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OLG Celle Beschluss vom 15.05.2013 - 322 SsBs 108/13 - Wert des Erlangten bei Durchführung eines Schwertransports

OLG Celle v. 15.05.2013: Zum Wert des Erlangten bei einer Verfallsanordnung bei Durchführung eines Schwertransports


Das OLG Celle (Beschluss vom 15.05.2013 - 322 SsBs 108/13) hat entschieden:
  1. Für die Bestimmung des Wertes des "Erlangten" i.S.d. § 29a Abs. 1 OWiG bei Begehung einer Ordnungswidrigkeit unter Missachtung einer hoheitlichen Kontrollbefugnis kommt es darauf an, ob es sich um ein rein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt. Bei Missachtung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt beschränkt sich der Wert in der Regel auf die ersparten Aufwendungen für das unterlassene behördliche Genehmigungsverfahren; bei Zuwiderhandlung gegen ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist erlangt die vertragliche Gegenleistung abzüglich der Mehrwertsteuer (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 19. Januar 2012, 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79).

    2. § 29 Abs. 3 StVO und § 70 Abs. 2 StVZO sehen Ausnahmebewilligungen von einer generell verbotenen Tätigkeit vor. Der Verstoß gegen die zulässigen Obergrenzen für Länge, Höhe und Gewicht nach der StVO und der StVZO beschränkt sich nicht auf die Missachtung einer hoheitlichen Kontrollbefugnis. Führt die Verfallsbeteiligte einen Schwertransport ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO und ohne eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 2 StVZO durch, so hat sie die vertragliche Gegenleistung abzüglich der Mehrwertsteuer für diese Handlung erlangt.

Siehe auch Die Verfallsanordnung im Bußgeldverfahren und Schwerlasttransporte - Sondertransporte


Gründe:

I.

Das Amtsgericht ordnete gegen die Verfallsbeteiligte wegen Verstoßes gegen § 70 StVZO den Verfall eines Geldbetrags in Höhe von 690 € an.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte die Verfallsbeteiligte am 29. September 2011 einen Transport von drei Traktoren der Marke „J. D.“ von B. nach K. durch. Der Auftrag hatte sich kurzfristig ergeben, so dass eine Leerfahrt vermieden werden konnte. Bei einer Verkehrskontrolle auf dem Parkplatz S. an der BAB 1, Fahrtrichtung H., wurde festgestellt, dass der Zug mit Ladung die zulässigen Maße überschritt. Die zulässige Höhe von 4 m wurde von der Zugmaschine um 13 cm, vom Anhänger um 20 cm überschritten, die zulässige Breite von 2,55 m wurde um 25 cm, die zulässige Fahrzeuggesamtlänge von 18,75 um 1,18 m und das zulässige Gesamtgewicht von 40.000 kg mit Ladung um 2.582 kg überschritten.

Die Verfallsbeteiligte verfügte über eine bis zum 31. Dezember 2014 befristete Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO der Regierung der Oberpfalz vom 15. Dezember 2008, mit der für den Zug eine Gesamtlänge von 20,45 m und ein Gesamtgewicht von bis zu 44.000 kg zugelassen sind. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist die Ausnahmegenehmigung an die Bedingung geknüpft, dass sie nur gelte, wenn eine unteilbare Ladung mitgeführt werde. Ferner wurde die „Auflage“ erteilt, eine Genehmigung nach § 29 Abs. 3 StVO mitzuführen. Eine solche Genehmigung war der Verfallsbeteiligten für diesen Transport nicht erteilt worden.

Die Verfallsbeteiligte erhielt für den Transport eine Nettovergütung in Höhe von 690 €. Diesen Betrag sah das Amtsgericht als „erlangt“ i. S. d. § 29a OWiG an.

Gegen das Urteil wendet sich die Verfallsbeteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, das Amtsgericht habe zu Unrecht offen gelassen, ob der Transport genehmigungsfähig gewesen sei. Bei einer Genehmigungsfähigkeit seien „erlangt“ aber nur die durch Nichtbeantragung der Genehmigung ersparten Aufwendungen.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.


II.

Die gem. §§ 87 Abs. 5, 6 OWiG i. V. m. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde war auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen.

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:

1. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte als Drittbegünstigte i. S. d. § 29a Abs. 2 OWiG einer mit Geldbuße bedrohten Handlung.

Für den Transport fehlte die straßenbezogene Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO; damit war - nach den Feststellungen im Übrigen auch schuldhaft - der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 18, Abs. 2 Nr. 7 StVO erfüllt. Nach den Feststellungen deckte auch die fahrzeugbezogene Ausnahmegenehmigung den Transport nicht, weil sie nur für den Transport einer unteilbaren Ladung erteilt war. Damit war auch der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 32 Abs. 4 Nr. 4 StVZO i. V. m. § 69a Abs. 3 Nr. 2 StVZO erfüllt, denn nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt jedenfalls die Gesamtlänge des Zugs (insoweit auch ohne Berücksichtigung der Ladung) die zulässige Gesamtlänge.

Es kann deswegen dahin gestellt bleiben, dass das Amtsgericht den genauen Wortlaut der Verknüpfung von Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO und Genehmigung nach § 70 StVZO im Bescheid der Regierung der Oberpfalz nicht mitgeteilt hat. Hierauf käme es nur an, wenn die Ordnungswidrigkeit davon abhinge, ob das Fehlen der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO zur Unwirksamkeit der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO führt, z.B. wenn es sich um eine echte Bedingung handelt (zum Ganzen ausführlich OLG Celle, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 322 SsRs 390/10 -, NZV 2011, 291; Dauer, in: Hentschel u.a., Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 70 StVZO Rn. 2).

2. Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht den Wert des Erlangten i. S. d. § 29a OWiG nach dem sog. „Bruttoprinzip“ in Höhe des Wertes der Gegenleistung für den Transport abzüglich der Mehrwertsteuer bestimmt (so bereits OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 322 SsBs 175/11 -, NStZ-​RR 2012, 151).

Nach § 29a OWiG ist grundsätzlich der unmittelbar aus der Tat erwachsene Vorteil ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abzuschöpfen.

Der Wert des Erlangten beschränkt sich bei einem Transport ohne straßenbezogene Erlaubnis (§ 29 Abs. 3 StVO) und ohne fahrzeugbezogene Ausnahmegenehmigung (§ 70 StVZO) nicht auf die durch die unterlassene Genehmigung ersparten Verwaltungskosten.

Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob diese Ersparnis bereits grundsätzlich nicht kausal auf die Tat zurückgeht, weil vielmehr die Tat auf der zuvor unterlassenen Einholung einer Genehmigung beruht (zuletzt z.B. AG Kassel, Urteil vom 18. Juni 2012 - 390 OWi 7624 Js 33677/11 -, juris, bestätigt durch OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 Ss-​OWi 724/12 -, juris; so auch Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 29a Rn. 5; anders OLG Koblenz, zfs 2007, 108).

Auch wenn demgegenüber nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung der Wert des Erlangten im Einzelfall auch nach den ersparten Verwaltungsaufwendungen bemessen werden kann, wenn der Verstoß gegen einen hoheitlichen Genehmigungsvorbehalt bußgeld- oder strafbewehrt ist (BGH, Beschl. v. 19. Januar 2012, 3 StR 343/11 -, BGHSt 57, 79-​87), finden diese Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt keine Anwendung.

Im Einzelnen:

a. In der Entscheidung des BGH vom 19. Januar 2012 (a.a.O.) wird danach differenziert, ob sich die straf- (bzw. bußgeld-​) bewehrte Handlung auf einen rein formalen Verstoß gegen einen hoheitlichen Genehmigungsvorbehalt beschränkt, während die eigentliche - gewinnbringende - Tätigkeit nicht in Widerspruch zu den Prinzipien der Rechtsordnung steht, oder ob die nicht genehmigte Handlung selbst rechtlich missbilligt wird. Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen, was letztlich bußgeld- bzw. strafbewehrt ist. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt (BGH, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884 mwN).

Danach unterliegt zunächst zweifelsfrei der Erlös eines Rechtsgeschäfts dem Verfall, wenn der Abschluss oder der Inhalt des Rechtsgeschäfts selbst gegen straf- oder bußgeldbewehrtes Recht verstößt.

Nach der Rechtsprechung des BGH gilt der Grundsatz der Abschöpfung des Erlöses eines Rechtsgeschäfts als aus der Tat „Erlangtes“ aber auch dann, wenn das geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in strafbarer (oder ordnungswidriger) Weise umgeht. Erreicht der Täter Vorteile dadurch, dass er ein - gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde - nicht genehmigungsfähiges Geschäft erfüllt sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielt, so sind diese in vollem Umfang erlangt i. S. d. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB (bzw. i. S. d. § 29a OWiG) und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall (BGHSt 57, 79, juris Rn. 17).

Beschränkt sich dagegen der Verstoß gegen die Rechtsordnung auf die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde, so ist erlangt nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens erwachsene (Sonder-​)Vorteil.

b. In der Sache ist deswegen nach der Rechtsnatur der hoheitlichen Gestattung im Einzelfall zu differenzieren.

Handelt es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das allein der vorherigen hoheitlichen Kontrolle dient, ob die Tätigkeit mit der Rechtsordnung in Einklang steht (zum Ganzen z.B. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 46 Rn. 31ff), so ist das Erlangte nach den ersparten Aufwendungen für das umgangene Genehmigungsverfahren zu bemessen, wenn die Handlung genehmigungsfähig gewesen wäre. Denn in diesem Fall ist ein rein formaler Verstoß ohne materielles Unrecht gegeben (so z.B. der Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 AWG, BGHSt 57, 79).

Stellt die behördliche Gestattung demgegenüber eine Ausnahme von einem generell verbotenen Tun dar (sog. repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt, vgl. Wolff u.a., a.a.O., § 46 Rn. 40), so verbleibt es bei der generellen Regel, dass das genehmigungslose Tun verboten ist und das Rechtsgeschäft deswegen nur unter Verstoß gegen materielles Recht erfüllt werden kann.

c. Bei der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO wie auch bei der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO handelt es sich jeweils um Ausnahmegenehmigungen von einem generell bestehenden Verbot.

Die Vorgaben über Abmessungen, Lasten und Gewichte nach §§ 32, 34 StVZO dienen der Bestimmung dessen, was im Straßenverkehr grundsätzlich als hinnehmbar und generell sozial verträglich gilt. Die Ausnahmeregelung nach § 70 StVZO, bei der der Behörde ein Ermessen eingeräumt ist, bezweckt insbesondere die Vermeidung von Härten, daneben u.a. auch die Erprobung neuer Techniken. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist jeweils der Ausnahmecharakter der Genehmigung zu beachten, wobei auch von Relevanz ist, ob der Transport nicht auf andere Weise abgewickelt werden kann (zum Ganzen eingehend z.B. Rebler, NZV 2004, 450 ff). Durch den Verwaltungsakt der Ausnahmegenehmigung werden danach materiell-​rechtliche gesetzliche Vorschriften außer Kraft gesetzt und es wird durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt neues objektives Recht jenseits der allgemeinen Vorgaben der StVZO geschaffen (Rebler, a.a.O.; OLG Bamberg, NZV 2007, 638).

Gleiches gilt für die straßenbezogene „Erlaubnis“ nach § 29 Abs. 3 StVO. Auch hier handelt es sich um eine Abweichung von den materiellen Vorgaben der StVO im Einzelfall (Rebler, a.a.O. S. 451). Dementsprechend ist die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen an enge Vorgaben geknüpft, u.a. an den Nachweis des geeigneten baulichen Zustands der Straßen sowie an die Feststellung, dass der Transport nicht auf der Schiene oder auf dem Wasser möglich ist (Rebler, a.a.O.; vgl. i.E. VwV zu § 29 StVO, abgedruckt z.B. bei Hentschel u.a., Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 29 StVO Rn. 1c).

Das Verhalten ist danach materiell und nicht lediglich formell rechtswidrig, wenn der Betroffene sich der Prüfung der Anforderungen für eine Ausnahmegenehmigung entzieht. Der Tatrichter ist deswegen nicht gehalten, die straßenbezogene (§ 29 Abs. 3 StVO) bzw. fahrzeugbezogene (§ 70 StVZO) Genehmigungsfähigkeit des Transports zu prüfen und eine hypothetische Ermessensausübung an Stelle der hierzu berufenen Behörde vorzunehmen, um erst auf dieser Grundlage den Wert des Erlangten i. S. d. § 29a OWiG bestimmen zu können.

Für die hier zu treffende Entscheidung kommt es danach auch nicht darauf an, dass nach den konkreten Feststellungen des Amtsgerichts im Einzelfall die Erteilung der Genehmigung auch deswegen ausgeschlossen gewesen sein dürfte, weil es sich um einen spontanen Abschluss eines Transportgeschäfts zur Vermeidung einer Leerfahrt handelte und somit auch aus zeitlichen Gründen die rechtzeitige Erteilung der Genehmigung kaum in Betracht kam.