- Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs verstößt nicht gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
- Beschränkt sich der Fahrzeughalter darauf, den Vorwurf zu bestreiten und geltend zu machen, dass das Foto nicht deutlich genug sei, und macht er im Gegenteil keine Angaben dazu, ob der das Fahrzeug in dem maßgeblichen Zeitraum verliehen hat oder wem er das Fahrzeug regelmäßig oder gelegentlich überlässt, ist die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage auch dann gerechtfertigt, wenn der Anhörungsbogen dem Betroffenen erst nach Ablauf von zwei Wochen nach dem Vorfall zugegangen ist.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.
1. Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an rascher Durchsetzung der Fahrtenbuchauflage fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen seiner Interessenabwägung davon ausgegangen, dass sich die angegriffene Fahrtenbuchauflage bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist. Das stellt die Beschwerdebegründung nicht durchgreifend in Frage.
a) Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil der Antragsteller erst mehr als zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß vom 27. März 2010 mit Anhörung vom 12. April 2010 von diesem in Kenntnis gesetzt wurde.
Die Feststellung des Fahrzeugführers ist im Sinne des § 31 a Abs. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Ungeachtet dessen bleibt es jedoch Sache des Fahrzeughalters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dabei obliegt es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreise der Nutzungsberechtigten fördert.Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. April 1999 8 A 699/97 -, S. 13, insoweit in NJW 1999, 3279, nicht abgedruckt, und vom 30. November 2005 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193.Verzögerungen bei der Anhörung des Fahrzeughalters stehen der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage dann nicht entgegen, wenn sie für die Erfolglosigkeit der Ermittlung des Fahrers nicht ursächlich geworden sind.Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 8 A 280/05 -, NWVBl. 2006, 193.Das gilt namentlich für Fälle, in denen erkennbar ist, dass auch eine frühere Unterrichtung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Lehnt dieser die ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 7 C 3.80 -, BayVBl. 1983, 310, Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104, und vom 9. Dezember 1993 11 B 113.93 -, [...]; OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 8 A 699/97 -.Gemessen hieran liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit nicht vor.
Der Antragsteller hat nicht zureichend an der Aufklärung mitgewirkt. Er hat sich darauf beschränkt, den Verstoß zu bestreiten, und darauf hinzuweisen, dass das Foto nicht deutlich genug sei. Er hat weder geltend gemacht, dass er das Fahrzeug in dem betroffenen Zeitraum verliehen habe, noch Angaben dazu gemacht, wem er das Fahrzeug - regelmäßig oder gelegentlich - überlassen haben könnte. Dass er sich aufgrund des zwischen dem Tattag und dem Zugang des Anhörungsschreibens vergangenen Zeitraums von nur unwesentlich mehr als zwei Wochen an nichts mehr erinnern kann, liegt fern. Im Übrigen hat er sich im Verwaltungsverfahren auf fehlende Erinnerung ebenfalls nicht berufen. Ebenso wenig ist dem Vorbringen des Antragstellers zu entnehmen, dass und ggf. wie er die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigen gefördert hätte. Da sich der Ordnungswidrigkeitenbehörde aufgrund seiner Angaben kein Ermittlungsansatz bot, war die Täterfeststellung i.S.d. § 31a Abs. 1 StVZO unmöglich.
Ohne Erfolg bleibt die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm "überinterpretiert". Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine Fahrtenbuchauflage angeordnet werden kann, wenn die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht möglich ist, entspricht dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Ein Verschulden des Fahrzeughalters in Bezug auf den ausgebliebenen Ermittlungserfolg ist nicht erforderlich.
Auch der Einwand, dass der Anhörungsbogen die vom Verwaltungsgericht als geboten angesehenen Angaben zum Kreis der möglichen Fahrzeugnutzer nicht vorsehe, greift nicht durch. Mit dem Anhörungsbogen vom 12. April 2010 ist der Antragsteller nicht nur als Betroffener, sondern - für den Fall, dass er die Ordnungswidrigkeit nicht selbst begangen hat - zugleich auch als Zeuge befragt worden. Die Zeugenanhörung ist - ohne dass dies einer ausdrücklichen Formulierung bedürfte - bei verständiger Würdigung auf die Beantwortung der Frage gerichtet, ob der Zeuge sachdienliche Angaben machen kann, die zur Feststellung des Fahrzeugführers führen können. Damit wurde der Antragsteller entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht aufgefordert, sich als "Detektiv/Kriminalpolizist" oder als "Denunziant" zu betätigen. Er hätte lediglich, wenn kein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht bestand, wahrheitsgemäße Angaben zu den in sein Wissen gestellten Tatsachen machen müssen.
Der Antragsteller ist mit dem Anhörungsbogen auch darüber informiert worden, dass dem Halter eines Kfz bei Verkehrsverstößen die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden kann, wenn nicht festgestellt werden kann, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat. Eine - zusätzliche - vorherige Androhung setzt der Wortlaut der Vorschrift nicht voraus und ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht erforderlich.
b) Die Rüge, die Fahrtenbuchanordnung verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist unbegründet.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Ferner hat er organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, die der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken.Vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, BVerfGE 65, 1, und Kammerbeschluss vom 5. Juli 2010 - 2 BvR 759/10 -, NJW 2010, 2717.Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist berührt. Die Fahrtenbuchanordnung nach § 31a StVZO verpflichtet den Fahrzeughalter oder seinen Beauftragten nicht nur, für jede Fahrt mit dem betroffenen Fahrzeug den Namen, Vornamen und die Anschrift des Fahrzeugführers sowie Datum und Uhrzeit von Fahrtbeginn und Fahrtbeendigung einzutragen (Abs. 2), sondern auch, das Fahrtenbuch der Behörde auf Verlangen vorzuzeigen (Abs. 3). Die aufgrund von § 31a Abs. 3 StVZO erfolgende Einschränkung des Grundrechts wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Die in dem Fahrtenbuch vom Fahrzeughalter selbst gesammelten und verwahrten Daten muss dieser nur auf Verlangen der Behörde vorlegen. Die Vorlage dient entweder dem Nachweis der ordnungsgemäßen Führung des Fahrtenbuchs, wobei die Daten aber von der Behörde nicht gespeichert werden, oder der Ermittlung des Fahrers, wenn während der Zeitdauer, für die die Führung des Fahrtenbuchs angeordnet ist, ein weiterer Verkehrsverstoß mit dem Fahrzeug begangen worden ist. Dieser Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist im Interesse eines überwiegenden Allgemeininteresses, nämlich im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer, gerechtfertigt.Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 31. März 2010 3 B 3/10 -, [...] Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 23. Februar 2009 - 11 CS 08.2948 -, [...] Rn. 15.c) Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs ist nicht unverhältnismäßig.
Zu Recht verweist das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats, der für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage und für die Einstufung der Schwere eines Verkehrsverstoßes auf das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung zurückgreift. Der hier in Rede stehende Verkehrsverstoß - Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage - hätte die Eintragung von vier Punkten im Verkehrszentralregister und darüber hinaus ein Fahrverbot zur Folge gehabt. Angesichts der daraus ersichtlichen Schwere des Verstoßes erweist sich die vom Gericht nur nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO zu überprüfende Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin nicht als unverhältnismäßig. Die Ermessenspraxis der Antragsgegnerin, bei der Festlegung der Dauer der Fahrtenbuchauflage die einzutragende Punktzahl und - zusätzlich - das Fahrverbot mit jeweils 6 Monaten zu berücksichtigten, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin konnte das Fahrverbot als weiteren Beleg für die Schwere des begangenen Verkehrsdelikts heranziehen. Denn von den mit vier Punkten im Verkehrszentralregister einzutragenden Verkehrsdelikten werden nur die aus der Sicht des Verordnungsgebers schwerer wiegenden auch mit einem Fahrverbot geahndet.Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Dezember 2007 - 8 A 2463/07 -, vom 15. Oktober 2009 - 8 B 1432/09 - und vom 10. November 2010 - 8 A 1978/10 -.Darauf, dass andere Behörden bei ähnlichen Verstößen Fahrtenbuchauflagen von geringerer Dauer angeordnet haben und der Senat diese als ermessensfehlerfrei beurteilt hat, kann sich der Antragsteller nicht berufen. Nach § 114 Satz 1 VwGO hat das Gericht nur zu prüfen, ob das Ermessen, das das Gesetz der Behörde einräumt, fehlerhaft ausgeübt worden ist. Die Feststellung in einer gerichtlichen Entscheidung, die Dauer einer konkreten Fahrtenbuchauflage sei nicht unverhältnismäßig, enthält deshalb keine Aussage dazu, ob nicht auch eine längere Dauer der Fahrtenbuchanordnung verhältnismäßig wäre.
Die mit der Führung des Fahrtenbuchs verbundene, geringfügige Belastung des Antragstellers steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Anordnung verfolgten Zweck, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben.Vgl. m.w.N. OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 8 B 1042/07 -, NZV 2008, 52.2. Soweit die Beschwerde die Gebührenfestsetzung betrifft, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525 = NVwZ 2004, 1327) für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400,00 € zu Grunde und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich ergebenden Gesamtbetrages fest. Zusätzlich ist die Gebührenfestsetzung mit einem Viertel des festgesetzten Betrages zu berücksichtigen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO; 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).