Das Verkehrslexikon

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OLG Brandenburg Urteil vom 06.09.2007 - 12 U 70/07 - Zur Haftung beim Blockieren der Überholspur der Autobahn durch ein liegengebliebenes Fahrzeug

OLG Brandenburg v. 06.09.2007: Zur Haftung beim Blockieren der Überholspur der Autobahn durch ein liegengebliebenes Fahrzeug


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 06.09.2007 - 12 U 70/07) hat entschieden:
  1. Ein Fahrer, dessen Fahrzeug auf der Überholspur fahrunfähig wird, muss wegen der großen Gefahr, die gerade bei Blockieren der Überholspur der Autobahn besteht, möglichst auf den Grünstreifen ausweichen. Wegen der hohen Gefährdung des übrigen Verkehrs bei einer Blockierung der Überholspur ist es dem Fahrer des defekten Fahrzeuges zuzumuten, soweit wie möglich auf den Grünstreifen auszuweichen und gegebenenfalls auf der Beifahrerseite das Fahrzeug zu verlassen. Auch muss unverzüglich das Warnblinklicht eingeschaltet werden.

  2. Auch auf Autobahnen muss mit plötzlichen Hindernissen gerechnet werden, sodass mit entsprechend angepasster Geschwindigkeit zu fahren ist.

Siehe auch Fahren auf Sicht - Sichtfahrgebot - Auffahren auf Hindernisse und Reifen-/Reifendeckenverlust


Gründe:

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe bei der Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge nicht berücksichtigt, dass es dem Beklagten zu 1. möglich gewesen wäre, auf den Grünstreifen an der Mittelleitplanke auszuweichen und er zu einem solchen Verhalten auch verpflichtet gewesen sei; schon von daher sei die Annahme einer Alleinhaftung des Klägers unzutreffend, vielmehr rechtfertige dies die 100 %ige Haftung der Beklagten. Der Kläger macht damit einen Rechtsfehler geltend, auf dem das Urteil auch beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei auch nach der Neufassung des Berufungsrechts durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 eine Beweiswürdigung vom Rechtsmittelgericht darauf zu überprüfen, ob das zutreffende Ergebnis gefunden worden ist (vgl. BGH NJW 2005, S. 1583).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

a) Der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag betreffend die Verpflichtung der Beklagten, ihm den Verlust des Schadensfreiheitsrabattes aufgrund des Verkehrsunfalls vom 30.05.2002 zu erstatten, ist bereits unzulässig. Dem Antrag fehlt das Feststellungsinteresse, da die Erhebung einer Leistungsklage möglich und zumutbar ist (vgl. hierzu Zöller-Greger, ZPO, Kommentar, 26. Aufl., § 256, Rn. 7a). Aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben seiner Versicherung vom 05.07.2002 ergibt sich, dass sich die unfallbedingte Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung durch den Kläger und die hieraus resultierende Höherstufung des Klägers sich lediglich im Jahre 2003 ausgewirkt hat. Die entsprechende Schadensentwicklung war mithin bei Klageerhebung bereits vollständig abgeschlossen; für die Erhebung einer Feststellungsklage bestand kein Bedürfnis.

b) Der Kläger hat gegen die Beklagten, die als Gesamtschuldner haften, aufgrund des Unfalles vom 30.05.2002 einen Schadensersatzanspruch betreffend die ihm entstandenen materiellen Schäden aus §§ 7 Abs. 1, 11, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG unter Berücksichtigung einer ihn treffenden Mitverursachungsquote von 40 %, wobei für das Unfallgeschehen auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 mit Wirkung zum 01.08.2002 abzustellen ist, da sich der Unfall vor dem 01.08.2002 ereignet hat.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. wegen des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses ausgeschlossen. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch die äußerste mögliche Sorgfalt eines Idealfahrers nicht abgewendet werden kann, der alle möglichen Gefahrenmomente bei seinem Verhalten berücksichtigt hat, wobei derjenige, der sich nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. entlasten will, die Unabwendbarkeit des Unfalls darlegen und beweisen muss (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 39. Aufl., § 17 StVG, Rn. 22 f m. w. N.). Vorliegend scheidet die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses schon mangels Nachweises seitens der Beklagten aus, dass auch ein Idealfahrer sein Fahrzeug nicht auf den Grünstreifen hin zur Mittelleitplanke hätte zum Stehen bringen können, vielmehr ist insoweit von einem Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1. auszugehen (hierzu sogleich).

Im Ergebnis der somit nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge erscheint eine Haftung der Beklagten für 60 % der dem Kläger entstandenen Schäden geboten. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren jeweils nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen (vgl. KG NZV 1999, S. 512 m. w. N.; NZV 2003, S. 291). Jede Seite hat dabei die Umstände nachzuweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, S. 231).

Zulasten der Beklagten ist dabei zum einen ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen, weil er sein Fahrzeug auf dem linken der drei Fahrstreifen zum Stehen gebracht hat und es nicht auf den Grünstreifen zur Leitplanke hin hat ausrollen lassen. Ein Fahrer, dessen Fahrzeug auf der Überholspur fahrunfähig wird, muss wegen der großen Gefahr, die gerade bei Blockieren der Überholspur der Autobahn besteht, möglichst auf den Grünstreifen ausweichen (BGH VersR 1967, S. 456; VersR 1977, S. 37; OLG München NZV 1997, S. 231; OLG Zweibrücken NZV 2001, S. 387). Ein solches Verhalten wäre dem Beklagten zu 1. zur Überzeugung des Senats auch möglich gewesen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. Sp. hat in seinem Gutachten ausdrücklich festgehalten, dass es dem Beklagten zu 1. möglich gewesen wäre, sein Fahrzeug in vollem Umfang auf den Mittelstreifen zu fahren. Er hat festgestellt, dass der Grünstreifen im Bereich der Unfallstelle eine Breite von 1,6-1,9 m gehabt habe und insgesamt der linke Fahrstreifen erst in einem Abstand von 2,1-2,4 m Abstand zur Mittelschutzplanke begonnen hat, während das Fahrzeug des Beklagten zu 1. lediglich 1,86 m breit gewesen ist. Der Beklagte zu 1. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei einem vollständigen Auffahren auf den Mittelstreifen wäre ihm ein Aussteigen und Absichern der Unfallstelle nicht mehr möglich gewesen. Wegen der hohen Gefährdung des übrigen Verkehrs bei einer Blockierung der Überholspur ist es dem Fahrer des defekten Fahrzeuges zuzumuten, soweit wie möglich auf den Grünstreifen auszuweichen und gegebenenfalls auf der Beifahrerseite das Fahrzeug zu verlassen. Im Übrigen wäre die Überholspur auch dann noch nahezu vollständig geräumt und so dem nachfolgenden Verkehr ein weitgehend gefahrloses Passieren ermöglicht worden, wenn der Beklagte zu 1. lediglich bis auf 50 cm an die Mittelleitplanke herangefahren wäre und so ausreichend Platz zum Aussteigen auf der Fahrerseite gelassen hätte (vgl. hierzu auch BGH VersR 1979, S. 323). Nicht nachvollziehbar ist das Vorbringen des Beklagten zu 1., ein Ausweichen auf den Grünstreifen habe er für zu gefährlich gehalten. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1. befand sich im Ausrollen, fuhr also nur noch mit geringer Geschwindigkeit. Auch ist ausweislich der vom Sachverständigen Dr. Sp. und den unfallaufnehmenden Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder ein deutlicher Höhenunterschied zwischen der asphaltierten Fahrbahn und dem Randstreifen, der einem Ausweichen bei niedriger Geschwindigkeit entgegengestanden hätte, nicht vorhanden.

Im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht ferner ein Verstoß der Beklagten zu 1. gegen § 15 StVO zur Überzeugung des Senates fest. Zwar ist dem Beklagten zu 1. nicht vorzuwerfen, dass er die Unfallstelle im Zeitpunkt der Kollision noch nicht mittels Warndreieck abgesichert hatte. Auch wenn ein Warndreieck so untergebracht werden muss, dass es bei Bedarf sofort gefunden und benutzt werden kann (Hentschel, a.a.O., § 53 a StVZO, Rn. 3), ist zu berücksichtigen, dass der Fahrer seinen Gurt lösen und das Fahrzeug verlassen muss, ferner muss er das Warndreieck hervorholen, der Verpackung entnehmen, aufklappen und in einer Entfernung von 100 Metern vor der Unfallstelle aufstellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass dies vom Kläger in der von ihm eingeräumten Zeit von ein bis zwei Minuten zwischen dem Liegenbleiben des Fahrzeuges und dem Unfall zu bewältigen war. Aus dem gleichen Grunde ist es dem Beklagten zu 1. nicht vorzuwerfen, dass er nicht bereits neben seinem Fahrzeug gestanden hat und den nachfolgenden Verkehr durch Handzeichen oder ähnliches gewarnt hat (vgl. hierzu auch BGH VersR 1971, S. 318). Ein Verstoß gegen § 15 StVO besteht jedoch darin, dass der Beklagten zu 1. das Warnblinklicht an seinem Fahrzeug nicht eingeschaltet hat. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts hat der Kläger den Nachweis erbracht, dass das Warnblinklicht nicht geleuchtet hat, wobei sich der Senat an einer Verwertung der Aussagen der vom Landgericht gehörten Zeugen nicht gehindert sieht. Die abweichende Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben kann ohne erneute Vernehmung der Zeugen auf der Grundlage ihrer vom Landgericht protokollierten Äußerungen erfolgen. Zweifel an der Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen hat das Landgericht nicht gehabt und bestehen auch aus Sicht des Senats nicht. Dass das Warnblinklicht am Fahrzeug des Beklagten zu 1. geleuchtet hat, hat keiner der vernommenen Zeugen bestätigt. Die Zeugin E. P., die in ihrer Darstellung gegenüber der Polizei noch angegeben hat, ein leuchtendes Warnblinklicht gesehen zu haben, hat sowohl im vorliegenden Rechtsstreit als auch im Verfahren 4 O 306/04 vor dem Landgericht Potsdam nicht bekundet, das Warnblinklicht wahrgenommen zu haben. Auch nach jeweiligem Vorhalt ihrer schriftlichen Aussage gegenüber der Polizei hat sie erklärt, sich nicht entsprechend erinnern zu können. Der Zeuge W., der einen Sattelschlepper auf der rechten Spur gefahren hat, war sich hingegen sicher, dass das Warnblinklicht nicht geleuchtet hat, was er damit begründet hat, dass ihm dieses sonst aufgefallen wäre. Auch der Zeuge E., ein weiterer Motorradfahrer aus der Gruppe des Klägers, war sich sicher, dass das Warnblinklicht nicht geleuchtet hat. Weiterhin hat auch der Zeuge H. bestätigt, ein Warnblinklicht nicht gesehen zu haben. Allerdings bezieht sich diese Aussage lediglich auf die Zeit nach der Kollision, nach der nach den Angaben des Sachverständigen Wa. im Strafverfahren jedenfalls von einem unfallbedingten Defekt des Warnblinklichts auszugehen war. Kein Warnblinklicht wahrgenommen hat weiter der Zeuge Sch., der Beifahrer des Zeugen H. Dieser konnte allerdings auch das Leuchten eines Warnblinklichts nicht sicher ausschließen. Schließlich hat auch der Kläger sowohl im Rahmen seiner Anhörung wie auch im Rahmen seine Vernehmung als Zeuge im Parallelverfahren ausgeführt, dass ein Warnblinklicht nicht geleuchtet habe. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts - im Parallelverfahren - lassen sich die Angaben des Klägers wie auch die Bekundungen der Zeugen E. und W. nicht darauf reduzieren, es handele sich um Rückschlüsse aus dem Umstand, dass es zu einer Kollision gekommen sei. Der Kläger und die Zeugen haben konkrete Erinnerungen geschildert und dies - selbst auf entsprechende Vorhalte - auch klargestellt. Zudem spricht auch die späte Reaktion der drei Motorradfahrer und des Zeugen H. dafür, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1. als Hindernis erst sehr spät wahrgenommen wurde, woraus sich ebenfalls schließen lässt, das eine Absicherung durch ein Warnblinklicht nicht vorhanden gewesen ist. Nicht für zutreffend hält der Senat die Angaben der Zeugin P. gegenüber der Polizei. Diese hat im Schreiben vom 21.06.2002 angegeben, der Transporter des Beklagten zu 1. sei mit Warnblinkanlage gesichert gewesen, der Fahrer habe vorne am Fahrzeug gestanden, ein Warnkreuz habe sie ganz links gesehen, könne dies aber nicht beschwören. Unstreitig war jedoch die Unfallstelle nicht durch ein Warnkreuz gesichert, auch hatte der Beklagte zu 1. sein Fahrzeug nicht verlassen. Es ist schon von daher nicht davon auszugehen, dass die Angaben der Zeugin ausgerechnet in dem verbleibenden Punkt zutreffend gewesen sind, zumal die Zeugin augenscheinlich ihre Angaben in der Annahme gemacht hat, sie selbst sei der fahrlässigen Tötung des an der Unfallstelle verstorbenen Herrn Ru. beschuldigt. Die danach allein verbleibenden gegenteiligen Angaben des Beklagten zu 1. sind nicht geeignet, die Bekundungen der Zeugen - insbesondere auch des neutralen Zeugen W. - und die sonstigen Indizien zu entkräften und ein anderes Ergebnis zu begründen. Schließlich spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die unzureichende Absicherung des Fahrzeugs des Beklagten zu 1. für den Unfall kausal geworden ist (BGH VersR 1971, a. a. O.; OLG Düsseldorf DAR 1977, S. 186).

Ferner war zu berücksichtigen, dass die den Beklagten anzulastende Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1. auch deshalb erhöht gewesen ist, weil das Fahrzeug defektbedingt an einer extrem unfallträchtigen Stelle stand.

Kein Vorwurf ist dem Beklagten zu 1. hingegen zu machen, weil sein Fahrzeug wegen eines Defektes liegen geblieben ist. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass es infolge eines dem Beklagten zu 1. vorzuwerfenden Sorgfaltspflichtverstoßes zu einem Liegenbleiben des Fahrzeuges gekommen ist. Aus dem im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten des Dipl.-Ing. Wa. vom 14.01.2003 ergibt sich vielmehr, dass der Motor des vom Beklagten zu 1. gefahrenen Transporters sich bei der Begutachtung starten ließ. Der Sachverständige hat auch sonst einen Mangel an dem Fahrzeug nicht festgestellt. Er hat ausgeführt, es sei nicht auszuschließen, dass es zum Stehenbleiben des Fahrzeuges infolge einer Überhitzung des Motors, einer zeitweisen Kraftstoffunterbrechung oder eines zeitweiligen Ausfalls der Zündungselektrik gekommen ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für eine vorherige Erkennbarkeit eines drohenden Schadens. Ebenfalls nicht vorzuwerfen ist dem Beklagten zu 1. das Befahren des linken Fahrstreifens mit seinem relativ schwach motorisierten Fahrzeug, insbesondere ist der Vortrag der Beklagten nicht widerlegt, der Beklagte habe während des zuvor an der Unfallstelle herrschenden Stop-and-go-Verkehrs auf die linke Fahrspur gewechselt. Die insoweit vom Kläger benannten Zeugen konnten Angaben zu der vorausgegangenen Verkehrssituation schon deshalb nicht machen, weil sie erst in etwa zeitgleich mit dem Kläger das Fahrzeug des Beklagten zu 1. erreicht haben, das nach Behauptung der Beklagten in diesem Zeitpunkt bereits wenigstens eine Minute auf der linken Fahrspur stand. Schließlich konnte der Kläger auch den Vortrag der Beklagten, der Beklagte zu 1. habe wegen des dichten Verkehrs nicht auf die rechts liegende Standspur wechseln können, nicht widerlegen.

Auf Seiten des Klägers ist demgegenüber ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO zu berücksichtigen. Auch auf Autobahnen muss mit plötzlichen Hindernissen gerechnet werden, sodass mit entsprechend angepasster Geschwindigkeit zu fahren ist (OLG Braunschweig, NZV 2002, S. 176; Hentschel, a. a. O., § 3 StVO, Rn. 27). Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Unstreitig war der Transporter des Beklagten zu 1. aus einer Entfernung von wenigstens 800 Metern - vom Ausgang der letzten Kurve - zu sehen. Es herrschten Tageslicht und gute Witterungsverhältnisse. Auch war weiterer Verkehr auf der linken Fahrspur, der die Sicht auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1. hätte verdecken können, nicht vorhanden. Der Kläger hätte den Transporter daher bereits nach Passieren der Kurve wahrnehmen können und müssen, dies gilt selbst dann, wenn sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf der linken Spur befunden haben sollte, da auch in diesem Fall die Sicht auf den Transporter nicht verdeckt gewesen wäre. Da der Kläger die Fahrgeschwindigkeit des Transporters nicht kannte, musste er auch davon ausgehen, dass dieser mit einer geringeren Geschwindigkeit als er selbst unterwegs war, also jedenfalls ein potentielles Hindernis darstellte. Dementsprechend musste er sich so annähern, dass ihm ein Anhalten bzw. ein Abbremsen möglich gewesen wäre. Auch wenn der Kläger nicht mit einem Stehen des Transporters rechnen musste, so musste er doch bemerken, dass sich der Abstand zu dem Fahrzeug rasch verringerte und hierauf reagieren. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger erst nach dem Durchfahren der Kurve auf die linke Fahrspur gewechselt ist, da er auch dann auf die Geschwindigkeit des vor ihm befindlichen und bereits seit der Kurve sichtbaren Fahrzeug des Beklagten zu 1. hätte achten müssen und einen Fahrstreifenwechsel nur hätte vornehmen dürfen, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war, § 7 Abs. 5 StVO. Dies gilt umso mehr, als bereits von dem optischen Erscheinungsbild des vom Beklagten zu 1. gefahrenen Barkas 1000 zweifelhaft war, dass er eine der Geschwindigkeit des Klägers von ca. 130 km/h entsprechende Geschwindigkeit fuhr. Zudem muss der Transporter wegen des unstreitig herrschenden dichten Verkehrs auf der mittleren und rechten Fahrspur schon zuvor rechts von anderen Verkehrsteilnehmern überholt worden sein, was vom Kläger ebenfalls hätte bemerkt werden müssen. Schließlich geht auch der Sachverständigen Dr. Sp. in seiner Anhörung im Parallelverfahren davon aus, dass die Situation hinreichend früh von den Motorradfahrern hätte erkannt und entsprechend reagiert werden können.

Schließlich ist die Betriebsgefahr des Motorrades wegen seiner besonderen Gefährlichkeit im Zusammenhang mit Kollisionen höher als die eines Pkws anzusetzen. Keine weitere Erhöhung der Betriebsgefahr ist mit dem Umstand verbunden, dass mehrere Motorradfahrer in einer Gruppe zusammen fuhren.

Nicht nachgewiesen ist eine Überschreitung der an der Unfallstelle geltenden Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Weder der Sachverständige Wa. im Strafverfahren noch der im Zivilverfahren bestellte Sachverständige Dr. Sp. haben hinreichende Anhaltspunkte für eine Überschreitung dieser Geschwindigkeit durch den Kläger feststellen können.

Im Ergebnis der Abwägung der Verursachungsbeiträge sieht der Senat ein Überwiegen auf der Seite der Beklagten, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass selbst im Falle einer ordnungsgemäßer Absicherung eines nur teilweise in die Fahrbahn hineinragenden Fahrzeugs eine Mithaftung des Fahrers des liegengebliebenen Fahrzeuges in Höhe von 1/4 - 1/3 angenommen wird (vgl. BGH VersR 1979, a. a. O.; OLG Bamberg VersR 1978, S. 256; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl., Rn. 94), die hier wegen des Fehlens jeglichen Hinweises auf ein stehendes Hindernis erheblich zu erhöhen war.

Ein weitergehender Schadensersatzanspruch besteht aus den vorgenannten Gründen auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 1 Abs. 2, 15 StVO, 3 Nr. PflVG.

c) In Bezug auf die geltend gemachten materiellen Schadenspositionen besteht ein Anspruch des Klägers in Höhe von 1.302,15 €.

Zu berücksichtigen war zum einen der Eigenanteil für die stationäre Behandlung des Klägers im ...-Krankenhaus in P. in Höhe von 117,00 €, der durch Vorlage des Überweisungsbeleges hinreichend nachgewiesen ist, § 287 ZPO.

Hinsichtlich der geltend gemachten Telefonkosten schätzt der Senat den dem Kläger entstandenen Schaden auf 20,00 €. Der Kläger hat nachvollziehbar ausgeführt, er habe sich nach dem Unfall aus dem Krankenhaus in P. mit dem ADAC in Verbindung setzen und dafür Sorge tragen müssen, dass das verunfallte Motorrad zurücktransportiert wird. Auch habe er sich mit der Kaskoversicherung in Verbindung setzen müssen und mit seiner Familie, seiner Lebensgefährtin und Verwandten telefoniert. Belege, die einen über 20,00 € hinausgehenden Betrag rechtfertigen würden, legt der Kläger jedoch nicht vor. Die von ihm eingereichte Quittung über 50,00 € betrifft lediglich sein im Krankenhaus eingezahltes Telefonguthaben.

Weiterhin waren die Kosten für die Anschaffung von Ersatzbekleidung und Hygieneartikel in Höhe von insgesamt 65,45 € zu berücksichtigen, hinsichtlich derer der Kläger Kaufbelege eingereicht hat. Infolge der auch insoweit überzeugenden Angaben des Zeugen E. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Gepäckstücke, die der Kläger mit sich geführt hat, nach dem Unfall zunächst von der Polizei sichergestellt worden sind und auch beschädigt waren, sodass eine Neubeschaffung anstand, die noch am Unfalltage erfolgte. Dem Kläger war auch nicht zuzumuten, bis zum Eintreffen seiner Lebensgefährtin am Tag nach dem Unfall auf eigene Kleidung und eine Zahnbürste zu verzichten.

Schließlich steht aufgrund der Aussage des Zeuge E. zur Überzeugung des Senats die unfallbedingte Beschädigung von Motorradtankrucksack, Lederkombi und Motorradhelm des Klägers fest. Auch eine Beschädigung der Handschuhe ergibt sich aus den erheblichen Verletzungen des Klägers an der Hand, die infolge des Aufpralls ins Innere des Lieferwagens des Beklagten zu 1. geraten ist. Angesichts der belegten Neukosten für den Tankrucksack von 129,95 € und für die Motorradlederkombi von 769,64 € und der in nachvollziehbarer Höhe angegebenen Neukosten eines Motorradhelms in Höhe von 331,83 € sowie von Motorradhandschuhen in Höhe von 127,82 € ist unter Berücksichtigung eines Abzuges neu für alt von 25 %, der dem Senat angesichts der Langlebigkeit der Gegenstände angemessen erscheint, ein Betrag von 1.134,47 € zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen waren allein die Kosten für die behauptete Airbrush-Lackierung des Motorradhelmes, hinsichtlich der der Kläger bereits einen Beweis nicht angetreten hatte.

Als materielle Schadensposition sind damit zunächst zu berücksichtigen:

Eigenanteil stationäre Behandlung: 117,00 €
Telefonkosten: 20,00 €
Ersatzkleidung etc.: 65,45 €
Motorradbekleidung und Tankrucksack: 1.134,47 €
Summe: 1.336,92 €


Unter Berücksichtigung der Haftung der Beklagten zu 60 % ergibt sich daraus eine Ersatzforderung in Höhe von 802,15 €.

Weiterhin zu berücksichtigen ist die Selbstbeteiligung des Klägers in seiner Vollkaskoversicherung von 500,00 €, die durch das Abrechnungsschreiben seiner Versicherung vom 05.07.2002 hinreichend belegt ist, § 287 ZPO. Hinsichtlich dieses Betrages war eine anteilige Kürzung um den Mitverursachungsbeitrag des Klägers nicht veranlasst, da insoweit das Quotenvorrecht des Klägers im Verhältnis zu seiner Kaskoversicherung dazu führt, dass er seine Selbstbeteiligung unquotiert gegenüber dem Schädiger geltend machen kann (vgl. auch Palandt-Heinrichs, BGB, Kommentar, 66. Aufl., Vorb. vor § 249, Rn. 132).

Der Zinsanspruch hinsichtlich dieser Forderung beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

d) Ein Schmerzensgeld für die von ihm erlittenen Verletzungen und Beeinträchtigungen kann der Kläger in Höhe von 3.500,00 € aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 BGB, 1 Abs. 2, 15 StVO, 3 Nr. 1 PflVG verlangen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Dabei ist auch das Verhalten des Schädigers bei der Schadensregulierung zu berücksichtigen, insbesondere eine zögerliche Bearbeitung. Im Rahmen der bei normalen Straßenverkehrsunfällen nur eingeschränkt zu berücksichtigenden Genugtuungsfunktion ist insbesondere die Schwere des Verschuldens des Schädigers in Ansatz zu bringen (BGH NJW 1955, S. 1675; NJW 1982, S. 985; VersR 1992, S. 1410; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rn. 274 ff). Vorliegend hat der Kläger eine erstgradige offene Unterarmfraktur links distal, Basisfrakturen OS metacarpalia IV und V - Fraktur der Mittelhand -, eine radio-ulnare Luxation links und einen Morbus Scheuermann erlitten. Der Kläger befand sich 10 Tage in stationärer ärztlicher Behandlung und wurde dann noch knapp vier weitere Monate ambulant behandelt. Dauerschäden sind beim Kläger nicht verblieben. Aufgrund der vorgenannten Umstände sowie unter Berücksichtigung einer Mithaftung des Klägers in Höhe von 40 % und unter Einbeziehung der veröffentlichten Vergleichsfälle (vgl. Slizyk, Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, 5. Aufl., S. 296 und 306 f) erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von 3.500,00 € angemessen aber auch ausreichend.

Der Zinsanspruch beruht wiederum auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

e) Ein weitergehender Schadensersatzanspruch des Klägers besteht nicht. Der Kläger kann eine Erstattung der Kosten, die anlässlich des Besuchs seiner Lebensgefährtin im Krankenhaus in P. angefallen sind nicht verlangen. Kosten der Besuche nächster Angehöriger sind nur dann zu erstatten, wenn sie medizinisch notwendig sind (OLG Hamm RuS 1993, S. 20; Küppersbusch, a. a. O., 237). Dies ist seitens des Klägers nicht dargetan worden.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 12.170,84 € festgesetzt, §§ 47 Abs. 1 GKG (materieller Schadensersatz: 2.000,44 €, Feststellungsantrag: 170,40 €, Schmerzensgeld: 10.000,00 €).

Wert der Beschwer für den Kläger: 7.368,69 €,
Wert der Beschwer für die Beklagten: 4.802,15 €.