Das Verkehrslexikon

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OLG Jena Beschluss vom 23.09.2010 - 1 Ss Bs 17/11 - Anforderungen an den Urteilstenor bei Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

OLG Jena v. 23.09.2010: Zu den Anforderungen an den Urteilstenor bei Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit


Das OLG Jena (Beschluss vom 23.09.2010 - 1 Ss Bs 17/11) hat entschieden:
Anforderungen an den Urteilstenor bei Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit.


Siehe auch Urteilsanforderungen und Bußgeldurteile


Gründe:

I.

Der Betroffenen wird vorgeworfen, als Halterin des LKW mit dem amtlichen Kennzeichen … dessen Inbetriebnahme am 28.10.2009 gegen 12.25 Uhr auf dem Nägelstedter Weg in Gr angeordnet bzw. zugelassen zu haben, obwohl die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung wesentlich beeinträchtigt wurde. Wegen dieser Verkehrsordnungswidrigkeit wurden gegen die Betroffene mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle der Thüringer Polizei vom 20.01.2010 eine Geldbuße von 270,00 € festgesetzt.

Hiergegen erhob die Betroffene form- und fristgerecht Einspruch.

Mit Urteil des Amtsgerichts G vom 23.09.2010 wurde die Betroffene wegen „fahrlässig begangener Ordnungswidrigkeit“ zu einer Geldbuße von 270,00 € verurteilt. In der Liste der angewandten Vorschriften werden die §§ 31 Abs. 2, 69a StVZO, 24 StVG, Nr. 189.3.1 BKat aufgeführt.

Gegen dieses Urteil hat die Betroffene durch ihre Verteidigerin Rechtsbeschwerde eingelegt und nach Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils mit der allgemeinen Sachrüge begründet sowie Verfahrensmängel gerügt.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 08.02.2011 beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.


II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und – jedenfalls mit der allgemeinen Sachrüge – form- und fristgerecht begründet worden.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist bereits auf die Sachrüge aufzuheben.

Es ist schon nicht ersichtlich, wegen welchem Tatvorwurf eine Verurteilung der Betroffenen erfolgte. Im Urteilstenor wird lediglich ausgesprochen, dass die Betroffene wegen „fahrlässig begangener Ordnungswidrigkeit„ zu einer Geldbuße von 270,00 € verurteilt wird. Dies stellt einen durchgreifenden Rechtsfehler dar.

Da die Regelung des § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO auch für die Abfassung der Urteile in Bußgeldsachen gilt, muss die Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung der Tat enthalten (KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 71 Rdnr. 97). Dazu „soll“, wenn vorhanden, die gesetzliche Überschrift des jeweiligen Straftatbestandes verwendet werden (§ 260 Abs. 4 Satz 2 StPO). Passt die gesetzliche Überschrift nicht oder fehlt eine gesetzliche Bezeichnung wie oft im Nebenstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, so genügt eine pauschale Kennzeichnung nicht, vielmehr ist der Tatbestand in geeigneter Weise begrifflich – nicht durch Beschreibung des tatsächlichen Tatverhaltens – präzise und für die Prozessbeteiligten und die Öffentlichkeit griffig und verständlich zu bezeichnen. Eine Bezeichnung durch die Paragraphen des Gesetzes sollte unterbleiben (KMR-Stuckenberg, StPO, § 260 Rdnr. 43).

Wenngleich Formel und Gründe des Urteils ein ganzes derart bilden, dass jene aus den Gründen ausgelegt und unter gewissen Voraussetzungen ergänzt werden kann, wenn Art und Umfang der getroffenen Entscheidung unklar ist, so muss doch zwischen Formel und Gründen scharf unterschieden werden. Grundsätzlich ist eine Entscheidung, die in der Formel keinen Ausdruck gefunden hat, nicht getroffen. Daher muss die Urteilsformel, als Grundlage für die Vollstreckung und die Eintragung der Verurteilung in das Bundeszentral- bzw. Verkehrszentralregister, aus sich selbst heraus verständlich sein (vgl. LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 260 Rdnr. 28 und 30; KMR-Stuckenberg, StPO, § 260 Rdnr. 28). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Liste der angewandten Vorschriften, denn diese sind kein Bestandteil des Urteilstenors (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rdnr. 51).

Das angegriffene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht G zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.