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OLG Saarbrücken Urteil vom 28.02.2012 - 4 U 112/11 - Reparaturwerkstatt und Kfz-Sachverständiger sind keine Erfüllungsgehilfen des Geschädigten

OLG Saarbrücken v. 28.02.2012: Reparaturwerkstatt und Kfz-Sachverständiger sind keine Erfüllungsgehilfen des Geschädigten


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 28.02.2012 - 4 U 112/11) hat entschieden:
Im Verkehrsunfallprozess sind weder der mit der Begutachtung des entstandenen Schadens beauftragte Sachverständige noch der Reparaturbetrieb hinsichtlich der Obliegenheiten zur Schadensminderung Erfüllungsgehilfen des Geschädigten. Der Geschädigte muss sich infolgedessen eine Pflichtverletzung des Reparaturbetriebs, die zu höheren Reparaturkosten führt, im Verhältnis zum Haftungsschuldner nicht zurechnen lassen. Dieser Einwendungsausschluss hat auch dann Bestand, wenn der Reparaturbetrieb durch Zession Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist.


Siehe auch Reparaturwerkstatt und Sachverständigenauswahl und Gutachtenmängel


Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt das klagende Kfz-Handelsunternehmen aus abgetretenem Recht des geschädigten Verkehrsteilnehmers den Beklagten auf Erstattung restlicher Reparaturkosten in Anspruch.

Das Kraftfahrzeug des Zeugen L. (im Folgenden auch: Zedent) wurde am 10.9.2008 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Das alleinige Verschulden des Unfallgegners, der ein Fahrzeug steuerte, welches von der rumänischen Firma SC. Transilvania S.A., gehalten wurde, steht außer Streit.

Der Zedent beauftragte den Sachverständigen B. mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser ermittelte in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.9.2008 die erforderlichen Reparaturkosten mit 10.603,94 EUR und bezifferte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 12.800 EUR. Am 21.11.2008 erteilte der Zedent der Klägerin den Auftrag, das Fahrzeug zu reparieren.

Nachdem das Fahrzeug zerlegt worden war, fiel den Mitarbeitern der Klägerin auf, dass der Schaden größer war, als zunächst vom Gutachter veranschlagt. Die Klägerin zog den Sachverständigen B. vor der weiteren Durchführung der Reparatur mit der Bitte um Nachbesichtigung hinzu, woraufhin der Sachverständige das Fahrzeug am folgenden Tag noch einmal in Augenschein nahm. Der Sachverständige erteilte trotz des Hinweises, dass sich die Reparaturkosten nicht unerheblich erhöhen würden, Reparaturfreigabe. Sodann setzte die Klägerin - dieser Sachverhalt steht im Berufungsrechtszug außer Streit - die Reparatur fort, ohne den Zedenten zuvor über die zu erwartende Kostensteigerung informiert zu haben.

Nach Abschluss der Reparatur beliefen sich die Kosten auf 18.423,46 EUR, die der Beklagte jedoch nur in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert 12.576,47 EUR abzüglich 1.500 EUR Restwert) beglich. Die Differenz ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, nachdem der Zedent in der Abtretungserklärung vom 16.12.2009 „seine Forderung auf Reparaturkostenersatz aus dem Unfallereignis vom 10.9.2008 gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung in Höhe von 7.507,63 EUR nebst Zinsen“ an die Klägerin abtrat.

Die Klägerin hat beantragt,
  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.507,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 zu zahlen;

  2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 638 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  3. hilfsweise:

    1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.507,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen C. B. zu zahlen;

    2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 638 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sich nicht auf ein Prognoserisiko berufen, da bereits vor Beginn der Reparatur erkannt worden sei, dass die Reparaturkosten die 130% Grenze überstiegen. Daher sei zu Recht auf Totalschadensbasis abgerechnet worden.

Das Landgericht hat der Klage unter Klageabweisung im Übrigen nur in Höhe eines Betrages von 323,32 EUR stattgegeben. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr abgewiesenes erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass die Klägerin keine eigenen Ansprüche geltend mache, sondern aus abgetretenem Recht des Geschädigten klage. Aus Sicht des Zedenten habe sich das Reparaturrisiko verwirklicht. Der Zedent müsse sich die Kenntnisse des Sachverständigen nicht zurechnen lassen. Der Zedent hätte vollen Schadensersatz geltend machen können. Nichts anderes gelte für die Klägerin.

In tatsächlicher Hinsicht sei davon auszugehen, dass die Reparatur mit der Zerlegung des Fahrzeugs begonnen habe, weshalb sich die Notwendigkeit zur Nachkalkulation erst nach Beginn der Reparatur ergeben habe.

Die Klägerin selbst sei zu einer Nachkalkulation nicht verpflichtet gewesen. Selbst wenn die Klägerin den Reparaturauftrag eigenmächtig ausgedehnt hätte, müsste sich der Geschädigte dies nicht zurechnen lassen.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 1.3.2011 - 14 O 79/10 - den Beklagten zu verurteilen,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.184,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 zu zahlen;

  2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 638 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  3. hilfsweise:

    1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.184,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen C. B. zu zahlen;

    2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 638 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 9.5.2011 (Bl. 135 ff.) sowie der Berufungserwiderung vom 1.7.2011 (Bl. 151 ff. d.A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.2.2012 (Bl. 159 ff. d.A.) verwiesen.


II.

A.

Die zulässige Berufung ist begründet: Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der vollen Reparaturkosten zu.

1. Die volle Haftung des gegnerischen Halters für die am PKW des Zedenten entstandenen Schäden gem. § 7 Abs. 1 StVG steht außer Streit. Der Anspruch kann gem. § 6 Abs. 1 AusPflVG, § 115 VVG direkt gegenüber dem Beklagten erhoben werden.

Auch gegen die Aktivlegitimation der Klägerin bestehen keine Bedenken: Insbesondere ist die abgetretene Forderung hinreichend bestimmt, da aus der Gesamtheit aller dem Zedenten aus dem Unfallereignis entstandenen selbständigen Forderungen allein die Forderung auf Reparaturkostenerstattung abgetreten wurde (zur Bestimmtheit von Abtretungen im Verkehrsunfallprozess: BGH, Urt. v. 7.6.2011 - VI ZR 260/10, NJW 2011, 2713; vgl. auch BGHZ 7, 365, 372; MünchKomm(BGB)/Roth, 5. Aufl., § 398 Rdnr. 67). Ferner ist der Abtretung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz die Rechtswirksamkeit vorzuenthalten (§ 134 BGB i.V.m. § 2 RDG): Zur Abgrenzung, ob ein Zessionar im Verkehrsunfallprozess erlaubte eigene oder verbotene fremde Rechtsangelegenheiten des Zedenten besorgt, hat die Rechtsprechung miteinander in Wechselwirkung stehende Kriterien entwickelt. So kann insbesondere der Umstand, dass dem Zessionar nicht nur die mit dem eigenen Anspruch gegen den Zedenten korrespondierende Forderung, sondern alle aus dem Unfallereignis resultierenden Ansprüche abgetreten wurden, Indiz für eine fremde Rechtsbesorgung sein. Ebenso deutet es auf eine zu beanstandende fremde Rechtsbesorgung hin, wenn der Zessionar selber gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht in Erscheinung tritt (vgl. zu Art. 1 § 1 RBerG: BGH, Urt. v. 5.7.2005 - VI ZR 173/04, MDR 2006, 21; Urt. v. 20.9.2005 - VI ZR 251/04, BGHR 2006, 19). Auch kann die Abtretung das Gepräge einer Rechtsberatung besitzen, wenn der Zessionar auf die Regulierung insgesamt Einfluss nimmt, indem er dem Geschädigten einen Rechtsanwalt empfiehlt (OLGR Jena 2007, 985). All diese Kriterien sind im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht nachgewiesen. Vielmehr führt der Umstand, dass die persönliche Haftung des Zedenten nach dem Inhalt der Abtretungserklärung (Bl. 8 d.A.) von der Abtretung unberührt bleiben soll, aus dem Verbot des § 2 RDG heraus (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2011 - 7 U 109/11, NJW-Spezial 2011, 651).

2. Im Streit steht lediglich die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes. Soweit das Landgericht den Sachschaden lediglich auf Totalschadenbasis liquidiert hat, hält die angefochtene Entscheidung einer Rechtskontrolle am Maßstab des § 513 Abs. 1 ZPO nicht stand:

a) Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht des geschädigten Zedenten. Mithin ist die rechtliche Beurteilung im Ausgangspunkt auf eine Prüfung der Anspruchsgrundlagen in der Rechtszuständigkeit des Zedenten auszurichten.

aa) Der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB an Stelle der geschuldeten Naturalrestitution den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Jedoch ist dieser Schadensbetrag vor dem Hintergrund des in § 251 Abs. 2 BGB normierten Wahlrechts des Schuldners, den Gläubiger im Fall der nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglichen Herstellung in Geld zu entschädigen, auf die Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes beschränkt, wenn der Reparaturaufwand den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30% übersteigt (st.Rspr. BGH, statt aller: Urt. v. 8.2.2011 - VI ZR 79/10, NJW 2011, 1435; Urt. v. 14.12.2010 - VI ZR 231/09, NJW 2011, 669; Urt. v. 6.3.2007 - VI ZR 120/06, NJW 2007, 1674; P/W/W/Medicus, BGB, 4. Aufl., § 251 Rdnr. 7). Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt wird diese Grenze überschritten: Die tatsächlichen Reparaturkosten entsprechen rund 144% des Wiederbeschaffungswerts.

bb) Jedoch gelten die dargestellten Rechtsgrundsätze nicht ohne Einschränkung: Nach der so genannten subjektbezogenen Schadensbetrachtung wird der erforderliche Herstellungsaufwand nicht nur nach objektiven Kriterien, etwa durch die Art und das objektive Ausmaß des Schadens, sondern auch durch die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt (BGHZ 63, 182, 185; zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung vgl. in der neueren Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 19.1.2010 - VI ZR 112/09, MDR 2010, 438; Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 164/07, NJW 2008, 1519, 1520; Urt. v. 30.1.2007 - VI ZR 99/06, NJW 2007, 1124). So ist der Geschädigte nicht selten zur Einschätzung des erforderlichen Wiederherstellungsaufwandes auf das Urteil von Sachverständigen und Fachleuten angewiesen. Da die Schätzung der Kosten im Regelfall vor Beginn der Reparatur vorgenommen wird, ist selbst die sachverständige Prognose mit dem Risiko behaftet, dass sich unter der Reparatur ein verdeckter Schaden zeigt. Dieses Prognose- bzw. Werkstattrisiko ist dem Geschädigten nicht anzulasten, wenn er nach entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringsten Aufwand gewählt hat und ihm weder ein eigenes Auswahlverschulden, noch eine unzureichende Überwachung des Reparaturbetriebs vorgeworfen werden kann (BGHZ 115, 364, 370 f.; 63, 182, 185 f.; Budewig/Gehrlein/Leipold, Der Unfall im Straßenverkehr, Kap. 20 Rdnr. 39; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 249 Rdnr. 25; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 3 Rdnr. 14). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass dem Geschädigten im Verhältnis zum Schädiger das dem Einfluss des Geschädigten entzogene Risiko nicht zugerechnet werden darf. Darüber hinaus hätte auch der Schädiger das Werkstattrisiko zu tragen, wenn der Geschädigte den Schädiger gem. § 249 Abs. 1 BGB zur Naturalrestitution aufgefordert und der Schädiger die Werkstatt beauftragt hätte (BGHZ 63, 185).

cc) Die Verletzung dieser den Geschädigten selbst treffenden Obliegenheit kann dem Zedenten nicht vorgeworfen werden: Der Zedent beauftragte mit der Klägerin einen markengebundenen, vom Hersteller autorisierten Fachbetrieb; ein Auswahlverschulden liegt fern. Zwar sind an die Überwachung des Reparaturbetriebes mit Blick auf die Interessen des Schädigers an einer Geringhaltung des Herstellungsaufwandes keine zu niedrigen Anforderungen zu stellen (BGHZ 63, 186). Jedoch bietet der Sachverhalt keinen hinreichenden Anhaltpunkt, um dem Zedenten eine für die Erhöhung der Reparaturkosten kausal gewordene unzureichende Überwachung der Klägerin vorzuwerfen:

aaa) Zwar dauerte es immerhin drei Wochen, bis sich der Zedent nach eigener Einlassung (Bl. 92 d.A.) in der Werkstatt einfand, um nach dem Fortgang der Arbeiten zu fragen. Gleichwohl ist dem Geschädigten die späte Rückfrage nicht vorzuwerfen, da er keine Anhaltspunkte dafür besaß, dass die verzögerte Erledigung des Auftrags auf eine Ausweitung des im Sachverständigengutachten geschätzten Reparaturumfangs zurückzuführen war.

38 bbb) Der Sachverhalt bietet Anlass, das Überwachungsverschulden unter einem weiteren Aspekt zu überprüfen: So war der Zedent nach seiner eigenen Aussage noch während der laufenden Reparatur vor Ort und wurde von dem Zeugen K. darüber informiert, dass der Reparaturaufwand größer geworden sei. Jedoch gehe alles in Ordnung; der Gutachter sei schon da gewesen. Es kann dahinstehen, ob sich der Zedent auf diese Aussage verlassen durfte oder ob er gehalten gewesen wäre, seinerseits konkrete Nachfrage hinsichtlich der zu erwartenden Kosten zu halten, um sich gegebenenfalls durch Rücksprache bei dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt über die Erstattungsfähigkeit der erhöhten Kosten rückzuversichern. Denn der Beklagte hat sich die Aussage des als Zeuge vernommenen Zedenten nicht zu Eigen gemacht. Auch steht der Fortschritt der Reparaturbemühungen zum Zeitpunkt des Werkstattbesuchs nicht fest, weshalb nicht nachvollzogen werden kann, dass die Kostenüberschreitung vermieden worden wäre, wenn der Zeuge anlässlich seines Werkstattbesuchs einer weiteren Reparatur Einhalt geboten hätte. dd) Auch ein eventuelles fremdes Verschulden des Sachverständigen oder der Klägerin selbst kann dem Zedenten nicht zugerechnet werden, da weder der Sachverständige noch die Klägerin Erfüllungsgehilfen des Zedenten waren:

Eine Zurechnung kann nur nach Maßgabe des § 278 BGB erfolgen. Dies setzt voraus, dass Sachverständiger oder Reparaturbetrieb als Erfüllungsgehilfen des Geschädigten bei der Erfüllung seiner Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung als Gebot des § 249 Abs. 1 BGB oder zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 BGB anzusehen wären.

Dieser Rechtsfrage hat sich der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Rechtsstellung des Reparaturbetriebes in der Entscheidung BGHZ 63, 182 gewidmet: Er hat ausgeführt, dass eine Zurechnung des fremden Verschuldens nicht erfolgen dürfe, weil das Verhalten des Reparaturbetriebs dem Einfluss des Geschädigten entzogen sei. Auch habe der Geschädigte sich der Werkstatt nicht in erster Linie in Erfüllung eigener Obliegenheiten zur Schadensminderung, sondern kraft seiner Befugnis zur Herstellung der beschädigten Sache bedient. Eine andere Beurteilung würde das Recht des Geschädigten, die Schadensbeseitigung selber vornehmen zu lassen, dem Sinne des Gesetzes zuwider verkürzen. Hierbei werde das Interesse des Schädigers dadurch gewahrt, dass der Geschädigte nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen könne (BGHZ 63, 186 f.; ebenso: OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, 104; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 254 Rdnr. 55; Budewig/Gehrlein/Leipold, aaO).

Diese Rechtsausführungen überzeugen: Der Schuldner muss gem. § 278 BGB nicht für alle Hilfspersonen einstehen, die in seinem Auftrag tätig werden. Erfüllungsgehilfen sind nur solche Personen, derer sich der Schuldner zur Erfüllung einer gegenüber dem Gläubiger obliegenden Verbindlichkeit bedient (BGHZ 98, 330, 334; 62, 119, 124). Besteht die zur erfüllende Verbindlichkeit in einer Obliegenheit, muss sich der Schuldner der Hilfsperson zur Erfüllung dieser Obliegenheit bedienen (Löwisch/Caspers, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 278 Rdnr. 45; Bamberger/Roth/Unberath, 2. Aufl., § 278 Rdnr. 23; Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl., § 278 Rdnr. 72; vgl. auch MünchKomm(BGB)/Grundmann, BGB, 5. Aufl., § 278 Rdnr. 25; Medicus, JuS 1969, 449, 440). Bei wertender Betrachtung liegt diese Aufgabenstellung weder der Beauftragung des Sachverständigen noch des Reparaturbetriebes zugrunde. Reparaturbetrieb und Sachverständiger werden nicht als Hilfspersonen des Schadensersatzgläubigers tätig. Sie erfüllen vielmehr eigene Vertragspflichten, die sie originär gegenüber dem Schadensersatzgläubiger eingegangen sind. Zwar mag die Leistungshandlung dieser Personen faktischen Einfluss auf die Höhe der dem Schadensersatzgläubiger im Rechtsverhältnis zum Haftungsschuldner zustehenden Schadensersatzforderung haben. Indessen ist diese faktische Auswirkung nicht geeignet, der Auftragserteilung den funktionalen Bezug zu verleihen, vom Haftungsgläubiger mit der Erfüllung der Schadensminderungsobliegenheit beauftragt worden zu sein.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine andere Beurteilung nicht deshalb geboten, weil die Klägerin, der der Beklagte ein Verschulden vorwirft, selber Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Da die Klägerin aus abgetretenem Recht klagt, bedarf es eines tragfähigen dogmatischen Fundaments, weshalb der Beklagte seiner Inanspruchnahme aus dem Haftungsanspruch eine Einwendung entgegensetzen darf, die dem Zedenten gegen die Klägerin aus einem anderen Rechtsverhältnis (hier: dem Werkvertrag) zustehen mag.

a) Ein solcher Einwendungsdurchgriff könnte allenfalls aus § 242 BGB unter Rückgriff auf den in § 404 BGB enthaltenen Rechtsgedanken herzuleiten zu sein: Dem Recht der Abtretung liegt die Wertung zu Grunde, dass der Schuldner durch eine Abtretung der Forderung keine Nachteile erleiden soll. Diese Wertung könnte auch den Schluss erlauben, dass der Zessionar durch eine Abtretung, die erfüllungshalber erfolgt, hinsichtlich der zu erfüllenden Schuld keine Besserstellung erlangen darf: Hätte der Zedent selber gegenüber seiner eigenen Inanspruchnahme aus dem Werkvertrag der Klägerin den Einwand der Schlechterfüllung entgegenhalten können, so erschiene es nicht unbedenklich, wenn die Klägerin diese Einwendung durch die erfüllungshalber erfolgte Abtretung des Schadensersatzanspruchs entkräften und so im Ergebnis ihren vollen, nicht durch ein Mitverschulden zu kürzenden Anspruch liquidieren kann. Andererseits muss eine nach den Rechtsgrundsätzen des § 242 BGB orientierte Wertung in Erwägung ziehen, dass der Beklagte auch unter Geltung des Einwendungsausschlusses nicht schutzlos ist. So wird dem Interesse des Beklagten dadurch Rechnung getragen, dass der ursprüngliche Haftungsgläubiger, der Zedent, nach den Rechtsgrundsätzen des Vorteilsausgleichs zur Abtretung etwaiger Schadensersatzforderungen gegenüber dem Sachverständigen und auch gegenüber der Klägerin verpflichtet ist. Eine Vertiefung dieser Überlegungen ist entbehrlich, da ein den Reparaturaufwand adäquat kausal erhöhendes Verschulden der Klägerin nicht nachgewiesen ist:

b) Der Beklagte leitet die Pflichtverletzung der Klägerin daraus her, dass es die Klägerin unterließ, den Zedenten vor der Fortsetzung der Reparatur noch einmal explizit auf die zu erwartende Kostensteigerung hingewiesen zu haben. Es erscheint fraglich, ob dieser Sichtweise zu folgen ist: Entgegen der Auffassung der Berufung bestehen Zweifel, ob der der Klägerin erteilte Werkauftrag tatsächlich gegenständlich auf die Beseitigung der im Gutachten festgestellten Schäden beschränkt war. Bei lebensnaher Betrachtung lässt sich die im Reparaturauftrag enthaltene Formulierung („Unfallschaden lt. Gutachten instand setzen“), an deren buchstäblichen Sinn nicht zu haften ist (§ 133 BGB), durchaus auch so verstehen, dass der Zedent den Reparaturauftrag auf die Beseitigung aller Unfallschäden erteilte, die durch das im Gutachten beschriebene Unfallereignis entstanden sind. Bei dieser Lesart könnte der Klägerin allenfalls eine Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden, ihren Auftraggeber nicht rechtzeitig über eine Kostensteigerung informiert zu haben. Jedoch erscheint fraglich, ob ein solches Unterlassen für die Entstehung der höheren Kosten adäquat kausal wurde. Immerhin hatte die Klägerin den Sachverständigen mit Blick auf die zu erwartenden höheren Kosten um „Freigabe“ der Reparatur gebeten, der diese auch erteilt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Zedent den Reparaturauftrag gestoppt hätte, wenn die Klägerin den Zedenten auf die höheren Kosten und die Freigabe durch den Sachverständigen informiert hätte. Es gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zedent über eine hinreichende Sachkunde verfügte, die ihn in die Lage versetzt hätte, die unzureichende Auskunft des Sachverständigen kritisch zu hinterfragen. Dem steht insbesondere die Aussage des Zedenten entgegen. Dieser wurde noch während der laufenden Reparatur über die Kostensteigerung informiert. Auf die Frage, wie das mit der Versicherung sei, habe ihm der Zeuge K. - so der Zeuge L. weiter - gesagt, dies sei alles geregelt. Vor dem Hintergrund dieser Aussage liegt es fern, dass der Zeuge L. die ihm rechtzeitig mitgeteilte Auskunft des Sachverständigen zum Anlass genommen hätte, vor einer eigenen Freigabe noch einmal bei seinem Rechtsanwalt Nachfrage zu halten.

Soweit der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, die Klägerin sei ihrerseits verpflichtet gewesen, Kontakt mit dem Rechtsanwalt des Zedenten aufzunehmen, um Rückfrage über eine Erweiterung des Reparaturaufwands zu halten, vermag sich der Senat dieser Sichtweise nicht anzuschließen, da sie die Anforderungen an die vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten überspannt. Ebenso wenig kann auf der Grundlage des in die Erkenntnis des Senats gestellten Sachverhalts unterstellt werden, dass der Klägerin die Überschreitung der 130%-Grenze vor der Ausführung der Reparatur positiv bewusst war und sie den Zeugen zum Zwecke der Realisierung eines möglichst hohen Werklohnanspruchs gewissermaßen „ins offene Messer“ laufen ließ.

3. Nach alledem steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der vollen Reparaturkosten zu, gegen deren Berechnung der Beklagte nichts erinnert. Hierbei war auf den Hauptantrag zu erkennen, da der Beklagte die Einrede des Zurückbehaltungsrechts nicht erhebt.

Darüber hinaus steht der Klägerin gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, deren Anfall die Klägerin im Berufungsrechtszug nachgewiesen hat. Allerdings bedarf die Höhe der Gebührenforderung einer Korrektur: Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (seit OLGR Saarbrücken 2009, 549 = Schaden-Praxis 2009, 376) ist für die außerprozessuale Abwicklung eines durchschnittlichen Verkehrsunfalls lediglich eine 1,3-fache Geschäftsgebühr angemessen. Einen diesen Gebührensatz übersteigenden Wert rechtfertigen die in § 14 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG genannten Kriterien nur dann, wenn die Tätigkeit im Sinne der Nr. 2300 RVG-VV zugleich umfangreich oder schwierig war. Diese Voraussetzungen lagen im vorliegenden Fall nicht vor, weshalb sich der erstattungsfähige Betrag auf 555,60 EUR ermäßigt.

Die Zinsforderung beruht auf Verzugsgesichtspunkten (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB). Hierbei ist anzumerken, dass das Bestehen des Zurückbehaltungsrechts den Anfall von Verzugszinsen nicht hindert: Der Schuldner ist trotz nachgewiesenem Einredetatbestand jedenfalls dann so behandeln, wie wenn er in Verzug gekommen wäre, wenn er die Einrede weder später im Prozess erhebt, noch darauf hinweist, dass er sie vorprozessual bereits erhoben hat (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 286; MünchKomm(BGB)/Ernst, aaO, § 286 Rdnr. 27). So liegen die Dinge hier.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).