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OLG Hamm Urteil vom 20.08.1999 - 9 U 9/99 - Zur Haftung von Fahrgast und Taxifahrer beim Türöffnen und Kollision mit Radfahrer
OLG Hamm v. 20.08.1999: Zur Haftung von Fahrgast und Taxifahrer beim Türöffnen und Kollision mit Radfahrer
Das OLG Hamm (Urteil vom 20.08.1999 - 9 U 9/99) hat entschieden:
Öffnet der Fahrgast eines Taxis zum Aussteigen die rechte Fahrzeugtür unachtsam, so haftet er einem vorschriftsmäßig rechts überholenden Radfahrer für den Schaden, den dieser bei einem Aufprall auf die Fahrzeugtür erleidet.
Eine deliktische Haftung des Taxi-Fahrers tritt in solchen Fällen regelmäßig nicht ein, wohl aber greift die Gefährdungshaftung ein.
Siehe auch Türöffnerunfälle und Haftung bei einem Taxi-Fahrgast bzw. Beifahrer, der eine Fahrzeugtür öffnet
Gründe:
(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)
A.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin auf Grund eines Unfalls vom 16.08.1997. An diesem Tag befuhr das Taxi des Beklagten zu 2.), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 3.) die Q-Gasse in N in Richtung E-Platz. In dem Taxi befand sich auf dem rechten vorderen Beifahrersitz die Beklagte zu 1.) als Fahrgast. Kurz vor dem Erreichen des Parkplatzes kam es zu einem Stau. Da die Beklagte zu 1.), die erstmalig in N war und die örtlichen Verhältnisse nicht kannte, eilig zu einem Prüfungstermin im Bereich des E-Platzes musste, zahlte sie die Taxifahrt und öffnete die Tür, um auszusteigen. In diesem Moment näherte sich die Klägerin mit ihrem Fahrrad, die an dem im Stau stehenden PKW auf der Q-Gasse rechts vorbei fuhr. Sie prallte gegen die teilweise geöffnete Tür und stürzte. Dabei zog sie sich eine schwere Kontusion des linkes Kniegelenkes mit lateraler Schienbeinkopffraktur, eine Senkung der Gelenkfläche und einen Gelenkerguss zu. Wegen dieser Verletzungen wurde sie zunächst im Evangelischen Krankenhaus N bis zum 23.09.1997 stationär behandelt und sodann drei Wochen nach Hause entlassen, wobei sie in dieser Zeit auf einen Rollstuhl angewiesen war. Es schloss sich eine weitere stationäre Behandlung in der E-Klinik in J bis zum 25.11.1997 an. Schließlich wurde sie ein weiteres Mal stationär in der Zeit vom 10.02.1999 bis zu 18.02.1999 zur Metallentfernung behandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die ärztlichen Berichte des EVK N und der E-Klinik vom 19.01.1997 und vom 02.01.1998 Bezug genommen.
Die Klägerin hat einen materiellen Schaden in Höhe von 133,50 DM nebst Zinsen, ein Schmerzensgeld in einer Begehrungsvorstellung vom 25.000,- nebst Rechtshängigkeitszinsen und Feststellung der vollen Eintrittspflicht der Beklagten geltend gemacht. Nachdem die hinter der Beklagten zu 1.) stehende private Haftpflichtversicherung nach Rechtshängigkeit, nämlich am 08.05.1998, auf den materiellen Schaden 66,73 DM und auf den immateriellen Schaden 7.500,– DM gezahlt hat, hat sie ihre Anträge entsprechend angepasst.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe zulässiger Weise rechts überholt. Der Unfall beruhe allein auf dem Verschulden der Beklagten zu 1.) und auch auf dem Verschulden des Beklagten zu 2.), der die Beklagte zu 1.) nicht auf die Gefahr des Öffnens der Tür hingewiesen und diese Handlung verhindert habe.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten.
Die Beklagte zu 1.) hat die Auffassung vertreten, mit der Zahlung von 50 % des anerkennungsfähigen Schadens seien die Ansprüche der Klägerin erfüllt. Die Beklagten zu 2.) und 3.) haben geltend gemacht, die Klägerin habe nicht an den im Stau stehenden Taxi vorbeifahren können, weil der nach rechts bestehende Abstand zu gering gewesen sei. Sie hätte im übrigen auch äußerst vorsichtig fahren müssen. Tatsächlich sei sie jedoch zu schnell gewesen und habe nicht hinreichen aufmerksam auf die Verkehrssituation geachtet. Außerdem sei der Beklagte zu 2.) nicht verpflichtet gewesen, den rückwertigen Verkehr zu beachten und seine Fahrgäste auf die Gefahren beim Türöffnen hinzuweisen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme, wegen deren Einzelheiten auf die Akte Bezug genommen wird, die Eintrittspflicht in Höhe von 50 % des der Klägerin entstandenen Schadens bejaht. Zum materiellen Schaden hat das Landgericht Kürzungen wegen ersparter Aufwendungen vorgenommen und ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung des genannten Mitverantwortungsanteils der Klägerin von 10.000,– DM zuerkannt. Es hat dazu die Auffassung vertreten, dass neben der Beklagten zu 1.) auch der Beklagte zu 2.) aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 14 StVO, 847 BGB hafte, weil er die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht als Taxifahrer verletzt habe, indem er die Beklagte zu 1.) nicht auf die besonderen Gefahren beim Aussteigen hingewiesen habe. Die Klägerin treffe jedoch ein Mitverschulden; sie habe zwar an der Fahrzeugkolonne rechts vorbeifahren dürfen, dies sei nach der Verkehrssituation jedoch mit weit überholter Geschwindigkeit erfolgt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren vollen materiellen Schaden geltend macht und ein Schmerzensgeld mit einer Gesamthöhe von 25.000,– DM verlangt.
Die Beklagten sind der Auffassung, die Berufung der Klägerin sei aus den Gründen des angefochtenen Urteils unbegründet, die Beklagten zu 2.) und 3.) greifen ihrerseits des angefochtene Urteil mit der Begründung an, dass zu ihren Lasten eine deliktische Haftung nicht in Betracht komme; jedenfalls überwiege aber das Eigenverschulden der Kläger derart, dass eine Verschuldenshaftung des Beklagten zu 2.) ausscheide.
B.
Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten zu 2.) und 3.) sind teilweise begründet.
Die Klägerin hat mit ihrem Rechtsmittel insoweit Erfolg, als sie von der Beklagten zu 1.) ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 15.000,– DM verlangen kann und ferner von den Beklagten von 1.) bis 3.) ihren materiellen Schaden abzüglich der erbrachten Zahlungen. Ferner ist der Feststellungsantrag hinsichtlich des materiellen Zukunftsschadens gegenüber der Beklagten zu 1.) bis 3.) begründet, hinsichtlich der immateriellen Zukunftsschäden nur gegenüber der Beklagten zu 1.).
Die Berufung der Beklagten zu 2.) und 3.) ist begründet, soweit sie die Zurückweisung ihrer Inanspruchnahme auf Zahlung eines Schmerzensgeldes im Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung begehren.
I.
Haftung der Beklagten zu 1.)
1. Die Beklagte zu 1.) hat für den Schaden der Klägerin gem. § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 14 StVO, §§ 847, 249 BGB einzustehen. Die Haftungsvoraussetzungen sind unstreitig. Indem die Beklagte zu 1.) die Beifahrertür des Taxi öffnete, ohne die ihr obliegenden Sorgfaltsanforderungen zu erfüllen, die in § 14 StVO als Schutzgesetz besonders normiert sind, hat sie die Klägerin rechtswidrig und schuldhaft verletzt.
Eine Minderung des Anspruchs wegen eines mitwirkenden Verschuldens der Klägerin kommt nicht in Betracht, da die Klägerin an der stehenden Fahrzeugkolonne vorbeifahren dürfte und sie dabei die nach den Umständen zu fordernde Sorgfalt beachtet hat.
a) Gem. § 5 Abs. 8 StVO dürfen Radfahrer und Mofafahrer Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen, wenn dafür ausreichender Raum vorhanden ist.
b) Diese Voraussetzungen eines erlaubten Vorbeifahrens waren gegeben.
aa) Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T im Rahmen des von ihm mündlich erstatteten verkehrsanalytischen Gutachtens steht fest, dass der Klägerin in Höhe des unfallbeteiligten Pkw ausreichend Platz zur Verfügung stand, an dem Fahrzeug vorbeizufahren. Wie der Sachverständige plausibel und nachvollziehbar erläutert hat, und wie sich aus der Skizze der von ihm erreichten Anlagen – 10 – ergibt, konnte die Klägerin mit einem Abstand von 20 cm an der Bordsteinkante entlang an dem Pkw vorbeifahren und behielt dabei noch einen hinreichenden Abstand, Schwingungen ihres Fahrrades von + - 20 cm nach jeder Seite ohne Kollision mit dem Fahrzeugkörper zu vollziehen. Auf der rechten Seite kam ihr dabei noch der freie Luftraum zugute, der über die Bordsteinkante hinaus vorhanden war. Dabei ist der Sachverständige auf der linken Seite sogar von der engsten Stelle, nämlich von dem rechten Außenspiegel an dem Pkw des Beklagten, ausgegangen.
Dieser Bewertung liegen die polizeilichen Feststellungen der Abstandsverhältnisse an der Unfallstelle zugrunde, deren Richtigkeit die Parteien nicht angegriffen haben.
bb) Aus den Feststellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. T ergibt sich ferner, dass die Klägerin mit der in § 5 Abs. 8 StVO vorgeschriebenen mäßigen Geschwindigkeit an der Fahrzeugkolonne vorbeigefahren ist. Welche Geschwindigkeit darunter zu verstehen ist, muss im Einzelfall nach der Verkehrslage, den drohenden Gefahren und der Beherrschbarkeit solcher Gefahren bestimmt werden. Die gesetzliche Bestimmung einer "mäßigen Geschwindigkeit" , wie sie im § 5 Abs. 8 StVO, § 20 Abs. 1 StVO und § 26 StVO normiert ist, muss begrifflich von der an anderer Stelle vorgeschriebenen " Schrittgeschwindigkeit" (in Fußgängerbereichen – Anmerkung zu Zeichen 242 Nr. 5, § 41 StVO – unterschieden werden). Dies ist schon nach der Wortwahl eine geringere Geschwindigkeit als die "mäßige Geschwindigkeit" des § 5 Abs. 8 StVO.
Dass die Klägerin mit einer Geschwindigkeit gefahren ist, die es ihr nicht mehr gestattete, auf die spezifischen Gefahren zu reagieren, denen durch die Anordnung der "mäßigen Geschwindigkeit" i. S. des § 5 Abs. 8 StVO begegnet werden soll, lässt sich nicht feststellen. Zu solchen typischen Gefahren zählt es, dass bei einer stehenden Fahrzeugkolonne jemand zwischen den Autos die Straße überquert, ferner, dass ein Pkw wieder anfährt und dabei möglicher Weise noch etwas weiter nach rechts gerät, als er vorher stand. Zu diesen typischen Gefahren gehört es aber auch, dass Türen geöffnet werden. In diesem Sinne liegt jedoch nur dann eine typische Gefahr vor, wenn dies nicht völlig überraschend geschieht und nicht in unmittelbarer Nähe zum Fahrrad. Denn mit einem grob verkehrswidrigen Verstoß gegen § 14 StVO muss ein Radfahrer, der an einer stehenden Fahrzeugkolonne vorbeifährt, nicht rechnen.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. T hat eine Geschwindigkeit vom Bereichsweise 8 - 12 km/h festgestellt. Dies beruht auf eine Analyse der Schäden, die an dem Fahrrad und an der Pkw-Tür entstanden sind, und die der Sachverständige mit einem eigens durchgeführten Tests verglichen hat, bei dem eine Geschwindigkeiten von mehr als 13 km/h gewählt wurde. Der Sachverständige hat diese Ergebnisse plausibel und nachvollziehbar dargelegt und sein Ergebnis mit der Begründung überzeugungskräftig erhärtet, dass bei höheren Geschwindigkeiten die Klägerin voraussichtlich nach vorne abgeworfen worden wäre, sie jedoch zur Seite fiel, obwohl sie gegen die Tür als starres Hindernis prallte. Nach diesem Umständen hat der Sachverständige sogar eine Geschwindigkeit von Bereichsweise 8 km/h für wahrscheinlicher gehalten als die Geschwindigkeit im oberen Bereich der Bandbreite, also von 12 km/h. Es kommt hinzu, dass nach den – auch insoweit überzeugenden – Darlegungen des Sachverständigen schon altersspezifisch kaum eine höhere Geschwindigkeit als 12 km/h in Betracht kommt und auch die geringfügige Steigung der Q-Gasse im Bereich der Unfallstelle zu berücksichtigen ist.
Da die Beklagte die Beweislast für ein Mitverschulden der Klägerin trägt, ist zu deren Gunsten folglich von einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 8 km/h auszugehen. Bei dieser Geschwindigkeit war die Klägerin auch noch in der Lage, mit ihrem Fahrrad in stabiler Lage an der Autokolonne vorbeizufahren.
Diese Geschwindigkeit ist jedenfalls als mäßig i. S. d. § 5 Abs. 8 StVO anzusehen.
cc)Der Klägerin kann auch nicht vorgeworfen werden, sie habe es an der gebotenen Vorsicht i. S. d. § 5 Abs. 8 StVO fehlen lassen.
Insbesondere ergeben die weiteren Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T keine Anhaltspunkte für ein Verhalten, aufgrund dessen der Klägerin Unachtsamkeit oder eine verspätete Reaktion vorzuwerfen wäre. Aus der von ihm vorgenommen Weg-Zeit-Verknüpfung erfolgt nämlich, dass die Klägerin auf das Öffnen der Tür nicht mehr reagieren konnte. Die Beklagte zu 1.), die noch mit beiden Beinen im Auto saß, benötigte für das Öffnen der Tür bis zum Zeitpunkt der Kollision 1,5 Sekunden. Dies entsprach dem zeitlichen Bedarf der Klägerin, eine Reaktion auf eine Gefahrenlage einzuleiten. Denn die Reaktionsdauer ist mit einer Sekunde, die Vorbremszeit mit 0,5 Sekunden zu veranschlagen. Bezogen auf die Geschwindigkeit der Klägerin (ca. 10 km/h), war sie ca. 3 m vor der Kollisionsstelle entfernt, als die Beklagte zu 1.) die Tür öffnete. Die Klägerin konnte vor der Kollision mithin nicht mehr wirksam reagieren. Selbst bei höchster Aufmerksamkeit war daher der Verkehrsunfall für die Klägerin nicht vermeidbar.
Eine schadensursächliche Verletzung der nach § 5 Abs. 8 StVO gebotenen besonderen Vorsicht lässt sich nach allem nicht feststellen.
c) Der Klägerin erwächst schließlich auch daraus kein Vorwurf eines Mitverschuldens, dass sie nicht links an der Fahrzeugkolonne vorbeigefahren ist. Denn dies wäre nach der Feststellung des Sachverständigen in der Örtlichkeit nur unter Nutzung der Gegenfahrbahn möglich gewesen, hätte also weitergehende Gefahren verursacht, abgesehen davon, dass die Klägerin hier berechtigt an der Autokolonne rechts vorbeifuhr.
3. Das auf dieser Grundlage an die Klägerin zu zahlende Schmerzensgeld ist – insoweit in Abänderung des angefochtenen Urteils – auf insgesamt 15.000,00 DM zu beziffern. Dieser Betrag ist erforderlich aber auch ausreichend, der Klägerin einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen, die durch die Heilbehandlung eingetretenen Beeinträchtigungen und für die Dauerfolgen zu verschaffen. Dabei steht im Vordergrund, dass die Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben vor dem Senat zwar wieder laufen kann, dabei jedoch unter durchgreifenden Beschwerden leidet, beim Gehen auf viele Pausen angewiesen ist und auch beim Treppensteigen Schwierigkeiten hat. Darüber hinaus ist sie nicht mehr in der Lage ihren Haushalt – wie bisher – allein zu führen und hat Angst vor dem Fahrradfahren, das sie vor dem Unfall noch ohne weiteres konnte. Die schwere Kontusion des linken Kniegelenkes mit der lateralen Schienbeinkopffraktur und der damit verbundenen Senkung der Gelenkfläche wird der Klägerin auch in Zukunft erhebliche Beschwerden bereiten und in großem Umfang Schonhaltungen fordern. Sie ist deshalb durch den Unfall bezüglich ihrer bisherigen Lebensgestaltung in richtunggebender Weise beeinträchtigt.
Von dem Schmerzensgeld ist erfasst, dass die Klägerin täglich und bei allen Verrichtungen des Alltages an ihre verletzungsbedingte Beeinträchtigung erinnert wird. Ferner wird abgegolten, dass sich der Zustand voraussichtlich noch verschlechtert und ausgelöst wurde die Verletzung und Veränderungen mit der damit einhergehenden Schonhaltung, eine arthrotische Entwicklung einsetzt.
Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, dass die Klägerin inzwischen 79 Jahre alt ist und deshalb altersbedingt auch ohne den Unfall zu größerer Vorsicht und zu Einschränkungen bei anstrengenden, ausgedehnten Spaziergängen und sonstiger körperlicher Aktivitäten angehalten gewesen wäre. Sie hat ihre Mobilität nicht vollständig verloren und kann ihr Leben unter spezifischer Berücksichtigung der Verletzungsfolgen selbständig gestalten. Sie ist auch jetzt nur in begrenzten Umfange auf fremde Hilfe angewiesen. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 DM entspricht unter diesen Umständen den in vergleichbaren Fällen zuerkannten Beträgen und fügt sich demnach in das Gesamtsystem der Rechtsprechung zur Höhe des Schmerzensgeldes ein.
II.
Haftung der Beklagten zu 2.) und 3.)
1. Die Beklagten haben gem. §§ 7, 17 Abs. 1 StVO i. V. m. §§ 1, 3 PflVG für den materiellen Schaden der Klägerin einzustehen, insoweit gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1). Der Schaden beläuft sich auf 133,50 DM für Taxifahrten und Kosten für die Versorgungslieferungen im Oktober 1997. Die Klägerin hat die Aufwendungen in dieser Höhe nachgewiesen. Anzurechnen sind die Leistungen der privaten Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1.) in Höhe von 66,73 DM.
b) Die Klägerin muss sich jedoch keiner Abzüge für eigene Ersparnisse anrechnen lassen. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Schätzung nach 287 Abs. 1 ZPO ist nämlich zu berücksichtigen, dass auf Seiten der Klägerin wegen der schweren Verletzung und der hier in Rede stehenden Zeiten fehlender Mobilitätsmöglichkeit vermehrte Bedürfnisse vorgelegen haben, die etwaigen Ersparnissen entgegen zu rechnen sind.
2. Die Beklagten zu 2.) und 3.) sind ferner verpflichtet, auf der gleichen Rechtsgrundlage für materielle Zukunftsschäden der Klägerin einzustehen, so dass in soweit die Feststellungsklage der Klägerin Erfolg hat. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse steht außer Zweifel und ergibt sich schon daraus, dass mögliche Dauerfolgen der eingetretenen Verletzungen weitere materielle Aufwendungen auslösen können.
3. Die Beklagten zu 2.) und 3.) sind dagegen aus den Unfallereignissen nicht verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz wegen immaterieller Schäden – Schmerzensgeld – zu leisten.
a) Eine Einstandspflicht der Beklagten für die tatbestandliche Verwirklichung der deliktischen Haftung durch die Beklagte zu 1.) besteht nicht. Zu Lasten des Beklagten zu 2.) fehlt es insofern schon an einer Zurechnungsnorm; aber auch die Beklagte zu 3.) muss nicht nach §§ 1, 3 Pflichtversicherungsgesetz für die deliktische Haftung der Beklagten zu 1.) eintreten, da diese nicht zu den versicherten Personen gehört.
b) Die Beklagten zu 2.) und 3.) haften aber auch nicht wegen einer eigenen unerlaubten Handlung gegenüber der Klägerin, weil es der Beklagte zu 2.) – unstreitig – unterlassen hat, die Beklagte zu 1.) auf die besonderen Gefahren des Aussteigens nach rechts und auf die nach § 14 StVO zu beobachtende Sorgfalt hinzuweisen. Dies würde voraussetzen, dass ihn insoweit eine selbständige Verpflichtung traf, den rückwärtigen Verkehr zu beachten, in den Spiegel zu schauen und zu prüfen, ob die Beklagte zu 1.) als sein Fahrgast gefahrlos aussteigen könne und – nach der entsprechenden Vergewisserung nach hinten – die Beklagte zu 1.) zu warnen.
aa) Eine solche Pflicht des Taxifahrers, seine Fahrgäste zu verkehrsgerechten Verhalten anzuleiten, besteht grundsätzlich nicht. Der Taxifahrer darf darauf vertrauen, dass sich seine Fahrgäste verkehrsgerecht verhalten werden und selbständig die nach § 14 StVO normierten Sorgfaltsanforderungen erfüllen.
bb) Fehlt es danach an einer gesetzlichen oder sonstigen positiven Anknüpfung für eine deliktische Haftung des Beklagten zu 2.), für die auch die Beklagte zu 3.) einzustehen hätte, kommt allein eine deliktische Zurechnung des Unterlassens der Gefahrenabwehr gegenüber der Klägerin in Betracht. Eine solche selbständige Pflicht lässt sich – entgegen der Auffassung des Landgerichts und eine in der Literatur vertretene Auffassung (vergl. Blumberg in NZV 1994, 249, 261 unter Hinweis auf OLG Köln in Verk Mitt 1992, 93) nicht mit der Pflichtenstellung der Beklagten zu 2) aus dem Beförderungsvertrag begründen, da einem solchen Vertrag offensichtlich keine Schutzwirkung zu Gunsten Dritter beigemessen werden kann. Die Begründung einer Pflicht zum Handeln aus den vertraglichen Grundlagen des Beförderungsvertrages würde außerdem dazu führen, die Grundsätze der haftungsrechtlichen Zuordnung und Einstandspflichten über ihre gesetzlichen Grundlagen hinaus unzulässig auszudehnen.
cc) Die vom Beklagten zu 2.) unterlassene Sicherung kann daher nur dann die selbständige Haftung begründen, wenn er nach dem Grundgedanken der Verkehrssicherungspflichten selbst – durch positives Tun – eine Gefahr geschaffen oder erhöht hätte, die ihn zum Eingreifen zwang.
Ein Taxifahrer schafft unter normalen Umständen eine solche Gefahr nicht, weil die Beachtung der Sorgfaltspflichten des § 14 StVO – wie dargelegt – grundsätzlich Sache des Fahrgastes ist.
Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn erkennbar besondere, außergewöhnliche und gefahrenträchtige Umstände vorliegen die der Fahrer selbst geschaffen hat, muss der Senat hier nicht entscheiden. Zwar mag eine Haftung des Fahrers begründet sein, wenn das Taxi direkt neben einem Radweg anhält; denn dann hat der Taxifahrer durch positives vorangegangenes Tun objektiv die Gefahr begründet, dass Radfahrer auf dem angrenzenden Straßenbereich gefährdet werden; dies mag ferner in Betracht zu ziehen sein, wenn er – objektiv erkennbar – nicht – oder nicht mehr – eigenverantwortlich handelnde Personen transportiert, bei denen gerade deshalb nicht damit gerechnet werden darf, dass sie mit der gebotenen Achtsamkeit aussteigen.
Eine in diesem Sinne durch positives Tun erhöhte Gefahr hat der Beklagte zu 2.) im vorliegenden Fall jedoch nicht geschaffen. Es handelte sich bei seinem Fahrgast – bei der Beklagten zu 1.) – nicht um eine offenbar verkehrsschwache Person, die die objektive Verkehrslage einschließlich der Möglichkeit rechts vorbeifahrender Radfahrer nicht überschauen konnte. Er musste auch nicht damit rechnen, dass die Beklagte zu 1.) völlig kopflos das Taxi verlassen würde, auch wenn ihm möglicherweise Ziel- und Zweck der Beförderung, nämlich die Wahrnehmung eines Prüfungstermins, durch das vorangegangene Gespräch mit der Beklagten zu 1) bekannt gewesen sein sollte. Es handelt sich für ihn vielmehr um eine alltägliche Beförderung ohne jegliche Umstände, die geeignet gewesen wären, gegenüber der Klägerin in ihrer besonderen Verkehrssituation eine Garantenstellung in Bezug auf verkehrsgerechtes Verhalten der Beklagten zu 1) zu begründen (so im Ergebnis wohl auch OLG München, VersR 1996, 1036, 1737).
III.
Die Zinsforderung ist nach § 291 ZPO begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708, Nr. 10, 713 ZPO.