Das Verkehrslexikon
OLG Bamberg Beschluss vom 28.01.2013 - 3 Ss OWi 24/13 - Unfall eines Fußgängers beim Vorbeifahren an dem an einer Haltestelle wartenden Linienbus
OLG Bamberg v. 28.01.2013: Unfall eines Fußgängers beim Vorbeifahren an dem an einer Haltestelle wartenden Linienbus
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 28.01.2013 - 3 Ss OWi 24/13) hat entschieden:
- Eine Ordnungswidrigkeit liegt in der qualifizierten und für die konkrete Bußgeldbemessung ausschlaggebenden "Gefährdungsvariante" des § 20 Abs. 4 StVO (i. V. m. Nr. 95.2 BKat) nicht vor, wenn es sich bei einem beim Vorbeifahren an einer Haltestelle mit einem wartenden Linienbus verletzen Fußgänger nicht um einen "Fahrgast" des Linienomnibusses handelt. Gerade diese Fahrgasteigenschaft ist überdies zumindest vorrangiger Schutzzweck der Norm, wenn auch die in § 20 StVO genannten erhöhten Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren letztlich dem Schutz aller Fußgänger und nicht nur derjenigen dienen mögen, die im räumlichen Bereich des Verkehrsmittels (unachtsam) die Fahrbahn überqueren.
- Die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde ist für eine Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG nicht erforderlich.
Siehe auch Haltestellen im öffentlichen Nahverkehr und im Schulbusverkehr und Einstellung des Verfahrens wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
Gründe:
Die dem Betroffenen zur Last liegende fahrlässige Ordnungswidrigkeit (Tatzeit: 27.06.2011) liegt jedenfalls in der qualifizierten und für die konkrete Bußgeldbemessung ausschlaggebenden "Gefährdungsvariante" des § 20 Abs. 4 StVO (i.V.m. Nr. 95.2 BKat) nicht vor, da es sich bei dem Verletzen gerade nicht um einen "Fahrgast" des Linienomnibusses gehandelt hat. Gerade diese Fahrgasteigenschaft ist überdies zumindest vorrangiger Schutzzweck der Norm, wenn auch die in § 20 StVO genannten erhöhten Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren letztlich dem Schutz aller Fußgänger und nicht nur derjenigen dienen mögen, die im räumlichen Bereich des Verkehrsmittels (unachtsam) die Fahrbahn überqueren (vgl. hierzu z.B. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 41. Aufl. § 20 StVO Rn. 6 m.w.N.).
Nachdem aus dem Unfallereignis glücklicherweise keine schwerwiegenden Verletzungsfolgen resultierten und der Betroffene als straßenverkehrsrechtlich unbelastet anzusehen ist, erscheint eine bußgeldrechtliche Ahndung ausnahmsweise nicht geboten. Hinweise für einen besonders gravierenden Pflichtenverstoß liegen nicht vor.
Sonstige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art stehen einer Verfahrenseinstellung nicht entgegen. Insbesondere ist die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich (BGHSt 23, 365/368; OLG Bamberg, Beschlüsse vom 04.08.2010 – 3 Ss OWi 986/10 und vom 09.02.2011 – 3 Ss OWi 76/11; OLG Karlsruhe NZV 2004, 654 f. und StraFo 2010, 94; vgl. auch Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 47 Rn. 41; KK/Bohnert OWiG 3. Aufl. § 47 Rn. 22 und Burhoff/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 765 ff., insbes. Rn. 771 f., jeweils m.w.N.).
Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht sowie der Betroffene haben am 24.01.2013 bzw. mit Verteidigerschriftsatz vom 14.01.2013 zur Einstellung des Verfahrens jeweils ihr Einverständnis erklärt.
Wegen der zumindest im Grundtatbestand verwirklichten Ordnungswidrigkeit erachtet es der Senat hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung allerdings als sachgerecht, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen der Betroffenen auf die Staatskasse abzusehen und diese lediglich mit den Kosten des Verfahrens zu belasten (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 4 StPO).