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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 28.10.2011 - 24 U 134/11 - Zur Mithaftung des die Fahrbahn anstelle des benutzbaren Radweges befahrenden Radfahrers bei Sturz durch eine Ölspur

OLG Frankfurt am Main v. 28.10.2011: Zur Mithaftung des die Fahrbahn anstelle des benutzbaren Radweges befahrenden Radfahrers bei Sturz durch eine Ölspur


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.10.2011 - 24 U 134/11) hat entschieden:
Stürzt ein Rennradfahrer, der die Fahrbahn trotz Radwegbenutzungspflicht eines rechts verlaufenden gut benutzbaren Radwegs befährt, durch eine auf der Fahrbahn befindliche Ölspur, trifft ihn eine hälftige Mithaftung.


Siehe auch Radfahrerunfälle und Sturz eines Zweiradfahrers ohne Kollisionsberührung


Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird nach den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist aus dem im Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet und führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

1. Die Haftung des Beklagten zu 1) beruht auf § 7 Abs. 1 StVG. Die Beklagte zu 2) haftet nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.

2. An dem Unfallereignis vom ... Juni 2009 trifft den Kläger ein Mitverschulden (§ 9 StVG), welches der Senat quotenmäßig mit 50 % veranschlagt.

a) Die Darlegungen des landgerichtlichen Urteils zur Erkennbarkeit der Öl- und Bremsflüssigkeitsspur sind gut vertretbar und lassen keine Rechtsverletzung erkennen.

b) Nach den schon im ersten Rechtszug vorgelegten Lichtbildern der Unfallstelle musste das Landgericht aber erkennen, dass neben der Straße ein separater Radweg verlief. Dieser Zustand wurde im Berufungsrechtszug durch eine bei der zuständigen Polizeibehörde erhobene amtliche Auskunft gesichert; auf den Bericht der Polizeistation ... vom 28. September 2011 wird insoweit nebst den eingereichten Lichtbildern verwiesen.

Für den Radweg bestand für den Kläger nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO eine Benutzungspflicht, da er durch entsprechende Bezeichnung (Verkehrszeichen 237) gekennzeichnet war. Die Benutzungspflicht gilt auch für Rennräder (OLG Düsseldorf, NZV 1992, 290).

Nach den bei den Akten befindlichen Lichtbildern befand sich der Radweg im Unfallzeitpunkt in einem einwandfreien Zustand; er war für den Kläger nicht unbenutzbar. Dies bestätigt der Kläger selbst, wenn er vorträgt, dass er den Radweg zunächst benutzt hat. Ob nach 50 Metern dessen weitere Benutzung durch auf dem Weg liegende Glasscherben von Getränkeflaschen erschwert wurde – die Beklagten haben dies ausdrücklich bestritten -, kann für die Entscheidung dahinstehen. Denn es war dem Kläger ohne weiteres zumutbar, anschließend wieder auf den Radweg aufzufahren und ihn weiterzubenutzen. Ein Radfahrer, der gleichwohl die Straße nutzt, haftet mit.

Das Mitverschulden des Klägers wurde für das Unfallereignis auch ursächlich. Da Radwege ausschließlich für nicht motorisierte Fahrzeuge vorgesehen sind, ist dort nicht mit einer Öl- oder Bremsflüssigkeitsspur zu rechnen. Der Kläger wäre demnach nicht zu Fall gekommen, wenn er ordnungsgemäß den Radweg benutzt hätte.

3. Die Berechnung des materiellen Schadens wird von der Berufung nicht angegriffen. Nach den Darlegungen des Landgerichts beläuft sich der materielle Schaden auf insgesamt € 5.658,18. Er setzt sich zusammen aus den Kosten für das Rennrad (€ 4.470,00), den Kosten des Sachverständigengutachtens (€ 447,38), den Kleidungskosten (€ 722,80) und den geltend gemachten Fahrtkosten (€ 18,00); eine Kostenpauschale hat der Kläger selbst nicht beansprucht.

Bei einer 50 %igen Haftungsquote schuldeten die Beklagten € 2.829,09. Nachdem die Beklagte zu 2) insgesamt € 3.628,25 (auf der Basis von 2/3) gezahlt hat, besteht ein weiterer Anspruch des Klägers nicht mehr.

4. Dem Kläger steht insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von € 4.000,00 zu.

Die für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgebenden Faktoren hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Demnach erlitt der Kläger bei dem Unfallereignis eine Jochbeinfraktur, eine Augenhöhlenbodenfraktur und eine Oberkieferfraktur. Er befand sich vom ... bis …. Juni 2009 in stationärer ärztlicher Behandlung. Die anlässlich der Operation zur Stabilisierung eingelegten Platten und Folien wurden im Zuge einer zweiten Operation mit stationärer Behandlung vom 15. bis 17. November 2010 entfernt. Daneben hat der Kläger Prellungen und Schürfwunden erlitten. Ärztlicherseits attestiert und aus Anlass der Befragung in der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2011 so wiedergegeben, leidet der Kläger noch an einem Taubheitsgefühl in der linken Gesichtshälfte.

Nach der zweiten stationären Behandlung im November 2010 befand sich der Kläger offenkundig nicht mehr in einer „ambulanten Nachsorge“. Den Namen der behandelnden Ärzte nennt der Kläger trotz gerichtlicher Aufforderung vom 8. August 2011 nicht. Er beruft sich vielmehr allein allgemein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches der Senat einzuholen nicht verpflichtet war, da es an konkreten Anknüpfungstatsachen ermangelt.

Nach dem ersten stationären Aufenthalt des Klägers wurde er ohne Probleme entlassen; der postoperative Verlauf war „regelgerecht“. Eben solches attestiert das ärztliche Attest vom 17. November 2010 auch für den Zustand nach dem zweiten stationären Krankenhausaufenthalt.

Unter Berücksichtigung der dem Schmerzensgeld zukommenden Ausgleichsfunktion und dem erheblichen Mitverschulden des Klägers hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von € 4.000,00 für gerechtfertigt. Nachdem die Beklagte vorprozessual bereits € 2.666,67 bezahlt hat, verbleibt ein Restanspruch in Höhe von € 1.333,33, der dem Kläger mit dem vorliegenden Urteil zuzusprechen ist.

Zinsen in gesetzlicher Höhe stehen dem Kläger seit dem 11. Mai 2010 zu, da sich die Beklagten, von der Berufung nicht angegriffen, seit diesem Zeitpunkt im Schuldnerverzug befinden.

5. Vorgerichtliche Anwaltskosten sind in Höhe von € 603,93 erstattungsfähig. Der Anspruch des Klägers beruht auf den §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 BGB.

Der Höhe nach ist der Streitwert maßgebend, der das sachlich zutreffende Begehr des Klägers umschreibt. Maßgebend ist somit ein materieller Schaden – wie von der Beklagten zu 2) am 19. Mai 2010 abgerechnet – in Höhe von € 5.442,38 sowie der ebenfalls abgerechnete Haushaltsführungsschaden in Höhe von € 500,00. Aus der Summe in Höhe von € 5.942,38 stand dem Kläger quotenmäßig ein Anspruch in Höhe von 1/2, also € 2.971,19 zu. Zu addieren ist das berechtigte Schmerzensgeldbegehren in Höhe von € 4.000,00, sodass sich für die Berechnung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ein Gesamtstreitwert in Höhe von € 6.971,19 errechnet. Aus diesem Wert kann der Kläger eine Geschäftsgebühr (VV 2300) in Höhe von 1,3, eine Pauschale (VV 7002) und die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % beanspruchen, was insgesamt € 603,93 ergibt.

6. Das Feststellungsbegehren, zu dessen Begründung das Landgericht in dem angefochtenen Urteil keine Ausführungen macht, ist unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote von 50 % begründet, da ausweislich des ärztlichen Berichts vom 6. Oktober 2011 Spätfolgen aus dem Unfallereignis zwar ziemlich unwahrscheinlich sind, aber auch nicht ausgeschlossen werden können. Das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung besteht daher.


III.

Die Kostenentscheidung beruht für beide Rechtszüge auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 ZPO) liegen nicht vor.