Das Verkehrslexikon

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Einstellung des Bußgeldverfahrens

Einstellung des Verfahrens wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Ablehnung des Einstellungsantrags
-   Lange Verfahrensdauer
-   Einstellung vor Zulassung der Rechtsbeschwerde
-   Einzelfälle



Einleitung:


Im OWi-Verfahren gibt § 47 OWiG der Verfolgungsbehörde oder dem Richter die Möglichkeit, das Verfahren ohne weitere Sanktionen einzustellen, wenn eine Ahndung nicht für geboten erachtet wird. Bei Geldbußen bis 100,00 € bedarf es bei gerichtlicher Einstellung in der Hauptverhandlung keiner Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wenn diese ausdrücklich nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen wollte.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten

Allgemeiner Überblick über den Ablauf eines Bußgeldverfahrens

Einstellung des Strafverfahrens

Die Bindungswirkung des Strafurteils bzw. der Entscheidung im Ordnungswidrigkeitenverfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde bei der Beurteilung der Fahreignung und bei Probezeitmaßnahmen

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Allgemeines:


BVerfG v. 03.06.1975:
Hält der Betroffene irrtüumlich die Teileinstellung eines verkehrsrechtllichen Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft für eine Beendigung des gesamten Verfahrens und versäumt er daraufhin die Einspruchsfrist gegen den Bußgedbescheid der Verwaltungsbehörde, so gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die Verwaltungsbehörde ihm auf seine Gegenvorstellungen hin noch eine schriftliche Stellungnahme zugesagt hat.

OLG Stuttgart v. 10.08.1998:
Rechtsbeugung begeht nur der Amtsträger, der sich bewusst in schwerwiegender Weise vom Gesetz entferne und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet. Schon der objektive Tatbestand des § 336 StGB (a.F.) setzt einen offensichtlichen Willkürakt und elementaren Rechtsverstoß voraus. Bei den OWiG-Verfahren handelt es sich nicht um strafrechtliche Vorwürfe, sondern um Ordnungsunrecht und um ein "Massengeschäft" bei den Amtsgerichten. Dem trägt § 47 OWiG Rechnung, indem er in Absatz 2 dem Gericht einen Ermessensspielraum, was die Verfahrenseinstellung betrifft, in die Hand gibt und, was aus Sicht des Senats wesentlich ist, einen solchen Einstellungsbeschluss für unanfechtbar erklärt, § 47 Abs. 2 Satz 4 OWiG. Damit hat der Gesetzgeber selbst klargestellt, dass ein Betroffener eine richterliche Einstellungsentscheidung, die nicht einmal seiner Zustimmung bedarf und nicht begründet zu werden braucht, grundsätzlich zu akzeptieren hat und nicht auf ihre Richtigkeit gerichtlich überprüfen lassen kann.

BGH v. 03.12.1998:
Eine Entscheidung nach OWiG § 47 Abs 2 erfüllt nur dann den Tatbestand der Rechtsbeugung, wenn sie aus sachfremden Gründen erfolgt.

OLG Hamm v. 13.02.2001:
Die Zuständigkeit des Gerichts, ein Verfahren gemäß OWiG § 47 Abs 2 einzustellen, beginnt mit dem Eingang der von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Akten (OWiG § 69 Abs 4 S 2) und endet mit dem Urteil bzw einem Beschluss nach OWiG § 72.

OLG Karlsruhe v. 29.10.2004:
Eine gerichtliche Einstellung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG wird immer dann in Betracht zu ziehen sein, wenn eine Ahndung der Tat der ansonsten üblichen Verwaltungspraxis widersprechen würde, denn solche internen Richtlinien und Weisungen sollen gerade die gleichmäßige Behandlung aller Bürger gewährleisten.

OLG Dresden v. 02.02.2006:
Wird ein Bußgeldverfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG nach vorheriger Anhörung des Betroffenen eingestellt und davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, kann der Betroffene weder den Einstellungsbeschluss noch die darin enthaltene Kostenentscheidung anfechten.




OLG Karlsruhe v. 12.08.2010:
Eine Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 Satz 2 OWiG ist veranlasst, wenn eine etwaige Ahndung der Tat unter Berücksichtigung des mutmaßlichen weiteren Verfahrensverlaufs in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Tat und den damit verbundenen zusätzlichen Belastungen für den Betroffenen steht.

OLG Hamburg v. 27.03.2015:
Werden im Vorfeld zur Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren Gespräche über eine Totaleinstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG geführt, erweisen sich diese nicht als mitteilungspflichtige verständigungsbezogene Erörterungen, wenn nur eine Tat im prozessualen Sinne und ein einziger hierdurch verwirklichter Bußgeldtatbestand in Rede stehen.

OVG Münster v.m 28.06.2021:
  1.  Die Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO bedeutet nicht, dass der Tatverdacht gegen den Betroffenen ausgeräumt wäre oder dass wie der Antragsteller offenbar meint der "Tatnachweis" nicht habe erbracht werden können. Vielmehr muss bei einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO sogar ein hinreichender Tatverdacht bestehen; die Anwendung des § 153a StPO gegenüber einem Unschuldigen ist untersagt.

  2.  Eine rechtskräftige Verurteilung oder eine bestandskräftige Bußgeldentscheidung wegen einer von der Fahrerlaubnisbehörde festgestellten Straftat bzw. wegen eines von ihr festgestellten Verstoßes im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 4-7 FeV ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn sich das Vorliegen der Straftat bzw. des Verstoßes aus Feststellungen der Polizei oder aus anderen Erkenntnissen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hinreichend zuverlässig ergibt. Insbesondere können auch Vorfälle berücksichtigt werden, in denen die strafrechtlichen Verfahren im Stadium vor einer rechtskräftigen Verurteilung eingestellt worden sind.

OLG Hamm v. 16.09.2021:
Angesichts der im Falle einer Zulassung der Rechtsbeschwerde erforderlichen weiteren Sachaufklärung durch das Amtsgericht mithilfe eines Sachverständigen, die im Hinblick auf die Bedeutung der Sache (Bußgeld i.H.v. 80,00 €) unangemessen erscheint, hält der Senat eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 OWiG, welche auch bereits im Zulassungsverfahren möglich ist (vgl. Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 47 Rn. 41), für sachgerecht.

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Ablehnung des Einstellungsantrags:


OLG Düsseldorf v. 14.03.2022:
Für die Ablehnung eines Einstellungsantrags im OWi-Verfahren ist kein Beschluss nötig-

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Lange Verfahrensdauer:


Lange Verfahrensdauer - Verletzung des Beschleunigungsgebots

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Einstellung vor Zulassung der Rechtsbeschwerde:


OLG Hamm v. 29.09.1998:
Die Einstellung des Verfahrens durch das Rechtsbeschwerdegericht nach OWiG § 47 Abs 2 setzt die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde nach OWiG §§ 79 Abs 1 S 2, 80 Abs 1 nicht voraus.

OLG Jena v. 29.05.2007:
Zur Möglichkeit der Einstellung des gerichtlichen Bußgeldverfahrens durch den Bußgeldsenat vor Zulassung der Rechtsbeschwerde.

OLG Bamberg v. 28.01.2013:
Die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde ist für eine Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG nicht erforderlich.

OLG Jena v. 06.08.2014:
Die in jeder Lage des Verfahrens und damit auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz mögliche Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG setzt nicht voraus, dass die Rechtsbeschwerde zuvor zugelassen worden ist oder überhaupt ein Zulassungsgrund vorliegt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn das Rechtsbeschwerdegericht auf einen in zulässiger Weise gestellten und begründeten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hin mit der Sache befasst ist.

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Einzelfälle:


AG Lüdinghausen v. 27.03.2007:
Ist ein Kontrollfahrzeug zwar formell richtig geeicht, bestehen jedoch hinsichtlich der materiellen Eichung Unklarheiten, dann kann das Bußgeldverfahren zur Vermeidung unangemessenen Aufwandes eingestellt werden, wenn anzunehmen ist, das nach Einholung eines Gutachtens ein höherer Toleranzabzug vorgenommen und eine Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze verhängt werden müsste.

OLG Jena v. 05.04.2007:
Zu den Mindestanforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen eines Verstoßes gegen § 36 Abs. 2 Satz 4 StVZO, wenn dieser unter anderem auf eine Messung mit einem nicht geeichten Reifenprofilmessgerät und auf eine "Anschleifung“ der Tread-Wear-Indicators gestützt wird. Ist im Falle einer Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgerichts ist einer erneuten aufwendigen Beweisaufnahme zu der vorgenommenen Messung zu rechnen, die in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Sache stünde, ist die Einstellung des Verfahrens gem. § 47 Abs. 2 OWiG angemesssen.



OLG Bamberg v. 11.04.2008:
Alle Ordnungswidrigkeitenverfahren, die mit Dienstfahrzeugen aus einer Liste ermittelt und verfolgt worden sind, sind gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG durch die Verfolgungsbehörde einzustellen, da die Verwertbarkeit der gewonnenen Messergebnisse mit dem Videonachfahrsystem ProViDa 2000 wegen eines formalen Mangels der Nichteichbarkeit der Fahrzeuge zumindest ernsthaft in Frage gestellt ist.

OLG Karlsruhe v. 28.08.2009:
Eine Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG kann veranlasst sein, wenn eine etwaige Ahndung der Tat unter Berücksichtigung des weiteren Verfahrensverlaufs in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Tat und den damit verbundenen zusätzlichen Belastungen für die Betroffene stünde (Aussage gegen Aussage beim Vorwurf der unbefugten Benutzung eines Mobiltelefons).

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