Wird ein Navigationsgerät, das auch aktuell noch einen Wert von mehreren hundert Euro hat, über Nacht gut sichtbar im PKW belassen und ist dieser frei zugänglich abgestellt, so ist darin eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße zu sehen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es die Diebstahlsgefahr erheblich erhöht, wenn Wertgegenstände gut sichtbar in einem PKW belassen werden. Bei der Entwendung eines derart verwahrten Navigationsgerätes ist der Kaskoversicherer wegen grober Fahrlässigkeit bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei.
Siehe auch Navigationsgerät und Fahrzeugversicherung und <Versicherungsthemen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines bei der Beklagten auch teilkasko-versicherten PKW. In der Zeit vom 24.5.2005, 18.:15 Uhr und 25.5.2005, 9:00 Uhr wurde der PKW auf einem Stellplatz des Hauses ... in ... aufgebrochen; entwendet wurde u. a. ein Navigationsgerät Medion MD 40600, das die Klägerin am 13.11.2003 zu Preis von 499 Euro erworben hatte. Das Gerät, ein Pocket-PC mit GPS-Antenne und spezieller Navigationssoftware, war mittels einer Halterung im PKW befestigt; entwendet wurde das Gerät ohne diese Halterung.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage den mit 390 Euro bezifferten Zeitwert des Gerätes sowie nicht anrechenbare vorprozessuale Anwaltskosten von 40,72 Euro geltend. Sie ist der Meinung, bei der Navigationsgerät handele es sich um ein mitversichertes Zubehörteil, das über die Halterung fest mit dem Fahrzeug verbunden sei. Insoweit unterscheide sich dieses Gerät nicht von "Quick-out" – Autoradios oder Mobiltelefonen. Da die Beklagte mit Schreiben vom 9.6.2005 die Regulierung endgültig verweigert habe, befinde sie sich seit diesem Zeitpunkt in Verzug.
Die Klägerin beantragt,die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 430,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.7.2005 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.Sie ist der Meinung, bei dem Navigationssystem handele es sich nicht um ein befestigtes Teil i. S. v. § 12 AKB. Dies ergebe sich schon daraus, dass es nur lose zwischen zwei Kunststoffbacken geklemmt werde; diese und ähnlich befestigte Mobiltelefone würden dementsprechend auch häufig bei Unfällen aus der Halterung fallen.
Selbst wenn es sich um ein befestigtes Teil handeln sollte, habe die Klägerin den Diebstahl aber grob fahrlässig verursacht, so dass die Beklagte von einer Leistungsverpflichtung frei sei. Das Belassen eines derart hochpreisigen, von außen gut sichtbaren Gerätes über Nacht auf einem frei zugänglichen Stellplatz stelle einen erheblichen Anreiz für Diebe dar. Diese zusätzliche Gefahr habe die Klägerin dadurch vermeiden können, dass sie das Gerät mit ins Haus nimmt oder unter dem Sitz versteckt.
Schließlich bestreitet die Beklagte die Höhe des Wiederbeschaffungswertes uns die Erforderlichkeit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes. Nach der Ablehnung der Regulierung betreffend dieses Gerät sei die vorgerichtliche Einschaltung eines Anwaltes nicht mehr sinnvoll gewesen und verstoße gegen die Schadensminderungspflicht.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil die Klägerin den Diebstahl grob fahrlässig ermöglicht hat, § 61 VVG.
Es kann dahinstehen, ob das fragliche Navigationsgerät ein befestigtes Zubehörteil i. S. v. § 12 Abs. 1 AKB darstellt. Selbst wenn dies anzunehmen wäre – wofür nach Auffassung des Gerichts einiges spricht – ist die Leistungsverpflichtung der Beklagten dadurch entfallen, dass die Klägerin das Gerät über Nacht im PKW belassen hat.
Wird ein Navigationsgerät, das auch aktuell noch einen Wert von mehreren hundert Euro hat, über Nacht gut sichtbar im PKW belassen und ist dieser frei zugänglich abgestellt, so ist darin eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße zu sehen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es die Diebstahlsgefahr erheblich erhöht, wenn Wertgegenstände gut sichtbar in einem PKW belassen werden. Dies gilt nicht nur für Urlaubsländer, in denen schon ein kurzfristiges Verlassen des Fahrzeugs in dieser Situation regelmäßig einen Aufbruch provoziert. Abhängig von der örtlichen Situation erhöht sich die Diebstahlsgefahr umso mehr, je länger das Fahrzeug unbeobachtet abgestellt ist. Wird ein Wertgegenstand über Nacht gut sichtbar im PKW belassen, und ist dieser nicht seinerseits – etwa in einer Garage – geschützt abgestellt, so ist offensichtlich, dass dies die Diebstahlsgefahr ganz erheblich erhöht. Dabei steigen die Anforderungen an die Absicherung auch mit dem Wert des Gegenstandes, der im PKW belassen wird, und der Leichtigkeit, mit der er herausgenommen werden kann. Während nach Erkenntnissen des Gerichts Autoradios inzwischen weniger Interesse finden, stellen selbst inzwischen erheblich im Anschaffungspreis gesunkene Mobiltelefone noch einen erheblichen Diebstahlsreiz dar, so dass die Belassung eines solchen Telefons im Fahrzeug zumindest über Nacht als grob fahrlässiges Verhalten eingestuft wird (so auch AG Kirchhain, Urteil vom 26.5.1993, 7 C 164/93; differenzierender OLG Frankfurt, Urteil vom 16.12.1993, 1 U 29/92).
Bezüglich mobiler Navigationssysteme, die hierzu noch vergleichsweise teuer und selten sind, können daher keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Dies gilt umso mehr, als sich mobile Navigationssysteme mit einem Handgriff entfernen lassen und so klein sind, dass ihre Mitnahme kein Problem darstellt.
Da die Klägerin selbst eingeräumt hat, grundsätzlich das streitgegenständliche Navigationsgerät sonst auch über Nacht und jedenfalls bei längerer Abwesenheit aus der Halterung genommen und im Kofferraum aufbewahrt zu haben, ist sie sich dieser Anforderungen auch bewusst gewesen, so dass der Sorgfaltsverstoß auch subjektiv vorwerfbar ist.
Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO wird jedoch die Berufung zugelassen, da es sich vorliegend um einen Fall handelt, der angesichts der steigenden Verbreitung von mobilen Navigationssystemen und bislang fehlender obergerichtlicher Entscheidungen grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.