Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Köln Urteil vom 15.05.2013 - 18 O 148/08 - Mitverschulden eines Motorradfahrers an Unfallverletzungen auf Grund Nichttragens von Motorradschuhen und Beinschutzkleidung

LG Köln 15.05.2013: Zum Mitverschulden eines Motorradfahrers an Unfallverletzungen auf Grund Nichttragens von Motorradschuhen und Beinschutzkleidung


Das Landgericht Köln (Urteil vom 15.05.2013 - 18 O 148/08) hat entschieden:
Das Nichttragen einer ausreichenden Schutzkleidung führt regelmäßig dazu, dass sich der geschädigte Motorradfahrer ein anspruchsminderndes Mitverschulden allein aus diesem Umstand entgegenhalten lassen muss. Wirkt sich nach sachverständiger Beurteilung das Nichttragen von Motorradschutzkleidung (hier: Motorradstiefel und Schutzkleidung an den Beinen) nicht kausal auf die von dem Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen aus (hier: Sprunggelenksluxationsbruch mit Weichteilschaden), so kommt die Anrechnung eines Mitverschuldens nicht in Betracht.


Siehe auch Motorradschutzkleidung - Mitverschulden und Abzug "Neu für Alt" und Siehe auch Unfälle mit Kradbeteiligung - Motorradunfälle


Tatbestand:

Der am ... geborene Kläger befuhr mit seinem Motorrad der Marke Ducati M4, amtliches Kennzeichen ..., am ... in Köln die Straße "Y" in Fahrtrichtung Salierring. Während der Fahrt war der Kläger mit Jeanshose und "normalen" halbhohen Schuhstiefeln bekleidet, die nach strittiger Darstellung des Klägers noch dessen Knöchelbereich abdeckten. Wegen der Darstellung der strittigen Schuhe wird auf die Lichtbilder auf Bl. 133 GA Bezug genommen. Plötzlich und unvorhergesehen unternahm der Fahrer des bei der Beklagten pflichtversicherten PKW Kia, amtliches Kennzeichen ..., aus einer Parktasche der Gegenfahrbahn kommend ein Wendemanöver. Trotz eines Versuchs des Klägers, einem Zusammenstoß auszuweichen, kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Der PKW stieß mit der Front bzw. dem vorderen Stoßfänger seines Fahrzeugs seitlich gegen den Außenknöcheln bzw. das Sprunggelenk des linken Beins des Klägers. Der Kläger erlitt hierdurch eine bimalleoläre Sprunggelenksluxationsfraktur mit Weichteilschaden II Grades bei geschlossener Fraktur.

In der Zeit vom 00.00.00 bis 00.00.00 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Augustinerinnen mit insgesamt sieben operativen Eingriffen. Während des gesamten stationären Aufenthalts wurde der Kläger mit schmerzmindernden Medikamenten behandelt. Aufgrund zunehmender Dislokation des Innenknöchels sowie zur Entfernung einer irritierenden Schraube an der Fibulaspitze war vom 27.04.2007 bis zum 30.04.2007 ein weiterer stationärer Aufenthalt erforderlich. Im Anschluss führte der Kläger für die Dauer von acht Wochen eine ambulante Maßnahme an fünf Tagen pro Wochen zum Muskelaufbau und zur Mobilisierung durch. Zu Ostern 2008 erfolgte im Rahmen eines zweitägigen stationären Aufenthalts des Klägers die Materialentfernung. Beim Kläger verblieben eine deutliche Bewegungseinschränkung des linken Sprunggelenks mit Funktionseinschränkungen des linken Beins, eine geringe Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels, eine Schwellneigung des Sprunggelenks, Narbenbildung mit Gefühlsstörungen am Fußrücken, eine Veränderung mit Defekt in der Schienbeingelenkfläche sowie Anzeichen einer posttraumatischen Arthrose des oberen Sprunggelenks.

Die Beklagte regulierte nachfolgend den Sachschaden des Klägers (Fahrzeugschaden, Sachverständigenkosten, etc.) zu 100 %. Hinsichtlich des Personenschadens vertrat die Beklagte die Auffassung, dass sich der Kläger einen Mitverschuldensanteil von 25 % entgegenhalten lassen müsse, weil dieser keine Motorradstiefel getragen habe.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er sich kein anspruchsminderndes Mitverschulden anrechnen lassen müsse. Dieses könne nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass er keine Motorradstiefel getragen habe, da hierzu keine verbindliche Vorschrift existiere. Allein an den gesetzlichen Vorgaben seien etwaige Einschränkungen zu messen. Der Schädiger könne sich im Übrigen nicht darauf berufen, dass darüber hinausgehende mögliche und ggf. sinnvolle Schutzmaßnahmen zur Eigensicherung nicht ergriffen worden seien. Er behauptet in diesem Kontext, dass diverses Schuhwerk für Motorradfahrer angeboten werde, welches sich teils nicht von normalen halbhohen Straßenschuhen unterscheide. Allen Motorradstiefeln sei indessen gemein, dass diese keinen besseren Schutz gegen einen seitlichen Schlag gegen den Außenknöchel bzw. Sprunggelenksbereich bieten. Auch beim Tragen von "Motorradstiefeln" wäre die erlittene Verletzung in gleicher Gestalt eingetreten.

Er behauptet bezüglich seiner erlittenen Verletzungen, dass er aufgrund dieser seine vormals ausgeübten sportlichen Aktivitäten (Joggen, Fußball, Skifahren) nicht und seiner Jagdtätigkeit nur noch eingeschränkt ausüben könne und beständige Schmerzen verspüre. Er könne sein linkes Bein maximal für höchstens eine halbe Stunde belasten, weil der Fuß bereits nach kurzer Belastung schmerzhaft anschwelle. Es sei eine Wetterfühligkeit eingetreten. Die unfallbedingte MdE betrage 30 %.

Der Kläger beziffert seinen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes mit mindestens 35.000,00 EUR. Abzüglich eines vorgerichtlich durch die Beklagte gezahlten Schmerzensgeldbetrages von 6.750,00 EUR seien ihm noch weitere 28.250,00 EUR zuzusprechen.

Der Kläger beantragt,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2011 zu zahlen;

  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden anlässlich des Verkehrsunfalls vom 00.00.00 auf der Straße Y in Köln Altstadt/Süd über die von der Beklagten bereits anerkannte Haftungsquote von 75 % hinaus zu 100 % zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Kläger ein anspruchsminderndes Mitverschulden von wenigstens 25 % entgegenhalten lassen müsse, da er zum Unfallzeitpunkt mit Ausnahme eines Helms und einer Motorradjacke keine ausreichende Schutzkleidung getragen habe. Auch ohne gesetzliche Vorschriften sei es leichtsinnig und grob fahrlässig vom Kläger gewesen, nur mit Jeanshose und "normalen" Schuhen bekleidet Motorrad zu fahren. Insofern habe der Kläger gegen das ihm obliegende Eigeninteresse zum Selbstschutz verstoßen. Hierzu behauptet die Beklagte, dass die Verletzungen beim Tragen angemessener Schutzkleidung in Form von Motorradstiefeln nicht oder wenigstens in weit weniger erheblichen Form eingetreten wären oder mindestens Folgeschäden auszuschließen seien. Denn Motorradstiefel seien aus dickem Leder gefertigt, reichten über die Wade und mit einem verstärkten Fersen- und Knöchelschutz versehen, die auch im Falle eines seitlichen Aufpralls wirkungsvoll vor Verletzungen schützten. Motorradhosen seien im Fußknöchelbereich in der Regel mit zusätzlichen Protektoren ausgestattet. Die fehlende Schutzkleidung in Form von Motorradstiefeln und ausreichender Schutzkleidung habe sich ursächlich auf die erlittenen Verletzungsfolgen und deren Schwere ausgewirkt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Urkunden der Parteien sowie die Sitzungsprotokolle vom 28.10.2008, vom 04.10.2011 und vom 15.05.2013 ergänzend Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 18.11.2008, vom 06.07.2010, vom 18.10.2011 und vom 03.02.2012 zum Beweisthema der Vermeidbarkeit der Verletzungen des Klägers durch angemessene Schutzkleidung mittlerer Art und Güte durch Einholung eines interdisziplinären biomechanischen und medizinischen Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-​Ing. C2, Dipl.-​Ing. N2 und Prof. Dr. med. F sowie Herrn B (TÜV Rheinland). Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Köln (Az.: 506 Js 314/07) wurde beigezogen und den Sachverständigen zur Erstellung ihres Gutachtens zur Verfügung gestellt. Wegen des Ergebnisses wird auf die in der Gerichtsakte enthaltenen schriftlichen Gutachten vom 21.04.2010, vom 16.12.2010 und vom 30.04.2012 sowie die mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen Dipl.-​Ing. N2 und Prof. Dr. med. F in dem Termin vom 04.10.2011 und das hierzu erstellte Sitzungsprotokoll verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1) auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe eines Betrages von weiteren 11.250,00 EUR und bezüglich des Klageantrags zu 2) gänzlich begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 18.000,00 EUR aufgrund der erlittenen Verletzungen und hieraus resultierenden Dauerfolgeschäden aus dem Unfall vom 00.00.00 in Köln gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG, 253 BGB, 3 Nr. 1 PflVG (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung). Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 6.750,00 EUR sind dem Kläger mithin weitere 11.250,00 EUR zuzusprechen.

Zwischen den Parteien ist der Haftungsgrund und die grundsätzliche Einstandspflicht zwischen den Parteien gänzlich unstrittig geblieben, so dass hierzu jegliche Ausführungen entbehrlich sind. Soweit allein strittig blieb, ob sich der Kläger wegen unzureichender Schutzkleidung während der Fahrt mit einem leistungsstarken Motorrad ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung von wenigstens 25 % anspruchsmindernd gemäß § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen muss, ist dieses nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu verneinen, weil sich dieses jedenfalls nicht kausal auszuwirken vermochte.

Grundsätzlich gilt für den Einwand des Mitverschuldens, dass sich im Straßenverkehr für die Verkehrsteilnehmer die einzuhaltenden Schutzvorschriften nicht ausschließlich anhand der vom Gesetzgeber positiv formulierten Vorschriften ergeben. Vielmehr bemisst sich die einzuhaltende Sorgfaltspflicht der Straßenverkehrsteilnehmer an denjenigen Sorgfaltsanforderungen, die ein verständiger und ordentlicher Mensch zur Vermeidung eines Schadenseintritts generell anzuwenden pflegt. In diese Fragestellung ist im Wesentlichen entscheidend, ob ein sogenanntes Selbstverschulden gegeben ist, den erkannten Gefahren durch geeignete Schutzmaßnahmen zu begegnen. Für den Bereich der Teilnahme am Straßenverkehr ist mithin nicht lediglich die Frage nach der gesetzlich normierten Helmpflicht (§ 21a StVO) entscheidend. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, dass - wie die eingereichten Empfehlungen verschiedener Fachverbände unstrittig belegen - bei der Fahrt mit einem Motorrad eine angemessene Schutzkleidung bei jeder Fahrt zu fordern. Nach dem - auch dem Kläger zu unterstellenden Wissensstand - verringert das Tragen einer angemessenen Motorradschutzkleidung in Form von Stiefeln und Schutzkleidung die Verletzungsgefahren und -folgen eines Sturzes oder Unfalls in erheblicher Weise, wobei nicht verkannt wird, dass sämtliche Verletzungserscheinungen naturgemäß nicht zu vermeiden sind. Gleichwohl führt das Nichttragen einer ausreichenden Schutzkleidung regelmäßig dazu, dass sich der geschädigte Motorradfahrer ein anspruchsminderndes Mitverschulden allein aus diesem Umstand entgegenhalten lassen muss (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 23.07.2009 - 12 U 29/09 [Rn. 18]; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2006 - 1 U 137/05 [Rn. 27] - jeweils nach juris).

Nach einer Gegenansicht folgt aus dem fehlenden Schutz durch Tragen geeigneter Schuhe während der Motorradfahrt nicht generell ein minderndes Mitverschulden, weil es mangels ausdrücklicher gesetzlicher Normierung kein allgemeines Verkehrsbewusstsein gebe (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.04.2013 - 3 U 1897/12 [Rn. 20 ff.] - nach juris). Soweit nach dieser Ansicht ein allgemeines Verkehrsbewusstsein aufgrund diverser Unsicherheiten über den einzuhaltenden Mindestschutz verneint wurde, vermag sich das Gericht dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Denn die eingereichten Unterlagen verschiedener Verkehrs- und Motorradeinrichtungen im vorliegenden Rechtsstreit über die Empfehlung zu den Mindestanforderungen der Schutzkleidung belegen gerade dieses vom OLG Nürnberg verneinte Verkehrsbewusstsein. Die mit Schriftsätzen vom 12.06.2008 bzw. 17.11.2008 von der Beklagten zur Akte gereichten Stellungnahmen des "ADAC", "VIS Bayern" und "ifz" benennen für die einzuhaltende Schutzkleidung allesamt Stiefel als angemessen, wobei insbesondere die Broschüre der "ifz" die einzuhaltenden Anforderungen an die Stiefel hinreichend konkretisiert. Soweit das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung indessen auf die Vielfalt von erhältlichen Modellen und Ausführungen und damit einhergehender Unsicherheiten abstellt, vermag dieses nicht zu überzeugen. Nachdem auch nach den Ausführungen des OLG Nürnberg jedenfalls die gesetzlichen Vorschriften nach § 21a Abs. 2 StVO hinsichtlich der Schutzhelme uneingeschränkt einzuhalten sind, muss diesem daher entgegengehalten werden, dass die gesetzliche Vorschrift ebenfalls nur "geeignete Schutzhelme" vorschreibt und auch in diesem Bereich eine Vielzahl von Modellen und Ausführungen angeboten werden. Gleichwohl hat sich diesbezüglich trotz der abstrakten Gesetzesfassung ein ausreichendes Verkehrsbewusstsein an die einzuhaltenden Mindestanforderungen der Schutzhelme herausgebildet.

Vorliegend hatte der Kläger unstrittig weder eine Schutzbekleidung an den Beinen noch spezielle Motorradstiefel oder -schuhe getragen, sondern war während der Fahrt mit Jeans und "normalen" Straßenschuhen bekleidet gewesen. Nach vorstehenden Ausführungen kann es mithin dahinstehen, ob diese über die Knöchel reichten oder nicht, da es sich jedenfalls unstrittig nicht um speziell für Motorradfahrer angefertigte Schuhe handelte. Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger insofern jedenfalls objektiv ein Pflichtenverstoß anzulasten, indem er auf geeignete Schutzkleidung sichtlich verzichtet hatte.

Gleichwohl kommt ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Klägers nicht in Betracht, da sich dieser objektive Sorgfaltsverstoß des Klägers nicht ursächlich ausgewirkt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand zu vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) fest, dass die eingetretenen Verletzungen nicht durch das Tragen spezieller Schutzkleidung oder -stiefel hätte vermieden werden können. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen des interdisziplinären Gutachtens konnte anhand der eigens durchgeführten Testreihe eine Schutzwirkung von Motorradstiefeln nur bei einer unterhalb der konkret beim Unfall entstandenen Kollisionsgeschwindigkeit nachgewiesen werden. Die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Dipl.-​Ing. C2, Dipl.-​Ing. N2 und Prof. Dr. med. F bestätigen unter Darstellung der gesamten technischen Details, die in sich nachvollziehbar in der Anhörung der Sachverständigen N2 und F im Einzelnen im Termin vom 04.10.2011 erläutert wurden, dass die beim Unfall auf das Bein des Klägers einwirkende Kraft deutlich oberhalb derjenigen Krafteinwirkung lag, in welcher in den Versuchsreihen eine Schutzwirkung von Motorradstiefeln nachgewiesen werden konnte. Konkret wurden durch das technische Gutachten der Sachverständigen C2 und N2 die beim tatsächlichen Unfallgeschehen auftretende Kraft mit 18 kN ermittelt und berechnet. Demgegenüber kam es in der durchgeführten Versuchsreihe bereits bei Krafteinwirkungen von 10 kN zu knöchernen Verletzungen der durch Stiefel geschützten verwendeten Schweinebeine, welches durch das medizinische Gutachten des Sachverständigen F eindeutig bestätigt wird.

Die Überzeugungsbildung des Gerichts kann auch durch die von der Beklagten zur Akte gereicht Privatgutachten von Prof. Dr. C3 nicht entkräftet werden. Soweit die privatgutachterlichen Stellungnahmen überwiegend die Feststellungen des gerichtlichen Gutachtens in Frage stellen und dieses mit den Unterschieden zwischen den tatsächlichen Begebenheiten und den klinischen Versuchsbedingungen erklärt, vermag dieses nicht zu überzeugen. Denn naturgemäß kann in klinischen Versuchsreihen der tatsächliche Unfall nicht bis in das kleinste Detail nachgestellt werden, wie sich bereits aus den einleitenden Ausführungen des ersten Gutachtens über den Versuchsaufbau erkennen lässt. Insofern sind auch die weitergehenden medizinischen Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen F nachvollziehbar und überzeugend, dass für die sachverständige Begutachtung nicht unbedingt auf die gleichartigen Verletzungserscheinungen abzustellen ist, sondern es auf die festgestellten weitgehend entsprechenden Verletzungen an den verwendeten Schweinebeinen ankommen musste. Diese Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen vermögen insbesondere vor dem Hintergrund zu überzeugen, dass bei der Versuchsreihe nicht auf menschliche Beine zurückgegriffen werden konnte, sondern auf anatomisch weitgehend vergleichbare Schweinebeine abgestellt werden musst. Zudem waren auch bei diesen noch altersbedingte Unterschiede in Form einer beim Kläger bereits verknöcherten Wachstumsfuge zu berücksichtigen. Vor diesen Ausführungen wurden die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen zur Überzeugungsbildung des Gerichts nicht erschüttert.

Soweit die Beklagte den weitergehenden Einwand erhob, dass die Ergebnisse des Gerichtsgutachtens nicht verwertbar seien, weil nicht das geeignete Material in Form von Motorradstiefeln mindestens mittlerer Art und Güte verwendet worden sei, vermochte das Gericht auch dieser Einschätzung nicht zu folgen. Dabei kann sich das Gericht vollständig auf die Ausführungen des TÜV-​Gutachtens des Sachverständigen B beziehen und sich den dortigen Ausführungen gänzlich anschließen. Der Sachverständige B beschreibt in seinem Gutachten in nachvollziehbarer Weise, dass es mit Ausnahme für professionelle Fahrer keine verbindlichen Normen über den einzuhaltenden Standard von Schutzschuhen für Motorradfahrer gibt. Unter kritischer Einbeziehung der für den professionellen Einsatz gültigen Norm EN 13634 unterteilt der Sachverständige sechs verschiedene Kategorien von ungenügender bis sehr hohe Art und Güte. Dabei klassifiziert er Schuhe mittlerer Art und Güte mit den Kriterien eines Schuhs aus verstärkten Materialien mit einem hohen Schaft und ordnet die im Rahmen der Versuchsreihe verwendeten Stiefel dieser Stufe zu. Diesen nachvollziehbaren Ausführungen, denen die Parteien nicht weiter entgegengetreten sind, vermag sich das Gericht nach kritischer Würdigung mithin vollständig anzuschließen. Weitergehend kann das Gericht sich angesichts des vorstehenden Beweisergebnisses auch der Auffassung der Beklagten nicht anzuschließen, dass die Qualitätsstandards der Schutzkleidung mit der Qualität oder Leistungsstärke des gefahrenen Motorrads einhergingen und ggf. zu erhöhten Anforderungen gelangen müssten. Nachdem außerhalb des professionellen Einsatzes keine verbindlichen Normen existieren und das Tragen von Schutzkleidung von dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein abhängig ist, sind über das mittlere Maß hinausgehende Anforderungen keinesfalls zu stellen. Dieses ergibt sich im Übrigen auch aus dem Umstand, dass sich der konkrete Unfall bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 40 km/h im innerstädtischen Verkehr ereignet hat, und diese auch von deutlich leistungsschwächeren Motorrädern erreicht werden konnte und mithin von der tatsächlichen Leistungsstärke und Art des Motorrads nicht abhängig waren.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Gericht in die Schätzung (§§ 253 BGB, 287 ZPO) die eingetretenen Verletzungen, deren eingetretenen Folgen und Dauerschäden sowie den Heilungsverlauf einbezogen. Hiernach waren die eigentliche Verletzung des Klägers in Form einer linksseitigen bimalleoläre Sprunggelenksluxationsfraktur mit Weichteilschaden II Grades bei geschlossener Fraktur gänzlich unstrittig geblieben und durch die zur Akte gereichten ärztlichen und rentenbezogenen Unterlagen ausreichend belegt worden. Auch die Behandlung der Verletzung ist unstrittig geblieben und ausreichend belegt, wonach der Kläger nach dem Unfall für die Dauer von einem Monat (00.00.00 bis 00.00.00) in stationärer Behandlung war und in dieser Zeit insgesamt sieben operative Eingriffe erfolgten, die in dem ersten Rentengutachten (Anlage zur Klageschrift, Bl. 8 GA) detailliert beschrieben wurden. Zudem sind durch das bezeichnete erste Rentengutachten auch die nachfolgende ambulante Behandlung und zwei weitere Operationen ausreichend belegt.

Weitergehend ist dem Rentengutachten vom 23.11.2009 an verbliebenen Dauerschäden und Unfallfolgen zu entnehmen, dass sich diese in einer deutlichen Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenkes mit Funktionseinschränkung des linken Beines, einer geringen Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels, einer Schwellneigung des Sprunggelenkes, einer Narbenbildung mit Gefühlsstörung am Fußrücken und einer röntgenologischen Veränderung mit Defekt in der Schienbeingelenkfläche sowie Zeichen einer posttraumatischen Arthrose des oberen Sprunggelenkes herausgebildet haben und mit einer Besserung nicht zu rechnen ist. Soweit zwischen den Parteien allein strittig blieb, ob die eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 20 % (so die Beklagte) oder mit 30 % (so der Kläger) zu bewerten sei, bewertet das Gericht diese mit dem Wert einer MdE von 30 %. Maßgeblich hierfür ist das von dem Kläger eingereichte Rentengutachten vom 23.11.2009, das diesen Wert nach eigener Untersuchung der das Gutachten erstattenden Ärzte Dr. B2 und Dr. C4 ausweist. Diesem steht die gegengutachterliche Stellungnahme der Beklagten vom 07.01.2011 nicht entgegen. Denn dieses basiert gerade nicht auf einer eigenen Untersuchung der erstattenden Ärztin Dr. N4. Vielmehr bewertet diese das vorbezeichnete Rentengutachten und stellt lediglich fest, dass die Bewertung der MdE von 30 % im Rentengutachten zu hoch erscheine. Damit ergibt sich jedenfalls aus diesem Wortlaut, dass die getroffene Bewertung einer MdE von 30 % aber gleichwohl noch realistisch ist. Mithin gibt das Gericht aufgrund der unmittelbar getroffenen Feststellungen des Rentengutachtens durch die dort begutachtenden Ärzte den Vorrang.

Schließlich ist durch das zweite Rentengutachten belegt, dass das linke Sprunggelenk des Klägers aufgrund der erlittenen Verletzungen mit dauerhaft verbliebenen Einschränkungen belastet ist, indem die Gesamtbeweglichkeit im Vergleich zum rechten Gelenk deutlich vermindert ist (Seite 3 des Gutachtens vom 23.11.2009). Damit einhergehend sind in dem Gutachten Bewegungseinschränkungen beschrieben worden (geringes Schonhinken, Absenken in die Hocke nur zu etwa 1/3 möglich, unsicherer Einbeinstand links), die ersichtlich erkennen lassen, dass diese erheblichen Einfluss auf die Lebensgestaltung des Klägers insgesamt zu nehmen vermögen. Insofern kommt es für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht gesondert darauf an, ob hiermit zusätzlich eine Einschränkung des Klägers in seinen sportlichen Aktivitäten verbunden ist.

Es wirkt sich demgegenüber nicht schmerzensgelderhöhend aus, dass die Beklagte bislang ein Schmerzensgeld nur in Höhe eines Betrages von 6.750,00 EUR ausgezahlt hat. Angesichts der strittigen und nicht gänzlich auszuschließenden Rechtsfrage, ob sich der Kläger ein minderndes Mitverschulden aufgrund seines objektiv vorliegenden Pflichtenverstoßes anzulasten hatte, stellt dieses angesichts der langwierigen Beweisaufnahme keinen Umstand dar, der sich einseitig zu Lasten der Beklagten auf die Höhe des zu bemessenden Schmerzensgeldes auswirken konnte. Die Höhe des Schmerzensgeldes von 18.000,00 EUR verhält sich auch im Rahmen vergleichbarer Entscheidungen. Hierzu bezieht sich das Gericht auf nachfolgend zitierte Entscheidungen, in denen :

- OLG Hamm, Urteil vom 07.11.1996, Az.: 27 U 104/96 (Hacks / Wellner / Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2013, 31. Aufl., lfd. Nr. 768): 12.500,00 EUR

- OLG Koblenz, Urteil vom 08.11.1993, Az.: 12 U 1687/92 (Hacks / Wellner / Häcker, lfd. Nr. 769): 12.500,00 EUR

- OLG Frankfurt, Urteil vom 19.08.2009, Az.: 7 U 23/08 (nach juris): 7.500,00 EUR

Die Erhöhung des Schmerzensgeldes im vorliegenden Rechtsstreit rechtfertigt sich damit, dass die beiden erstgenannten Entscheidungen bereits 17 bzw. 20 Jahre zurückliegen und mithin inflationsbedingt anzupassen sind und die bereits dauerhaft eingetretenen Verletzungsfolgen des Klägers im vorliegenden Fall hinsichtlich der eingetretenen Dauerschäden und der MdE von 30 % ebenfalls zu einer Erhöhung führen müssen.

Demgegenüber ist ein Schmerzensgeld von über 30.000,00 EUR auch nach anderen Entscheidungen nicht gerechtfertigt. Soweit das OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 27.04.1992 (Az.: 12 U 181/91 in Hacks / Wellner / Häcker, lfd. Nr. 805) ein Schmerzensgeld von 30.000,00 EUR erkannte, lagen dieser Entscheidung weitere schwerwiegende Verletzungen (beidseitige Fraktur am Beckenring, Bruch des linken Fußes und der linken Mittelhand, Amputation des linken Großzehs) sowie deutlich gravierendere Unfallfolgen (Berufsunfähigkeit von 100 %, MdE 75 %) zugrunde. Auch die Entscheidung des LG Hamburg vom 28.02.2003 (Az.: 306 O 51/95 in Hacks / Wellner / Häcker, lfd. Nr. 806) mit einem erkannten Schmerzensgeldbetrag von 31.500,00 EUR ist trotz vergleichbarer Unfallverletzungen und Behandlungsdauer aufgrund der weitergehenden Beeinträchtigungen und Unfallfolgen (bereits deutlich ausgebildete posttraumatische Arthrose, deutliche Gang- und Standbehinderung, seelische Beeinträchtigung) nicht übertragbar.

Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ab Rechtshängigkeit des am 10.01.2011 zugestellten Schriftsatzes vom 17.12.2010.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet, da bereits eine dauerhafte unfallbedingte Beeinträchtigung eingetreten ist, so dass nicht absehbar ist, ob hieraus künftig weitere Verschlimmerungen des Zustands des Klägers oder gar weitere unerkannte Schäden resultieren könnten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.

Die Kosten sind gemäß § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben, da sich das Verhältnis der Parteien von Unterliegen und Obsiegen mit jeweils nahezu gleichen Anteilen die Waage hält. Ein Fall der einseitigen Kostenpflicht nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist trotz des unbezifferten Klageantrags nicht gegeben, da für die Entscheidung auf die Vorstellung des Klägers abzustellen ist. Bei Abweichungen von mehr als 20 % ist die Kostenregelung nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht mehr anwendbar mit der Folge einer quotalen Kostenentscheidung (vgl. Hüßtege in: Thomas / Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 92 Rn. 9).

Streitwert: 34.250,00 EUR
für den Antrag zu Ziffer 1: 28.250,00 EUR
für den Antrag zu Ziffer 2: 6.000,00 EUR