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OLG Rostock Urteil vom 22.10.2010 - 5 U 225/09 - Zur Beendigung der Verjährungshemmung durch einen Abfindungsvergleich mit vorbehaltenen künftigen Ansprüchen
OLG Rostock v. 22.10.2010: Zur Beendigung der Verjährungshemmung durch einen Abfindungsvergleich mit vorbehaltenen künftigen Ansprüchen
Das OLG Rostock (Urteil vom 22.10.2010 - 5 U 225/09) hat entschieden:
- Die Berufung ist insgesamt zulässig, wenn die lediglich zu einem den einheitlichen Streitgegenstand betreffenden Einzelpunkt vorgetragene Begründung den formalen Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügt. Bei einem einheitlichen Streitgegenstand kann es genügen, wenn die Berufung in einer den ganzen Streitgegenstand umfassenden Rüge zureichend begründet worden ist, z. B. mit der Erhebung der Verjährungseinrede. Der Berufungskläger muss nicht zu allen ihm nachteilig beurteilten Streitpunkten in der Berufungsbegründung im Einzelnen Stellung nehmen.
- Mit einem Abfindungsvergleich, in dem eindeutig die Einstellung des Kfz-Haftpflichtversicherers zum Ausdruck kommt, dass die Schadensregulierung endgültig abgeschlossen ist, endet die Hemmung der Verjährung gem. § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVersG a.F. auch für die in diesem Vergleich vorbehaltenen Ansprüche auf Ersatz erst in Zukunft möglicher materieller Schäden, soweit diese von der Anspruchsanmeldung umfasst sind.
Siehe auch Abfindungsvergleich und Verjährung in Zivilsachen
Gründe:
I.
Der Kläger macht gegen die beklagte Haftpflichtversicherung Schadensersatz i.H.v. 239,48 € sowie zwei Feststellungsanträge aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 12.09.1995 geltend. Für die Schäden des Klägers aus diesem Unfall war die Beklagte unstreitig ersatzpflichtig. Nach längeren Verhandlungen schlossen die Parteien den Vergleich vom 15.12.1999, um dessen Auslegung es hier geht. Dieser hat folgenden Wortlaut:
- Gegen die Zahlung von 195.000,00 DM sind sämtliche Ansprüche des Herrn S. aus dem Unfallereignis vom 12.09.1995 am ... in ... abgegolten, soweit unter den nachfolgenden Ziffern nichts anderes geregelt ist.
- Ein Verdienstausfallschaden wird zukünftig nur gezahlt werden, wenn er sich aus einer unfallbedingten Erhöhung der berufsspezifischen MdE über 25 % ergibt.
- Vorbehalten bleiben ferner sämtliche zukünftig entstehende unfallbedingte materielle und immaterielle Schäden, soweit hieraus resultierende Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Der Kläger forderte mit Schreiben vom 27.01.2009 von der Beklagten Ersatz der Kosten einer zahnärztlichen Behandlung aus dem Jahre 2008. Die Beklagte lehnte die Erstattung des Betrages ab und berief sich auf Verjährung. Dies nahm der Kläger zum Anlass, die vorliegende Zahlungsklage mit den beiden Feststellungsanträgen zu erheben.
Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem das Landgericht der Klage stattgab. Zur Begründung führte das Landgericht an, der Leistungsantrag sei begründet und nicht verjährt, ebenso wie der Feststellungsantrag zu 2). Die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger den aufgrund des Unfallereignisses vom 12.09.1995 zukünftig entstehenden Verdienstausfallschaden, soweit dieser sich aus einer unfallbedingten Erhöhung der berufsspezifischen MdE von über 25 % ergebe, zu ersetzen. Der Verjährungsbeginn setzte einen fälligen Anspruch voraus, der nicht gegeben sei. Im Übrigen gelte dieselbe rechtliche Begründung, die für den Leistungsantrag durchgreife. Der Feststellungsantrag im Hinblick auf die Haftung der Beklagten für sämtliche aufgrund des Unfallereignisses vom 12.09.1995 zukünftig entstehenden weiteren unfallbedingten materiellen Schäden sei ebenfalls begründet. Der Antrag decke sich mit dem in Ziff. 3) des Vergleiches vorbehaltenen Leistungsanspruch. Da der im Leistungsantrag zu 1) geltend gemachte Schaden ebenfalls ein materieller Zukunftsschaden sei, könne vollumfänglich auf die dortige Begründung verwiesen werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit der sie Abweisung der Klage erstrebt. Zur Begründung trägt sie vor: Die klägerischen Ansprüche seien verjährt, denn die Verjährung aller Schadensersatzansprüche habe einheitlich gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Vergleichsabschluss am 15.12.1999 neu zu laufen begonnen. Daraus ergebe sich, dass die 3-jährige Verjährungsfrist gem. §§ 14 StVG, 852 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 EGBGB spätestens zum 01. Januar 2005 abgelaufen sei. Die Ansprüche des Klägers seien nicht nur teilweise reguliert worden. Mit Abschluss des Vergleichs vom 15.12.1999 sei eine Entscheidung der Beklagten i.S.d. § 3 Nr. 3 S. 3 PflVersG a.F. gegeben. Eine weitere förmliche Entscheidung der Beklagten zur Herbeiführung des Endes der Verjährungshemmung sei aufgrund des geschlossenen Vergleiches nach der Rechtsprechung des BGH nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der Kläger hätte verlassen können, dass die Einrede der Verjährung nicht erhoben werde. Dies ergebe sich schon aus dem Schriftverkehr, der vor Vergleichsabschluss zwischen den Parteien erfolgt sei. Der Kläger hätte die Abgabe einer ein Feststellungsurteil ersetzenden Anerkenntniserklärung verlangen, eine Verjährungsverzichtserklärung fordern oder Feststellungsklage erheben können, was unstreitig innerhalb der Verjährungsfrist nicht erfolgt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Rostock vom 02. November 2009, Az: 9 O 231/09, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, die Berufung sei teilweise unzulässig. Das Landgericht habe in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Ziff. 2) der streitbefangenen Vereinbarung seine Entscheidung auf zwei Gründe gestützt. Die Berufungsbegründung verhalte sich ausschließlich zu den Annahmen des Gerichts im Zusammenhang mit § 3 Nr. 3 PflVersG. Das Landgericht habe seine Entscheidung hinsichtlich der Ziff. 2) der Vereinbarung auf zwei das Urteil selbstständig tragende Gründe gestützt, die unabhängig voneinander bestünden. In derartigen Fällen sei eine Berufung nur zulässig, wenn beide selbstständig tragende Gründe angegriffen würden, was die Beklagte nicht getan habe.
Die Berufung sei auch unbegründet, da das Landgericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass die abgeschlossene Vereinbarung vom 05.12.1999 eine Abschlusserklärung nach § 3 Nr. 3 PflVersG nicht ersetze. Der abgeschlossene Vergleich ersetze nach der Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise eine Abschlusserklärung hinsichtlich der vorbehaltenen Ansprüche, wenn aus dem Vergleich eindeutig die Einstellung des Kfz-Haftpflichtversicherers zum Ausdruck komme, dass die Schadensregulierung mit Abschluss des Abfindungsvergleiches auch hinsichtlich der vorbehaltenen Ansprüche endgültig erledigt sei. Eine solche Auslegung gebe der vorliegende Vergleich nicht her. In dem Schreiben vom 13.09.1999 habe die Beklagte angeboten, über die vorbehaltenen Zukunftsschäden weiter zu verhandeln. In der Vereinbarung liege außerdem ein die Verjährung hemmendes pactum de non petendo.
In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten vorgetragen, die Versicherung habe nicht auf die Verjährungseinrede verzichtet. Diese Einrede habe sie im Blick gehabt, sie habe nicht von ihrer Interessenlage abweichen wollen und sich nicht in die 30-jährige Haftung begeben wollen. Das Schreiben vom 13.09.1999 sei nicht im Sinne der Klägerin auszulegen, so sei es nicht gemeint gewesen. In den zurückliegenden Jahren sei auch nichts vorgefallen.
Der Klägervertreter führte zur Begründung seines Antrages aus, es habe keine weiteren Schäden gegeben, daraus lasse sich jedoch keine Schlussfolgerung ziehen. Das Schreiben vom 13.09.1999 sei im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss zu sehen. Das Wort "jederzeit" könne nur so verstanden werden, dass die Verjährung noch nicht laufen sollte.
Zu der Frage der Zulässigkeit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. September 2010 weitere rechtliche Ausführungen gemacht und vorgetragen, der vom Senat zitierten BGH-Entscheidung vom 25.11.1999 liege kein vergleichbarer Fall zugrunde. Die Berufung sei bzgl. Ziff. 2 des landgerichtlichen Urteils nicht zulässig.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
1. Das Rechtsmittel der Beklagten ist zulässig, auch was den Feststellungsantrag zu 2) angeht. Gem. § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken; allein schon aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zugrundelegt, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will (BGH WM 79, 690). Nach der Rechtsprechung des BGH kann es bei einem einheitlichen Streitgegenstand genügen, wenn die Berufung in einer den ganzen Streitgegenstand umfassenden Rüge zureichend begründet worden ist, z. B. mit der Erhebung der Verjährungseinrede (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. Rdn. 37, 37 a zu § 520; BGH NJW 1984, 177; NJW-RR 1991, 1186). Danach ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die lediglich zu einem den einheitlichen Streitgegenstand betreffenden Einzelpunkt vorgetragene Begründung den formalen Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügt. Die Beklagte stützt sich mit ihrer Berufung auf die Einrede der Verjährung. Damit ist das Rechtsmittel zulässig. Der Berufungskläger muss nicht zu allen ihm nachteilig beurteilten Streitpunkten in der Berufungsbegründung im Einzelnen Stellung nehmen. Ist die Berufung in dieser Weise zulässig begründet und damit die Berufungsinstanz für eine unbeschränkte erneute sachliche und rechtliche Prüfung eröffnet, so ist es dem Berufungskläger nicht verwehrt, sein Vorbringen gegen das angefochtene Urteil auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu ergänzen. Das hat die Beklagte vorliegend in dem Schriftsatz vom 25.08.2010 auf S. 2 getan, in dem sie ausführt, die Ziff. 2 des Vergleiches vom 15.12.1999 zum Verdienstausfallschaden enthalte keine aufschiebende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB, sondern lediglich eine Klarstellung dahingehend, dass ein weiterer Verdienstausfallschaden zwar generell vorbehalten bleibe, Zahlungen darauf allerdings nur erfolgen, soweit er aus einer unfallbedingten Erhöhung der berufsspezifischen MdE über 25 % resultiert.
Der Kläger meint, die Berufung sei teilweise unzulässig, da nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn das angegriffene Urteil dem Klageanspruch aus unterschiedlichen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen stattgegeben habe, für jeden dieser Gründe dargelegt werden müsse, warum er die angefochtene Entscheidung nicht stützen könne. Insoweit weist er auf das Urteil des BGH vom 27.11.2003 hin. Damit hat er keinen Erfolg. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte die Begründung des Landgerichts, nur ein fälliger Anspruch könne verjähren, woran es hier fehle, in der Berufungsbegründung nicht angegriffen hat. Dies war aus den vorstehend dargelegten Gründen aber nicht erforderlich.
Auf die Frage, ob dieser Fall mit der Entscheidung des BGH vom 25.11.1999 vergleichbar ist, muss es nicht ankommen. Der Senat bleibt jedoch bei der in der mündlichen Verhandlung dargelegten Ansicht, dass die Abweisungsgründe unter dem Blickpunkt der Beschwer gleichwertig sein müssen. Dies ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hält den Schadensersatzanspruch des Klägers nicht für fällig und außerdem nicht für verjährt, was den Verdienstausfallschaden angeht, soweit er über 25 % MdE hinausgeht.
2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
a) Der Zahlungsanspruch ist unbegründet.
Der Geltendmachung des Anspruches steht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen (§ 214 BGB).
aa) Dem Abfindungsvergleich vom 05.12.99 ist weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck ein schuldumschaffendes konstitutives Anerkenntnis zu entnehmen. Dies behauptet auch der Kläger nicht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Parteien für die materiellen und immateriellen Zukunftsschäden und den über 25 % hinausgehenden Erwerbsminderungsschaden eine von dem zugrunde liegenden Haftungsgrund losgelöste selbständige Rechtsgrundlage hätten schaffen wollen. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten war nicht streitig. Dann aber bedurfte es nicht der Schaffung einer selbständigen Anspruchsgrundlage (vgl. dazu BGH, Urt. v. 06.03.1990 - VI ZR 44/89 - VersR 1990, 755).
bb) Ein titelersetzendes Anerkenntnis ist in dem Abfindungsvergleich nicht zu sehen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH anzunehmen, wenn der Haftpflichtversicherer den Geschädigten klaglos stellen will (BGH VersR 1999, 382). Der Vorbehalt hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden und eines 25 % übersteigenden Erwerbsminderungsschaden ist auf Betreiben des Klägers in den Vergleich aufgenommen worden. Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte habe ohne Abgabe einer die Verjährung langfristig hinausschiebenden Erklärung eine Feststellungsklage des Klägers insoweit zu erwarten gehabt, sind nicht ersichtlich.
cc) Mit Abschluss des Vergleichs vom 15.12.99 endete die Hemmung der Verjährung gem. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG (§ 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.) des Schadensersatzanspruches des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 12.09.1995. Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist es, den Geschädigten vor allem für den Fall einer sehr langen Dauer der Verhandlungen mit dem Versicherer vor den Nachteilen der Verjährung zu schützen. Der Geschädigte wird deshalb während der Zeit, in der die Reaktion des Versicherers auf die Anspruchsanmeldung noch in der Schwebe ist, vor dem Weiterlaufen einer die Durchsetzung seiner Ansprüche gefährdenden Verjährung bewahrt (BGH VersR 78, 423). Diese Schutzfunktion entfällt aber nach ihrer Zweckbestimmung, sobald sich der Versicherer zur Anspruchsanmeldung eindeutig erklärt hat (BGH v. 30.04.91 = BGHZ 114, 299). In der obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist anerkannt, dass die durch die Anmeldung eines Verkehrsunfallschadens mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers eingetretene Verjährungshemmung durch die Abfindungsvereinbarung und Zahlung des Abfindungsbetrages beendet wird, so dass auch für vorbehaltene Zukunftsschäden die Verjährungsfrist läuft (Prölls/Martin, VVG 28. Aufl., Rdn. 36 zu § 115 VVG; Huber, VVG, Rn. 50 zu § 115; BGH Urt. v. 29.01.2002, VersR 2002, 474; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.03.1997, NJW-RR 97, 1318; VersR 98, 632; OLG Hamm ZfS 99, 93; DAR 01, 166). Huber führt in seiner Kommentierung aus, es sei beeindruckend, wie oft anwaltlich vertretene Geschädigte sich auf einen Vergleich mit Ausklammerung bestimmter Ansprüche einlassen, aber nicht dafür sorgen, durch ein titelersetzendes Anerkenntnis Vorsorge dagegen zu treffen, dass die vorbehaltenen Ansprüche nicht verjähren. Fakt ist freilich, dass es sich um eine seit Jahrzehnten herrschende Rechtsprechung handelt (Huber a.a.O, Rn. 51, m.w.N.). So hat der BGH in dem Urteil vom 29.01.2002 entschieden, dass ein Abfindungsvergleich, in dem eindeutig die Einstellung des Kfz-Haftpflichtversicherers zum Ausdruck kommt, dass die Schadensregulierung endgültig abgeschlossen ist, die Hemmung der Verjährung gem. PflVersG § 3 Nr. 3 S. 3 auch für die in diesem Vergleich vorbehaltenen Ansprüche auf Ersatz erst in Zukunft möglicher materieller Schäden endet, soweit diese von der Anspruchsanmeldung umfasst sind. So liegt es hier. Die Endgültigkeit kommt darin zum Ausdruck, dass gegen Zahlung des Abfindungsbetrages sämtliche Ansprüche des Klägers aus dem Unfallereignis vom 12. 09 95 abgegolten sein sollten. Wollte man eine Fortdauer der Verjährungshemmung für die in einem Abfindungsvergleich vorbehaltenen Ansprüche annehmen, müsste sie selbst dann andauern, wenn mögliche Folgeschäden ausblieben. Das erscheint nicht sinnvoll (BGH a.a.O.). Der Kläger hatte Ansprüche wegen Erwerbsminderung und solche wegen möglicher Beeinträchtigungen (Krampfwirkungen) angemeldet. Diese sind allerdings nicht eingetreten. Bei einem Abfindungsvergleich endet mit der Zahlung die Verjährungshemmung auch für die vorbehaltenen Ansprüche, wenn nicht mehr verhandelt wird, ohne dass es einer besonderen Mitteilung bedarf (BGH a.a.O.). So lag es hier, denn die Parteien haben nach Abschluss des Vergleichs überhaupt nicht mehr verhandelt. Es erfolgte bis 2009 kein weiterer Schriftwechsel, auch wurde nicht mündlich verhandelt, vielmehr herrschte sozusagen "Funkstille" bis zur Anmeldung des streitgegenständlichen Anspruches. Deswegen begann mit Abschluss des Vergleiches vom 15.12.1999 die Verjährungsfrist zu laufen. Um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, hätte der Berechtigte Feststellungsklage erheben müssen (KG VersR 2000, 1145). Innerhalb der laufenden Verjährungsfrist hat der Kläger eine solche Klage nicht erhoben.
Die Ansprüche konnten auch verjähren. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit (vgl. dazu Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., Rn. 14, 16 zu § 199) entsteht ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich einheitlich auch für erst in Zukunft fällig werdende Beträge, sobald ein erster Teilbetrag durch Leistungsklage geltend gemacht werden kann.
dd) In dem Abfindungsvergleich liegt kein Verzicht auf die Einrede der Verjährung (vgl. dazu Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl., Rn. 7 zu § 202). Gem. § 225 BGB a. F. wäre ein solcher Verzicht unwirksam gewesen. Die Berufung auf die Unwirksamkeit könnte allerdings einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellen, wenn die Beklagte beim Kläger den Eindruck erweckt hätte, sie werde dessen Ansprüche befriedigen oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen und wenn sie dadurch den Kläger von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hätte. Ein Verzichtswille der Beklagten lässt sich aus dem Wortlaut des Vergleichs nicht herleiten. Trotz des in § 133 enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., Rdn. 14 zu § 133).
Nach der Ermittlung des Wortsinnes sind in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn.15). Aus dem Schreiben vom 13.09.1999, insbesondere aus dem Hinweis: "Nur der Vollständigkeit halber möchten wir nochmals anmerken, dass jederzeit eine Abfindung auch der Zukunftsschäden erfolgen kann, wenn dies seitens ihres Mandanten - sei es auch erst in einiger Zeit - gewünscht wird," konnte der Kläger nicht schließen, dass die Beklagte auf die Einrede der Verjährung verzichten wolle. Angesichts der oben dargestellten Rechtsprechung musste es dem anwaltlich vertretenen Kläger klar sein, dass dies nicht im Interesse der Beklagten lag. Diese wollte vielmehr einen Schlussstrich unter die Verhandlungen ziehen und nicht für 30 Jahre haften. Die Beklagte gab nur zu erkennen, dass sie bereit war, einen Abfindungsbetrag zum Ausgleich von Zukunftschäden zu zahlen.
Schließlich spricht die bei der Auslegung zu berücksichtigende Interessenlage der Beklagten gegen einen Verzicht auf die Verjährung (vgl. dazu Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 18). Das Interesse der Beklagten ging erkennbar dahin, einen Schlussstrich unter die Verhandlungen zu ziehen, um die Unfallakte schließen zu können. Dies musste auch dem Kläger klar sein. Hätte er sich für 30 Jahre die Haftung offen halten wollen, hätte er auf ein titelersetzendes Anerkenntnis drängen müssen.
Trotz des Vortrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung und in dem Schriftsatz vom 23. September 2010 bleibt der Senat dabei, dass bei der Auslegung des Vergleichs auf die Sicht des anwaltlich vertretenen Klägers abzustellen ist. Eine anwaltlich nicht beratene Naturalpartei hätte sicherlich aus dem Schreiben vom 13.09.1999 und dem Wort "jederzeit" schließen können, dass sie auch in Zukunft unbegrenzt immer noch Ansprüche geltend machen könne. Der anwaltlich vertretene Kläger musste jedoch die obergerichtliche Rechtsprechung im Auge haben, die besagt, dass im Vordergrund das Interesse der Versicherung an der endgültigen Erledigung des Schadens steht. Aus dem Wortlaut "dass jederzeit eine Abfindung, auch für Zukunftsschäden, erfolgen kann", kann eine juristisch beratene Partei nicht schließen, dass sich die Versicherung zur Erstattung von Zukunftsschäden innerhalb einer 30-jährigen Frist verpflichten wollte.
Das Ergebnis widerspricht auch nicht § 242 BGB. Der Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Die Rechtsprechung hat zwar in bestimmten Fällen entschieden, dass die Versagung der Hemmung und damit der Durchsetzbarkeit infolge Eintritts der Verjährung durch die Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben bewirkt werden kann (Huber, VVG, Rdn. 54 zu § 115 VVG). Das bloße Einschlafenlassen von Verhandlungen oder die Untätigkeit über einen längeren Zeitraum genügt dafür nicht. Eine Versagung der Hemmung unter Berufung auf Treu und Glauben ist fehl am Platze, wenn es nicht um einen lange Zeit fälligen Anspruch geht, sondern um einen, der lange nach dem Unfall fällig geworden ist, mag der Anspruchsteller mangels eines ins Gewicht gefallenen Schadens, auch während eines längeren Zeitraums beim Ersatzpflichtigen nicht vorstellig geworden sein (vgl. Huber a.a.O.). So lag es hier. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger in der Zeit seit 1995 bis heute erhebliche Schäden bis auf den geringfügigen Anspruch auf Ersatz der Zusatzkosten von 239,48 €, entstanden sind.
ee) Ein sog. pactum de non petendo, ein Stillhalteabkommen, worauf sich der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz beruft, liegt in der Vereinbarung vom 15.12.99 nicht (vgl. dazu Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., Rn. 2). Darunter versteht die Rechtsprechung eine Absprache zwischen Gläubiger und Schuldner, dass der Anspruch einstweilen nicht geltend gemacht werden soll. In diesem Sinne kann die Vereinbarung nicht ausgelegt werden. Dem Kläger blieb lediglich die Geltendmachung bestimmter Ansprüche vorbehalten.
b) Die Berufung hat auch bezüglich der Feststellungsanträge zu 2) und 3) Erfolg, denn die Schadensersatzansprüche sind verjährt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die obigen Ausführungen.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass, da es hier um die Auslegung eines Vergleichstextes in einem bestimmten Einzelfall geht, der keine grundsätzliche Bedeutung hat. Auch zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).