belang. Die Gutachtensanforderung dient nicht der Ahndung eines vorangegangenen Verkehrsverstoßes, sondern der Klärung von Eignungszweifeln und damit der Abwehr von Gefahren, die künftig durch die Teilnahme des Klägers am Straßenverkehr entstehen können. Die Beklagte konnte von der im rechtskräftigen Strafbefehl festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ ausgehen und hat damit zu Recht die Beibringung eines medizinisch - psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Nr. 2 lit. c FeV gefordert.
Ohne Bedeutung ist dabei, dass die Teilnahme am Straßenverkehr nicht mit einem Kraftfahrzeug, sondern mit einem Fahrrad erfolgt ist. Auch die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad rechtfertigt bei einer Blutalkoholkonzentration des Verkehrsteilnehmers von 1,6 Promille und mehr die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Fahrzeuge im Sinn des § 13 Nr. lit. c FeV sind nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern Fahrzeuge jeder Art (auch Fahrräder), die zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen und am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen (vgl. BVerwG vom 21.5.2008 DAR 2008, 537-540; BayVGH vom 20.1.2004, 11 CS 03.3063 m.w.N.; VG München vom 20.2.2009, M 6a K 08.2422; Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl., Erläuterung Nr. 3 c zu § 13 FeV m.w.N.).
Rechtsgrundlage für die Gutachtensanforderung ist damit § 13 Nr. 2 lit. c FeV. Dabei ist auch die Fragestellung für die Gutachtensanforderung nicht zu beanstanden. Der Kläger hat am … Oktober 2006 zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad und dem Konsum von Alkohol nicht trennen können und damit „unkontrolliert“ Alkohol konsumiert. Deshalb hatte die Fahrerlaubnisbehörde hinreichend Anlass, zu klären, ob zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug oder ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Ebenso bestand Anlass zur Klärung der Frage, ob der bisherige Alkoholkonsum des Klägers bereits zu Beeinträchtigungen geführt hat, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs bzw. eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs in Frage stellen würden. Als notwendige Grundlage für die Entscheidungsfindung hatte die Beklagte zudem auch zu klären, ob durch Erlass von Beschränkungen bzw. Auflagen von der Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsgrund abgesehen werden könne. Die Fragestellung ist daher in keinem Punkt zu beanstanden.
An der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV bestehen somit keinerlei Zweifel.
Unabhängig hiervon wäre es auch für die Frage einer bestehenden Alkoholproblematik beim Kläger unerheblich, ob der Wert einer Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ bei der Trunkenheitsfahrt selbst nicht erreicht würde. Es besteht der Verdacht eines Alkoholmissbrauchs auch und gerade in den Fällen, in denen der Betreffende bei der Trunkenheitsfahrt „nur" eine unter 1,6 ‰ liegende Blutalkoholkonzentration an Restalkohol aufwies (VG Gelsenkirchen vom 20.1.2009, 7 L 1572/08), so dass sich eine Gutachtensanforderung letztlich auch auf § 13 Nr. 2 lit. a, 2. Alternative FeV hätte stützen lassen.
Auch insoweit handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die der Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessen lässt. Es wäre damit auch unschädlich, dass die Beklagte die Vorlage des medizinisch - psychologischen Gutachtens auf der Grundlage des § 13 Nr. 2 lit. c FeV gefordert hat.
Die Eignung des Klägers für das Führen von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauchs ist zu verneinen, wenn nach der zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad die Gefahr besteht, dass er künftig auch ein Kraftfahrzeug unter unzulässigem Alkoholeinfluss führen wird. Dies ist nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung dann anzunehmen, wenn er zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholgenuss nicht hinreichend sicher trennen kann. Wird beim Betroffenen ein chronisch überhöhter Alkoholkonsum und eine damit einhergehende Alkoholgewöhnung und die Unfähigkeit zu einer realistischen Einschätzung des eigenen Alkoholpegels sowie der daraus bei einer Teilnahme am Straßenverkehr drohenden Gefahren festgestellt, setzt die Bejahung der Kraftfahreignung regelmäßig eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus. Dies ist Nr. 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zu entnehmen, die auf die Beendigung des (Alkohol-)Missbrauchs und damit auf das Entfallen der sich aus dem mangelnden Trennungsvermögen ergebenden Gefahren abstellt. Sie setzt hierfür eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens voraus.
Es deutet auf ein hohes Maß an Alkoholgewöhnung hin, wenn ein Verkehrsteilnehmer noch in der Lage ist, trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ noch Fahrrad zu fahren. Dieser Wert wird nur von Personen erreicht, die Alkohol über viele Jahre hinweg in großer Menge zu sich genommen haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1988 ( Az. 7 C 46/87) unter Hinweis auf die Ergebnisse verkehrsmedizinischer Untersuchungen ausgeführt, dass ein Geselligkeitstrinker alkoholische Getränke allenfalls bis zu einem Blutalkoholgehalt von 1 ‰ oder maximal 1,3 ‰ zu sich nehmen kann, während Personen, die Blutalkoholwerte über ca. 1,6 ‰ erreichen, regelmäßig bereits an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leiden. Schon Blutalkoholkonzentrationswerte von über 1,3 ‰ sind mit einem sozial adäquaten Trinkverhalten deshalb keinesfalls mehr zu vereinbaren. Sie setzen eine durch den häufigen Genuss großer Alkoholmengen erworbene gesteigerte Alkoholverträglichkeit voraus. Die Höhe der beim Kläger gemessenen Blutalkoholkonzentration lässt damit den Schluss zu, dass er über eine abnorme Trinkfestigkeit verfügt, die sich nur entweder durch häufige Alkoholexzesse oder durch regelmäßig überhöhten Alkoholkonsum heranbildet.
Das damit zu Recht angeforderte Gutachten hat der Kläger nicht innerhalb der ihm gesetzten ausreichend bemessenen Frist vorgelegt.
Der Kläger hatte hinreichend Gelegenheit zur Beibringung des zu Recht geforderten Gutachtens.
Die erste Aufforderung der Beklagten zur Begutachtung erfolgte mit Schreiben vom 9. Juli 2007. Der Kläger erklärte sich auch zunächst bereit, die geforderte Begutachtung beim TÜV … in A… durchführen zu lassen. Jedoch sandte das Medizinisch - Psychologische Institut des TÜV … die zur Verfügung gestellten Fahrerlaubnisunterlagen am … Oktober 2007 wieder an die Beklagte zurück. Letztlich kann dahinstehen, ob der Kläger die Begutachtung durchführen ließ. Er legte jedenfalls kein Gutachten vor.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erhielt der Kläger mit Schreiben vom 20. Mai 2008 erneut die Möglichkeit, die Zweifel an seiner Fahreignung durch Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung und Vorlage eines entsprechenden Gutachtens auszuräumen. Insoweit wurde eine Frist von drei Monaten eingeräumt. Nach mehreren Fristverlängerungen teilte der Bevollmächtigte des Klägers am 6. Oktober 2008 der Beklagten mit, dass sich der Kläger am … Oktober 2008 der Begutachtung unterzogen habe. Da das Gutachten offensichtlich für den Kläger nicht positiv ausfiel, sandte die Begutachtungsstelle … Untersuchung GmbH am … Oktober 2008 die Unterlagen an die Beklagte zurück.
Die Fahrerlaubnisbehörde konnte gemäß § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und hatte ihm zwingend, d.h. ohne dass diesbezüglich ein Ermessen auszuüben war, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV wegen Nichteignung die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Beklagte konnte im Hinblick auf das gesamte Verhalten des Klägers im Verwaltungsverfahren zu Recht davon ausgehen, dass sich der Kläger der Begutachtung nicht unterziehen wolle bzw. das erstellte Gutachten nicht vorlegen wollte, weil er einen Eignungsmangel verbergen möchte (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdnr. 22 zu § 11 FeV). Darauf war der Kläger auch hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Ebenso durfte die Fahrerlaubnisbehörde gemäß §§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Fahrzeugen aller Art schließen und hatte zwingend, d.h. ohne dass diesbezüglich ein Ermessen auszuüben war, die in § 3 Abs. 1 FeV genannte Schlussfolgerung zu ziehen. Auch darauf war der Kläger zuvor hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Hierbei steht der Behörde grundsätzlich ein Auswahlermessen zu, nämlich das Führen von Fahrzeugen vollständig zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Im Fall des Klägers war dieses Auswahlermessen jedoch - wie von der Beklagten im Bescheid vom 10. März 2008 ausgeführt - aufgrund der Tatsache, dass der Kläger im Straßenverkehr mit einer sehr hohen Blutalkoholkonzentration ein Fahrrad unter Alkoholeinfluss geführt hat und sich einer Sachverhaltsaufklärung verweigert hat, auf Null reduziert. Die Beklagte führte hierzu zutreffend aus, dass durch die Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad und der vom Kläger gezeigten Uneinsichtigkeit nur ein unmittelbarer Ausschluss von der Verkehrsteilnahme gerechtfertigt war.
Dem Kläger wurde damit zu Recht auch untersagt, Fahrzeuge aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen.
Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot kann darin nicht gesehen werden, zumal nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Untersagung ohne Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit zeitlich, sachlich oder örtlich beschränkt werden könnte.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- in Verbindung mit dem Streitwertkatalog).