Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Urteil vom 23.01.2009 - 9 U 152/08 - Zur Haftungsverteilung bei Kollision eines vorbeifahrenden Fahrzeuges mit der geöffneten Tür eines abgestellten Pkw

OLG Hamm v. 23.01.2009: Zur Haftungsverteilung bei Kollision eines vorbeifahrenden Fahrzeuges mit der geöffneten Tür eines abgestellten Pkw


Das OLG Hamm (Urteil vom 23.01.2009 - 9 U 152/08) hat entschieden:
Der Verursachungsbeitrag desjenigen, der eine linke Fahrzeugtür zur Fahrbahn hin von innen öffnet, wiegt in der Regel doppelt so schwer wie der desjenigen, der mit etwas zu geringem Abstand an einem haltenden Fahrzeug vorbeifährt. Nur darauf, dass die linke Tür von innen ein wenig geöffnet wird, muss er sich einstellen, weil ein solches Fehlverhalten häufig vorkommt. Das gibt zugleich dem Verschulden des die Fahrzeugtür von außen Öffnenden, der freie Sicht hat, ein größeres Gewicht gegenüber dem desjenigen, der mit zu geringem Abstand vorbeifährt.


Siehe auch Seitenabstand und Türöffner-Unfälle


Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 II, 313 a I S. 1 ZPO)

I. Die Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil ist zum Oberlandesgericht gemäß § 119 I Ziffer 1. b) GVG zulässig, weil der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 3), die ihren Sitz in Frankreich und in Deutschland nur eine rechtlich unselbständige Niederlassung hat, im Ausland liegt. Dass Fragen des internationalen Privatrechts vorliegend keine Rolle spielen, ist für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nicht maßgebend, denn deren Anknüpfung daran, dass eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist formal zu verstehen; BGH, Urteil vom 19.7.2007, Az. VI ZB 3/07.

II. Auf die auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist die Klage abzuweisen, denn die mit ihr geltend gemachten, der Höhe nach unstreitigen Schadensersatzansprüche sind mit der vorgerichtlichen Zahlung i. H. v. 1.725,41 € erfüllt. Die Beklagten schuldeten der Klägerin nämlich aus dem Verkehrsunfall vom 22.10.2007 Schadenersatz dem Grunde nach nur in Höhe eines Drittels bzw. Schmerzensgeld nur unter Berücksichtigung eines mit zwei Dritteln zu gewichtenden Eigenverschuldens.

Das Amtsgericht hat die beiderseitigen Verursachungsbeiträge zu dem Verkehrsunfall gemäß §§ 17 I StVG, 254 BGB gleich gewichtet. Das entspricht nicht der Sach- und Rechtslage; vielmehr wiegt der Verursachungsbeitrag der Klägerin zu ihrem Schaden doppelt so schwer wie der der Beklagten. Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass grundsätzlich denjenigen, der unter Verstoß gegen § 14 I StVO die Fahrzeugtür öffnet und dadurch eine Kollision mit einem vorbeifahrenden Kraftfahrzeug verursacht, ein gegenüber diesem überwiegender Haftungsanteil trifft. Das sieht auch das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit dem dort zitierten Urteil des OLG München vom 24.11.2006. Entgegen seiner Auffassung begründet aber der vorliegende Sachverhalt davon keine Ausnahme und ist namentlich nicht dem der Entscheidung des OLG Hamm in NZV 2004, 408, die das Amtsgericht zur Stützung seiner Auffassung heranzieht, vergleichbar. In dessen Fall war die Fahrertür von innen bereits teilweise geöffnet worden, was für den vorbeifahrenden Fahrzeugführer eine gewisse Signalwirkung für das Bevorstehen einer weiteren - unachtsamen - Türöffnung begründet. Dem bloßen Stehen der Klägerin neben ihrem Fahrzeug kommt eine gleich hohe Signalwirkung nicht zu, vielmehr darf auch und gerade dann der Führer des vorbeifahrenden Fahrzeugs darauf vertrauen, dass die Tür nicht plötzlich weit geöffnet wird, weil - anders als der möglicherweise in seiner Sicht nach hinten behinderte Fahrzeuginsasse - die neben dem haltenden Kfz befindliche Person sein Herannahen durch bloße Blickwendung unschwer bemerken kann. Nur darauf, dass die linke Tür von innen ein wenig geöffnet wird, muss er sich einstellen, weil ein solches Fehlverhalten häufig vorkommt; BGH VersR 1981, 533. Das gibt zugleich dem Verschulden des die Fahrzeugtür von außen Öffnenden, der freie Sicht hat, ein größeres Gewicht gegenüber dem desjenigen, der mit zu geringem Abstand - wie hier der Beklagte zu 1) - vorbeifährt. Damit unterscheidet sich der streitgegenständliche Sachverhalt auch maßgeblich von dem der Entscheidung des OLG Bremen, NZV 2008, 575 zugrunde liegenden. Das OLG Bremen hat die ein Kind auf den Rücksitz ihres Pkw setzende Fahrzeugführerin mit einer Haftung von nur 20 % belastet, weil nach den unangefochtenen Feststellungen der Vorinstanz sie die Tür zunächst nur zu drei Vierteln geöffnet und sich während des Einsteigemanövers nochmals hinreichend vergewissert hatte, dass sich kein rückwärtiger Verkehr näherte.

Dass dagegen die Klägerin die Fondtür weit und für den Beklagten plötzlich geöffnet hat, ergibt sich mit der Wirkung des § 314 ZPO aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, nach welchem unstreitig die Tür im Öffnungsvorgang zunächst gegen den rechten Kotflügel des Beklagtenfahrzeugs stieß und sodann die linke (öffnende) Hand der Klägerin zwischen dessen Außenspiegel und der Tür eingeklemmt wurde. Ihr schriftsätzlicher Vortrag, wonach zwischen dem Öffnen und dem Anstoß noch Zeit gewesen wäre, die linke Hand nach innen an den B-Holm umzulegen, ist damit überholt und zweitinstanzlich gemäß § 529 I ZPO präkludiert. Eine die Zulassung gemäß § 531 II ZPO gebietende Ausnahme liegt nicht vor.

Dass bei dieser Rechtslage kein Anspruch auf Freistellung weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht, folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 3) die vorgerichtlichen Kosten nach einem Wert von 1.725,41 € bezahlt hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Sie ist im Tenor dieses Urteils im Wege der Berichtigung nach § 319 ZPO nachgeholt, nachdem sie bei der Urteilsverkündung nur versehentlich unterblieben ist; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. Rz. 10 zu § 319.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.



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