Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Düsseldorf Beschluss vom 22.11.2000 - 2a Ss (OWi) 142/00 - Lichtbildbeweis und Beweisantrag

OLG Düsseldorf v. 22.11.2000: Ablehnung eines Beweisantrags gegenüber einem Tatfoto


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 22.11.2000 - 2a Ss (OWi) 142/00) hat entschieden:
Mit der Rechtsbeschwerde kann grundsätzlich nicht beanstandet werden, der Betroffenen sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgelichteten Person identisch. Einem Beweisantrag zur Vernehmung einer Person, die das Fahrzeug zum Vorfallzeitpunkt gefahren haben soll, braucht der Tatrichter nur stattzugeben, wenn erkennbar ist oder behauptet wird, dass zwischen dem Betroffenen und der im Beweisantrag genannten Person eine derartigen Ähnlichkeit besteht, dass von nahezu identischem Aussehen der beiden Personen ausgegangen werden muss.


Siehe auch Lichtbildbeweis - Radarfoto - Videoaufzeichnung - Passfotovergleich - Wahllichtbildvorlage und Der Beweisantrag im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen vorsätzlicher Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 41, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG" zu einer Geldbuße von 950,00 DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führt zur klarstellenden Neufassung des Schuldspruchs sowie zur Änderung des Rechtsfolgenausspruchs durch den Senat. Im übrigen ist sie nicht begründet.

I.

Zum Schuldspruch war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen (§§ 349 Abs. 2 und 3 StPO, 79 Abs. 3 OWiG). Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Die Entscheidungsformel war allerdings klarstellend neu zu fassen. Die Tat ist in der Urteilsformel mit der gesetzlichen Überschrift des Bußgeldtatbestandes zu bezeichnen. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 260 Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 StPO; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 71 Rdnr. 41).

Soweit der Betroffene die Verletzung des § 77 OWiG rügt, weist der Senat ergänzend zu dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in NZV 1993, 452 und auf Lemke in HK-OWiG, § 77 Rdnrn. 18 ff hin. Die Beweisfotos, auf die das Amtsgericht rechtsfehlerfrei nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen hat, sind zur Identifizierung des Fahrers uneingeschränkt geeignet. Mit der Rechtsbeschwerde kann daher grundsätzlich nicht beanstandet werden, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgelichteten Person identisch. Eine Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich versagt (vgl. BGH StV 1996, 413 = VM 1996, 89). Der Vernehmung des Vetters des Betroffenen als Zeugen, der das Fahrzeug zum Vorfallzeitpunkt gefahren haben soll, hätte es unter diesen Umständen zur weiteren Erforschung der Wahrheit nur bedurft, wenn erkennbar oder behauptet worden wäre, daß zwischen dem Betroffenen und seinem Vetter eine derartige Ähnlichkeit besteht, daß von nahezu identischem Aussehen der beiden Personen ausgegangen werden müßte. Dies ist indes in dem gestellten Beweisantrag, der sich auf das Vorbringen, der Vetter des Betroffenen habe das Fahrzeug gesteuert, beschränkt, nicht dargetan (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).


II.

Keinen Bestand hat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch.

Die vom Amtsgericht vorgenommene Verdoppelung der "nach dem Bußgeldkatalog vorliegenden Regelgeldbuße von 400,00 DM für fahrlässige Begehungsweise wegen des Vorsatzes" (UA S. 11) ist rechtsfehlerhaft. Das Urteil läßt nicht hinreichend deutlich erkennen, daß Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der den Täter treffende Vorwurf gewesen sind, § 17 Abs. 3 OWiG. Einziges genanntes Zumessungskriterium für die Erhöhung der Geldbuße von 400,00 DM auf (zunächst) 800,00 DM ist die vorsätzliche Begehungsweise der Geschwindigkeitsüberschreitung. Es ist daher nicht auszuschließen, daß das Amtsgericht der Auffassung war, nach der Bußgeldkatalog-Verordnung seien vorsätzliche Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich durch Verdoppelung der im Bußgeldkatalog für fahrlässige Begehung (§ 1 Abs. 2 BKatV) enthaltenen Regelsätze zu ahnden. Eine solche Schematisierung ist der Bußgeldkatalog-Verordnung nicht zu entnehmen; sie widerspricht den in § 17 Abs. 3 OWiG niedergelegten Grundsätzen der Bußgeldbemessung (Göhler a.a.O. § 17 Rdnr. 30; OLG Düsseldorf NZV 1994, 205).


III.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt wegen der zwischen Geldbuße und Fahrverbot bestehenden Wechselwirkung zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht bedarf es hier allerdings nicht. Aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist der Senat in der Lage, gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden und den Rechtsfolgenausspruch neu festzusetzen:

1. Die Geldbuße hat der Senat auf Grundlage der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des dem Betroffenen treffenden Vorwurfs bemessen, § 17 Abs. 3 OWiG. Dabei war zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen, daß die Tat schon etwa 1 3/4 Jahre zurückliegt und von zwischenzeitlich ordnungsgemäßem Verhalten des Betroffenen im Straßenverkehr auszugehen ist. Zu Lasten des Betroffenen wirkte sich die vorsätzliche Begehungsweise der Geschwindigkeitsüberschreitung aus. Die drei einschlägigen Vorbelastungen waren wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Tilgungsreife (§ 29 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 3 StVG) nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen zu verwerten. Bei zusammenfassender Würdigung hat der Senat die sich aus Nr. 5.3.6 BKatV ergebende Regelbuße von 400,00 DM auf 550,00 DM erhöht. Dieser Betrag erschien angemessen auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen, der nach den Feststellungen des Amtsgerichts über ein regelmäßiges Einkommen verfügt.

2. Die Anordnung des Fahrverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BKatV. Danach kommt in Verbindung mit Nr. 5.3.6 BKatV für Geschwindigkeitsüberschreitungen von über 60 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften in der Regel ein Fahrverbot von einem Monat in Betracht.

Von dem so indizierten Fahrverbot kann auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht abgesehen werden. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils bieten keine Anhaltspunkte für Besonderheiten in der Tat oder den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen. Auch bei angemessener Erhöhung der Geldbuße kann von der Anordnung eines Fahrverbotes nicht abgesehen werden. Insbesondere im Hinblick auf die vorsätzliche Begehungsweise der Geschwindigkeitsüberschreitung wäre die vom Gesetzgeber erstrebte Denkzettelwirkung auf diesem Wege nicht zu erreichen.

3. Der Ausspruch zur Wirksamkeit des Fahrverbots beruht auf § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG.


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO. Der Teilerfolg des Betroffenen durch Herabsetzung der Geldbuße führt nicht zur Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO. Es ist nach den Umständen nicht anzunehmen, daß der Betroffene das Rechtsmittel nicht eingelegt hätte, wenn schon das Amtsgericht neben dem Fahrverbot eine Geldbuße von 550,00 DM festgesetzt hätte (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 473 Rdnr. 26 m.w.N.).