Aus dem Hinweis in Nr. 214 der Anlage zur BKatV auf § 30 Abs. 1 StVZO ergibt sich nicht, dass nur solche Verstöße erfasst werden sollen, die ausschließlich der Generalklausel dieser Vorschrift unterfallen.
Das Betreiben von Xenonscheinwerfern ohne Scheinwerferreinigungsanlage und ohne automatische Leuchtweiteregelung (Höhenregelung) stellt einen Verstoß nach § 50 Abs. 10 Nr. 1 und 2 StVZO dar und ist nach § 69a Abs. 3 Nr. 18a StVZO i.V.m. Nr 214 der Anlage zum BKatV zu ahnden.
Siehe auch Fahrzeugzustand und Scheinwerfer - Beleuchtung - Xenonlampen
Gründe:
I.
Das Thüringer Polizeiverwaltungsamt – Zentrale Bußgeldstelle – setzte durch Bußgeldbescheid vom 17.2.2011 gegen den Betroffenen wegen Inbetriebnahme eines Lastkraftwagens in einem nicht vorschriftsmäßigen Zustand (Xenonbrenner ohne Scheinwerferreinigungsanlage und ohne automatische Höhenregulierung) eine Geldbuße in Höhe von 180 € fest.
Auf den rechtzeitigen Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Gera diesen durch Urteil vom 20.10.2011 wegen fahrlässiger Inbetriebnahme eines Lastkraftwagens in einem die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigenden Zustand zu einer Geldbuße von 180 € verurteilt.
Das Amtsgericht hatte folgendes festgestellt:„Der Betroffene befuhr am 01.02.2011 um 07.50 Uhr mit dem Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen: G die Geraer Straße in W. Dem auf Streifenfahrt befindlichen Polizeibeamten F und Polizeiobermeister D fiel das Fahrzeug des Betroffenen durch das extreme Licht auf. Die Polizeibeamten entschlossen sich daher zur Überprüfung der Lichtanlage des Fahrzeugs des Betroffenen. Bei der Kontrolle stellten sie fest, dass Xenonbrenner ohne Scheinwerferreinigungsanlage und ohne automatische Höhenregulierung nachträglich verbaut wurden.Dieses Verhalten hat das Gericht als ordnungswidrig im Sinne von §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 69a Abs. 3 Nr. 1 StVZO, 24 StVG gewürdigt und hat dem Betroffenen die Regelgeldbuße nach Nr. 214.1 des Bußgeldkatalogs (Anlage zur BKatV) auferlegt.
Infolge der stärkeren Leuchtkraft der Xenonlampen ist wegen deren größerer Blendwirkung und deren damit gesteigerten Unfallgefahr ohne automatische Höhenregulierung und Scheinwerferreinigungsanlage die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt.
Der Betroffene, der auch Halter des Lkw war, hätte bei der von ihm im Straßenverkehr zu erwartenden Sorgfalt auch das Fehlen der Scheinwerferreinigungsanlage und der automatischen Höhenregulierung erkennen können.“
Gegen dieses Urteil richtet sich der form- und fristgerecht gestellte Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt und beantragt wird, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 3.1.2012 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Mit Beschluss vom 10.1.2012 hat der Senat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern nach § 80a Abs. 3 OWiG übertragen.
II.
Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung, hat aber im Übrigen keinen Erfolg.
1. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht ohne Rechtsverstoß festgestellt, dass in der Lichtanlage des Fahrzeugs des Betroffenen Xenonbrenner ohne Scheinwerferreinigungsanlage und ohne automatische Höhenregulierung nachträglich eingebaut waren.
Es hat dieses Verhalten als Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO angesehen, der eine Ordnungswidrigkeit nach § 69a Abs. 3 Nr. 1 StVZO darstellt. Dies ist, wie mit dem Rechtsmittel zutreffend vorgetragen wird, fehlerhaft.
§ 30 Abs. 1 StVZO stellt eine Generalklausel für die Beschaffenheit von Fahrzeugen dar. Ist die Verkehrsunsicherheit aber auf Umstände zurückzuführen, die Gegenstand spezieller Beschaffensvorschriften in den §§ 32 ff. StVZO sind, greift § 30 Abs. 1 StVZO nicht ein (BayOblG, VerkMitt 1967 Nr. 106 und NJW 1981, 2135; Beschluss des Senats vom 18.5.2004, 1 Ss 121/04 in DAR 2005, 643).
Hier tragen die getroffenen Feststellungen einen Verstoß gegen § 50 Abs. 10, Nrn. 1 und 2 StVZO. Danach müssen Kraftfahrzeuge mit Scheinwerfern für Fern- und Abblendlicht, die mit Gasentladungslampen ausgestattet sind mit einer automatischen Leuchtweiteregelung im Sinne des Absatzes 8 des § 50 StVZO und einer Scheinwerfereinigungsanlage ausgerüstet sein.
Xenonscheinwerfer erzeugen Licht nach dem Prinzip der Gasentladung. Der Begriff der automatischen Höhenregelung, der vom Amtsgericht im angefochtenen Urteil verwendet wurde, ist ein Synonym für die vom Gesetz geforderte automatische Leuchtweiteregelung.
Demnach hat sich der Betroffene nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO, sondern nach einer solchen gemäß § 50 Abs. 10 Nrn. 1 u. 2 StVZO ordnungsrechtlich zu verantworten (§ 69a Abs. 3 Nr. 18a StVZO).
2. Die Bußgeldbemessung nach Nr. 214, 214.1 der Anlage zur BKatV ist nicht zu beanstanden.
In Nrn. 214, 214.1 der Anlage zur BKatV heißt es:
(bei den angegebenen Bestimmungen handelt es sich um Regelungen der StVZO)
"Kraftfahrzeug in Betrieb genommen, das sich § 30 Abs. 1 in einem Zustand befand, der die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt. § 69a Abs. 3 Nr. 1 insbesondere unter Verstoß gegen eine Vorschrift § 38 über Lenkeinrichtungen, Bremsen, Einrichtungen § 41 Abs. 1 bis 12, 15 zur Verbindung von Fahrzeugen Satz 1, 3, 4, Abs. 16, 17, § 43 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 4 Satz 1, 3 § 69a Abs. 3 Nr. 3, 9, 13 bei Lastkraftwagen oder Kraftomnibussen bzw. ihre Anhänger 180 €"
Der Verordnungsgeber wollte mit dieser Regelung die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, die sich in einem Zustand befinden, der die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt, einer erhöhten Bußgeldanordnung unterwerfen. Dabei ergibt sich aus dem ab dem 1.8.2006 in Nr. 214 der Anlage zur BKatV aufgenommen Hinweis auf § 30 Abs. 1 StVZO nicht, dass nur solche Verstöße erfasst werden sollen, die ausschließlich der Generalklausel dieser Vorschrift unterfallen. Dies folgt schon aus der Nennung der vorrangig zu erfassenden Verstöße nach den §§ 38, 41 u. 43 StVZO i. V. m. § 69a Abs. 3 Nr. 3, 9, 13 StVZO. Auch ist bei Verstößen gegen Vorschriften über den Zustand von Fahrzeugen nach §§ 32 ff. StVZO gleichfalls § 30 Abs. 1 StVZO regelmäßig verletzt und tritt nur hinter das speziellere Gesetz zurück.
Nr. 214 der Anlage zur BKatV enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung von schweren Verstößen bei der Inbetriebnahme von Fahrzeugen in einem nicht vorschriftsmäßigen Zustand. Eine mit „insbesondere“ eingeleitete Auflistung von Einzelfällen ist nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht abschließend (vgl. BAG NJW 2007, 3018, 3019).
Auch wenn sich die wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bei einem Fahrzeug nicht aus Mängeln bei Bremsen, Lenkeinrichtungen oder Einrichtungen zur Verbindung von Fahrzeugen ergibt, ist damit die Anwendung der Nr. 214 der Anlage zur BKatV möglich.
Einen solchen Fall hat das Amtsgericht zutreffend angenommen.
Es hat festgestellt, dass infolge der starken Leuchtkraft der Xenonlampen wegen deren größerer Blendwirkung und der damit gesteigerten Unfallgefahr ohne automatische Leuchtweitenregulierung und Scheinwerferreinigungsanlage die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt wird. Weiterhin ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, dass den im Einsatz befindlichen Polizeibeamten das Fahrzeug des Betroffenen durch das extreme Licht auffiel.
Entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde ist damit eine wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit festgestellt. Diese ergibt sich aus der abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch den Einsatz der nicht ordnungsgemäß eingebauten Xenonscheinwerfer. Eine konkrete Gefährdung ist insoweit nicht erforderlich (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 30 StVZO Rdn. 7).
Es ist allgemein bekannt, dass wegen des hohen Lichtstroms bei Xenonscheinwerfern, die nach dem Prinzip der Gasentladung arbeiten, nur durch eine korrekte Scheinwerfereinstellung eine unerwünschte Blendwirkung für den Gegenverkehr, aber auch für vorausfahrende Verkehrsteilnehmer vermieden werden kann. Die gesetzlich vorgeschriebene Reinigungsanlage dient dazu, zu gewährleisten, dass das Licht auf die Straße gerichtet bleibt, es nicht zu einer Streustrahlung kommt und so eine Blendung des Gegenverkehrs ausgeschlossen wird.
Weiterer Feststellungen bedurfte es vorliegend nicht, zumal ein Verstoß gegen zwei Alternativen des § 50 Abs. 10 StVZO vorlag.
Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass der Verordnungsgeber in Nrn. 221.1 und 222.1 der Anlage zur BKatV den Verstoß gegen § 50 Abs. 10 StVZO, der nach § 69a Abs. 3 Nr. 18a bußgeldbewehrt ist, nicht benannt hat, dafür, dass eine Ahndung nach Nrn. 214, 214.1 der Anlage zur BKatV erfolgen soll.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde war damit zu verwerfen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG; das Rechtsmittel hatte mit seinem eigentlichen Anliegen keinen Erfolg.