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OLG Bamberg Beschluss vom 07.05.2013 - 2 Ss OWi 493/13 - Fehlende Unterschrift unter OWi-Urteil

OLG Bamberg v. 07.05.2013: Fehlende Unterschrift unter OWi-Urteil


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 07.05.2013 - 2 Ss OWi 493/13) hat entschieden:
Allein das Fehlen der nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO gebotenen aber versehentlich unterbliebenen Unterschrift des in einer Bußgeldsache erkennenden Richters unter seinem mit schriftlichen Gründen abgefassten und in den Akten befindlichen Urteil bedingt grundsätzlich nicht die Zulassung der gegen das Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde.


Siehe auch xxx und Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten


Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen erging am 26.09.2012 ein Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, der wegen (fahrlässiger) Unterschreitung des Mindestabstands von 50 m von einem vorausfahrenden Fahrzeug als Führer eines Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn eine Geldbuße von 80 € vorsah.

Der Betroffene legte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 01.10.2012, eingegangen am selben Tag, gegen den am28.09.2012 zugestellten Bußgeldbescheid Einspruch ein. Das Amtsgericht verurteilte den Betr. daraufhin am 11.02.2013 wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Mindestabstandes von 50 m als Führer eines Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf Autobahnen (§§ 4 Abs. 3 i.V.m. 49 Abs.1 Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 80,00 €.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, deren Zulassung er beantragt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts und die Verletzung rechtlichen Gehörs.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, auf die Rechtsbeschwerde das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Zur Begründung führt sie zutreffend aus, das in der Akte befindliche schriftliche Urteil sei durch den Tatrichter nicht unterschrieben, eine Nachholung der Unterschrift nach Ablauf der Frist des § 275 Abs.1 StPO nicht mehr zulässig. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Ansicht, das Fehlen eines unterschriebenen Urteils müsse bereits auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils führen.


II.

Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von 80 € festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

1. Alleine der Umstand, dass das schriftliche Urteil vom Richter, der die Entscheidung in der Hauptverhandlung vom 11.02.2013 getroffen und verkündet hat, nicht unterschrieben ist, führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

a) Zwar macht eine fehlende Unterschrift ein schriftliches Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft und führt auf die Rechtsbeschwerde zu seiner Aufhebung (vgl. Meyer- Goßner StPO 55. Aufl. § 275 Rn. 29 m.w.N.). Allerdings muss dies in den Fällen weniger bedeutsamer Ordnungswidrigkeiten, bei denen gegen das Urteil die Rechtsbeschwerde nur zulässig ist, wenn sie zugelassen wird (§§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 OWiG) nicht notwendigerweise zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen.

b) Bei unzulänglichen Urteilsgründen oder bei deren Fehlen kann die Zulassung geboten sein, um entweder zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen richtungweisend Stellung zu nehmen oder aber - in den nicht von der weiteren Beschränkung der Zulassungsrechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 OWiG erfassten Fällen - um einer so fehlerhaften Abfassung der Urteilsgründe entgegen zu wirken, dass nach ihrem Inhalt nicht mehr erkennbar ist, ob die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt ist.

c) Verfehlt ist es jedoch, die Rechtsbeschwerde allein deswegen zuzulassen, weil das Urteil keine Gründe enthält; denn das Rechtsbeschwerdegericht kann in solchen Fällen schon aufgrund des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrages, der Rechtsbeschwerdebegründung oder sonstiger Umstände (z.B. aus nachgeschobenen Urteilsgründen) entscheiden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen (Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 80 Rn.12 f. m.w.N.; Bearbeiter in Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 3. Aufl. [Stand: März 2012] § 80 Rn. 6; KK/Senge OWiG 3. Aufl. § 80 Rn. 32). Nichts anderes kann dann gelten, wenn das schriftliche Urteil (lediglich)nicht mit der Unterschrift des Richters versehen ist, weshalb dieser Fall entsprechend demjenigen zu behandeln ist, in dem das Urteil rechtsfehlerhaft über keine Urteilsgründe verfügt.

2. Im vorliegenden Fall lässt sich bereits anhand der bei der Akte befindlichen Begründung des - nicht unterschriebenen - schriftlichen Urteils entscheiden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen.

a) Daran, dass das bei der Akte befindliche - nicht unterschriebene - schriftliche Urteil vom Tatrichter verfasst wurde, bestehen keine Zweifel. Es ist ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle (§ 275 Abs. 1 Satz 5 StPO) - wenngleich (unbemerkt) vom Richter nicht unterschrieben - am 12.02.2013 zur Akte gelangt. Unmittelbar danach schließt sich die von demselben Richter unter dem 12.02.2013 unterzeichnete Verfügung an, nach der - wie auch geschehen - die Urteilsausfertigung an den Verteidiger zuzustellen und an den Betroffenen mitzuteilen war.

b) Aus der Urteilsbegründung lässt sich deutlich erkennen, dass weder ein Fall vorliegt, in dem die Zulassung geboten wäre, um zu den Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen richtungweisend Stellung zu nehmen, noch ein Fall in dem es aus sonstigen Gründen geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen. Eine solche Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts ist nur dann geboten, wenn bei Auslegung von Rechtssätzen und der rechtschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen sind, um dem Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit zu geben, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGHSt 24, 15/21; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.01.2011 - 3 Ss OWi 1696/10 = DAR 2011, 212 ff. = zfs 2011, 232 ff. = VRR 2011, 155 f. m.w.N.). Entscheidungserhebliche und zugleich in abstraktionsfähiger Weise klärungsbedürftige Fragen des materiellen Rechts sind nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen nicht gegeben und auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass im Rahmen der Beweiswürdigung die Urteilsgründe regelmäßig auch erkennen lassen müssen, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit die Einlassung für widerlegt ansieht (OLG Bamberg, Beschluss vom 09.07.2009 - 3 Ss OWi290/09 [bei juris] = OLGSt StPO § 267 Nr. 22 = DAR 2009, 655 [Ls] = VRR 2010, 32 f.; vgl. auch Göhler-Seitz § 71 Rn. 43 f.). Auch der Angriff der Verteidigung gegen die übrige Beweiswürdigung des tatrichterlichen Urteils lässt keine in abstraktionsfähiger Weise klärungsbedürftige Frage des materiellen Rechts erkennen, die eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gebietet. Die entscheidungserheblichen Fragen hinsichtlich des im vorliegenden Fall zur Feststellung des Verkehrsverstoßes eingesetzten Brückenabstandsmessverfahrens VAMA sind obergerichtlich geklärt (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 12.12.2012 - 3 Ss OWi 450/12 [bei juris] = zfs 2013, 290 ff. = VRR 2013, 111 f.; BayObLG, Beschluss vom 02.02.1999 - 1 ObOWi 15/99 [bei juris]).

c) Nur ergänzend ist anzumerken, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bei Geldbußen von nicht mehr als 100 € kein Zulassungsgrund ist.

3. Auch der Zulassungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) liegt nicht vor. Der Betroffene hat keine den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG genügende Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben (vgl. Göhler-Seitz § 80 Rn. 16d).

a) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs muss mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden (Göhler-Seitz § 80 Rn. 16a a.E.), die die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllt. Die Mitteilung der den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen muss so vollständig und genau sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Meyer-Goßner § 344 Rn. 24 a.E.).

b) Die vorbezeichneten Darlegungserfordernisse sind nicht gewahrt. Wird mit der Verfahrensrüge die Verletzung rechtlichen Gehörs durch Verwertung von dem Betroffenen unbekannten Beweismitteln im Abwesenheitsverfahren gerügt, so muss die Rüge auch die Darstellung enthalten, welche Beweismittel im Bußgeldbescheid angeführt waren (zur Relevanz von Angaben zu Beweismitteln im Bußgeldbescheid vgl. Rebmann/Roth/Herrmann § 74 Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall.


III.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird daher nach § 80 Abs. 4 Sätze 1 und 3 OWiG verworfen. Damit gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 4 OWiG).


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.